The Washington Post

„5 Held in Plot To Bug Democrats’ Office Here“– Mit dieser Schlagzeile vom 18. Juni 1972 begann die Berichterstattung der Washington Post über die Watergate-Affäre, die die Zeitung weltbekannt und zum Vorbild für investigativen Journalismus machte. Knapp 40 Jahre später kämpft das von der Zeitungs- und Wirtschaftskrise schwer getroffene Blatt mit Leserschwund und Millionenverlusten. Ohne durch die jahrelange Querfinanzierung durch den Mutterkonzern wäre die „Post“ bereits seit lange bankrott. Hinzu kommt, dass die prekäre wirtschaftliche Situation zunehmend die journalistische Integrität der Zeitung bedroht. Im Sommer 2013 verkaufte die Graham-Familie die "Post" an den Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Basisdaten

Zeitung

Hauptsitz
The Washington Post (Company)
1150 15th St. NW
Washington, DC 20071
letters(at)washpost.com
www.washingtonpost.com

Redaktion/ Verlagsleitung:

  • Martin Baron, Executive Editor
  • Raju Narisetti, Managing Editor
  • Elizabeth Spayd, Managing Editor
  • Shirley Carswell, Deputy Managing Editor
  • Katharine Weymouth, Publisher

 

Auflage: 578,482 Exemplare (wochentags), 542,463 (Sa), 797,679 (So) (Stand: September 2010, Quelle: Audit Bureau of Circulations)

Washington Post Company

Branche: Zeitungen, Printmagazine, TV-Sender, Kabelnetze, Online-Angebote sowie Aus-, Fortbildungs- und Karrieredienste
Rechtsform:  Aktiengesellschaft (seit 1971)
Geschäftsjahr: 01.01. - 31.12.
Gründungsjahr: 1877

Tab. I: Ökonomische Basisdaten (Beträge in Mio. $)
20092008200720062005200420032002
Umsatz Gesamt4.5704.4624.1803.9053.5543.3002.8392.584
Gewinn nach Steuern91,20065,776288,61324,46314,3332,7241,1204,3
Aktienkurs in $ (Jahresende)430,59388,50791,43754,60765,00983,02791,40738,00
Dividende in $8,608,608,207,807,407,005,805,60
Beschäftigte21.50020.00019.00017.10016.40014.80013.20011.600

Tab. II: Umsatz nach Geschäftsfeldern (in Mio. $)
ZeitungenMagazineTV-StationenKabelfernsehenEducation
2007889,8288,4340,0626,42.038
2008250,9250,9325,1719,12.371
2009184,2184,2272,7750,42.637

Management

  • Donald E. Graham, CEO
  • Veronica Dillon, Senior Vice President, General Counsel & Secretary
  • Boisfeillet Jones, Jr., Vice Chairman
  • Hal S. Jones, Senior Vice President-Finance & CFO
  • Ann L. McDaniel, Senior Vice President
  • Christopher Ma, Senior Vice President
  • Vijay Ravindran, Senior Vice President & Chief Digital Officer
  • Gerald M. Rosberg, Senior Vice President-Planning and Development
  • Rima Calderon, Vice President-Communications and External Relations
  • Wallace R. Cooney, Vice President-Finance & Chief Accounting Officer
  • Denise Demeter, Vice President-Human Resources
  • Stacey Halota, Vice President-Information Securiy and Privacy
  • Jocelyn E. Henderson, Vice President-Corporate Audit Services
  • Yuvinder Kochan, Vice President-Technology, Chief Technology Officer
  • Anthony Lyddane, Vice President-Tax
  • Daniel J. Lynch, Vice President & Treasurer
  • Nicole M. Maddrey, Assistant Secretary & Associate General Counsel
  • Pinkie Dent Mayfield, Vice President-Corporate Solutions & Assistant Treasurer
  • Aloma L. Myers, Assistant Treasurer
  • Andrea Papa, Assistant Controller

 

Aufsichtsrat

  • Donald E. Graham
  • Katharine Weymouth
  • Lee C. Bollinger, Columbia University New York
  • Warren E. Buffet, Berkshire Hathaway Inc.
  • Christopher C. Davis, Davis Selected Advisers, LP
  • Barry Diller, IAC, Expedia
  • John L. Dotson Jr., Akron Beacon-Journal
  • Melinda French Gates, Bill & Melinda Gates Foundation
  • Thomas S. Gayner, Markel Corporation
  • Anne M. Mulcahy, Xerox Corporation
  • Ronald L. Olson, Tolles & Olson LLP
  • G. Richard Wagoner, General Motors Corporation

Geschichte und Profil

John McLean wollte nicht, dass Sohn Edward nach seinem Tod die Kontrolle über die Washington Post übernimmt. McLean, der die 1877 gegründete Zeitung 1905 erworben hatte, als er bereits Besitzer des Cincinnati Enquirer war, misstraute den verlegerischen Fähigkeiten seines Sohnes. Denn Edward „Ned“ McLean war die Karikatur eines missratenen Millionenerben: ungebildet, verschwenderisch und unter ständigem Alkoholeinfluss lebte er mit seiner Frau, einem Affen und einem Lama in einem riesigen Anwesen in Washington. Sein Vater legte früh fest, dass die „Post“ nach seinem Ableben von einer gemeinnützigen Stiftung kontrolliert werden sollte. Doch Edward klagte gegen seinen Ausschluss und wurde 1916 Besitzer und Herausgeber der Zeitung. Unter seiner Ägide verkam die „Post“ zur nur noch fünftgrößten Zeitung im District of Columbia. 1924 begann ein langjähriges Insolvenzverfahren an dessen Ende der alkoholkranke McLean in einer geschlossenen Anstalt landete und die „Post“ im Rahmen einer Auktion versteigert wurde.

Mit dem Höchstgebot von 825 000 US-Dollar setzte sich Eugene Meyer gegen die Konkurrenz durch – unter anderem zeigte sich auch William Randolph Hearst interessiert – und wurde neuer Besitzer der Zeitung. Meyer, Jahrgang 1875, war ein französisch-jüdischer Einwanderer, der es in den Staaten als Gründer des Chemiekonzerns Allied Chemical zu extremen Wohlstand und Einfluss gebracht hatte. Vor dem Kauf der „Post“ war er von Präsident Roosevelt zum Chef der Federal Reserve Bank ernannt worden.

Meyer gelang es mit millionenschweren Investitionen, die von seinem Vorgänger heruntergewirtschaftete Zeitung auf ein stabileres Fundament zu stellen, so dass 1943 erstmals schwarze Zahlen geschrieben wurden. Die Konsolidierung setzte sich fort, als Meyer 1946 seinen Schwiegersohn Phil Graham zum Verleger machte, um sich auf seine Tätigkeit als Chef der Weltbank zu konzentrieren. Graham war es, der Hearst 1954 den Washington Times-Herald für die Summe von 8,5 Millionen US-Dollar abkaufte und umgehend einstellte, um sich einen unliebsamen Konkurrenten auf dem umkämpften Washingtoner Zeitungsmarkt zu entledigen. Außerdem zeichnete sich Graham für die Expansion des Unternehmens in zeitungsfremde Märkte verantwortlich. 1950 wurden mit WTOP (Washington) und WJXT (Florida) die ersten lokalen Fernsehsender, sowie mit Newsweek, Art News und Portfolio die ersten Magazine akquiriert.

Dennoch blieb die „Post“ bis in die 1960er Jahre auf dem örtlichen Zeitungsmarkt nur die Nummer zwei hinter dem Washington Star. Dies änderte sich als Katharine Graham Verlegerin der Zeitung wurde, nachdem sich ihr psychisch erkrankter Gatte 1963 mit einer Schrotflinte das Leben genommen hatte. Graham machte 1965 einen gewissen Ben Bradlee zum Chefredakteur – einen Posten, den dieser bis 1991 behielt. Bradlee, der seine journalistische Karriere als Korrespondent von Newsweek begonnen hatte, war Chefredakteur und Verlagsmanager in einem. Unter seiner Leitung legte die damals noch als Lokalzeitung geltende „Post“ ihre Provinzialität endgültig ab und professionalisierte ihren Newsroom, der innerhalb von 20 Jahren auf 700 Journalisten anstieg.

Die 1970er Jahre wurden für die „Post“ zum goldenen Jahrzehnt. Zwei Enthüllungen sorgten dafür, dass die Zeitung zu einem Synonym für mutigen investigativen Journalismus wurde, der sich nicht vor der Konfrontation mit den Machthabern scheut: 1971 veröffentlichte die „Post“ (fünf Tage nach der New York Times) Auszüge aus den Pentagon Papers, die ein verheerendes Bild des Vietnamkriegs zeichneten. Ein Jahr später berichteten die „Post“-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein über den Einbruch in das Watergate-Hotel – Pulitzer-gekrönte Recherchen, die 1974 ihren Teil dazu beitrugen, dass Präsident Nixon zurücktrat. Der glänzende Ruf der Zeitung erreichte 1976 seinen vorläufigen Höhepunkt, als die Verfilmung von Woodwards und Bernsteins Watergate-Buch „All the President’s Men“ in die Kinos kam.

Doch bereits Anfang der achtziger Jahre geriet die Washington Post in ihre erste schwere Glaubwürdigkeitskrise. Grund dafür war eine im September 1980 veröffentlichte Reportage über einen vermeintlich achtjährigen Heroinabhängigen namens Jimmy, die der Journalistin Janet Cooke einen Pulitzer-Preis einbrachte. Ein halbes Jahr nach Veröffentlichung stellte sich jedoch heraus, dass „Jimmys World“ komplett erfunden war. Zwar handelte es sich um eine individuelle Verfehlung einer Reporterin; dennoch besaß die Affäre eine gewisse Aussagekraft für den Zustand der gesamten „Post“-Redaktion. Cooke äußerte später in Interviews, dass es unter anderem der Druck der Chefredaktion sowie ein celebrity-Kult war, der einzelne Journalisten zu Stars hochstilisierte, der sie dazu gebracht hatte, die Geschichte zu erfinden.

1991 verabschiedete sich Ben Bradlee in den Vorruhestand und wurde zum Vizepräsidenten der Washington Post ernannt. Neuer Chefredakteur wurde Len Downie. Der Sohn eines Milchmanns begann bei der „Post“ als normaler Stadt-Reporter, der später durch eine Serie über Korruption im Gerichtswesen auf sich aufmerksam machte. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger musste sich Downie erstmals mit dem Aufkommen des Internets und dessen Einfluss auf gedruckte Zeitungen auseinandersetzen. Die Konsequenzen des technischen Fortschritts für die gedruckte Zeitung wurden bei der „Post“ regelmäßig ignoriert oder als Panikmache abgetan. So warnte der Chef vom Dienst, Bob Kaiser, den Vorstand bereits 1992 nach einem Japan-Besuch in einem Memo vergeblich vor den technischen Veränderungen, die durch Computer und Internet resultieren. Kaiser forderte den Vorstand explizit dazu auf, mit der Entwicklung einer Onlinezeitung samt Online-Anzeigen zu beginnen. Zu dieser Zeit entwickelte der „Post“-Mitarbeiter Mark Potts bereits einen Prototyp der digitalen Washington Post, den er „ElectroPost“ bzw. „PostCard“ taufte.

Doch Kaiser und Potts stießen mit ihren Forderungen bei den Verantwortlichen – insbesondere beim Herausgeber und späteren CEO des Verlags Don Graham – auf taube Ohren. Graham war es auch, der Anfang der 1990er Jahre entschied, Print- und Onlineredaktion räumlich zu trennen; letztere befand sich auf der anderen Seite des Potomacs in Arlington, Virginia. Die Alarmglocken schrillten erst, als 1994 nach dreißig Jahren stetigen Wachstums die Reichweiten-Zahlen zu sinken begannen. Verlagspräsident Allan Spoon, ein technikbegeisterter MIT-Absolvent, der bereits in den 1970ern online war, kümmerte sich fortan um die Internet-Strategie. Diese wurde anfangs jedoch nur langsam und inkonsequent umgesetzt.

So hatte die „Post“ im Oktober 1995 bereits 29000 Online-Abonnenten, die zwanzig US-Dollar im Monat für den Zugang zur Website bezahlten. Doch im Zuge der aufkommenden Popularität sprach sich Spoon für eine Gratis-Website aus, um Schritt für Schritt eine Online-Leserschaft aufzubauen. Im Juni 1996 kam es zum ersten Relaunch von washingtonpost.com, dessen wesentliche Neuerung – die zeitnahe Veröffentlichung sämtlicher Artikel – zu einem Kulturschock in der Print-Redaktion führte. Wie bei den meisten Online-Auftritten von Zeitungen blieb der Erfolg jedoch aus, unter anderem weil die Homepage laut „Post“-Chronist Dave Kindred aussah „wie ein an den Bildschirm tapeziertes Rentnerblatt“.

Erst ein knappes Jahrzehnt und 40 Millionen Dollar Investitionskosten später fiel washingtonpost.com erstmals durch Innovationen auf. So wurde die Webseite 2005 zur ersten Zeitungshomepage mit einem eigenen, von Journalisten verfassten Blog. Insgesamt wurden eigens 65 Leute eingestellt, die mit Usern chatteten, eigene Videobeiträge produzierten und Web-Specials kreierten. Dennoch konnten diese Neuerungen nicht verhindern, dass die Printumsätze zwischen 1995 und 2009 zehnmal schneller fielen, als die Onlineumsätze anstiegen.

Spätestens 2006 nahm der wirtschaftliche Niedergang dramatische Formen an. Zwischen 1996 und 2006 war die Druckauflage um 136 000 Exemplare zurückgegangen, die der Sonntagsausgabe um 200 000. Die zweite Buyout-Runde innerhalb von drei Jahren setzte knapp 250 vorwiegend ältere Redakteure und Journalisten ohne realistische Chance auf Weiterbeschäftigung vor die Tür. Die verbliebenen Journalisten durften im Rahmen ihrer Recherchen keine Taxis mehr benutzen, sondern sollten U-Bahn fahren. Überleben konnte die Zeitung nur über die Querfinanzierung durch das Bildungsunternehmen Kaplan, das in den 1980er Jahren eher zufällig von der Washington Post Company gekauft wurde. Im Dezember 2007 – Kaplan generierte alleine erstmals mehr als 50 Prozent der Umsätze – definierte CEO Graham sein Unternehmen bezeichnenderweise in eine „education and media company“ um.

Parallel zum wirtschaftlichen Verfall kam es in der Redaktion immer häufiger zu Anzeichen des journalistischen Verfalls. Unmittelbar vor und während der Irak-Invasion 2003 gehörte die „Post“ zur Mehrheit der amerikanischen Mainstream-Medien, die die Lügen der Bush-Adminstration kritiklos übernahmen. Man muss einzelnen „Post“-Reportern wie etwa Walter Pincus jedoch zugute halten, in Artikeln Bushs Behauptung bezüglich der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak angezweifelt zu haben. Diese wurden jedoch von der Chefredaktion systematisch in die Untiefen des Politik-Teils verbannt, während die Schlagzeilen und Artikel auf der ersten Seite ausschließlich die offizielle Position der Administration widerspiegelten. Selbst die Star-Reporter Bob Woodward und Dana Priest mussten einräumen, trotz erheblicher Zweifel an den Motiven von Cheney und Co. aufgrund von allgemeinem Patriotismus und aus Angst, den Zugang zu Machthabern zu verlieren, ihre journalistische Sorgfaltspflicht vernachlässigt zu haben. Dreißig Jahre nach Watergate hatte sich die „Post“ von einer Zeitung, die Präsidenten stürzt zu einem Blatt entwickelt, dass Propaganda für völkerrechtswidrige Kriege betrieb.

Dennoch zählte die „Post“ nach wie vor zu den besten Qualitätszeitungen der USA. Die hervorragende Berichterstattung – unter anderem über den Amoklauf an der Virginia Tech-Universität – brachte der Zeitung allein für das Kalenderjahr 2007 sechs Pulitzer-Preise ein. Allein lies sich mit preisgekrönten Journalismus kein Geld verlieren. Die wirtschaftlichen Verluste hatten auch personelle Konsequenzen. So wurde der langjährige Chefredakteur Len Downie 2008 durch Marcus Brauchli ersetzt und Katherine Weymouth, Enkelin von Katharine Graham und Nichte von Don Graham, wurde neue Herausgeberin. Ihr Auftrag in den Worten ihres Onkels Don: „die Zeitung retten“.

Verlagsüberblick, Management und Geschäftsfelder

Verlagsüberblick
Neben ihrem gleichnamigen publizistischen Flaggschiff verlegt die Washington Post Company in Washington außerdem die Gratiszeitung express sowie die spanischsprachige El Tiempo Latino und diverse kostenlose Werbebeilagen. Unter dem Namen Post-Newsweek Media gibt das Unternehmen außerdem die Lokalzeitungen The Gazette und Fairfax County Times sowie diverse Southern Maryland Newspapers heraus. Weitere Aktivitäten des Verlags beinhalten Druckereien und Lagerhallen. Das sich seit 1961 im Portfolio befindliche Wochenmagazin Newsweek verkaufte die Company 2010 nach schweren Verlustjahren für den symbolischen Preis von einem US-Dollar an den zweiundneunzigjährigen Unternehmer Sidney Harman.

Geschäftsfelder
Fernsehen
Die Washington Post Company betreibt insgesamt sechs Fernsehstationen in den USA: WDIV (Großraum Detroit) und KPRC (Houston) sind sogenannte affiliates von NBC. WPLG (Miami/ Fort Lauderdale) und KSAT (San Antonio) strahlen größtenteils ABC-Programme aus. WKMG (Orlando) ist affiliate von CBS, während WJXT (Jacksonville) unabhängig von den großen Senderketten ist.

Kabel und Internet
Cable One ist ein Telekommunikations- und Internetprovider, der im mittleren Westen sowie im Süden der USA aktiv ist. Zur „Interactive“-Sparte zählen außerdem die zahlreichen Onlinemagazine, die die Washington Post Company herausbringt: Slate (Politik und General Interest), the Root (afroamerikanische Themen), The Big Money (Business) und Foreign Policy (Internationale Politik).

Kaplan
Der Bildungsdienstleister Kaplan, Inc. verdient besondere Beachtung, ist er doch zur Lebensader des gesamten Konzerns und damit auch der Flaggschiff-Zeitung geworden. Ohne die Querfinanzierung durch Kaplan würde es die „Post“ heute nicht mehr geben.
Der Kauf von Kaplan im Jahr 1984 geschah mehr oder weniger zufällig. Die damalige Verlegerin Katharine Graham sträubte sich lange Zeit gegen die Übernahme des von einem weissrussischen Einwanderer gegründeten Anbieters von Test-Vorbereitungen. Es war ihr Vertrauter Warren Buffett, der sie schließlich von den langfristigen Wachstumschancen auf dem profitororientierten privaten US-Bildungssektor überzeugte. Der Kauf des Unternehmens für 40 Millionen US-Dollar erwies sich als Glücksgriff: in den ersten zehn Jahren nach der Übernahme stieg der Aktienwert von 27 auf 245 US-Dollar. Heute setzt Kaplan jährlich mehr als zwei Milliarden US-Dollar um.
Kaplan betreibt 70 private Campus in 20 Bundesstaaten, an denen mehr als 112 000 Studenten eingeschrieben sind. Außerdem bereiten Kaplan-Kurse jährlich hunderttausende Studenten auf akademische Eignungs- und Abschlusstests vor.

Dabei geraten die Geschäftspraktiken von Kaplan immer mehr in die Kritik. So musste Kaplan im August 2010 die Einschreibung in Kalifornien und Florida aussetzen, nachdem Undercover-Agenten eines Untersuchungsorgans des Kongress Unregelmäßigkeiten bei der Anwerbung neuer Studenten feststellten. Potenziellen Bewerbern wurde von den auf Provisionsbasis operierenden Vermittlern fälschlicherweise mitgeteilt, ein Studienabschluss an einer Kaplan-Universität hätte dasselbe Renommee wie ein Harvard-Abschluss. Zudem seien viele der angebotenen Kurse, für die mittellose Studenten oft horrende Schulden auf sich nehmen, um ein vielfaches höher als vergleichbare staatliche Angebote. Die US-Bundesregierung beziffert den Anteil aller Kaplan-Abgänger, die in absehbarer Zeit ihre Studienkredite zurückzahlen können auf nur 28 Prozent.

Management

Donald E. Graham
Der Sohn der Herausgeber-Legenden Katharine und Phil Graham war von 1979 bis 1991 Herausgeber der „Post“ und fungiert seitdem als CEO der Washington Post Company. Trotz – oder gerade wegen – seines millionenschweren Elternhauses meldete er sich in den 1960er Jahren als Freiwilliger beim Militär, um in Vietnam zu kämpfen. Nach seiner Rückkehr arbeitete er als Streifenpolizist in den Ghettos von Washington. Diese vermutlich aus einem Minderwertigkeitskomplex ob seiner privilegierten Herkunft resultierenden Tätigkeiten bereiteten ihn optimal auf seine journalistische Karriere vor, die er 1971 als einfacher Reporter bei der „Post“ begann. Die verbliebenen Mitarbeiter schätzen Graham und sehen in ihm den Beschützer der Zeitung – obwohl seine zögerliche Haltung bezüglich der Online-Strategie in den 1990er Jahren der „Post“ eher schadete.

Katharine Weymouth
Don Graham machte die Tochter seiner Schwester Lally 2008 zur neuen Herausgeberin. Weymouth ist im Gegensatz zu ihren Vorgängern keine gelernte Journalistin. Die Harvard-Absolventin arbeitete zuvor als Juristin in der Rechtsabteilung des Unternehmens. Die mangelnde journalistische Erfahrung wird von ihrem Förderer Graham jedoch nicht als Makel, sondern als Chance gesehen, die sich im Niedergang befindliche Zeitung durch einen unverbrauchten Blick von außen zu retten. Weymouth machte sich nach Amtsbeginn sofort daran, die jahrelang getrennten Print- und Online-Redaktionen unter der neu gegründeten „Washington Times Media“-Sparte zu vereinen.

Ihre ersten beiden Jahre als Herausgeberin wurden jedoch durch zwei Entscheidungen überschattet, die jedem Verfechter journalistischer Werte die Haare zu Berge stehen ließen. Anfang 2009 kam Weymouth auf die Idee, sogenannte „salons“ in ihren eigenen vier Wänden zu veranstalten. Politikern und Lobbyisten sollte die Möglichkeit gegeben werden, gegen Bezahlung (25 000 bis 250 000 US-Dollar) mit „Post“-Redakteuren off the record beim gemeinsamen Abendessen zu plaudern. Das Vorhaben wurde jedoch von der Zeitung Politico aufgedeckt und führte zu einem PR-Desaster, wie es die Zeitung seit dem Skandal um den erfundenen „Jimmy’s World“-Artikel nicht mehr erlebt hatte. Weymouth wies die Verantwortung von sich und schob die Schuld auf den Marketing-Beauftragten Charles Pelton.

Weiteren Kredit verspielte sie sich wenige Monate später, als sie die Veröffentlichung einer Reportage des Journalisten und Fotografen Matt Mendelsohn verhinderte. Mendelsohn hatte für das „Post“-Magazin über ein Jahr lang eine Produzentin von Modeschauen begleitet, der im Zuge von Komplikationen während einer Darmoperation und anschließendem Koma beide Arme und Beine amputiert worden waren. In dem Artikel sollte es um den Umgang der Produzentin mit ihrer Behinderung, die Pflege durch ihre Mutter und das Verhältnis der Modebranche zu behinderten Menschen gehen. Doch Weymouth untersagte die Veröffentlichung und nutzte Mendelsohns Artikel in Redaktionskonferenzen als Beispiel für Journalismus, wie sie ihn künftig nicht mehr sehen möchte. Solche Geschichten, so Weymouth, seien zu depressiv und würden Werbekunden abschrecken. Ihr Verhältnis zur Redaktion verschlechterte sich weiter, als sie im Herbst 2012 Chefredakteur Marcus Brauchli durch Martin Baron ersetzte. Brauchli hatte sich vergeblich gegen weitere Entlassungen von Journalisten gewehrt.

Martin Baron
Seit Juli 2008 ist Martin Baron neuer Chefredakteur der „Post“. Zuvor war er elf Jahre lang Chefredakteur des Boston Globe und arbeitete unter anderem in leitender Funktion beim Miami Herald und der New York Times.

Internetpräsenz und Online-Strategie

1999 sprach sich der hochrangige Redakteur Steve Coll für eine „aggressive nationale und globale Webstrategie“ aus. Coll glaubte, in Zukunft sei nur Platz für eine Webpräsenz einer großen US-Zeitung – und diese sollte washingtonpost.com sein. Eine nationale Distributionsstrategie für die gedruckte Version der „Post“ sei für das 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß. Doch CEO Don Graham hielt zunächst nichts von solchen Ideen. Stattdessen sollte die „Post“ weiter vorrangig Regionalblatt bleiben und nicht zu einem globalisierten Blatt für internationale Eliten verkommen.

Was Coll für washingtonpost.com vorschwebte hat mehr als zehn Jahre später die New York Times mit ihrem Webauftritt geschafft – sie ist die unumstrittene Autorität, wenn es um Journalismus aus dem Web geht. Auf Basis von Googles PageRank-Algorithmus, der die Linkpopularität von Webseiten misst, ist washingtonpost.com gemeinsam mit anderen US-Zeitungen nur die Nummer zwei hinter nytimes.com. Zudem hat die „Times“ gegenwärtig mehr als zehnmal so viele Facebook-Anhänger als die „Post“. In Bezug auf reinen Traffic ist washingtonpost.com sogar nur fünftstärkste Kraft im Netz (hinter LA Times, Wall Street Journal, New York Times und USA Today)

Allerdings gibt die Entwicklung der Homepage Grund zu Optimismus. Es sind vor allem die Web-Specials, die ein erhöhtes Interesse hervorrufen. Hier demonstriert die „Post“ wie das Internet aufgrund seiner Multimedialität und Interaktivität der gedruckten Zeitung überlegen ist. 2004 wurde die Weboffensive mit „The Trail“ eröffnet, einer mit der Homepage verknüpften Website, die die monatelange Präsidentschaftswahl von 2004 mittels interaktiver Karten der Wahlbezirke, neuesten Umfragen, Videos der Kandidaten, Blogs und einem Meinungsforum dokumentierte. Jüngst zeigte die Post, wie sich investigativer Journalismus benutzerfreundlich im Internet aufbereiten lässt. Das im Juli 2010 nach langen Recherchen der Reporter Dana Priest und Bill Arkin gestartete Portal „Top Secret America“ dokumentiert das gigantische Ausmaß der Privatisierung der US-Geheimdienste.

2005 lernte CEO Don Graham über einen gemeinsamen Bekannten den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg kennen. Die zwei freundeten sich auf Anhieb an und Graham erklärte sich bereit, Millionen US-Dollar in das damals noch junge Unternehmen zu investieren. Zuckerberg entschied sich jedoch für ein besseres Angebot der Investmentgruppe Accel Partners. Wäre Zuckerberg Grahams Angebot eingegangen, hätte die Washington Post Company heute einen Anteil an Facebook, der theoretisch mehrere Milliarden US-Dollar wert wäre. Aus schlechtem Gewissen holte Zuckerberg Graham 2008 in den Aufsichtsrat von Facebook. Im Gegenzug darf Zuckerberg seitdem regelmäßig die Meinungsseiten der „Post“ benutzen, um in Gastkommentaren die datenrechtlich umstrittenen Modifikationen der Facebook-Geschäftsbedingungen zu verteidigen.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Ende 2009 waren die Auflagenzahlen aller US-Zeitungen auf dem niedrigsten Niveau seit 1940. In den vergangenen 70 Jahren hat sich die US-Bevölkerung verdoppelt – die Zeitungsverkäufe sind jedoch um ein Viertel zurückgegangen. Die US-Zeitungskrise hat auch die Washington Post hart getroffen. Allein in den sechs Monaten von Oktober 2011 bis März 2012 hat sie sechs Prozent ihrer Leserschaft verloren, einen Rückgang der Printanzeigen von 17 Prozent hinnehmen müssen und Verluste von 23 Millionen US-Dollar angehäuft. Zwischen 2005 und 2010 haben insgesamt 100 000 Menschen ihr Abonnement gekündigt. Diverse Entlassungswellen innerhalb weniger Jahre (Anfang 2012 wurde angekündigt weitere 100 Newsroom-Mitarbeiter zu zu entlassen) hat die Redaktion auf die Hälfte der einstigen Größe schrumpfen lassen. Der Investigativ-Abteilung beim Blatt werden bald nur noch vier Journalisten angehören.

Seit 2009 erwirtschaften die Zeitungen der Washington Post Company nur noch 15 Prozent des gesamten Konzernumsatzes. Das Blatt befindet sich längst im wirtschaftlichen und journalistischen Selbstzerstörungsmodus. Die Verluste in den letzten dreieinhalb Jahren beliefen sich auf 412 Millionen US-Dollar. Büros in Großstädten wie Chicago, New York City und Los Angeles wurden geschlossen. Seit Mitte 2011 betreibt die Zeitung bis auf in Richmond und Annapolis keine regionalen Büros im Großraum Washington, D.C. Bei der Blog-Abteilung handelt es sich anscheinend um einen Ein-Personen-Sweatshop. Parallel zum Schrumpfen des Newsrooms haben sich die Aktionäre (insbesondere der größte Anteilseigner - die Graham-Familie) durch betriebswirtschaftlich unsinnige Dividenden-Auszahlungen und Aktienrückkäufe schamlos bereichert. Geld für Innovationen ist somit nicht vorhanden.

Die katastrophale wirtschaftliche Situation bedroht zunehmend auch die journalistische Integrität der Zeitung. Im September 2010 wurden erstmals großflächige Anzeigen auf der Titelseite geschaltet – Zeitungspuristen gilt die erste Seite als heilig und darf nicht mit Werbung versehen werden. Lokale investigative Recherchen kann sich die „Post“ nicht mehr leisten – die Zeiten, in denen Len Downie eine Reportage über unfaire Häuserkredite für verarmte Afroamerikaner veröffentlichte, die der „Post“ über eine Million US-Dollar an Werbegeldern der Immobilienindustrie kosteten, sind definitiv vorbei. Zwar war die „Post“ schon immer Teil des Establishments und nie eine linksliberale Zeitung europäischer Prägung – doch welchen Meinungen und Personen die Zeitung in den letzten Jahren ein Forum geboten hat, verwundert doch.

In der Post kommen regelmäßig Kolumnisten zu Wort, die für eine Abschaffung der ohnehin schon rudimentären Sozialversicherungssysteme plädieren. Jüngst sprach sich Kolumnist Steven Pearlstein für die Senkung der Löhne amerikanischer Arbeiter aus und verteidigte die astronomischen Gehälter von Bänkern mit dem Verweis auf Gesetzmäßigkeiten des Marktes. Der Blog-Post der ultra-rechten Kolumnistin Jennifer Rubin, in dem sie hinter den Norweger Terrorattacken reflexartig Islamisten vermutete, wurde im Sommer 2011 trotz entgegenlautener Faktenlage 24 Stunden nicht vom der Homepage der Post entfernt und später vom Ombudsmann Patrick Pexton verteidigt.

Doch auch die Querfinanzierung durch Bildungsanbieter Kaplan ist gefährdet. Das US-Erziehungsministerium hat neue Regeln bezüglich der staatlichen Subventionierung von privaten Bildungseinrichtungen erlassen. Unter anderem sehen die neuen Regeln vor, dass Finanzhilfen gestrichen werden, wenn die Absolventen von Kaplan-Studiengängen mehr als acht Prozent ihres Einstiegsgehalts für die Tilgung von Studenten-Krediten aufbringen müssen. Im Zuge der Aufdeckung korrupter Geschäftspraktiken ging der Umsatz der Bildungsparte im Geschäftsjahr 2010 um acht Prozent zurück. (Im vierten Quartal 2010 immatrikulierten sich fast 50 Prozent weniger Studenten an einer Kaplan-Universität als im Jahr zuvor, der Gewinn im zweiten Quartal 2011 halbierte sich daraufhin im Vergleich zum Vorjahr).

Referenzen/Literatur