The Times of London

Die 1785 gegründete „The Times of London“ verkörperte über Jahrhunderte die Quintessenz dessen, was es bedeutet, "englisch" zu sein. „The Thunderer“, so der Spitzname der meinungsfreudigen Tageszeitung galt bis ins 20. Jahrhundert aufgrund seiner umfassenden nationalen und internationalen Berichterstattung als eine der besten Zeitungen der Welt, ehe das Blatt von der "New York Times" als paper of record abgelöst wurde. Mit der Übernahme durch Medienmogul Rupert Murdoch Anfang der 1980er Jahre setzte der journalistische Niedergang der Zeitung ein.

Basisdaten

Unternehmensitz:
Times Newspapers Ltd
Virginia St, London E98 1XY,
United Kingdom
+44 20 7782 5000
www.thetimes.co.uk 

Registered office:
Thomas More Square,
London, E98 1XY

Chefredakteur: James Harding

Auflagenentwicklung 2001-2012 (wochentags; jeweils im Monat Januar)
JahrAuflage
2001686,618
2002673,085
2003642,388
2004623,050
2005651,813
2006685,081
2007670,054
2008633,718
2009617,483
2010508,250
2011457,250
2012405,113

Quelle: Audit Bureau of Circulations, Guardian

Geschichte und Profil

John Walter hatte sich erfolglos im Handel mit Steinkohle und als Risikoprüfer für eine Versicherungsgesellschaft versucht, ehe er den Schritt ins Zeitungsgeschäft  wagte. 1785 gründete er den „Daily Universal Register“, 1788 umbenannt in „The Times of London“. Britische Zeitungen im 18. Jahrhundert waren in der Regel politische Kampfblätter, denen Werte wie Unabhängigkeit und Faktenbasiertheit fremd waren. Wer entsprechend zahlte, konnte alles in die Zeitung setzten, was ihm passte. John Walter war dementsprechend kein Journalist sondern fungierte als Agent einflussreicher politischer Interessen. Als er für 300 Pfund im Auftrag des Finanzministeriums eine publizistische Attacke gegen Friedrich August fuhr, den Herzog von York und Albany, musste er wegen Majestätsbeleidigung für 16 Monate hinter Gitter und für eine Stunde an den Pranger.

Das politische Markenzeichen der frühen „Times“ – politische und kommerzielle Unabhängigkeit – erlangte die Zeitung erst unter John Walter II, Sohn des gleichnamigen Gründers, im Jahr 1803. So bezahlte er beispielsweise die Theaterbesuche der Times-Kritiker aus eigener Tasche anstatt dass sich diese einladen ließen. Die Folge war, dass die Zeitung unabhängig über die Londoner Theaterszene schreiben konnte und einzelne Stücke gegebenenfalls auch genüsslich zerreißen konnte. Weitere für die damalige Zeit revolutionäre Änderungen beinhalteten die Schaffung eines internationalen Korrespondenten-Netzwerks, das wertvolle Informationen für die mehrheitlich aus Kaufmännern und Beamten bestehende Leserschaft bereitstellte.

Eng verknüpft mit dem Aufstieg der „Times“ war die technische und industrielle Revolution, insbesondere die Erfindung der Dampfmaschine. Nicht nur, dass mit Dampf betriebene Eisenbahnen die Zeitung in alle noch so entfernte Winkel des Königreiches transportierten und „Times“-Korrespondenten auf mit Dampf betriebenen Schiffen die Welt bereisen konnten; John Walter II machte sich die neue Technologie auch für den Druck zugute. 1814 kam erstmals die eigens entwickelte doppelzylindrige Dampfpresse zum Einsatz mit der 15 000 Seiten pro Stunde gedruckt werden konnten – ein erheblicher Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Diese Mischung aus technischer Überlegenheit und journalistischer Unabhängigkeit machte die „Times“ Anfang des 19. Jahrhunderts mit 7000 verkauften Exemplaren zum Marktführer in der britischen – und damit weltweiten – Zeitungslandschaft.

Die „Times“ wurde unter John Walter II und seinem Sohn Walter III (der ihn 1847 nach dessen Tod als Herausgeber beerbte) zu einem Vorzeigeblatt in Sachen redaktioneller Unabhängigkeit und hochwertiger Journalismus. Ob parlamentarische Debatten im britischen Unterhaus oder zweiter Napoleonischer Krieg  - über innen- und außenpolitische Ereignisse wurde in zuvor nie bekannter Komplexität und Dichte berichtet. Die „Times“ war akkurater, umfangreicher und vor allem schneller als die Konkurrenz. So berichtete die Zeitung beispielsweise 1809 zwei Tage vor allen anderen Publikationen davon, dass sich französische Truppen während des fünften Koalitionskriegs im holländischen Villingen britischen Truppen ergeben hatten.

Im Zuge von Steuererleichterungen begann die britische Zeitungslandschaft zu florieren. Zwischen 1821 und 1841 stiegen die Auflagen der Sonntagszeitungen von 14 000 auf 55 000 Exemplare. 1851 betrug die tägliche Auflage der „Times“ bereits 38 000 Exemplare. Die Zeitung arbeite ab den 1830er Jahren hochprofitabel und ihr Wert wurde auf mehr als eine halbe Million Pfund geschätzt.

Doch die damit entstandene finanzielle Unabhängigkeit der „Times“ hatte auch ihren Preis. Nachdem die Times wiederholt kritisch über den schottischen Admiral Lord Melville geschrieben hatte, wurde der Walter-Familie das printer for the customs-Amt genommen, eine Art Dauerauftrag der Regierung, sämtliche staatlichen Dokumente zu drucken. John Walton II wurde aufgrund des kommerziellen Erfolgs der „Times“ wohlhabend und kaufte sich ein Anwesen in Berkshire, dessen Wahlkreis er fortan auch als Politiker im britischen Parlament repräsentierte, ehe er 1837 nach fünf Jahren wegen Ablehnung der New Poor Laws, einer umstrittenen Reform der Wohlfahrtssystems, wieder zurücktrat.

Während des 19. Jahrhunderts mit all seinen sozialen Umwälzungen machte die Times ihrem Spitznamen „The Thunderer“ alle Ehre. In der Tat legte sie einen Reformeifer an den Tag mit dem nur wenige Blätter mithalten konnten und „donnerte“ in ihren Leitartikeln regelmäßig für den Ausbau sozialer und politischer Rechte. Ohne die „Times“ und den engagierten Einsatz ihres langjährigen Chefredakteurs Thomas Barnes (1817-1841) wäre der Reform Act von 1932, der das Wahlrecht sowie den Einfluss des Parlaments signifikant ausbaute, wohl nicht erlassen worden. Barnes war in den 1830er Jahren der wohl einflussreichste Mann des Königreichs und seine Freundschaft mit Lordkanzler Henry Broughham machte ihn zu einem Insider der britischen Politszene. Das gesamte verbleibende 19. Jahrhundert über schärfte die „Times“ ihr Profil als bürgerliches und liberal-konservatives Blatt.

1908 wurde die „Times“ von Lord Northcliffe gekauft, der zuvor mit den Gründungen der Boulevardblätter „Daily Mail“ und „Daily Mirror“ ein Vermögen gemacht hatte. Es war das letzte Mosaikstückchen für Northcliffe, der für sein Verlagsimperium Almagated Press eine seriöse Zeitung brauchte, um ernst genommen zu werden. Wie groß der Einfluss von Northcliffes „Times“ war zeigte sich im Zuge der Shell Crisis von 1915, als die Times verstärkt über schlecht ausgerüstete britische Truppen an der Weltkriegsfront berichtete, was zur Folge hatte, dass die Regierung von Premier Herbert Henry Asquith zerbrach. Doch Northcliffe war schlau genug, dem Blatt seine redaktionelle Unabhängigkeit weitestgehend zu belassen; die „Daily Mail“ blieb sein bevorzugtes Organ, um seine persönlichen politischen Ansichten unter die Massen zu bringen. Sein unternehmerisches Geschick und seine Managerqualitäten bewahrten das seit Ende des 19. Jahrhunderts leicht kriselnde Blatt vor der Bedeutungslosigkeit. Im Zuge einer Neuorganisation und Preisreduzierung von threepence auf einen penny pro Exemplar konnte er die Auflage unter seiner Ägide von 50 000 auf 150 000 Exemplare verdreifachen. Nach seinem Tod wurde die „Times“ an die angloamerikanische Astor-Familie verkauft.

Vor und während des zweiten Weltkriegs folgte eine eher dunkle Periode für die „Times“. Anfang der dreißiger Jahre distanzierte sich die Zeitung von der dezidierten Ablehnung des deutschen Hitler-Regimes ihrer liberalen Konkurrenten. Die Chefredakteure Geoffrey Dawson (1922-1941) und Robert Barrington-Ward (1941-1948) waren sich durchaus bewusst, dass die außenpolitische Berichterstattung der noch immer als Diplomaten-Zeitung geltenden Times von der Nazi-Oberschicht aufmerksam verfolgt wurde. Deshalb wollte man sich diesen Einfluss auf das Nazi-Regime zunächst nicht durch kritische Kommentare zerstören – wie etwa in Bezug auf die beginnende Judenverfolgung. Die Appeasement-Politik der Chamberlain-Administration wurde dementsprechend mitgetragen. Bis zu der sogenannten  „Reichskristallnacht“ 1938 wurden Berichte über grassierenden Antisemitismus und den Aufbau des Lagersystems systematisch ignoriert.

Gefördert wurde diese Haltung durch ausgeprägten Antisemitismus in Teilen der Times-Redaktion. Bereits 1920 wurde in einem Leitartikel die Protokolle der Weisen von Zion gelobt – jedoch ein Jahr später an selber Stelle als Fälschung entlarvt. In der Redaktion – ebenso wie in Teilen der britischen Bevölkerung selbst – war der Glaube verbreitet, Juden würden die Verfolgung durch Nazis mutwillig übertrieben darstellen und zu ihren Vorteil instrumentalisieren. Nach Kriegsbeginn berichtete die Times vereinzelt über Ermordungen und Deportationen von Juden, stellte diese Maßnahmen jedoch in den Gesamtkontext kriegerischer Aktionen und weigerte sich so stets von systematischen, genozidalen Handlungen zu sprechen. Wer wissen wollte, was in Bezug auf den Völkermord in Deutschland vorging, musste sich während dieser Zeit den „Daily Telegraph“ oder „Guardian“ besorgen. Nach 1942 änderte sich dies und mehr Berichte über Verbrechen an Juden fanden ihren Weg in die „Times“, doch das Blatt blieb stets auf regierungstreuer Linie und gab jüdischen Kritikern der relativ zögerlichen Haltung der britischen Regierung – etwa in Bezug auf Emigration nach Großbritannien – keinen Raum im Blatt.

1952 bekam die „Times“ mit William Haley erstmals einen Chefredakteur, der nicht im vorigen Jahrhundert geboren war. Haley war zuvor Generaldirektor der BBC und inspiriert vom neuen Medium Fernsehen versuchte er mit diversen Reformen dem auch von Form und Layout konservativen Blatt neues Leben einzuhauchen. So wurden Todes-, Heirats- und Geburtsanzeigen von der Titelseite verbannt und durch Nachrichten ersetzt, Cartoons abgedruckt und eine Gossip-Kolumne eingeführt. Haley kritisierte, die Zeitung hätte aufgrund ihres historischen Renommees zu lange in verblendeter Isolation gelebt und müsste an die Gegenwart angepasst werden. 1967 verließ er die „Times“ nachdem die Zeitung von der Astor-Familie an den kanadisch-stämmigen Lord Thomson verkauft wurde, der zuvor bereits die von der „Times“ unabhängige „Sunday Times“ erworben hatte.

Für die nächsten vierzehn Jahre agierte William Rees-Mogg als neuer Chef der „Times“. Sei es in Bezug Großbritanniens EU-Kurs oder internationale Wirtschaftspolitik - „Mystic Mogg“ wechselte während dieser Zeit seine politischen Überzeugungen mehrfach. Dies sowie gravierende Managementfehler hatten zur Folge, dass die Zeitung ihre konservative Identität sowie große Teile ihrer Leserschaft verlor. Die einzige Möglichkeit für die „Times“ Anfang der 1980er Jahre ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, war ein Verkauf an einen aufstrebenden Medienunternehmer namens Rupert Murdoch.

Für Murdoch war es die erste Übernahme eines Qualitätsblatts und die „Times“ sowie „Sunday Times“ neben der „Sun“ und der „News of the World“ im Portfolio seines Medienkonzerns News Corp. zu haben, bedeutete für den Australier den Eintritt in die Arena der politischen Meinungsmacher. Ähnlich wie bei seiner Übernahme des „Wall Street Journal“ knapp dreißig Jahre später kam es trotz Beteuerungen, die redaktionelle Unabhängigkeit bewahren zu wollen, zu einer radikalen Transformation der Zeitung. Kritiker werfen Murdoch bis heute vor, die „Times“ seiner jahrhundertlangen Tradition von Fairness, journalistischer Sorgfaltpflicht und faktischer Detailbesessenheit beraubt und stattdessen in ein general interest-Blatt verwandelt zu haben, das sich seitdem an den Massengeschmack anbiedert. Murdoch-Anhänger weisen andererseits zu Recht darauf hin, dass die Verjüngung, Boulevardisierung und Feminisierung der Inhalte die Zeitung aus ihrer finanziellen Krise rettete und die Auflage innerhalb weniger Jahre von 200 000 auf 700 000 pro Tag verkaufte Exemplare ansteigen ließ.

Doch Teil dieser wirtschaftlichen Erholung war auch die Zerstörung der Redaktionskultur. Laut Biograph Michael Wolff begann Murdoch unmittelbar nach der Übernahme einen „Jihad“ gegen die „Times“-Redaktion: alteingesessene Redakteure, die jahrelang für die Zeitung gearbeitet hatten wurden gefeuert und durch Murdoch-Getreue ersetzt. Gewerkschaftlicher Widerstand gegen den Umzug der Druck- und Produktionskapazitäten in den Londoner Stadtteil Wapping wurde mit Regierungshilfe zerschlagen. Die enge Verbindung zu den Konservativen und Premierministerin Thatcher, die regelmäßig in die „Times“-Redaktion kam, um mit Murdoch Whiskey zu trinken, ließ die einstige zumindest offiziell überparteiliche Zeitung zu einem Sprachrohr des Neoliberalismus werden. Im Gegenzug erlaubte die sonst stets auf Wettbewerb und die Kräfte des Marktes pochende Thatcher-Administration den Ausbau von Murdochs britischem Medienmonopol, zu dem neben vier Zeitungen bald auch ein Satelliten-Fernsehbetreiber zählen sollte. Murdochs Kauf der „Times“ zementierte die Meinungsmacht der Konservativen Partei, die bis Mitte der 1990er Jahre über die News Corp.-Blätter 70 Prozent des Pressemarktes kontrolllierte.

Leser der „Times“ in den 1980er Jahren erfuhren häufig nicht die gesamte Wahrheit. Nach einem Israel-Besuch von Murdoch Mitte der 1980er Jahre nahm die Zeitung einen strikten Pro-Israel-Kurs ein, der Menschenrechtsverletzungen auf israelischer Seite totschwieg. Der Inhalt der Hitler-Tagebücher wurde exklusiv in der „Times“ aufbereitet und zunächst gegen Fälschungsvorwürfe verteidigt. Und als 1988 ein amerikanisches Raketenboot ein iranisches Passagierflugzeug mit 290 Menschen an Board abschoss, behauptete die Times fälschlicherweise, es hätte sich um die Verhinderung eines Selbstmordanschlags gehandelt.

Mitte der 1990er Jahre beendete Murdoch seine Allianz mit den Torries und wandte sich der zuvor jahrelang dämonisierten Labour-Partei zu. Mit Hilfe der „Sun“ und der „Times“ wurde Blair 1997 Premierminister und 2001 wiedergewählt. In den neun Tagen vor Ausbruch des Irakkriegs 2003 telefonierten Blair und Murdoch insgesamt drei Mal. Die „Times“ verteidigte Blairs umstrittene Entscheidung an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilzunehmen. Blair ist bis heute einer der engsten Freunde des Medienmoguls und Taufpate seiner Tochter Grace. Er versuchte im Zuge des Abhörskandals bei der „News of the World“ im Jahr 2011 mehrfach seine Parteifreunde von weiteren Untersuchungen der Affäre abzuhalten.

Verlagsüberblick und Management

News International (NI Group Limited), die britische Zeitungssparte des internationalen Medienkonzern News Corp. verlegt neben der „Times of London“ noch das Boulevardblatt „The Sun“ sowie die Sonntagszeitung „Sunday Times“. Die Boulevard-Sonntagszeitung „News of the World“ wurde im Zuge des Abhörskandals im Juli 2011 eingestellt, bei dem „NoW“-Journalisten auf illegale Art und Weise Mobiltelefone von Prominenten und Angehörigen von Terroranschlägen abgehört sowie Polizisten bestochen hatten. Die seit Februar 2012 eingeführte Sonntagsausgabe der „Sun“ soll die „News of the World“ auf lange Sicht beerben. Alle Inhalte für  NI-Zeitungen werden in der Verlagszentrale im Londoner Stadtteil Wapping produziert.

Nachdem die langjährige News International-Chefin Rebekah Brooks im Zuge des Abhörskandals zwei Mal von Scotland Yard verhaftet wurde und Rupert Murdoch`s Sohn James Großbritannien aus demselben Grund fluchtartig verlassen hat, ist Tom Mockridge seit Sommer 2011 neuer CEO des Verlags. Der gebürtige Neuseeländer und gelernte Journalist baute zuvor erfolgreich News Corps italienischen Pay-TV-Sender Sky Italia auf, der mittlerweile fünf Millionen Kunden hat. Während seiner Zeit in Italien legte er sich regelmäßig mit Silvio Berlusconi, Chef von Skys Konkurrent Mediaset, wegen Preisen für Fußball-Rechte an. Mockridge hatte nichts mit den illegalen Methoden der News International-Publikationen zu tun und gilt daher als unbelastet.

Chefredakteur der „Times“ ist seit 2007 James Harding. Er beerbte Robert Thompson, der neuer Chef des zuvor von Rupert Murdoch übernommenen „Wall Street Journal“ wurde. Als der Abhörskandal beim Schwesterblatt „News of the World“ publik wurde, verteidigte Harding seinen Arbeitgeber noch in prominent platzierten Leitartikeln und griff Labour-Politiker Tom Watson scharf an, der eine Beschränkung der Meinungsmacht Murdochs in Großbritannien forderte. Im Frühjahr 2012 musste er dann aber selber vor dem Leveson-Untersuchungsausschuss zu illegalen Hacking-Methoden Rede und Antwort stehen – ein demütiger Auftritt, der sein persönliche Reputation sowie die der „Times“ nachhaltig beschädigte.

Internetpräsenz und Online-Performance

Im Juni 2010 verschwand der komplette Onlineauftritt der "Times of London" hinter einer Bezahlmauer. Die Inhalte werden auf einer separaten Website nur gegen Bezahlung abrufbar gemacht, wobei der Preis für einen einwöchigen Zugriff bei zwei Pfund liegt (vier Pfund für Tablet-Versionen). Wie der „Guardian“ einen Monat nach Beginn des Experiments ausrechnete, verringerte sich der Traffic zur Homepage um 90 Prozent. Im März 2011 hatte die „Times“ 79,000 Online-Abonennten, die News Corp. 7,1 Millionen Pfund an Umsatz pro Jahr bescheren, eine Summe, die jedoch zu gering ist, die massiven Verluste der Printausgabe (71 Millionen US-Dollar im Kalenderjahr 2010) auszugleichen. Generell ist die Bereitschaft der Online-Leser, Geld für Artikel zu zahlen, gering - seien sie noch so exklusiv und journalistisch hochwertig. Das Zukunftsmodell scheint eher in einer „porösen“ Bezahlmauer zu liegen, wie sie beim Onlineauftritt der New York Times erfolgreich eingeführt wurde.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Der Abhör- und Hacking-Skandal, der auch die „Times“ betrifft (wenn auch nur in vergleichsweise geringeren Ausmaß) markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Negativentwicklung, die seit der Übernahme Rupert Murdochs vor 30 Jahren begann. Chefredakteur Harding musste im Februar 2012 vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zugeben, davon gewusst zu haben, dass einer seiner Reporter den Email-Account des anonymen Polizeibloggers „NightWolf“ gehackt hatte, um anschließend dessen wahre Identität in der „Times“ preiszugeben.

Neben solchen ethischen Verfehlungen hat die „Times“ wie andere Printtitel mit der wachsenden Onlinekonkurrenz und sinkenden Auflagenzahlen zu kämpfen. Die Auflage der Printausgabe ging 2011 um 13 Prozent auf 446 000 Exemplare zurück. Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat die Zeitung fast 300 000 Leser verloren. Seit Jahren häuft die Zeitung Millionenverluste ein; allein 2010 erwirtschaftete das Blatt ein Minus von 240 000 Pfund pro Tag. Um die Verluste aufzufangen und die Redaktionskosten um 15 Prozent zu senken, wurden 2011 ein Siebtel aller Redakteure entlassen. Chase Carey, zweiter starker Mann beim US-Mutterkonzern News Corp. denkt in Interviews bereits laut darüber nach, die gesamte defizitäre Zeitungssparte in ein separates Unternehmen auszugliedern. Die Online-Bezahlmauer der „Times“ soll weitere Gewinne abwerfen, allerdings zu dem Preis, dass die Zeitung immer mehr aus dem tagesaktuellen Diskurs verschwindet.

Referenzen/Literatur

  • Chambers, Robert 1832: The Book of Days. A Miscellany of Popular Antiquities, Vol. II, London & Edinburgh: W&R Chambers.
  • Dudley, Leonard 2008: Information Revolutions in the History of the West. Northampton: Edwar Elgar Publishing.
  • Evans, Harold 2011: Good Times, Bad Times. London: Bedford Square Books.
  • Fisk, Robert: Why I had to leave The Times, in: The Independent, 11. Juli 2011.
  • Hudson, Derek 1943: Thomas Barnes of the Times. Cambridge: Cambridge University Press.
  • New York Times, 9. September 1987: William J. Haley, British Journalist, Dies At 86.
  • Rees-Mogg, William 2011: Memoirs. London: HarperCollins UK.
  • Sabbagh, Dan 2011: How Tony Blair was taken into the Murdoch family fold, The Guardian, 5. September 2011.
  • Sabbagh, Dan 2011: The Times and Sunday Times cut 150 editorial posts, in: The Guardian, 20. Oktober 2011.
  • Shindler, Colin 2003: The "Thunderer" and the Coming of the Shoah: 1933-1942, in: Shapiro, Robert Moses (Hrsg.): Why Didn't the Press Shout? American and International Journalism During the Holocaust, Jersey City: KTAV Publishing House, S. 151-173.
  • Thompson, J. Lee 1999: Politicians, the Press, & Propanganda. Lord Northcliffe & The Great War, 1914-1919. Kent: The Kent State University Press.
  • Wolff, Michael 2010: The Man Who Owns The News. Inside the Secret World of Rupert Murdoch. London: Vintage Books.