Länderporträt Frankreich

Im Allgemeinen sehen sich die französischen Medien einer etatistischen Logik ausgesetzt, was durchaus eine Tradition hat. Erst recht seit 1944, d.h. seit dem Nachkriegsaufbau und der kompletten Neuorientierung der Medienmärkte. Eine gestärkte Rolle des Staates sollte dem freien Spiel der Marktkräfte entgegenwirken, um zu verhindern, dass sich etwa die Presse von ausländischen Kräften korrumpieren lässt – wie es vor 1939 geschehen war. Pressekonzerne, die wie im angelsächsischen Liberalismus üblich unabhängig vom Staat wirtschafteten, waren nicht gewünscht. Das Rundfunkmonopol sollte dann bis 1982 Bestand haben.

Eine enge Bindung von Staat und Medien aber, oder genauer: die enge Bindung von hohen Politikern und Chefredakteuren, die Einmischung, die Einflussnahme von Spitzenpolitikern auf die Medien gibt es immer noch. Etwa waren da die oft zitierten Drohanrufe vom ehemaligen Präsident Sarkozy bei unbotsamen Journalisten. So gibt es auch nach wie vor das Privileg des Staatsoberhaupts, Interviews in den großen TV-Kanälen zur besten Sendezeit anzuordnen: Im staatlichen France 2 und sogar im privaten TF1. Und es ist noch immer eine Abhängigkeit des Pressewesens von öffentlichen Subventionen und Steuergeschenken zu beobachten. Die Folge: Jedes Jahr werden in Umfragen Zweifel an der Souveränität der Journalisten und allgemein eine Medienverdrossenheit festgestellt. Diese französische Eigenart bei der Rolle des Staates wird besonders deutlich am Beispiel des Zentralismus. Denn allen Dezentralisierungsplänen zum Trotz: Frankreich gilt nach wie vor als das Beispiel für Zentralismus schlechthin, auch in den Medien. Alle landesweit erscheinenden Zeitungen, die Magazin- und Buchverlage kommen aus Paris und Umgebung. Auch die „audiovisuelle Landschaft“ (PAF – Paysage audiovisuel français, wie es im Sprachgebrauch heißt), also der Gesamtmarkt des Fernseh- und Hörfunkgeschäfts, liegt im Großraum Paris. Eine Nähe zu den Machthabern, die, wie man gesehen hat, sicherlich erwünscht ist.

Noch eine Besonderheit und Auffälligkeit der französischen Medien ist das branchenfremde Kapital, das seit der Liberalisierung des Rundfunks in den 1980er Jahren investiert worden ist. Von Industriellen, die von öffentlichen Ausschreibungen profitieren: Der Hauptfernsehkanal TF1 ging bei der Privatisierung 1987 an den Baukonzern Bouygues, Anfang der 1980er kaufte der Rüstungs- und Luftfahrtkonzern Matra (heute Lagardère) das größte französische Verlagshaus Hachette und besitzt heute eine Reihe von Zeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Hörfunkkanälen. Und Lagardère befindet sich mittlerweile sogar mehrheitlich im Besitz von Vivendi – dem größten Medienkonzern Frankreichs. Es gibt grünes Licht für eine vollständige Übernahme. Überdies stieg 2004 noch ein Waffenhändler und Flugzeugbauer ins Mediengeschäft ein: Serge Dassault kaufte den Socpresse-Verlag, Teil des Medienimperiums des verstorbenen Robert Hersant (Le Figaro). Heute ist La Figaro weiterhin im Besitz der Familie des mittlerweile ebenfalls verstorbenen Unternehmers.

Basisdaten

Einwohner: 67,39 Millionen (2020)
Haushalte: 32,09 Millionen (2020); 27,6 Millionen (2011)                
Durchschn. Haushaltsgröße: 2,1 Personen (2020); 2,31 Personen (2011)                       
Religionen: Römisch-Katholisch (64,3 %), Muslime (4,3 %), Protestantisch (1,9%), Buddhisten (1 %), Juden (0,6 %)                        
Größte Städte: Paris (2,27 Millionen Einwohner), Marseille (850.000), Lyon (484,000)
Regierungsform: Parlamentarische Präsidialdemokratie mit zwei Kammern      
Staatschef: Emmanuel Macron (RE, seit 2017)
Regierungschefin: Élisabeth Borne (RE, seit 2022)
EU-Beitritt: 1952 (Gründungsmitglied)
Arbeitslosenrate: 7,9% (2021); 9,8% (2012)
Staatsverschuldung: 2021: 2.790 Mrd. Euro; 2012: 1.834 Mrd. Euro        
Haushaltssaldo in Relation zum BIP: 2021: -7,05%; 2012: -4,8%                        
Anteil am globalen BIP: 2,3 % (2021); 2,72 % (2012)                            
Digitale Werbeausgaben: 10,19 Mrd. Euro (2022)                        
Fernseh-Dauer pro Einwohner: 219 Min. pro Tag (2021); 227 Min. pro Tag (2011)                    
Größte Medien- und Telekommunikationskonzerne: Vivendi, Lagardère, France Télévisions, TF1
Monatliche Rundfunkgebühr: Finanzierung des öffentlichen Rundfunks aus Steuergeldern (seit November 2022)

Historische Grundlagen

Das französische Zeitungswesen blickt auf eine lange Geschichte zurück: Das erste Wochenblatt La Gazette erschien 1631, die erste Tageszeitung 1777 (Le Journal de Paris) – wobei sich die Leserschaft natürlich auf den engen Kreis einer gebildeten Elite beschränkte. Das goldene Zeitalter der französischen Presse begann nach dem Ende des Second Empire 1870, und endete mit dem Ausbruch des Weltkriegs 1914. Für diese Zeit der III. Republik, mit fortschreitender Alphabetisierung, der Verbreitung von Rotationspressen, dem Entstehen von Eisenbahn- und Telegrafennetzen, mit dem Gesetz vom 29. Juli 1881 (Garantie der Pressefreiheit), lässt sich eine massive Expansion der Presselandschaft nachweisen: 1887 erschienen allein in Paris 1.665 Titel, die Zeitung wurde zum ersten Massenmedium. 1914 konnte man eine tägliche Gesamtauflage von über neun Millionen verzeichnen; bei der Pro-Kopf-Auflage (244 pro 1000 Einwohner) belegte Frankreich europaweit Platz eins. Die bekanntesten und auflagenstärksten Tagesblätter (zum Preis von fünf Centimes) waren Le Petit Journal, Le Petit Parisien, Le Journal und Le Matin. Nach Ende des Ersten Weltkrieges wandten sich die Leser mehr der Regionalpresse zu. Man hatte sich gewissermaßen von den großen Blättern aus Paris entfremdet – zu deutlich war die voreingenommene, z.T. zensierte, von patriotischem Pflichteifer geprägte Berichterstattung während der Kriegsjahre gewesen.

Während des Zweiten Weltkriegs, d.h. unter der deutschen Besatzung, wurden die Karten neu gemischt. Nach der traumatischen, in dem Maße unerwarteten (militärischen, politischen, weltanschaulichen) Niederlage 1940 lag Frankreich am Boden – zu einem großen Teil vom Erbfeind besetzt. Das sich gerade etablierende Radio gewann unter diesen Umständen eine nicht zu überschätzende Bedeutung: Als wichtiges Propaganda-Instrument der Machthaber (Radio-Paris, Radio-Vichy), als Stimme der Résistance und des Freien Frankreichs (Radio-Londres). Das Bild der französischen Presse war ähnlich gespalten. Es gab die von den Besatzern sanktionierte Kollaborationspresse, und es gab die anderen Blätter, die meisten Pariser Tageszeitungen, die ihren Erscheinungsort ins südliche, vorerst (bis November 1942) nicht besetzte Frankreich verlegten. Dazu erschienen manche nur noch klandestin, manche gar nicht mehr.

Auch das Fernsehen spielte zu der Zeit schon eine Rolle, wenn auch eine unbedeutende. Die deutschen Besatzer richteten im Mai 1943 den Fernsehsender Paris ein (in Deutschland hatte man die Propaganda-Qualitäten des neuen Mediums schon erkannt), für verwundete Soldaten in Paris, mit einer Senderanlage am Eiffelturm, unter der Leitung des ehemaligen Berliner Sendeleiters Knut Hinzmann. Da es keine Videoaufzeichnungen gab, ist von den Sendungen fast nichts erhalten geblieben (nur einige Aufnahmen, die für die deutsche Wochenschau bestimmt waren).

Nach den traumatischen Erfahrungen der Kriegsjahre fand in den französischen Medien nicht weniger als eine Revolution statt. Alle Zeitungen und Sender, die man nicht verboten hatte, wurden der Kollaboration mit den Besatzern für schuldig befunden. Der Rundfunk und die Presseagentur Havas wurden nationalisiert und hießen von da an RDF (Radiodiffusion Française) respektive AFP (Agence France Presse). Sämtliche Zeitungen, die noch zwei Wochen nach Beginn der Besatzung am 25. Juni 1940 erschienen waren, wurden verboten. Von den 206 Tageszeitungen, die 1939 erschienen waren, konnten lediglich 28 nach dem Krieg weitermachen. Auch die großen Verlagshäuser wurden aufgelöst. Ein tiefgreifender Umbruch: Kaum etwas blieb vom Mediensystem der Vorkriegszeit übrig.

Eine neue Presse entstand, Blätter aus dem Widerstand und dem Untergrund, mehrheitlich kommunistisch (Défense de la France, Le Franc-tireur, Libération, La Voix du Nord, Albert Camus’ gemäßigt linker Combat). Dazu Neugründungen im August 1944 (Le Parisien libéré, Sud-Ouest, Ouest-France) bzw. im Dezember 1944 (Le Monde), und Traditionstitel, die wieder zugelassen wurden (Le Figaro, L’Humanité, Le Populaire, Les Échos, Le Progrès, L’Est républicain). Es folgten glanzvolle Jahre für französische Zeitungen: Die Tagesblätter erschienen mit einer Auflage von mehr als 15 Millionen (370 Zeitungen pro 1000 Einwohner: eine Zahl, die nie wieder erreicht wurde).

Interessant in diesem Zusammenhang: Dem Großkapital und im Prinzip allem, was aus Paris kam, haftete noch immer ein Ruch der Kollaboration an. Ein wohl entscheidender Grund dafür, dass die Regionalpresse ihre Auflagenzahlen nach dem Krieg von 5,5 Millionen (1939) auf über neun Millionen (1946) erhöhen konnte. Während es mit den stark politisierten Blättern aus der Befreiungszeit ab 1947 bergab ging, konnte sich eine klassische Nachrichtenpresse etablieren (France-Soir, Le Parisien libéré, Le Figaro, Le Monde). 1969 etwa liegt die tägliche Auflage bei 13 Millionen (fünf Millionen für die landesweit erscheinenden Zeitungen, acht Millionen für die Regionalblätter): Es war die Sternstunde der französischen Tagespresse.

Für das Radio galt für die herrschende Mitte-links-Regierung die folgende Priorität: Es sollte in erster Linie den Zielen des Nachkriegsstaats nützlich sein. Die Rundfunkpolitik sah deshalb klare Maßnahmen vor: Alle privaten Radios wurden abgeschaltet, die Sendeanlagen beschlagnahmt, das gesamte Medium verstaatlicht. Ein Staatsmonopol unter Verantwortung des Informationsministers entand, den Zielen der jeweils Regierenden untergeordnet. Offiziell gab es also keine privaten Radiolizenzen in Frankreich. In Wirklichkeit aber gab es die sogenannten Radios périphériques: Privatsender, die knapp hinter den Staatsgrenzen lagen, aber in weiten Teilen Frankreichs zu empfangen waren, z.B. RTL (Luxemburg), Europe 1 (Saarland), RMC (Monaco), Sud Radio und Radio Andorre (Andorra).

Die Fernseh-Ära begann in Frankreich mit einiger Verzögerung, 1961 besaßen weniger als 20 Prozent der Haushalte ein Fernsehgerät. Dann ging es zügig: 1964 wurde der zweite Kanal gegründet, 1967 das Farbfernsehen eingefühlt, 1969 gab es schon über 10 Millionen Fernseher in Frankreich. Radio und Presse als führende Unterhaltungs-, Kultur- und Informationsmedien wurden vom Fernsehen Ende der 1960er Jahre überholt. Wie das Radio war auch das Fernsehen eine öffentliche Angelegenheit. Die Politik eines Staatsmonopols wurde nicht infrage gestellt, sie ging einher mit der Idee einer zentralen Wirtschaftslenkung und einem Kollektivismus, der in Frankreich nach dem Krieg favorisiert wurde. Auch sollte ein Staatsfunk einer Amerikanisierung zuvorkommen und die französischen Kulturwerte hochhalten. Eine privatwirtschaftliche Konkurrenz war ausgeschlossen – bis Mitterrands Rundfunkreform 1982.

François Mitterrand war im Mai 1981 gewählt worden, als erster Präsident der V. Republik aus dem linken Lager. Die „réforme de l’audiovisuel“ 1982 war dann eine einschneidende Strukturreform und sollte für eine weitreichende Liberalisierung des französischen Rundfunks sorgen. Der Staat verzichtete auf sein Rundfunkmonopol, die Sendeerlaubnis für private Radios ist bis heute ein Symbol für die Aufbruchstimmung geblieben. Mit Canal+ entstand Ende 1984 Europas erster terrestrischer Pay TV-Kanal, Anfang 1986 wurden zwei weitere terrestrische Privatsender (La Cinq, TV6) genehmigt. Hochsymbolisch war auch die Gründung der Rundfunk-Aufsichtsbehörde „Haute Autorité de la communication audiovisuelle“, die. Hier sollte es v.a. um eine Abnabelung des öffentlichen Rundfunks von der Staatspatronage gehen, wie sie sich in der Zeit unter de Gaulle und unter Giscard d’Estaing eingeschliffen hatte. Die Intendanten der Radio- und Fernsehsender etwa sollten nun nicht mehr vom Präsidenten, sondern von der „Haute Autorité“ ernannt werden.

Ganz aufhören mit Einmischung und Einflussnahme mochte die Politik freilich nicht. Als die bürgerlichen Parteien 1986 die Parlamentswahlen gewannen und es zur ersten „Cohabitation“ (des sozialistischen Präsidenten Mitterrand mit dem bürgerlichen Regierungschef Chirac) kam, wurde das Erste Programm (TF1) privatisiert und die „Haute Autorité“ durch die „Commission Nationale de la Communication et des Libertés“ (CNCL) ersetzt, jeweils mit der rechten Parlamentsmehrheit genehmen Figuren an der Spitze. 1988, nachdem Mitterrand ein zweites Mal die Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte und danach eine neue Mitte-links-Regierung gewählt worden war, wurde die CNCL-Aufsichtshörde durch den CSA (Conseil Supérieur de l’Audiovisuel) ersetzt, die 2022 zur Autorité de régulation de la communication audiovisuelle et numérique (Arcom) umgewandelt wurde. Ein anderes wegweisendes medienpolitisches Ereignis während des zweiten Mitterrand-Mandats war die Umsetzung des Projekts eines deutsch-französischen Kulturkanals. Zunächst in beiden Ländern empfangbar über Kabel und Satellit, wurde Arte Ende September 1992 in Frankreich auch die terrestrische Frequenz des insolventen La Cinq zugewiesen.

Auch der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy hat für reichlich Bewegung im Mediensystem gesorgt; seine Medienreform wurde Anfang März 2009 verabschiedet. Die wichtigsten Maßnahmen: das Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, dessen zukünftige Finanzierung (neue Steuern für Privatsender und für Internet- und Handyanbieter) sowie die äußerst umstrittene Ernennung des Direktors der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten allein durch den Staatspräsidenten. Vor allem diese Anweisung rief im In- und Ausland besorgte Reaktionen hervor. Der direkte Draht zwischen der Exekutive und der Führung des öffentlichen Rundfunks bedeute eine „unerträgliche Regression“ (Télérama). Es waren unmissverständliche Signale aus dem Élysée: zurück zum Staatsfernsehen. 2013 wurden weite Teile dieser hoch umstrittenen Reform wieder zurückgenommen.

Der heutige Staatspräsident Emmanuel Macron gilt seit jeher als vehementer Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems in Frankreich. Schon vor seiner ersten Wahl zum französischen Präsidenten gab er unmissverständlich zu verstehen, wie wenig er von dem aktuellen System hält – insbesondere von dessen Finanzierung. Zu grundlegenden Reformen kam es 2022, dem Jahr seiner Wiederwahl. Noch vor seiner Wahl zur zweiten Amtszeit, nahm die Regulierungsbehörde für audiovisuelle und digitale Kommunikation Arcom ihren Betrieb auf. Mit der Fusion aus dem obersten audiovisuellen Rat (CSA) und der hohen Behörde für die Verbreitung von Werken und den Schutz der Rechte im Internet (HADOPI), sollte nicht nur ein bürokratischer Mehraufwand aus dem Weg geräumt, sondern ebenso eine für das digitale Zeitalter der 2020er-Jahre angemessene Behörde geschaffen werden.

Ende Mai, etwa einen Monat nach Macrons Wiederwahl, gab die französische Regierung bekannt, den Rundfunkbeitrag komplett abzuschaffen. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll jedoch auch künftig über ein Budget im Staatshaushalt gewährleistet sein. Im August 2022 hatte Frankreichs Verfassungsrat, der Conseil Constitutionnel, das Vorhaben abgesegnet. Im November desselben Jahres wurde die Rundfunkgebühr erstmals nicht mehr eingezogen.

Die größten Medienkonzerne in Frankreich

Die bekannten Zeitungen aus der Anfangsphase Mitte des 19. Jahrhunderts sind alle verschwunden, die frühen großen Player im Mediengeschäft sind gewissermaßen noch da: Havas, eine der weltweit ältesten Presseagenturen, ging 1997 auf in der Compagnie Générale des Eaux (heute Vivendi), das altehrwürdige Verlagshaus Hachette wurde 1980 von der Matra-Gruppe (heute Lagardère) übernommen. Seit 2021 hält Vivendi Anteile in Höhe von 57,35 Prozent an Lagardère. Neben den zwei der vier größten französischen Medienkonzerne, Vivendi und Lagardère, ist die öffentlich-rechtliche Senderholding France Télévisions und die im Wesentlichen aus dem gleichnamigen Privatsender bestehende TF1 zu nennen.

Vivendi

Vivendi ist heute der mit Abstand größte Medienkonzern Frankreichs. Es gab allerdings eine Zeit, da war er noch deutlich größer. Die Zeit um die Jahrtausendwende, als man unter dem damals 41-jährigen Jean-Marie Messier ansetzte, auch weltweit ganz oben mitzuspielen. Messier unternahm eine wilde Einkaufstour, fusionierte mit der Kino- und Produktionsgruppe Pathé und schließlich mit Seagram, wiederum Eigentümer des Hollywood-Studios Universal und des Major-Labels Universal Music, er kaufte diverse Telekom- und Dotcom-Unternehmen, UMTS-Lizenzen, Anteile an Satellitenbetreibern. Es war ein Wachstumsrausch, ein kopfloser Expansionskurs, der die Firma an den Rand des Kollaps brachte und der im Geschäftsjahr 2001 mit einem Rekordverlust von 13,6 Mrd. Euro endete. Im Juli 2002 musste Messier zurücktreten. Sein Nachfolger Jean-René Fourtou, geachtet als harter Sanierer, verkaufte in den nächsten Jahren große Teile von Vivendi, bis im Prinzip nur noch der Konzern in der heutigen Aufstellung übrig blieb: Musik (Universal Music Group, weltweiter Marktführer), TV und Film (Canal Plus Group, Bezahlsender, Filmproduktion und -vertrieb), Telekommunikation (SFR).

Es folgten unruhige Zeiten in der Vivendi-Zentrale. Nach mehreren Wechseln übernahm Arnaud de Puyfontaine 2014 die Firmenleitung – und hat diese Position noch heute inne. Vorher war der Konzern von anhaltenden finanziellen Einbußungen gezeichnet. Schlechte Nachrichten gab es vor allem von der Mobilfunksparte, die in Frankreich unter einer harten Konkurrenz durch einen neuen Wettbewerber (Billiganbieter „Free“, Iliad S.A.) leidet: Für das erste Halbjahr 2013 wurde ein Vivendi-Gewinneinbruch von 11,2 Prozent verzeichnet. Diese Probleme zeichneten sich schon 2012 ab, von einem Umbau des Konzerns, einer Aufspaltung in zwei Teile war bald die Rede. CEO Lévy, der sich solchen Plänen verweigerte, wurde vom Aufsichtsrat kurzerhand Ende Juni 2012 geschasst, der Justiziar Jean-François Dubos als Nachfolger eingesetzt. Die Abspaltung des kriselnden Mobilfunkgeschäfts ist 2014 schließlich vollzogen worden.

Im Februar 2020 beschloss Vivendi, sein Tochterunternehmen der Universal Music Group abzuspalten und an die Börse zu bringen. 60 Prozent des Kapitals von UMG könnten an die Aktionäre des Konzerns verteilt werden. Dieser Spin-Off gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht. Nachdem in zwei Schritten bereits 20 Prozent des Unternehmens an den chinesischen Internet-Riesen Tencent verkauft wurde, sollten vor dem Börsengang weitere 10 Prozent an den Investmentfirma Pershing Square Tontine Holding (PSTH) veräußert werden. Doch die Börsenaufsicht SEC machte dem einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen übernahm Star-Investor Bill Ackman den Anteil. Am 21.09.2021 dann der UMG-Börsengang, verbunden mit einem Kurssturz der Vivendi-Aktie, die zeitweilig umfasst zwei Drittel einbrach. Am Mittag des Tages allerdings ergaben die Kurse der Vivendi- und UMG-Aktien addiert ein Plus von 15 Prozent auf den Vortagesschluss der Vivendi-Aktie.

Im September 2021 wurde bekannt, dass Vivendi plant, den französischen Konkurrenten Lagardère mehrheitlich zu übernehmen, mit dazugehörigen Verlagen, Sendern und Magazinen. Der größte rein-europäische Medienkonzern entsteht. „Um den Zukauf zu finanzieren“, so der Spiegel, „könnte Vivendi auf der anderen Seite seine Aktivitäten im Einzelhandel abstoßen.“ Die Financial Times schreibt hierzu im Mai 2022: „Die bevorstehende Übernahme des größten französischen Verlags Hachette (Teil von Lagardère) durch den Milliardär Vincent Bolloré hat die französische Literaturwelt in Aufruhr versetzt.“ Bzw.: „Buchbranche vor Mega-Übernahme – Frankreichs Buchliebhaber schlagen Alarm“. Denn Vivendi besitzt schon Editis, die zweitgrößte französische Verlagsgruppe, mit Hachette käme die Nummer eins dazu. Weltweit entstünde der drittgrößte Verlag nach Penguin Random House (Bertelsmann) und HarperCollins (News Corp.).

Lagardère

Auch Lagardère, das sich mittlerweile ja sogar mehrheitlich im Besitz von Vivendi befindet, hat mal in einer anderen Liga gespielt. Zunächst ein französischer Großkonzern in den Bereichen Luft-, Raumfahrt, Fahrzeugbau und Rüstung; dann ab 1980 nach der Übernahme von Hachette auch in den Medien. Es war Jean-Luc Lagardère (1928-2003), in Frankreich eine Unternehmer-Legende, Inbegriff des Familienkapitalisten und einer der Gründer von EADS, der den Mischkonzern aufbaute und dann 1992 in die Lagardère Groupe überführte. Es war sein Sohn Arnaud (geb. 1961), der nach dem Tod des Vaters die Firmenleitung übernahm und im folgenden Jahrzehnt das Unternehmen halbierte. 2002 hatte die Lagardère-Gruppe 45.500 Angestellten und einen Gesamtumsatz von 13,2 Milliarden Euro, 2021 waren es noch 27.000 Angestellte und ein Umsatz von 5,1 Milliarden Euro. Übrig geblieben ist ein reiner Medienkonzern, aktiv in den Bereichen Presse, Verlage, Pressevertrieb, Sportrechte sowie TV-Spartenkanäle, Radio und Multimedia.

Lange wusste man nicht so recht, was Arnaud Lagardère vorhat. Lange schien es ihm vor allem darum zu gehen alles zu verkaufen, was ihn nicht interessierte, was nicht mit Medien zu tun hatte. Dann konzentrierte er sich auf die von ihm eingerichtete, bislang sehr defizitäre Sportrechte-Sparte. Auf der Hauptversammlung Anfang Mai 2013 verkündete er, sich über kurz oder lang auch von den zu sehr vom Werbemarkt abhängigen klassischen Medien (Radios, Fernsehsender) lossagen zu wollen. Zurück blieben verblüffte Aktionäre und Presseleute.

Im Frühjahr 2018 kündigte CEO Lagardère eine weitere umfassende Neuausrichtung an, mit der Verlagssparte Lagardère Publishing und Travel Retail als künftigen priority divisions, der Verkauf von Medienwerten folgte, z.B. von: Boursier.com (Wirtschaftsportal); der Boulevardmarke Point de Vue; den Portalen Doctissimo, My Doctor, Billetreduc.com, Plurimedia, Doctipharma; Fernsehbeteiligungen; von Radiosendern in Osteuropa und Afrika; von Zeitschriften, für die der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky insgesamt 52 Millionen Euro zahlte und sich, wie die taz schrieb, in kürzester Zeit unter dem Dach von Czech Media Invest ein „kleines Medienimperium“ in Frankreich zusammenkaufte. Medientitel, die Lagardère behielt, wurden 2018 unter dem Signet Lagardère News zusammengefasst. Am 02.09.2019 konnte Lagardère das TV-Geschäft (ausgeschlossen Mezzo) für 215 Millionen Euro an die M6-Gruppe verkaufen. Und auch aus dem Sport-Business, in das man 2006 mit der Übernahme der Sportrechteagentur Sportfive eingestiegen war, hat man sich verabschiedet. Mitte April 2020 übernahm die Investmentfirma H.I.G. Capital 75,1 Prozent der Anteile an Lagardère Sports and Entertainment, für etwa 110 Millionen Dollar. Es folgte eine weitere Umbenennung der Firma in den neu-alten Namen Sportfive.

Jetzt wird Lagardère verschwinden. Der andere französische Medienriese Vivendi plant ja seit geraumer Zeit eine Lagardère-Übernahme, hat im Dezember 2021 die 17,5-prozentige Beteiligung an der Lagardère SA vom britischen Investor Amber Capital gekauft und hält jetzt eine Beteiligung in Höhe von 57,35%. Vivendis Übernahmeplan hatte aber zu Kritik geführt, denn mit der Fusion würde Vivendi einen Großteil des französischen Buchmarkts kontrollieren: das zu Lagardère gehörende Hachette Livre, Frankreichs größten Verlag, sechsgrößten Buchkonzern der Welt, und den zu Vivendi gehörenden zweitgrößten Verlag Frankreichs Editis, weltweit auf Platz 26. Vivendi gab aber bekannt, dass man sich vom Verlag Editis trennen wolle, „um Konzentrationsprobleme mit der Lagardère-Gruppe zu vermeiden“. Damit ist der Weg frei für eine vollständige Übernahme.

France Télévisions

Der milliardenschwere, öffentlich-rechtliche Senderkonzern France Télévisions ist Rechtsnachfolger der staatlichen RTF bzw. der Sendergruppe ORTF. Heute sind unter dem Dach der TV-Holding die öffentlichen TV-Sender Frankreichs gruppiert, von dem öffentlich-rechtlichen Flaggschiff France 2, dem stärker regional orientierten France 3, bis zum Kultur- und Bildungskanal France 5, die alle als digitales Antennenfernsehen TNT (französisches DVB-T) empfangbar sind. Dazu, bis zu deren Einstellung im Jahr 2020, die über Kabel, Satellit und TNT verbreiteten Sender France 4, dem Spielfilm-, Serien-, Comedy- und Musiksender (Zielgruppe: 15-34), und France Ô (mit Programmen aus den Übersee-Territorien).

Das erste große Projekt von Delphine Ernotte, die seit 2015 Präsidentin der Rundfunkanstalt ist, war die Schaffung eines kontinuierlichen öffentlich-rechtlichen Informationskanals, der sich auf die Ressourcen von France Télévisions, Radio France , France Médias Monde und dem Nationalen Audiovisuellen Institut (INA) stützt. 2016 ersetzte die Internetseite des neuen öffentlich-rechtlichen Informationsangebots mit dem Namen "France Info" FranceTVInfo, die 2011 gestartete Nachrichtenseite von France Télévisions. Dies war der erste sichtbare Schritt zur Entstehung des neuen Informationsangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Groupe TF1

Im Zentrum des Medienkonzerns TF1 steht der gleichnamige TV-Sender – hervorgegangen aus dem 1947 gegründeten Staatssender RTF – dem ältesten größeren Fernsehsender Frankreichs. 1987 privatisierte die Regierung den Kanal; den Zuschlag erhielt ein branchenfremder, aber seit langem für die öffentliche Hand tätiger Unternehmer: Baulöwe Francis Bouygues. Nach einem heftigen, live auf TF1 übertragenen Bietergefecht mit Lagardère erhielt Bouygues den Zuschlag. Heute hält der Bouygues-Konzern 43,9 Prozent an TF1.

Zusätzlich zum Hauptprogramm veranstaltet TF1 heute eine Reihe von Spartenkanälen auf Pay-TV-Plattformen und war über Jahre Mehrheitseigner des paneuropäischen Sportsender Eurosport. Mit einem Marktanteil von 19,7% (2021) ist TF1 nach wie vor die unumstrittene Nummer Eins der französischen TV-Landschaft, das in den großen europäischen Märkten mit Abstand meistgesehene private Vollprogramm.

Presse

Die Tagespresse befindet sich im Niedergang, und das schon seit langem. Im Oktober 2007 erschien im französischen Senat ein „Rapport d’information“ über die Krise der Presse unter der dramatischen Überschrift: „Tagespresse: Chronik eines angekündigten Todes?“ Man erinnere sich: Nach dem Krieg waren es 28 landesweit und 175 regional/lokal erscheinende Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 9,2 Millionen. Zur Glanzzeit Ende der 1950er Jahre konnte man sogar eine Auflage von 13 Millionen verzeichnen (fünf Millionen für die nationalen, acht Millionen für die regionalen Blätter). Und heute? 2021 wurden laut der offiziellen Auflagenstatistik OJD nur noch acht landesweit erscheinende Tageszeitungen gezählt (plus der englischsprachigen International New York Times, die auch in Paris gemacht wird, jedoch lediglich eine Auflage von knapp 4.000 Exemplaren 2021 hat). Die acht landesweiten Titel kamen 2021 auf eine durchschnittliche Auflage von rund 1,6 Millionen. Hinzu kommen 46 regionale Zeitungen mit einer Auflage von knapp 3,3 Millionen Exemplaren.


Eine bestimmende Rolle, wie man es beispielsweise aus Großbritannien und auch aus Deutschland kennt, hat das französische Pressewesen ja nie gespielt. Als Grund wird stets das Fehlen von großen heavyweight Sonntags- und Boulevardzeitungen aufgeführt, die sich in Frankreich nie etablieren konnten. Und dies trotz der Vielzahl an Subventionen (Kredite, Steuererleichterungen), die der Staat hierzulande zahlt: 2009 waren es im Zuge eines Maßnahmen-Pakets zur Presseförderung laut Élysée 1,4 Milliarden Euro. Staatsgeld für die Presse, was im Übrigen eine Tradition hat, denn die französische Presse hat nie unabhängig vom Staat gewirtschaftet, hat wirtschaftlich nie auf eigenen Füßen gestanden. Schon die allererste Zeitung La Gazette wurde 1631 von Kardinal Richelieu finanziell unterstützt.

Es überrascht nicht, dass die Gesamtauflage von Printmedien Jahr für Jahr zurückgeht, während digitale Abonnements und das Lesen von PDF-Versionen boomen. Andere in diesem Zusammenhang genannte Gründe für den schleichenden Rückgang der Auflagenzahlen sind Druck-, Vertriebs- und Lohnkosten, die in Frankreich weit über dem europäischen Durchschnitt liegen. Dazu die Werbekrise, die das Zeitungsgeschäft besonders betrifft, und nicht zuletzt die kostenlose News-Flut aus dem Internet. Besonders greifbar wird die Krise an zwei Beispielen: Zwei renommierte Tageszeitungen, das Traditionsblatt France-Soir (gegründet 1944, in den 1960er Jahren die größte Zeitung Frankreichs) und die Wirtschaftszeitung La Tribune haben ihre Druckausgaben eingestellt. France-Soir erschien seit dem 14.12.2011 nur noch online, wurde am 23.7.2012 gar vollständig eingestellt. Hingegen konnte sich die La Tribune auf dem Online-Markt etablieren, nachdem sie am 31.1.2012 ihr Print-Ausgabe eingestellt hatte.

Für einiges an Aufsehen sorgte im Gegenzug der gestandene Journalist Nicolas Beytout (ehem. Chefredakteur des Figaro und von Les Echos), als er sich im Mai 2013 daran machte eine neue Zeitung zu gründen – vor dem Hintergrund von Auflagenschwund und Zeitungssterben, mitten in der Krise. Das neue wirtschaftsliberale, europafreundliche Blatt heißt L’Opinion und ist, wie der Slogan zur Gründung verriet: „Un média nouvelle génération“, also „Ein Medium der nächsten Generation“ – auf Papier, im Netz (mit Bezahlschranke), als App für Smartphone und Tablet.

Heute sind die über die Landesgrenzen hinaus bekanntesten Titel:

Le Figaro, die älteste Zeitung Frankreichs (seit 1826) mit konservativ-wirtschaftsliberaler Ausrichtung und unter den großen, überregional erscheinenden Tageszeitungen lange Zeit die auflagenstärkste – heute belegt sie einen guten zweite Rang. Inhaber der Zeitung war bis zu seinem Tod der ehemalige Senator (Mitglied der konservativen UMP), Flugzeugbauer und Waffenhändler Serge Dassault (1925-2018). Der zu den reichsten Franzosen zählende Geschäftsmann war überdies Sohn des legendären Luftfahrtunternehmers Marcel Dassault. Serge Dassault hatte die Verlagsgruppe Socpresse, die Herausgeber von Le Figaro ist und die aus dem Medienimperium des „Pressezars“ Robert Hersant (1920-1996) hervorgegangen war, 2004 übernommen. Heute ist Le Figaro weiter im Besitz seiner Familie.

Le Monde (gegr. 1944), linksliberale, wichtigste meinungsbildende Tageszeitung und noch vor Le Figaro die mittlerweile doch deutlich auflagenstärkste Tageszeitung des Landes. 2010 wurde die wirtschaftlich angeschlagene Zeitung mehrheitlich übernommen von einer Bietergruppe um den der sozialistischen Partei nahestehenden Mode-Unternehmer Pierre Bergé (1930-2017) – der ehemalige Lebensgefährte von Yves Saint Laurent. Der damalige Präsident Sarkozy hatte versucht, diese Übernahme zu verhindern und hat mit dem Entzug von staatlichen Subventionen gedroht – ohne Erfolg. Seit 2019 hält überdies der tschechische Unternehmer Daniel K?etínský Anteile an der Zeitung.

Libération, zu Beginn linksextreme (maoistische), heute gemäßigt linke Tageszeitung von intellektuellem Rang, gegründet 1973 u.a. von Jean-Paul Sartre. Das notorisch finanzschwache Traditionsblatt der französischen Linken sorgte 2005 für großes Aufsehen, als der Baron Édouard de Rothschild, Mitglied der berühmten Bankiesdynastie, 20 Millionen Euro investierte für eine 37-prozentige Mehrheitsbeteiligung an Libération. Der zwischenzeitlich profitable Pakt zwischen Kapitalgeber und linken (streitfreudigen) Journalisten wird schon seit Jahren in Frage gestellt. Libération schreibt über Jahre hinweg rote Zahlen. Von 2014 bis 2020 war Patrick Drahi der Eigentümer der Libération, Drahi ist ein Industrieller, der den Konzern Altice leitet, der ihm auch zu großen Teilen gehört. 2020 übernahm Drahi Schulden der Tageszeitung in Höhe von 55 Millionen Euro. Dazu kamen 20 Millionen Euro zur weiteren Finanzierung. Seit 2020 hat Libération eine neue Leitung, Denis Oliviennes, ein bekannter französischer Journalist. Im September 2022 erklärte sich die Presse-Gruppe CMI (Elle, Marianne u. a.) von Daniel K?etínský bereit, Libération weitere 14 Millionen Euro als Kredit bereitzustellen, um die aktuellen Verluste zu decken. Der neue Geschäftsplan sieht ein ausgeglichenes Ergebnis bis 2026 vor. Die Zeitung scheint gerettet – zumindest vorerst.

L’Humanité, ein anderes Blatt mit eindeutigem politischen Profil. Gegründet 1904, fungierte „L’Huma“ von 1920 bis 1994 als „Zentralorgan“ der Kommunistischen Partei, seit dem XXVIII. Parteikongress 1994 heißt es nur noch „Zeitung des PCF“ („parti communiste français“). Heute wird die Zeitung von der Société nouvelle du journal l'Humanité unter dem Vorsitz von Jean-Louis Frostin und Patrick Le Hyaric herausgegeben, wobei letzterer auch der Publikationsleiter ist. Auch L’Humanité treffen die schwierigen Bedingungen des französischen Zeitungsmarkts: Die Auflage fiel von 400.000 Exemplaren 1945 auf nur noch 38.000 im Jahr 2021 – 2013 hatte die Auflage noch bei 60.000 Exemplaren gelegen.

Noch erwähnenswert an dieser Stelle: Die Groupe Amaury (gehört der Familie Amaury zu 100 %, ist außerdem Veranstalter u.a. der Tour de France und der Rallye Paris-Dakar) verlegt sowohl die drittauflagenstärkste französische Tageszeitung Le Parisien (Titel der Pariser Ausgabe, im Rest des Landes heißt die Zeitung Aujourd’hui en France, Gesamtauflage 2021: 254.886) als auch die international bekannte Sport-Tageszeitung L’Équipe (Gesamtauflage 2021: 214.130).

Abb. I: Durchschnittliche Auflage der landesweiten Tageszeitungen in Frankreich 2013 und 2021

Quelle: OJD (2021)

Fernsehen

Der erste Fernsehsender in Frankreich wurde 1931 gestartet. In den folgenden Jahrzehnten wuchs der Fernsehmarkt allmählich durch die steigende Anzahl von Fernsehgeräten in den Haushalten und die Anzahl der Fernsehsender. 1949 hatten nur 297 Haushalte einen Fernseher und der Fernsehmarkt war auf einen einzigen von der Regierung betriebenen Fernsehsender beschränkt. 1965 besaßen rund 40 Prozent der Franzosen einen Fernseher, mit dem sie die beiden staatlichen Fernsehsender empfangen konnten.

Auch wenn sich das lineare Fernsehen einer zunehmenden Konkurrenz durch die Streaming-Dienste über das Internet gegenübersteht, hat sich der Fernsehkonsum in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert. Nachdem der durchschnittliche Fernsehkonsum zwischen 2008 mit 204 gesehenen Minuten pro Tag bis 2012 sogar noch auf 230 Minuten gestiegen ist, ist er seit jeher weitgehend rückläufig. Nach dem Tiefstand von 210 Minuten im Jahr 2019 folgte das maßgeblich durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns geprägte Jahr 2020 mit einem Spitzenwert von 234 Minuten pro Tag. 2021 fiel der Wert auf 219 Minuten zurück.

Abb. II: Durchschnittliche tägliche Fernsehzeit in Frankreich pro Tag (2005-2021)

Quelle: Statista Research Department (2022)

Insgesamt war die Geschichte des Fernsehens in Frankreich durch mehrere einschneidende Ereignisse geprägt. Zuerst 1975, als das staatliche Fernsehmonopol mit der Gründung eines dritten, jedoch ebenso staatlichen Kanals, ein Stück weit aufgebrochen wurde. Eine zweite große Wende war der Einzug des Privatfernsehens in den 1980er-Jahren, aus dem die Privatsender Canal+, M6, La Cinq hervorgingen. Ebenso bedeutend war aber auch die Gründung des öffentlich-rechtlichen Senders ARTE (1992), der in Zusammenarbeit mit dem deutschen Staat entstanden ist und auch dort in deutscher Sprache empfangen werden kann.

Ab den 2000er-Jahren hat sich die Fernsehlandschaft in Frankreich weiter verändert und ist immer weniger konzentriert. Bis Anfang des Jahrzehnts 2000 konnten französische Haushalte weniger als 10 nationale Fernsehsender kostenlos nutzen. Das digitale terrestrische Fernsehen (Télévision Numérique Terrestre, TNT) wurde im März 2005 eingeführt: Dieses System begann mit dem Angebot von 14 Fernsehkanälen, darunter fünf neue. Im Jahr 2022 bot TNT 30 nationale Sender – darunter 5 kostenpflichtige – und 42 lokale Sender an.

Die verschiedenen Kanäle decken drei traditionelle Geschäftsmodellkategorien ab: das öffentlich-rechtliche Fernsehen (finanziert durch öffentliche Steuermittel, betrifft alle Kanäle der France TV Group), das kostenlose private Fernsehen (hauptsächlich finanziert durch Werbung und Werbespots) sowie das private Pay-TV (Canal+, das neben den meist kostenpflichtigen Programmen auch kostenlose Programme anbietet sowie alle Fernsehkanäle, die in Abonnement-Fernsehpaketen über Satellit enthalten sind). Überdies haben die Geschäftsmodelle ihr Angebot mit der Etablierung des Internets mittlerweile weitgehend um Streaming-Angebote erweitert.

Öffentlich-rechtliches Fernsehen

Der TV-Markt konzentriert sich auf vier Hauptakteure – ein nach wie vor wichtiger Akteur ist hier das öffentlich-rechtliche Fernsehen. France Télévisions S.A., eine Aktiengesellschaft unter staatlicher Kontrolle, entstand im Jahr 2000 als Holding der öffentlichen Fernsehsender, die alle auch über TNT ausgestrahlt werden. Ab 2018 betreibt allein die öffentlich-rechtliche Anstalt France Télévisions (Umsatz: 3,1 Mrd. € im Jahr 2021) fünf Kanäle (France 2, France 3, France 4, France 5, France Ô), die alle kostenlos verfügbar sind und aus Steuermitteln finanziert werden. Das öffentlich-rechtliche Flaggschiff ist nach wie vor France 2 als altehrwürdige chaîne généraliste (14,7% Marktanteil 2021). France Télévisions ist überdies Anteilseigner von sieben weiteren Fernsehsendern. Hierunter fällt etwa der deutsch-französische Kulturkanal Arte (France Télévisions hält 45 % der Anteile an Arte France) und La Chaîne parlementaire mit Übertragungen aus der Nationalversammlung und dem Senat.

Kostenloses Privatfernsehen  

Drei weitere Hauptakteure sind privat. Ganz oben auf der Liste der privaten Fernsehkanäle steht TF1, das zuschauerstärkste private Vollprogramm Europas, hervorgegangen aus dem 1947 gegründeten Staatssender RTF. Trotz des seit Jahren sinkenden Marktanteils (2021 waren es 19,7 %, 2012 noch 22,7 %, 2007 sogar 30,7 %) ist TF1 nach wie vor die unumstrittene Nummer Eins der französischen TV-Landschaft. TF1 ist der Hauptfernsehsender der Gruppe Bouygues (neben acht anderen Sendern, darunter TMC, TFX, LCI, Histoire), eine internationale große Industrieholding, die hauptsächlich in den Bereichen Bauwesen, Immobilienentwicklung und Tochterunternehmen in den Bereichen Telekommunikation und Medien tätig ist (Umsatz der TF1-Gruppe: 2,4 Mrd. Euro im Jahr 2021).

Die RTL Group ist ein führendes europäisches Unterhaltungsunternehmen, das als Mehrheitsaktionär die M6 Group in Frankreich betreibt (Umsatz 2021: 1,39 Mrd. Euro). M6 ist der zweite große Privatkanal Frankreichs. Gegründet 1987 als „Métropole Télévision“ belegt M6 2021 Platz vier im Ranking der meistgesehenen Sender, hinter TF1, France 2 sowie France 3.

Weitere kostenlose Privatsender sind etwa der Kinderkanal Gulli (M6), der News-Kanal LCI (TF1) sowie der allgemeine Fernsehsender TMC (TF1) monegassischen Ursprungs.

Privates Pay-TV

Canal+ wurde 1984 auf Initiative von Mitterrand gegründet und bekam damals eine von zu der Zeit nur sechs terrestrischen Frequenzen zugesprochen. Heute gehört Canal+ zum Medienkonzern Vivendi und ist in Frankreich der größte Pay-TV-Anbieter mit 9,6 Millionen Abonnenten auf dem französischen Festland im Jahr 2022. Insgesamt kommt Canal+ 2022 auf 23,9 Millionen Abonnenten und ist hinter der britischen Sky Group der zweitgrößte Pay-TV-Anbieter Europas, mit einem Programm aus aktuellen Kinofilmen, Erstligafußball, Nachrichten und Dokus. Insgesamt umfasst die Canal+-Gruppe (Umsatz 2021: 5,8 Mrd. Euro) vier Fernsehsender (Canal+, C8, CStar, CNews). Sie und ihre Holdinggesellschaft Vivendi werden seit Juni 2014 vom französischen Geschäftsmann Vincent Bolloré geführt.

Weitere Bezahlsender: Eurosport (Warner Bros. Discovery), der News-Kanal LCI (TF1) sowie Paris Première, der von M6 veranstaltete Kultur- und Hauptstadtsender.

Schließlich haben die Franzosen im Jahr 2017 jeden Tag durchschnittlich 3 Stunden und 42 Minuten vor dem Fernseher verbracht, verglichen mit durchschnittlich 1 Stunde und 23 Minuten pro Tag im Internet. 2017 war TF1 (privat) mit einem Marktanteil von 20 Prozent noch Spitzenreiter. France 2 (der 1. Kanal der staatlichen Gruppe France Televisions, gemessen an der Zuschauerzahl) hat 13 Prozent angezogen, während M6 9,5 Prozent anzieht und France 3 (eine Mischung aus regionalen Nachrichten- und Unterhaltungsprogrammen) der 4. Fernsehsender ist Kanal (9,1 Prozent). Der erste Breaking-News-Sender ist BFM TV, dem führenden Fernsehsender von News Participation, einem privaten Medienkonglomerat von Patrick Drahi, das täglich 2,7 Prozent der Zuschauer anzieht.

Lange, deutlich länger als beispielsweise in Deutschland, wurde das Fernsehen überwiegend über die Hausantenne empfangen. Nur zögerlich wurde damit begonnen, auch die anderen Vertriebswege zu nutzen. Das hatte zur Folge, dass es dem Kabel- und dem Satellitenfernsehen nie gelungen ist, sich landesweit und nachhaltig durchzusetzen. Es ist also nachvollziehbar, dass es erst eine Entwicklung wie das terrestrische Digitalfernsehen DVB-T (Télévision numérique terrestre – TNT) brauchte, damit die französische „audiovisuelle Landschaft“ (PAF – Paysage audiovisuel français, wie es im Sprachgebrauch heißt) zu den anderen großen Fernsehmärkten (USA, Deutschland, Großbritannien) aufschließen und sich ein vergleichbares, d.h. ähnlich umfangreiches Senderangebot bilden konnte.

Das französische DVB-T ging am 31.3.2005 auf Sendung, erreicht heute etwa 97 % der Bevölkerung und ist die wichtigste TV-Empfangsmethode. Zum 30.11.2011 wurde das analoge Antennenfernsehen abgeschaltet. Derzeit umfasst das TNT-Angebot 32 landesweit empfangbare Kanäle: Sieben öffentlich-rechtliche Sender, 17 Privatsender und acht Pay TV-Sender. Dazu kommen 48 kleine, nur lokal bzw. regional empfangbare Kanäle.

Tab. I: Marktanteile der größten französischen TV-Sender 2021

Rang

Sender

Veranstalter

Marktanteil

1.

TF1

Groupe TF1

19,7 %

2.

France 2

France Télévisions

14,7 %

3.

France 3

France Télévisions

9,4 %

4.

M6

Groupe M6

9,1 %

5.

France 5

France Télévisions

3,3 %

6.

TMC

Groupe TF1

3,0 %

7.

Arte France

France Télévisions, Französischer Staat, Radio France, INA

2,9 %

8.

BFM TV

Altice Media

2,9 %

9.

C8

Groupe Canal+

2,6 %

10.

W9

Groupe M6

2,5 %

11.

CNews

Groupe Canal+

2,0 %

12

RMC Découverte

Altice Media

2,0 %

13.

6ter

Groupe M6

1,6 %

14.

L’Equipe

Groupe Amaury

1,5 %

15.

TFX

Groupe TF1

1,5 %

Quelle: Médiamétrie (2021)

Radio

Der Konsum von Radiosendern in Frankreich bleibt hoch. Laut Médiamétrie würden knapp 79 Prozent der Jugendlichen und Erwachsenen in Frankreich an jedem Wochentag mindestens einen Radiosender konsumieren: 69 Prozent dieses Publikums hören kommerzielle Sendern, 26 Prozent öffentlich-rechtliche Sender (weitere 1,5 Prozent Gemeinschaftssender sowie 3,3 Prozent ausländische und andere Radiosender). Zur Art des Radiokonsums gaben 42 Prozent der Hörerschaft an, überwiegend Nachrichten- und Unterhaltungssendungen zu konsumieren, 31,5 Prozent Musikradio sowie 14 Prozent lokale Sendungen und 9 Prozent Kultursendungen und klassische Musik. Im Durchschnitt hören französische Teenager und Erwachsene 170 Minuten Radio am Tag, die meisten mehr als einen Radiosender.

Nach der Liberalisierung in den 1980ern setzt sich der Radiomarkt heute aus öffentlich-rechtlichen Sendern (d.h. der staatlichen „Radio France“-Gruppe) und ca. 900 privaten Betreibern zusammen. Die zuschauerstärksten privaten Sender stammen von den großen Mediengruppen RTL, NRJ und Lagardère News, die auch andere Medienunternehmen (Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien) besitzen. Diese Drei teilen etwa die Hälfte des Gesamtmarkts unter sich auf. Im Vergleich zu Fernsehen und Presse konzentriert sich die Rundfunklandschaft weniger auf die lokale Ebene, sondern eher auf die nationale Ebene, mit Ausnahme des öffentlich-rechtlichen Sektors, der nur von Radio France abgedeckt wird.

Aus wirtschaftlicher und geschäftlicher Sicht kann die Rundfunklandschaft über zwei Komponenten definiert werden: die Art des Eigentums (staatlich, kommerziell und gemeinschaftlich) und die Reichweite des Publikums (national vs. regional/lokal).

Radio France
Radio France entstand am 1.1.1975 nach Zerschlagung des staatlichen Office de Radiodiffusion Télévision Française (ORTF) und übernahm die damals bestehenden Radioprogramme. Heute finden sich unter dem Dach von Radio France sieben Sender: Als Flaggschiff-Sender das Vollprogramm France Inter, das 2022 den in Frankreich höchsten Marktanteil verzeichnete; der Nachrichtenkanal France Info (2021 die drittmeisten Hörer); France Bleu, mit einem Programm für ältere Hörer (2022 auf Platz 8); France Culture (kulturelles Wortprogramm, Platz 13); France Musique (klassische Musik, Jazz, Platz 18); Le Mouv’ (Jugendsender); FIP (Musik, Platz 19).

RTL
Die zur M6-Gruppe (vormals mehrheitlich Bertelsmann) gehörende RTL-Gruppe betreibt in Frankreich auch drei Radiosender, mit dem namensgebenden Vollprogramm RTL an der Spitze, dem ältesten Privatsender Europas. Lange Zeit erfolgreichster Radiosender Frankreichs, wurde RTL 2019 vom öffentlich-rechtlichen France Inter entthront. Das 1933 gegründete RTL wurde nach dem Krieg und bis zur Rundfunkreform 1982 in Luxemburg produziert und war ein sogenannter „poste périphérique“ (aus Frankreich selbst durften nur öffentlich-rechtliche Kanäle gesendet werden). Dazu kommen der Pop/Rock-Musiksender RTL2 sowie Fun Radio (Chart-Musik). Von 2007 bis 2012 hatte RTL mit RTL-L’Équipe auch einen Internet-Sender (Sportnachrichten).

NRJ
Die NRJ-Gruppe (französisches Akronym von „énergie“) entstand 1981 mit dem gleichnamigen Pariser Radiosender und ist heute einer der großen Player auf dem französischen Medienmarkt (Radio, Fernsehen, Internet) mit einem Gesamtumsatz von rund 365 Mio. Euro im Jahr 2021. Das Radioportfolio in Frankreich umfasst NRJ (Chart-Musik, im Gesamt-Ranking Platz 4), Nostalgie (französische Chanson- und Popklassiker, Platz 7), Chérie FM (Mainstream, Platz 14) sowie Rire et Chansons (Comedy, Pop/Rock, Platz 16).

Lagardère News
Lagardère News ist die TV/Radio- und Pressesparte des französischen Medienkonzerns Lagardère SCA und ein wesentlicher Akteur auf dem französischen Radiomarkt mit den Sendern Europe 1 (eines der führenden News/Talk-Radios in Frankreich, im Gesamt-Ranking Platz 10), Virgin Radio (Chart-Hits, Platz 15), RFM („Die beste Musik“, Platz 12).

Tab. II: Marktanteile der größten französischen Radiosender 2022

Rang

Sender

Veranstalter

Marktanteil

1.

France Inter

Radio France

12,3 %

2.

RTL

RTL Group

9,9 %

3.

France Info

Radio France

8,7 %

4.

NRJ

NRJ Group

7,9 %

5.

Skyrock

Vortex SA

5,8 %

6.

RMC

NextRadioTV

5,8 %

7.

Nostalgie

NRJ Group

5,6 %

8.

France Bleu

Radio France

5,1 %

9.

RTL2

RTL Group

3,9 %

10.

Europe 1

Lagardère News

3,7 %

11.

Fun Radio

N6 Group

3,4 %

12.

RFM

Lagardère News

3,1 %

13.

France Culture

Radio France

3,1 %

14.

Chérie FM

NRJ Group

3,0 %

15.

Virgin Radio

Lagardère News

2,6 %

16.

Rire et Chansons

NRJ Group

1,9 %

17.

Radio Classique

Groupe Les Échos-Le Parisien

1,8 %

18.

France Musique

Radio France

1,6 %

19.

FIP

Radio France

1,1 %

20.

M Radio

Espace Group

1,1 %

Quelle: Médiamétrie (2022)

Internet

Angefangen hat alles mit dem sehr speziellen, schon in dem 1970ern entwickelten System des Minitel, repräsentiert vom kostenlosen Minitel-Terminal: Zeugnis einer Zeit, in der Frankreich noch zur technologischen Weltspitze gehörte. Zunächst sollte es nur um Telefonauskünfte gehen, später waren innerhalb des geschlossenen Systems auch Banküberweisungen, Wetterberichte, erste Chats und Reisebuchungen möglich. Berühmt und besonders erfolgreich wurde das Medium mit den angebotenen Sex-Diensten („Minitel Rose“): Zu seinem Höhepunkt im Jahr 2000 hatte das Minitel 25 Millionen Nutzer an neun Millionen Geräten.

Die Franzosen waren insofern vorbereitet auf das Internet aus den USA, dem das französische Minitel in den Nullerjahren nicht mehr viel entgegensetzen konnte. Trennen wollten sich viele dennoch nicht von dem „Kasten am Ende des Telefons“ (FAZ), noch etwa zwei Millionen Minitel-Besitzer gab es 2010. Dann aber zog der staatliche Telefonanbieter Orange (ex-France Télécom) die Reißleine: Der Dienst war nicht mehr rentabel und wurde am 30.6.2012 abgeschaltet.

Man war also mit einer Vorform des Internet vertraut (dem zentral kontrollierten App Store von Apple nicht unähnlich), wegen des Minitel fand die Verbindung mit dem „echten“ Internet aber mit etwas Verspätung statt. Nutzten 2002 erst rund 30 Prozent der Haushalte das Internet, waren es 2012 dann 83% und 2021 schließlich 91%. Sieht man sich das Ranking der beliebtesten Internetseiten an, so dominieren auch in Frankreich die üblichen Internet-Riesen aus Amerika. Große Nachrichtenportale (Internet-Ableger der renommierten Tageszeitungen Le Monde und Le Figaro) sind in den Top 10 gar nicht zu finden.

Tab. III: Die meistbesuchten Internetseiten in Frankreich 2022

Rang

Internetseite

Beschreibung

Mutterkonzern

1.

Google.com

Suchmaschine

Alphabet Inc.

2.

YouTube.com

Videoportal

Alphabet Inc.

3.

Facebook.com

Soziales Netzwerk

Meta Platforms, Inc.

4.

Google.fr

Suchmaschine

Alphabet Inc.

5.

Orange.fr

Webportal, E-Mail

Orange S.A.

6.

Amazon.de

E-Commerce

Amazon.com, Inc.

7.

Wikipedia.org

Enzyklopädie

Wikimedia Foundation

8.

Twitter.com

Soziales Netzwerk

Twitter Inc.

9.

Leboncoin.fr

E-Commerce

Adevinta

10.

Instagram.com

Soziales Netzwerk

Meta Platforms, Inc.

Quelle: Similarweb.com

Regulierung

In Frankreich gibt es auch eine Reihe von Gesetzen und Vorschriften, die das Mediensystem regulieren. Dazu gehören zum Beispiel das Gesetz über die Freiheit des Informationszugangs und die Transparenz von Entscheidungsprozessen (Loi relative à l'accès aux documents administratifs et à la transparence de la vie publique), das den Zugang zu staatlichen Informationen regelt, und das Gesetz über die Pressefreiheit (Loi sur la liberté de la presse), das die Freiheit der Meinungsäußerung und des journalistischen Ausdrucks schützt.

Ein Streitpunkt der französischen Medienpolitik waren lange Zeit die Strukturen und Zusammensetzung der staatlichen Regulierungsbehörden – namentlich die Haute Autorité pour la Diffusion des Œuvres et la Protection des Droits sur Internet (HADOPI) sowie der Conseil Supérieur de l'Audiovisuel (CSA). Die 2009 gegründete HADOPI war speziell für die Überwachung und Regulierung des Internets und des digitalen Medienbereichs zuständig, insbesondere für die Verwaltung von Urheberrechten und die Bekämpfung von Online-Piraterie. Überdies war sie auch mit der Förderung der digitalen Kultur sowie der Förderung der Entwicklung von digitalen Inhalten in Frankreich betraut. Sie arbeitete schon damals eng mit dem CSA zusammen, um sicherzustellen, dass die französischen Medienbranche und die digitale Kultur geschützt und gefördert werden. Der CSA ersetzte 1989 die Vorgängerorganisationen „Haute Autorité de la communication audiovisuelle“ (1982-1986) bzw. „Commission nationale de la communication et des libertés“ (1986-1989). Er befasste sich in erster Linie für die Überwachung und Regulierung von Radio, Fernsehen und Internet zuständig. Ebenso war er für die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften im Bereich der audiovisuellen Medien verantwortlich.

Am 31.10.2013 wurde die von der Kultur- und Kommunikationsministerin Aurélie Filippetti im Juni 2013 angekündigte Reform der Reform im Parlament verabschiedet. Nicolas Sarkozys umstrittene Medienreform von 2009, die besonders für die wahrgenommene höhere staatliche Einflussnahme auf die Medienregulierung kritisiert wurde, wurde in wesentlichen Teilen erneuert. Für die Präsidenten der öffentlich-rechtlichen Sendergruppen France Télévisions, Radio France und France Médias Monde (France 24, RFI, Monte Carlo Doualiya) erhielt die Regulierungsbehörde CSA (heute Arcom) alle fünf Jahre ein Vorschlagrecht. Die Ämter werden also nicht mehr direkt vom Staatspräsidenten benannt. Außerdem wurde festgelegt, dass das Leitungsgremium der damaligen CSA nur noch aus sieben Mitgliedern zu bestehen hatte und der Staatspräsident selbst nur noch den Chef der Behörde bestimmte.

Die HADOPI sowie die CSA wurden Anfang 2022 zur Autorité de régulation de la communication audiovisuelle et numérique (Arcom) fusioniert. Mit der Fusion von HADOPI und CSA wurden die Befugnisse im Wesentlichen auf die neu gegründete Arcom übertragen. Sie hat die übergeordnete Aufgabe, die Qualität und Vielfalt der audiovisuellen Inhalte in Frankreich zu fördern und sicherzustellen, dass die Rechte der Zuschauer geschützt werden. Das vorstehende Gremium der Behörde setzt sich aus neun Mitgliedern zusammen: drei werden vom Präsidenten des Senats ernannt, drei vom Präsidenten der Nationalversammlung, jeweils zwei vom Staatsrat und vom Kassationshof, während der Arcom-Präsident direkt vom französischen Präsidenten ernannt wird.

Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Frankreich ist festzuhalten, dass dieser trotz aller Kritik von Politik, Medien und Öffentlichkeit dennoch weitgehend geschätzt wird. Eine Studie von 2018 hat gezeigt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Frankreich eine wichtige Rolle bei der Informationsbeschaffung und der Meinungsbildung der Bevölkerung spielt. Dennoch gibt es immer wieder Kritik, neben der Frage der Finanzierung, die 2022 in die Gebührenreform zur Steuerfinanzierung aufging, oder der Ausgestaltung des Programms, insbesondere im Sinne einer politischen Einflussnahme auf die Berichterstattung. Im Zuge der Gelbwesten-Proteste im Jahr 2018 und 2019 wurde der Regierung etwa vorgeworfen, dass sie versucht habe, die Berichterstattung über die Proteste zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Quellen/Literatur

Diskussion

Kommentar hinzufügen


* - Pflichtfeld







CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz Wenn Sie das Wort nicht lesen können, bitte hier klicken.


Keine Kommentare