Le Monde

Die Tageszeitung (1944 gegründet) gehört zur Gruppe der sog. „nationalen“ Tagespresse (sechs Titel), d. h. sie wird in der Hauptstadt herausgegeben und in ganz Frankreich vertrieben. Sie erscheint an sechs Tagen in der Woche, stets zu Beginn des Nachmittags. Das erklärt auch eine Besonderheit: Da „Le Monde“ zu diesem Zeitpunkt allein innerhalb von Paris erhältlich ist und erst am folgenden Vormittag in der Provinz vertrieben wird, ist jede Ausgabe vordatiert. Diese Positionierung als quasi-„Abendblatt“ in einem Medienmix, wo morgens das Radio und abends des Fernsehen die Hauptnachrichtenquellen der Franzosen sind, ist einer der Gründe, weshalb die Zeitung inhaltlich nur gering faktenorientiert ist und stattdessen Kommentaren und Features den Vorrang gibt. Auch das trägt zu ihrer Sonderstellung als „Meinungsblatt“ in der Presselandschaft bei. Hinzu kommt, wie bei allen Pariser Tageszeitungen, eine deutliche Ansiedlung im parteipolitischen Spektrum: „Le Monde“ ist dem linken Feld zuzurechnen (von sozialistisch bis trotzkistisch). Damit stünde sie frontal in Konkurrenz zum ebenfalls links orientierten Morgenblatt „Libération“, wäre nicht die zeitliche Verzögerung beim Erscheinen. Da „Le Monde“ ebenso wie alle französischen Tageszeitungen nur über eine dünne Abonnentenbasis verfügt und daher auf den Einzelverkauf im Kiosk angewiesen ist, und auch in Frankreich der Leserschwund eines der größten Probleme des Zeitungsgeschäfts darstellt, ist die wirtschaftliche Situation der Verlagsgesellschaft chronisch schwach. Ein Ausweg wird gestalterisch in verkaufsfördernden Aufmachern und auf Kapitalebene in häufigen Änderungen der Gesellschafterstruktur gesucht. Letzteres führte in regelmäßigen Abständen zu internen Krisen (besonders deutlich 2003/04 und 2007/08).

Basisdaten

Hauptsitz der Herausgebergesellschaft der Zeitung „Le Monde“:
Société éditrice du Monde SA:
80, boulevard Auguste-Blanqui
F- 75707 PARIS Cedex 13
Tel.: (00 33 1) 57 28 20 00
Fax:: (00 33 1) 57 28 21 21
Internet: www.lemonde.fr

Rechtsform: nicht börsennotierte AG
Gründungsjahr: 2000 Neugründung der Herausgebergesellschaft als nicht börsennotierte AG (urspr. 1944 gegr.)
Beschäftigte: 498, darunter 294 Journalisten (fest angestellt)

Werbezentrale der Tageszeitung: Le Monde Publicité (51 % le Monde, 49 % Publicis Régies Presse)

Herausgeber der Online-Zeitung www.lemonde.fr ist die Gesellschaft Le Monde Interactif (MIA), an der die Lagardère Groupe zu 34% beteiligt ist.

Le Monde Interactif und Le Monde Publicité besitzen gemeinsam eine 2000 gegründete Filiale, die die Entwicklung des Online-Angebots der Gruppe (Le Monde et Partenaires Associés) betreibt: I-régie.com (www.i-regie.com). Zum Angebot gehören, neben www.lemonde.fr, außerdem: www.telerama.fr, www.courrierinternational.com, www.lepost.fr sowie www.monde-diplomatique.fr. Es handelt sich dabei um eigenständige, im Abonnement angebotene Produkte, die mit dem Print-Angebot nicht identisch sind.

Geschäftsführung/Vorstand der Société éditrice du Monde SA (Schlüsselpositionen):

  • Vorstandsvorsitzender und Herausgeber: Eric Fottorino
  • Vize-Präsident des Vorstands und Generaldirektor: David Guiraud
  • Generalsekretär des Vorstands: Pierre-Yves Romain
  • Leiter des Aufsichtsrats: Louis Schweitzer

Geschäftsführung/Vorstand der Zeitung „Le Monde“ (Schlüsselpositionen):

  • Herausgeber: Eric Fottorino
  • Stellvertreter: Laurent Greilsamer
  • Stv. Generaldirektor: Patrick Collard
  • Redaktionsleiter: Alain Frachon
  • Stellvertreter: Jacques Buob
  • CVD: Gérard Courtois
  • Chefredakteure: Sophie Gherardi, Patrick Jarreau, Michel Kajman sowie Franck Nouchi (Le Monde 2)
  • Ombudsman: Véronique Maurus
  • Direktor internationale Angelegenheiten: Daniel Vernet

Herausgeber seit Gründung: Hubert Beuve-Méry (1944-1969), Jacques Fauvet (1969-1982), André Laurens (1982-1985), André Fontaine (1985-1991), Jacques Lesourne (1991-1994), Jean-Marie Colombani (1994-2007), Pierre Jeantet (2007). Seit 2008: Eric Fottorino.

Quelle: FOTTORINO Eric, Portrait d’un quotidien, 2009.

Die Holding LMPA (SAS) gehört:
- zu 50,87% internen Inhabern, darunter der Gesellschaft der Redakteure (Société des rédacteurs du Monde; 21,87 %), diversen Mitarbeitergesellschaften sowie dem Vorstandsvorsitzenden Eric Fottorino (0,03 %)
- zu 48 % externen „Partnergesellschaften“ (Actionnaires partenaires), darunter der Gesellschaft der Leser (Société des lecteurs; 7,71 %)

Präsident der Société des Lecteurs du Monde: seit Juni 2008 Christian Martin (in dieser Eigenschaft ebenfalls Mitglied des Aufsichtsrats der Holding-Gesellschaft LMPA). Vize-Präsidentin: Christiane Deussen.
Diese Lesergesellschaft, 1985 als Kapitalgebergesellschaft gegründet, versteht sich seit der Entwicklung des Verlagshauses zur Printmediengruppe als „ permanentes Element zur Gewährleistung der Freiheit und Unabhängigkeit der Tageszeitung sowie der um sie entstandenen Zeitungsgruppe“ (Selbstdarstellung der SDL). Die SDL zählt heute ca. 13 000 Mitglieder und hat ein Kapital von 7,9 Millionen Euro.

Die Holding LMPA besitzt zu 60,40 % die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft Le Monde SA. Dessen weitere Aktionäre sind die Konzerne Lagardère (17,27 %), Prisa (15,01 %), La Stampa (2,90 %) sowie die Zeitschrift Le Nouvel Observateur (1,75 %) und diverse Minderheitsgesellschafter (Actionnaires minoritaires; 2,67 %).

Le Monde SA besitzt 94,7 % der Société éditrice du Monde, die die Tageszeitung verlegt und die hauseigene Druckerei in Evry (bei Paris) verwaltet.

Le Monde SA hat drei Geschäftsbereiche:
- Tagespresse („Le Monde“)
- Zeitschriften, darunter „Télérama“ (Programmzeitschrift), „Courrier International“ (Überblick über das Angebot der internationalen Presse) und „La Vie“ (katholisch
- Diverses, darunter das Online-Geschäft und Minderheitsbeteiligungen (z. B. 6 % am Newsmagazine „Le Nouvel Observateur“)

 

Tab. I: Ökonomische Basisdaten (in Mio. Euro)
200820072006200520042003
Umsatz 465629631639639581
Verlust-4,7-9,3-10,3-26,7-60,8-16,2

Quellen: Le Monde, Les Echos. NB: Die Société éditrice du Monde SA veröffentlicht keine gesonderten Unternehmensdaten.

 

Tab. II: Entwicklung der verkauften Auflage ausgewählter Print-Produkte der Gruppe Le Monde (Jahresdurchschnitt)
2008200720062005
Le Monde336 090354 316350 039360 610
Le Monde 2 (Wochenendbeilage)268 245291 714286 751284 147
Courrier International216 144207 142203 521197 751
Le Monde diplomatique171 274166 853180 821199 766
La Vie147 993157 358163 787167 132
Télérama642 647641 626644 216645 978

Quelle: OJD

 

Tab. III: Entwicklung der Besucherfrequenz von lemonde.fr (Monatsdurchschnitt
MonatBesucherAbgerufene SeitenSeiten/Besucher
April 0940 654 698105 916 3052,61
März 0944 575 059117 292 8882,63
Februar 0941 950 603114 431 493 2,73
Januar 0947 826 353133 132 5602,78
Dezember 0840 829 695109 069 3452,67
November 0847 032 320127 465 9332,71
Oktober 0845 601 761126 649 6782,78
September 0838 411 437104 052 6782,71
August 0831 610 49786 352 9892,73
Juli 0835 625 39898 587 3512,77
Juni 0837 796 428105 481 4172,79
Mai 0836 996 017101 457 2692,74

Quelle: OJD

Struktur der Leserschaft : Männer 56%, Frauen 44 %
Am stärksten vertreten sind die Altersgruppen 50-64 Jahre (26,3 %) und 35-49 (23,5 %).
Den Kern der Leserschaft bilden Leser mit höherem Bildungsabschluss (43%, Abitur und höher); der Anteil der Gymnasiasten und Studenten liegt bei 15 %.

Verkauf: etwa 30% im Abonnement (März 2009: 30,05%, Quelle: OJD).
Leserdichte: 2,8 Leser pro Ausgabe (Quelle: EPIQ 2006-2007 LNM)

Geschichte und Profil

„Le Monde“ (wörtlich: Die Welt) wurde 1944 auf Anraten von Général de Gaulle ausdrücklich als „Referenzblatt“ gegründet und als Nachfolge der wegen des Krieges im November 1942 eingestellten „Le Temps“. Die erste Ausgabe erschien am 18. Dezember 1944. Die Redaktion hatte ihren Sitz beim Vorgänger in der Rue des Italiens in Paris (daher der Spitzname „Die Zeitung aus der Rue des Italiens“). Erst ab den 1980er Jahren wird der Sitz mehrmals innerhalb von Paris verlagert.

Unter Hubert Beuve-Méry, der die Zeitung gründete und 25 Jahre bis zum Renteneintritt lang leitete, wuchs „Le Monde“ zu einer unabhängigen Informationszeitung heran – „unabhängig von politischen Parteien, von den Mächtigen der Finanzwelt und von den Kirchen“, wie es der Gründer damals formulierte. In diesem ersten Lebensabschnitt wird die Zeitung in mehrfacher Hinsicht zum „Referenzblatt“: Einmal, was die Struktur des Verlagshauses angeht, das zu 49 % der Belegschaft gehört. Dann, was das Layout betrifft, das sich im Gegensatz zur Konkurrenz bewusst nüchtern gab und auf Farbe sowie jegliches Foto verzichtete. Und nicht zuletzt in der inhaltlichen Ausrichtung, die ein breites Themenspektrum behandelte und sich aufbauend auf sorgfältigen Recherchen und einer meisterhaft reinen Sprache den Ruf einer Zeitung mit fundierten Hintergrundanalysen errang. Gleichzeitig richtete sich diese Qualitätszeitung an eine gebildete Leserschaft  – und zielte insbesondere auf Studenten ab, von denen dann später tatsächlich die meisten ihrer Zeitung treu blieben.

Politisch vertritt die Zeitung zwar ein relativ breites linkes Meinungsprektrum, doch erwachsen sehr rasch Konflikte innerhalb des anfänglichen Führungstrios. 1951 bricht eine erste interne Krise aus, als René Courtin und Christian Funk-Brentano ihrem Kollegen Hubert Beuve-Méry vorwerfen, mit „Le Monde“ nicht nur gegen die USA zu Felde zu ziehen, sondern auch den Kurs der Sowjetunion zu verteidigen. Die Redaktion unterstützt ihren Chef und gründet die seitdem bestehende Société des Rédacteurs du Monde (Gesellschaft der Redakteure), womit sie sich inhaltlich wie finanziell Mitspracherechte erobert, da sie seitdem ebenfalls am Kapital des Verlags (heute der Holding) beteiligt ist. In der 2. Hälfte der 50er und zu Beginn der 60er Jahre bezieht „Le Monde“ Position gegen die frz. Algerienpolitik und den Algerienkrieg, was sie Zensurbestrebungen aussetzt und das Ende des Wohlwollens De Gaulles zur Folge hat.

Nach dem Ausscheiden Beuve-Mérys 1969 verändert sich das Profil der Zeitung allmählich. Unter der Leitung von Jacques Fauvet erweitert die jüngere Generation der Journalisten in der Société des Rédacteurs das Themenspektrum um gesellschaftliche Fragen (von Bildung bis Justiz). An der Erweiterung ist nicht nur der Zeitgeist verantwortlich, sondern auch ein struktureller Wandel, der Ende der 1960er Jahre alle Medien in Frankreich erfasst. Nach 1968 und noch mehr nach der ersten Ölkrise zu Beginn der 70er Jahre steigt der Einzelverkaufspreis aller Tageszeitungen rasant an; gleichzeitig scheiden in diesem Zeitraum die meisten der großen Zeitungsgründer aus dem Berufsleben aus, was die Redaktionen und Verlagshäuser vor die Herausforderung des Generationswechsels stellt. 1978 sinkt die Tageszeitungsdichte auf 195 (sie lag 1946 noch bei 360) und hat sich seitdem auf heute ca. 150 Exemplare pro 1000 Einwohner eingependelt. Besonders von der Krise betroffen sind die sog. „nationalen“ Tageszeitungen, viele werden eingestellt, und bei den verbliebenen versiebenfacht sich der Verkaufspreis pro Ausgabe zwischen 1968 und 1982. 1980 rangiert „Le Monde“ unter den Pariser Blättern noch an zweiter Stelle (die Auflage liegt bei knapp über 425 000), nach „France-Soir“ (ebenfalls eine Abendzeitung; gut 433 000 Exemplare), aber vor den Morgenzeitungen „Le Parisien libéré“ (inzwischen eingestellt, 348 000) und „Le Figaro“ (311 000).

Auch das Medienumfeld verändert sich in der Zeit. 1955 hatte der Staat das Radiovollprogramm Europe 1 gegründet, um frontal die Konkurrenz zum einzigen unabhängigen, weil privaten, RTL aufzunehmen; den Hörern in Frankreich stehen seitdem (und bis in die 1980er Jahre) im ganzen Land insgesamt vier Hörfunkprogramme zur Verfügung (über LW, das UKW-Band wird erst 1981 erschlossen). Zwar war das Medium Fernsehen ebenfalls zu Beginn der 50er Jahre gestartet, doch erreicht es erst 1969 eine technische Reichweite von 90 %. Auf dem Markt der Printmedien gibt es ebenfalls große Umwälzungen: 1964 erscheint „L’Express“, das erste der frz. Nachrichtenmagazine, von Jean-Jacques Servan-Schreiber gegründet, ehemaliger Chef des Ressorts Internationales bei „Le Monde“. Kurz darauf folgen “Le Point“ und „Le Nouvel Observateur“, und selbst die Illustrierte „Paris Match“ erhöht drastisch ihren Textanteil. Kurzum, das Informationsangebot erweitert sich rasant, und das geflügelte Wort, das Hubert Beuve-Méry noch in seiner Amtszeit geprägt hatte, gilt plötzlich nicht mehr: „Der Hörfunk meldet das Ereignis, das Fernsehen zeigt es, die Presse erklärt es“. Das Format von „Le Monde“ als tägliches „Erklärungsmedium“ ist kaum noch tragbar, weil es im Tagesverlauf der Mediennutzung wegen seiner vordatierten Ausgaben nicht mehr aktuell genug erscheint. In dieser Zeit setzt „Le Monde“ auch gezielt auf die Bindung einer Zielgruppe: Studenten. 1968 berichte sie laufend über die Studentendemonstrationen und lässt 800 000 Exemplare (ein absoluter Höhepunkt) von Studenten austeilen. Heute noch wird sie an wenigen Orten im Pariser Quartier Latin (vor allem vor dem Institut d’Etudes Politiques, aus dem ein Großteil der politischen und journalistischen Elite Frankreichs kommt) auf der Strasse verkauft. Auch die Leserbindung hält sich: „Le Monde“ ist ein Blatt für Akademiker, Pädagogen und die Kulturelite geblieben. Mit über 445 000 Exemplare erreicht die Verkaufsauflage 1979 ihren seitdem nie wieder erreichten Höhepunkt.

Die zweite große Krise erlebt die Zeitung zu Beginn der 1980er Jahre unter der Präsidentschaft Mitterrands. Bislang, unter den konservativen Regierungen, galt sie als Oppositionszeitung; wegen der Wahl eines sozialistischen Präsidenten, und unter einer Linksregierung (an der zu beginn Kommunisten beteiligt waren) läuft sie Gefahr, als „Regierungs-Prawda“ abgestempelt zu werden. Der Leserschwund nimmt rapide zu, der Verlag schreibt Verluste. Es überstürzen sich die Versuche, der Zeitung ein neues Profil zu geben. 1982 folgt André Laurens Jacques Fauvet auf dem Posten des Herausgebers und wird 1985 von André Fontaine abgelöst. Dieser schreibt den Umbau fort, den sein Vorgänger angebahnt hatte: Der Firmensitz in der Rue des Italiens wird verkauft, ein Umzug angestrebt, das Layout verjüngt. Zwei Jahre später wird die neue hauseigene Druckerei in Ivry-sur-Seine eröffnet, was zum ersten Mal Vierfarbdruck ermöglicht (und wovon man sich günstigere Druckkosten erhofft). Am 30. November 1985 organisiert der Verlag eine Tag der offenen Tür, bei dem auch eine neue Einrichtung vorgestellt wird: die soeben gegründete Société des Lecteurs du Monde (Gesellschaft der Leser, www.sdllemonde.fr), die auf ihrer Hauptversammlung am 21. März 1987 dann für eine Kapitalerhöhung sorgt (Anleihen in Höhe von 15 Millionen Francs, etwa 2,3 Millionen €). Die börsennotierte SDL ist seitdem Stammaktionär von Le Monde et Partenaires Associés. Im gleichen Jahr gesellen sich institutionelle Anteilseigner hinzu. Die SDL hat inzwischen mehrmals ihr Kapital erhöht.

Diese Krise der inhaltlichen Ausrichtung verschärft die Rezession auf dem französischen Werbemarkt Anfang der 1990er Jahre, verbunden mit der Umstrukturierung des Werbekuchens zugunsten von Hörfunk und Fernsehen seit der Liberalisierung des Rundfunkmarkts Mitte der 1980er Jahre. 1991 erhält die Zeitung wieder einen neuen Chef: Jacques Lesourne, den 1994 Jean-Marie Colombani ablöst. Dieser wandelt die Verlagsgesellschaft Société éditrice du Monde, ehemals eine GmbH, in eine nicht börsennotierte AG um, mit einer damals in Frankreich noch seltenen Unternehmensstruktur, d. h. mit Vorstand und Aufsichtsrat. Diese Rechtsform ist in der auftretenden „New Economy“ beliebt, ganz besonders bei den Medien, wo sie die Gefahr der Interessenkollision zwischen Redaktion und Kapitaleignern (in Frankreich fast ausschließlich Industrieunternehmen) bannen soll. Aufsichtsratsvorsizender wird der Finanzexperte Alain Minc, von dessen Adressbuch man sich eine Vergrößerung des Kreises der Anteilseigner erhofft. Die neue Gesellschaft kann ihr Kapital um 295 Millionen Francs aufstocken.

Gleichzeitig muss die Auflage gesteigert werden. Am 9. Januar 1996 erscheint „Le Monde“ in neuem, klarer strukturierten Gewand, das auch bei den Lesern besser ankommt. Zumal die Zeitung, die vornehmlich auf den Einzelverkauf angewiesen ist, verkaufsfördernde Schlagzeilen braucht. 1998 hat sie sich z. B.  entrüstet über die Doppelmoral des „Monicagate“ ausgelassen, gleichzeitig aber (als einzige Zeitung in Frankreich) das Geständnis-Protokoll von Monica Lewinsky komplett abgedruckt. Bezeichnender noch für diese Jahre ist der investigative Kurs, den sie in der Blütezeit des „mani pulite“ à la française fährt, in der Presse und Justiz in einem gemeinsamen Schulterschluss seit Beginn der 90er Jahre Korruptionsskandale um Politiker aufdecken. Edwy Plenel, zunächst Reporter, dann von 1996 bis zu seinem Rücktritt 2004 Leiter der Redaktion, gilt als Meister der ‚großen Coups’. Die prominenteste ‚Affäre“, die „Le Monde“ in diesen Jahren aufdeckt, ist die „Abhöraffäre des Elysee-Palasts“ (um seine ‚Zweitfamilie’ vor der Öffentlichkeit zu schützen, hatte François Mitterrand zahlreiche prominente Künstler und Journalisten abhören lassen, darunter auch Plenel).

Diese Affäre und zahlreiche weitere bilden dann auch den Aufhänger für die nächste tiefe Krise, die Anfang 2003 ausbricht, als das Buch „Die Schattenseiten von Le Monde“ erscheint. Die Autoren (Pierre Péan und Philippe Cohen) werfen der Zeitungsführung unlautere Methoden vor. Wirtschaftlich werfen sie ihr vor, geschönte Bilanzdaten zu veröffentlichen – die Zeitung kontert mit einer Sonderbeilage, die zum ersten Mal detaillierte Daten enthält. Doch bleiben bis heute die Bilanzen wenig transparent, allein wegen der Beteiligungskaskaden bzw. der nicht immer eindeutigen Bezeichnung der jeweiligen Gesellschaften. Ein weiterer Vorwurf ist unlauteres Verhalten den neuen Wettbewerbern – den Gratiszeitungen – gegenüber, die 2002 entstehen: Das „Referenzblatt“ zieht in seinen Spalten gegen die „Billigkonkurrenz“ zu Felde, während der Verlag mit den Herausgebern Geschäftskontakte unterhält. Wichtiger noch, die Autoren prangern die „Doppelmoral“ einer Zeitung an, die sich gern als Hüterin der Berufsregeln aufstellt, selbst aber zunehmend gegen die Berufsregeln verstößt (darunter Sorgfaltspflicht oder wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit). Edwy Plenel z. B.  hatte sich zwar selbst als Opfer der Abhöraffäre dargestellt, doch dabei verschwiegen, worum es dabei ging und dass er selbst zu den Eingeweihten gehörte. An den Pranger gestellt werde außerdem Alain Minc und Jean-Marie Colombani. Ihnen wird vorgehalten, durch die Umstrukturierung der Verlagsgesellschaft 1994 mit der französischen Tradition der Qualitätspresse gebrochen zu haben und dem Marktliberalismus zu frönen.

Die Wogen um die „Le Monde-Affäre“ sind heute abgeebbt, doch das strukturelle Grundproblem bleibt, wie die weiter schwelende Krise bei der Zeitung zeigt. Um die Zeitung finanziell abzusichern, hatte der Verlag 2002 begonnen, sich als Pressekonzern zu etablieren. Er kaufte sich in regionale Zeitungsverlage ein und übernahm 2004 u. a. die Kontrolle des Verlags Les Publications de la Vie Catholique (Herausgeber u. a. von „Télérama“ und „La Vie“). In diesem Jahr erreicht die Gruppe ihren Höhepunkt mit 43 Titeln, an denen sie maßgeblich beteiligt ist. Die Société éditrice verlagert wieder ihren Sitz. Doch trotz der Flucht nach vorn stellt sich der wirtschaftliche Erfolg nicht ein. Zwar wird das Layout des Flaggschiffs 2005 abermals modernisiert, doch bleibt der Erfolg aus – mittlerweile sind die Online-Medien zur ernsthaften Konkurrenz geworden, und teilweise ‚kannibalisiert’ das 1999 gestartete www.lemonde.fr die Print-Ausgabe. 2007 verweigert die Société des Rédacteurs Jean-Marie Colombani die Wiederwahl; Nachfolger wird Erich Fottorino. Alain Minc, der als der eigentliche Architekt des Konzernkurses betrachtet wird, gibt an der Spitze des Aufsichtsrats sein Amt an Louis Schweitzer ab, dem ehemaligen Präsidenten von Renault. Seitdem versucht die neue Führung, die „Le Monde-Gruppe“ zu sanieren: Eine Reihe von Beteiligungen wurde wieder veräußert (darunter die Anteile an der ebenfalls schwächelnden Regionalpresse), die Belegschaft wird verschlankt und am 26. Januar 2009 erfährt die Print-Ausgabe von „Le Monde“ erneut einen Relaunch. Im April 2009 nahm der Verlag einen Bankkredit in Höhe von 25 Millionen € auf. Ein Börsengang im Jahr 2011 wird erwogen.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Obwohl sich der Ruf als „Referenzblatt“ zumindest bei Kulturschaffenden, Pädagogen und in einem Teil der Pariser Politik, sowie unter den Kultur- und Politikeliten der größeren Provinzstädte immer noch hält, verdient „Le Monde“ ihn spätestens seit dem Regierungswechsel 1981 nicht mehr. Die Zeitung ist zum Insiderblatt für eine bestimmte Lesergruppe mutiert, umso mehr als sie sich im Lauf der Zeit redaktionell von einem Informations- zu einem reinen Meinungsmedium gewandelt hat.

Dieser Epochenwechsel, dem kurz drauf entscheidende Änderungen der Medienlandschaft folgten, und die heute mit der Entwicklung der Online-Medien ihre Fortsetzung finden, besiegelten zumindest de facto das Ende eines französischen Zeitungsmodells, dessen Inbegriff „Le Monde“ war. Es fußt auf einem quasi-öffentlich-rechtlichen Verständnis von Zeitungen, das noch aus den Jahren der Libération (Befreiung) vor Kriegsende stammt, und in dem ein Zeitungsverlag kaum als ein „normales Unternehmen“ verstanden wird, das gleichzeitig rentabel wirtschaften muss und im Gemeininteresse handeln kann. Zwar versuchte die Führung der „Le Monde-Gruppe“ mit diesem Verständnis zumindest institutionell zu brechen (und tut dies immer noch), doch stößt sie zunehmend an strukturelle Grenzen, so etwa im Bezug auf die Vorherrschaft der kommunistischen Druckergewerkschaft Les Ouvriers du Livre sowie beim Vertrieb durch das noch fast flächendeckenden Monopol einer Vertriebsgesellschaft (NMPP), bei der dieselbe Gewerkschaft das Sagen hat. Hinzu kommt die ausgeprägte Subventionspraxis des Staates, die zwar die Zeitungsvielfalt erhalten will, damit aber sämtliche Modernisierungsbestrebungen erschwert. Doch in einem Punkt bleibt „Le Monde“ Referenz: Es handelt sich um DIE Zeitung, bei sich der die Besonderheiten der heutigen Zeitungskrise in Frankreich besonders deutlich zeigen.

Referenzen/Literatur

  • COHEN Philippe, PEAN Pierre, La face cachée du Monde. Du contre-pouvoir aux abus de pouvoir, Fayard, Paris, 2003
  • EVENO, Patrick, Histoire du journal Le Monde : 1944-2004, Michel Albin, Paris, 2004
  • FOTTORINO, Eric, Portrait d’un quotidien, 2009, (Online-Präsentation, Stand 5. Mai 2009)
  • GREILSAMER Laurent, Hubert Beuve-Méry, 1902-1989, Fayard, Paris, 1990
  • JEANNENEY Jean-Noël, JULLIARD Jacques, Le Monde de Beuve-Méry ou le métier d’Alceste, Seuil, Paris, 1979
  • PINGAUD Denis (Hg.), L’Ancien et le nouveau Monde. Histoire du Monde, histoire d’un monde, PEL, Paris, 1994 (Katalog zur Austellung zum 50. Jubiläum der Zeitung)
  • THIBAU Jacques, Le Monde 1944-1996. Histoire d’un journal. Un journal dans l’Histoire, Plon, Paris, 1996
  • www.acrimed.org
  • www.epd.de (Berichte in epd medien zur „Le Monde-Affäre“ und zur Zeitungskrise in Frankreich)