15. Lagardère Media

Umsatz 2011: € 7,657 Mrd.

Überblick

einklappen

Die Lagardère-Gruppe ist ein milliardenschwerer Mischkonzern. Einerseits ist er in den Medienbereichen Presse, Verlage, Pressevertrieb sowie Fernsehen, Radio und Multimedia aktiv. Dazu hält Lagardère einen Anteil von 7,5 Prozent am europäischen Rüstungs-, Luft- und Raumfahrtkonzern EADS (dieser Bereich wird im Folgenden nicht einbezogen). Lagardère ist in mehr als 40 Ländern vertreten und beschäftigt mehr als 26.000 Mitarbeiter in 412 Tochterfirmen.

Basisdaten

einklappen

Hauptsitz: 4, rue de Presbourg, 75016 Paris, Frankreich
Telefon: 0033-1-40 69 16 00
Telefax: 0033-1-40 69 21 31
Internet: www.lagardere.com

Öffentlichkeitsarbeit: Thierry Funck-Brentano
Telefon: 0033-1-40 69 16 34
E-Mail: tfb(at)lagardere.fr

Branche: Buchverlage, Zeitungen, Magazine, Pressevertrieb, Radio, Spartensender, Satelliten-TV, TV-Produktion, Multimedia, Sportvermarktung, Luft- und Raumfahrt, Rüstung (Lagardère SCA)
Rechtsform: Kommanditgesellschaft auf Aktien
Geschäftsjahr: 01.01. - 30.12.
Gründungsjahr: 1826 (Hachette), 1992 (Lagardère Groupe)

Tab. I: Ökonomische Basisdaten
20122011201020092008200720062005
Umsatz Gesamt (in Mio. €)7.3707.6577.966*7.892*8.214*8.582*13.99913.013
Umsatz Medien (in Mio. €)7.3707.6577.9667.8928.2148.5828.0927.901
Gewinn Medien (in Mio. €)33(439)194164627564296431
Aktienkurs (in €, Jahresende)25,2820,4030,8328,4129,0051,2961,0065,00
Dividende (pro Aktie in €)1,301,301,301,301,301,301,201,10
Beschäftigte (Medien)k.A.26.49328.51029.51929.88932.81031.52830.863

* seit dem 1.1.2007 werden Umsatz/Gewinn aus dem EADS-Anteil nicht mehr mit den Lagardère-Zahlen proportional konsolidiert. Der Konzernumsatz entspricht nunmehr dem Umsatz aus dem Mediengeschäft.

Tab. II: Medien-Umsatz nach Geschäftsfeldern (in Mio. €)
2012201120102009200820072006200520042003
Lagardère Publishing (Verlage)2.0772.0382.1652.2732.1592.1301.9751.6441.431959
Lagardère Active (Presse, Radio, TV)1.0141.4411.8261.7252.1112.291
Zuvor: Presse1.8481.8632.1202.072
Zuvor: Radio, TV590621677580
Lagadère Services (Pressevertrieb)3.8093.7243.5793.3873.5003.7213.6793.7734.3664.333
Lagardère Sports/Unlimited470454396507444440
Gesamt7.3707.6577.9667.8928.2148.5828.0927.9018.5947.944

Geschäftsführung

einklappen

Geschäftsführung / Vorstand:

  • Arnaud Lagardère, Associé-Commandité, Gérant de Lagardère SCA,
    Président Exécutif de Lagardère Unlimited
  • Philippe Camus, Co-gérant de Lagardère SCA
  • Pierre Leroy, Co-gérant de Lagardère SCA
  • Dominique D'Hinnin, Co-gérant de Lagardère SCA
  • Thierry Funck-Brentano, Co-gérant de Lagardère SCA
  • Ramzi Khiroun, Porte-parole de Lagardère SCA, Directeur des Relations Extérieures
  • Arnaud Nourry, Président-Directeur Général de Hachette Livre
  • Denis Olivennes, Président du Directoire de Lagardère Active
  • Dag Rasmussen, Président-Directeur Général de Lagardère Services
  • Gérard Adsuar, Directeur Financier Adjoint de Lagardère SCA
  • Norbert Giaoui, Directeur juridique de Lagardère SCA

 

Besitzverhältnisse (Stand: Ende 2011): Lagardère Capital & Management (9,62%); French institutional investors (18,61%); Non-French institutional investors  (46,05%); Qatar (12,83%), Employees (1,49%); Retail investors (8,53%), Treasury stock (2,87%).

Geschichte und Profil

einklappen

Louis Hachette (1800-1864) kaufte 1826 die Pariser Librairie Brédif als Basis für das Kerngeschäft des heutigen Medienmultis: Bücher, Presse und Printvertrieb. Nach wenigen Jahrzehnten war Hachette europäischer Marktführer und verlegte Schulbücher, Enzyklopädien, Reiseführer und Publikumszeitschriften. 1945 erschien erstmals das bis heute bekannteste Blatt des Hauses, die Frauenzeitschrift Elle. In Zusammenarbeit mit Henri Filipacchi entstand 1953 Le Livre de Poche, Frankreichs bestverkaufte Taschenbuch-Reihe; zudem kontrollierte Hachette seit den 50er Jahren die Verlagshäuser Grasset, Fayard und Stock. 1986 übernahm Hachette den quotenstarken Radiosender Europe 1.

Jean-Luc Lagardère (1928-2003) wechselte 1963 von Dassault Aviation als Generaldirektor zum Rüstungskonzern Matra (Mécanique Aviation Traction) und wurde dort 1977 zum Firmenchef ernannt. 1980 übernahm Matra dann über 40 Prozent des Medienhauses Hachette. Zwei spektakuläre Firmenzusammenschlüsse folgten 1999. Matras Technologie- und Rüstungspol fusionierte mit der staatlichen Aerospatiale und im Oktober verschmolzen Aerospatiale-Matra und Daimler-Chrysler Aerospace (Dasa) zur European Aeronautic Defense and Space Company (EADS).

Lagardère, der Beamtensohn aus der Gascogne, ist heute eine französische Unternehmer-Legende, der Inbegriff des Familienkapitalisten. Erst Diplomingenieur, dann Waffenhändler, Medientycoon, Luftfahrt-Enthusiast, Frankreichs bedeutendster Pferdezüchter und stets auf Du mit all den Pariser Präsidenten und Premiers formte er aus einem mittelständischen Unternehmen ein globales Konglomerat. Und eigentlich blieb ihm nur eines verwehrt: ein eigener terrestrischer Fernsehkanal. Beim Privatisierungsrennen um den französischen Marktführer TF1 unterlag Lagardère, immerhin Chef einer mächtigen Mediengruppe, 1987 dem (qua Profession sehr politiknahen) Bauunternehmer Francis Bouygues. Nach der unbedachten, kopflosen Investition in Berlusconis La Cinq 1990 tat es dann richtig weh: Als ihm der damalige Figaro-Herausgeber Robert Hersant den ersehnten Einstieg ins Leitmedium anbot, griff Lagardère natürlich zu. Tatsächlich wurde er vom alten Fuchs Hersant, der La Cinq auf den Abgrund zusteuern sah und seinen Anteil losschlagen wollte, gehörig über den Tisch gezogen.

Das zweite Trauma im Leben Jean-Luc Lagardères war ein schwerer Verkehrsunfall seines einzigen Sohnes Arnaud (Jg. 1961) im September 1981. Es ging glimpflich aus und bald konnte Vater und Sohn nichts mehr trennen, eine „fidélité obsessionelle“ entstand. Arnaud Lagardère trat 1986 in das Unternehmen ein, wurde Chef der Mediensparte, Teil des Triumvirats an der Konzernspitze und an die Firmenleitung herangeführt. „Ich liebe meinen Sohn", hat Jean-Luc Lagardère gesagt, „und ich liebe mein Unternehmen. Beides zu verbinden ist für mich das Größte." Weiter: „Er ist ich, und ich bin er.“ Als Jean-Luc Lagardère am 14.3.2003 nach einer Hüft-OP an einer Blutvergiftung starb, war die Nachfolge geregelt. Arnaud Lagardère stand (so schien es jedenfalls) für eine sofortige Übernahme der Geschäfte bereit.

Seit 2006 unternahm Arnaud Lagardère eine weitreichende Neuordnung des Konzerns. Im Dezember 2006 wurde verkündet, dass der Presse-Pol Hachette Filipacchi Médias (HFM) und Lagardère Active (TV, Radio, Internet) zur neuen medienübergreifenden Sparte Lagardère Active Media verschmolzen werden. Damit solle ein „internationaler Marktführer beim Verlag von Inhalten in allen Medien“ entstehen. Nur lohnen muss es sich, wofür die Regionalpresse offenbar nicht mehr garantieren konnte, denn Mitte August 2007 stieß Lagardère seine südfranzösischen Regionaltitel ab (darunter Nice-Matin, La Provence und Var Matin). 160 Mio. EURO zahlte die Gruppe Hersant-Média dafür und steigerte die Anzahl ihrer Regionalblätter auf fast 40.

Management

einklappen

Mit Industrie und Rüstung konnte Arnaud Lagardère nie viel anfangen. Seine erste Maßnahme nach dem Tod des Vaters 2003 war der Verkauf der Matra-Automobilsparte an Pininfarina. In der Folge führte er die vom Vater begonnene Konzentration auf die Medienbranche konsequent fort. Zwar wurde der Lagardère-Anteil an EADS von 14,95 auf 7,5 Prozent reduziert, komplett aussteigen konnte man aber nicht (siehe „Nicht strategische Aktiva“, „Aktuelle Entwicklungen“).

Eine weitere Tradition des Hauses, die Nähe zu den Machthabern, bleibt bestehen. Nach Nicolas Sarkozys Wahlerfolg am 6. Mai 2007 taucht Arnaud Lagardère regelmäßig als „Präsidenten-Freund“ auf in Artikeln über Sarkozys enorme Medienmacht. Doch eben nur als „Freund“, und nicht als „Intimus“ wie Figaro-Herausgeber Serge Dassault, TF1-Chef Martin Bouyges (Sarkozys Trauzeuge) oder Bernard Arnault (reichster Franzose, ebenfalls Trauzeuge, Präsident des Luxus-Konzerns LVMH, Besitzer des Finanzblatts La Tribune). Die drei Letztgenannten waren übrigens alle unter den 55 Auserwählten, die Sarkozy am Abend seines Wahlsiegs am 6. Mai zum berühmten Dîner im Fouquet’s auf die Champs-Élysées lud. Arnaud Lagardère durfte nicht kommen. Cécilia, mittlerweile geschiedene Madame Sarkozy, wollte ihn im Fouquet’s nicht sehen, nachdem das Gesellschaftsmagazin Paris Match (Lagardère-Gruppe) im August 2005 eine Titelstory über Cécilia und ihren Liebhaber (und späteren Ehemann) gebracht hatte. Arnaud Lagardère hatte den Chefredakteur Alain Genestar gefeuert und um Vergebung gebeten – umsonst.

Unterdessen wird immer klarer: Arnaud Lagardère hat ein Image-Problem. Während der Vater Jean-Luc als großer Konzernlenker in die französische Wirtschaftsgeschichte eingegangen ist, haftet Arnaud das Image eines verwöhnten Vatersöhnchens an, „das Image des Luftikus“ (Süddeutsche Zeitung vom 28.4.2010). In seinen Reden auf den Hauptversammlungen bleibe er unverbindlich und überhaupt: Das harte Geschäft überlasse er seiner Nummer Zwei Dominique d’Hinnin, zuvor Lagardère-Finanzvorstand, heute Co-Geschäftsführer, für viele „der eigentliche Kopf des Konzerns“.

Auch der breiten französischen Öffentlichkeit ist er mittlerweile (seit Juli 2011) als Witzfigur ein Begriff. Es fing an mit Fotos mit einem auffälligen Mannequin im Ganzkörper-Leopardenoutfit bei diversen Sport-Events. Was dann folgte, hatte „die Wirkung einer Bombe“ (La Tribune). Am 20.7. wird das Making-of eines Fotoshootings für das belgische Le Soir Magazine online gestellt. Das Video zeigt ihn in viel zu vertrauter Schmusepose mit seiner neuen Freundin, dem exakt 30 Jahre jüngeren belgischen Dessous-Model Jade Forêt („unsere Liebe kennt kein Limit, Chéri“) und wird binnen kurzer Zeit zum millionenfach geklickten Web-Phänomen.

Ganz Frankreich und vor allem Tout Paris sind sprachlos und entsetzt. Was macht er denn? Es sieht so aus, als sei Arnaud Lagardère bis über beide Ohren verliebt und definitiv nicht auf der Höhe der Dinge – auch im Wortsinne (sie ist mindestens einen Kopf größer als er). „Was traurig ist: er wirkt wie ein Baby in diesem Film“, so ein EADS-Angestellter zu Libération. Will man das sehen von einem der mächtigsten Wirtschaftsführer Frankreichs, vom Vorstand eines Weltkonzerns mit über 26.000 Angestellten? Warum verrennt sich Arnaud Lagardère so ungebremst und ungehemmt ins Lächerliche? Warum muss man ihn und seine schwangere Freundin im April 2012 am Strand von Miami sehen? Braun gebrannt in gelbem Partnerlook, mit Tätowierungen an Hand- und Fußgelenk. Arnaud Lagardère verteidigt sich: „Vielleicht bin ich ein untypischer Patron, na und?"

Die Zweifel an den Managementqualitäten des Firmenerben, die latent immer da waren, werden nun auf der Lagardère-Führungsebene und im Kreis der Aktionäre offen ausgesprochen: „Seit sechs Monaten steht der Konzern still. Arnaud verschiebt oder annuliert sämtliche Termine.“ Bedenken an der schon zitierten „erratischen“ oder auch „unlesbaren“ Verkaufsstrategie werden laut. Wie war das noch: Warum genau hat er 2011 die ausländische Zeitschriftensparte an Hearst verkauft? Warum hat er 2010 die kostbare TNT-Frequenz von „Virgin 17“ an Bolloré abgegeben? Was plant er denn jetzt mit den Minderheitsbeteiligungen (Marie Claire, Amaury, Canal+)? Was kann er tun gegen das zunehmend evidente Image eines Dilettanten?

Das Handelsblatt schreibt vom „kriselnden Medien- und Rüstungskonzern“, Libération am 3.12.2010: „Die Strategie von Arnaud Lagardère und seinen zahllosen Leutnants, die oft genug damit beschäftigt sind, einander auszustechen, zeichnet das Bild eines von Zweifeln gequälten Konzerns.“

Geschäftsfelder

einklappen

Lagardère Publishing:
Angesiedelt unter der Konzernsparte Lagardère Publishing (weltweit zweitgrößtes und europaweit größtes Verlagskonglomerat) sind die größten Verlage Frankreichs (mit Häusern wie Grasset, Fayard, Stock, Calmann-Lévy, Lattès) und Großbritanniens (u.a. mit Octopus; Orion; Hodder; Headline; Little, Brown). In Spanien (Amaya) ist man die Nummer zwei, in den USA die Nummer fünf (u.a. mit Grand Central Publishing; Little, Brown): Hier verzeichnete Hachette Livre 2008 die marktgrößte Wachstumsrate (+26%) dank des Sensationserfolgs der „Twilight“-Serie der als Joanne K. Rowling-Nachfolgerin gehandelten Stephenie Meyer. 2008 wurden 25 Millionen Exemplare der „Twilight“-Reihe in den USA verkauft, 2009 waren es 30 Millionen, 2010 und 2011 ging es mit dem „Twilight“-Phänomen erwartungsgemäß bergab. Der Umsatz von Lagardère Publishing sank von 2,165 Mrd. € (2010) auf 2,038 Mrd. € im Jahr 2011.

Man beachte das bemerkenswerte Wachstum bei digitalen Büchern in den letzten Jahren. Anfang 2010 machten e-Books 3% an den von der Hachette Book Group verkauften Titeln aus, Ende 2010 waren es 10%, Ende 2011 bereits 20%. Mitte 2011 wurden 5% des Gesamtumsatzes von Lagardère Publishing mit e-Büchern erzielt.

Noch ein Blick zurück: 2006 hatte das Verlagsgeschäft einen markanten Umsatzanstieg von über 20 Prozent verzeichnet, im wesentlichen zurückzuführen auf den Ankauf der Time Warner Book Group im Februar 2006. Mit diesem 537 Millionen Dollar-Deal wurde Lagardère Publishing damals zum drittgrößten Buchverlag der Welt. Dabei kam es nicht ungelegen, dass einer der Time Warner-Mitbieter Rupert Murdoch hieß, weil der Handel so eine nationale Dimension bekam und Lagardère zum Aushängeschild eines wirtschaftlich erstarkenden Frankreich wurde.
35,7 Prozent des Umsatzes von Lagardère Publishing wurden 2011 in den USA und in Großbritannien generiert (2010: 36,2%).

Lagardère Active:
Das Pressegeschäft und die audiovisuellen (Radio/TV) und digitalen (Lagardère Digital France) Aktivitäten sowie die Werbezeitenvermarktung (Lagardère Publicité) sind seit 2006 gebündelt unter dem Signet Lagardère Active. Hier sank der Umsatz im Jahresvergleich deutlich von 1.826 Mio. € (2010) auf 1.441 Mio. € (2011), zurückzuführen in erster Linie auf den Verkauf der internationalen Magazine an Hearst.

„Presse Magazine“:
Die Zeitschriften-Konzernsparte befindet sich im Umbruch. Lange Jahre hatte man in Frankreich fast eine Monopolstellung und publizierte weltweit über 200 Titel. 2007 bereits verkaufte Lagardère seine französischen Regionalzeitungen. Ein Kurs, der fortgesetzt wurde: Im Frühjahr 2011 wurde bekannt, dass der Großteil von Lagardères „International Magazine Business“ für 606 Mio. Euro an die Hearst Corporation abgegeben wird. Der Grund: Es sei in den meisten Ländern nicht gelungen, im Zeitschriften-Geschäft eine „kritische Größe“ zu erreichen. Übrigens: auch Bauer hatte sich im Bieterwettstreit Hoffnungen gemacht, konnte aber dem amerikanischen „Zeitschrift-Giganten“ Hearst nicht genug entgegensetzen.
Von der Flaggschiff-Publikation ELLE möchte man sich, vorerst, nicht trennen. Die französische Ausgabe und die Marken- und Merchandising-Rechte bleiben im Rahmen eines Sonderabkommens bei Lagardère.

Rundfunk und Internet:
Die Konzernradios heißen Europe 1, französischer Referenzsender in Sachen News und Talk, Virgin Radio (zuvor Europe 2, Musik für Leute von 20 bis 34) und RFM (Mainstream-Pop). Lagardère Active Radio International hält weiterhin Anteile an 23 Radiosendern in sieben Ländern mit über 30 Millionen Hörern täglich.
Zum TV-Bereich gehören TV-Spartenkanäle (über Kabel, Satellit, ADSL) wie die MCM-Musiksenderfamilie, Gulli, June (zuvor Filles TV) und Jugendsender wie canalj (6-14 Jahre) und TIJI (Kinder). Gulli (hier ist France Télévisions mit 34% beteiligt) ist in Frankreich auch über das terrestrische Digitalfernsehen (TNT) zu empfangen.
Produktion und Rechtevertrieb finden sich seit 2008 gebündelt in dem Unternehmen Lagardère Entertainment. Darunter finden sich bekannte Fiction-Produzenten wie Aubes-Telmondis, DEMD, GMT und Image & Compagnie sowie die Distributionsfirma Europe Images International.

6,7% des Umsatzes von Lagardère Active wurden 2011 im Internet verdient. Weltweit hält man ein Portfolio von über 100 Websites mit monatlich mehr als 80 Millionen Besuchern; in Frankreich belegt man in dieser Hinsicht gemeinsam mit TF1 den ersten Platz. Die erfolgreichsten Lagardère-Internetseiten sind: Doctissimo.fr, Elle.fr, Premiere.fr.

Ende November 2006 wurde bekannt, dass die Karten beim ruhmreichen Pay TV-Sender Canal+ neu gemischt und die konkurrierenden Bouquets CanalSat (Canal+ Gruppe bzw. Vivendi) und TPS (TF1, M6) fusioniert werden. Bis dahin war Frankreich das letzte europäische Land mit zwei rivalisierenden Plattformen. Lagardère brachte seine 34-prozentige Beteiligung an CanalSat ein und erhielt im Gegenzug 20 Prozent an Canal+ France.

Diese 20 Prozent will Lagardère seit März 2010 abstoßen bzw. versilbern; lag der in der Canal Plus-Bilanz geschätzte Wert des Anteils doch bei 1,5 Milliarden Euro. Lange galt Canal Plus-Haupteigner Vivendi als logischer Abnehmer. Ende November 2009 hatte Vivendi TF1 dessen zehnprozentigen Canal Plus-Anteil für 744 Mio. € abgenommen; am 6.2.2010 kam der 5,1-prozentige Anteil der RTL-Tochter M6 dazu (Kaufpreis: 384,2 Mio. Euro). Somit lauten die Besitzverhältnisse bei Canal+ France: 80% Vivendi, 20% Lagardère. Zu einer Einigung über einen Kaufpreis aber kam es bislang nicht.

Anfang Juli 2010 lässt Lagardère den Plan B verlautbaren: Der 20-Prozent-Anteil soll an die Börse gebracht werden. Dieser Plan eines Börsengangs wurde allerdings Mitte März 2011 abgebrochen, wegen der „Volatilität der Märkte“ nach den Natur- und Atomkatastrophen in Japan.

Es scheint fast, als liege ein Fluch über dem Verhältnis der Familie Lagardère mit dem Fernsehen, als erginge es dem Sohn mit Canal+ wie dem Vater mit der Pleite von La Cinq und der Niederlage im Käuferwettstreit um TF1. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass man Canal+ nach der Vivendi/Messier-Katastrophe 2003 hätte kaufen können, für einen symbolischen Euro. Jetzt sitzt Arnaud Lagardère auf seinen 20 Prozent und fragt sich, wie er sie am besten loswird.

Lagardère Services:
Lagardère Services ist der größte internationale „Travel Retailer für Presse und Buch“, führend u.a. in den USA, Belgien, Spanien und Ungarn (für nationale Presse) bzw. in Belgien, Kanada, Spanien, Ungarn und Tschechien (für internationale Presse). Die Lagardère-Tochter beschäftigt über 11.000 Mitarbeiter und unterhält ein Netzwerk von 4.000 Verkaufsstellen (Relay, Aelia) für Kultur- und Freizeitprodukte in 21 Ländern weltweit – vornehmlich auf Flughäfen und Bahnhöfen. Mehr als 70% seines Umsatzes erwirtschaftete das Unternehmen auch 2011 außerhalb Frankreichs. Neben Printerzeugnissen werden Musik, Film-DVDs und andere Multimedia-Produkte vertrieben.

Lagardère Unlimited:
Bei der Sportvermarktung gibt Arnaud Lagardère Vollgas, insgesamt investiert die Gruppe hier mehr als eine Milliarde Euro. Ende Mai 2010 wird der Zukauf des US-Sportvermarkters BEST (Blue Entertainment Sports Television) gemeldet (A.L.: „Den Preis können wir nicht verraten. Das macht niemand in dieser Branche“) und der Geschäftsbereich Lagardère Sports in Lagardère Unlimited umbenannt. Das neue Unternehmen positioniere sich als acteur majeur auf dem Sportmarkt, vertritt über 350 Sportler aus 14 Disziplinen, kümmert sich um das Management von Sportakademien (Lagardère Paris Racing im Bois de Boulogne, Saddlebrook/Florida) und hat eine klare Zielvorgabe: der derzeitigen Nummer Eins der Sportvermarktung IMG (International Management Group) bis 2015 den Spitzenplatz abzunehmen.

Zu Lagardère Unlimited gehört auch der 2007 gekaufte Sportrechte-Vermarkter Sportfive (Hamburg/Paris), der z.B. die Gesamtvermarktung bei elf Bundesligavereinen umsetzt (darunter Borussia Dortmund, HSV, Bayer Leverkusen). Im Februar 2009 wurden Sportfive die Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele 2014 (Sotschi, Russland) und 2016 (Rio de Janeiro) für 40 europäische Länder vom IOC zugesprochen. Erstmals bekam nicht die Europäische Rundfunkunion, sondern eine Agentur den Zuschlag; eine „Zäsur in der olympischen Fernsehgeschichte“ (Focus online).

Weitere Töchter von Lagardère Unlimited: die World Sport Group (Singapur), die größte Sportagentur in Asien; PR Event, Veranstalter von Profitennisturnieren; seit Juni 2007 die schwedische Sportrechte-Agentur International Events and Communication in Sports (IEC); seit 2008 das Hamburger Sportunternehmen Upsolut Sports AG. Dessen Kernkompetenz: Planung und Umsetzung von Ausdauersport-Großveranstaltungen (Radrennen, Triathlon).

„Nicht strategische Aktiva“:
Der Ausstieg bei dem Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS (Lagardère besitzt noch 7,5%) ist seit Jahren ein Thema. Mitte Mai 2007 etwa hatte Finanzvorstand Dominique D’Hinnin bekannt gegeben: "Unsere Strategie ist es, die Minderheitsbeteiligung bei EADS (...) eines Tages abzustoßen - das ist das langfristige Ziel". D’Hinnin dann im November 09: Der Verkauf sei „lediglich eine Frage des Preises“. Doch nichts passiert, denn bis Mai 2012 ging es nicht aus politischen Gründen. Der damalige Präsident Sarkozy war darauf bedacht, das Thema EADS aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Er wünschte keine Verschiebung der komplizierten deutsch-französischen Machtverhältnisse durch einen Verkauf der Lagardère-Anteile.

Wie ein Paukenschlag schien es dann, als EADS und der britische Rüstungskonzern BAE Systems am 12.9.2012 die Verhandlungen über eine Fusion bekannt gaben. Ein europäischer Rüstungsgigant sollte entstehen, mit einem kumulierten Jahresumsatz von 78 Milliarden Euro wesentlich größer als die US-Rivalen Boeing und Lockheed Martin. Doch die Politik machte dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung. Der nicht aufzulösende Streitpunkt war wohl, dass Deutschland und Frankreich als staatliche EADS-Hauptanteilseigner mit jeweils 22 Prozent nicht bereit waren, auf Einflussmöglichkeiten an dem fusionierten Rüstungsunternehmen zu verzichten. Fazit: Am 10.10.2012 melden die Agenturen, dass der Zusammenschluss nicht zustande kommt.

Eine erfolgreiche Fusion hätte Lagardère übrigens zu einem einfachen Großaktionär gemacht. Was so manchem in der EADS-Chefetage nicht unwillkommen gewesen wäre. Denn Arnaud Lagardère macht ja keinen Hehl daraus, dass ihn der Flugzeugbau nicht interessiert und er nur auf den richtigen Zeitpunkt für einen Ausstieg wartet. Dazu passt, dass Lagardère seiner Ernennung zum EADS-Verwaltungsratschef Ende Mai 2012 einfach fernblieb. Er habe „andere wichtige Dinge“ zu tun. Siehe Aktuelle Entwicklungen

Weiterhin hält Lagardère 20% an Canal+ France (sollen zeitnah verkauft werden), 42% an der Groupe Marie Claire (möchte Arnaud Lagardère angesichts schwieriger Marktumstände gerne verkaufen, hat aber noch keinen Interessenten gefunden) und 25% an der Amaury-Gruppe (Le Parisien, L’Equipe, Veranstalter von Sport-Großevents). Hier wiederum bekundete Lagardère Ende Mai 2010 sein Interesse, die Filiale A.S.O. zu übernehmen: die Amaury Sport Organisation veranstaltet u.a. die Tour de France und die Rallye Paris-Dakar. Womit er allerdings bei Marie-Odile Amaury kein Gehör fand, denn: Die Tour de France steht nicht zum Verkauf. Jetzt möchte Lagardère seine Amaury-Beteiligung loswerden. Ob er hier einen Käufer findet?

Die 17,27% an der renommierten Tageszeitung „Le Monde“ zumindest ist man los: Für ca. 3,8 Mio. € am 2.11.2010 an die neuen Eigentümer um Pierre Bergé.

Engagement in Deutschland

einklappen

Das „Elle“-Joint-Venture zwischen Hachette Filipacchi Médias und der Burda GmbH ist obsolet, seit Lagardère 2011 seine internationalen Magazin-Titel an Hearst verkauft hat. Hearst wird insofern der neue Joint-Venture-Partner von Burda; die deutsche Ausgabe von „Elle“ erscheint weiterhin unter dem Dach der Burda Style Group.

Lagardère Active Radio International ist an deutschen Radioveranstaltern wie Kiss FM (Berlin, Black Music/Dance/House), Antenne AC (Würselen), Delta Radio (Kiel), Radio Salü (Saarbrücken) und Main FM (Frankfurt) beteiligt.
HDS Retail Deutschland GmbH (Wiesbaden) ist die deutsche Abspaltung von Lagardère Services und Deutschlands größter Flughafen-Medienhändler mit Marken wie Relay, Virgin und L’Occitane (weiterhin aktiv an „attraktiven Bahn-Drehkreuzen“ und „hochfrequenten Pendlerstationen“, heißt: Einkaufszentren). Die legion Telekommunikation Düsseldorf (100%) organisiert für Sender quer durch die deutsche TV-Landschaft die Abwicklung etwa von Gewinnspielen und Voting-Aktionen, also „Responsemanagement und Anrufautomation“.

Dazu die oben erwähnten Sportrechte-Agenturen Upsolut und Sportfive (beide Hamburg). Kurzzeitig stand das Lagardère-Engagement in Deutschland sogar vor einem Quantensprung, als sich Sportfive Ende 2007 um die Bundesliga-Rechte bemühte. Doch umsonst: man wurde von der Deutschen Fußball Liga gar nicht erst gefragt.

Aktuelle Entwicklungen

einklappen

„Ich will, dass Lagardère in zehn bis 15 Jahren einer der drei größten Medienkonzerne weltweit ist“, so Arnaud Lagardère im Jahr 2004. Davon ist er heute noch ein ziemliches Stück entfernt. Sein Mischkonzern strauchelt und ist hoch verschuldet (mit 400 Millionen, wie man in „Le Monde“ liest). Zugleich scheint es, als habe er am Medienbusiness längst das Interesse verloren und sozusagen die Pferde gewechselt, als habe er im „Sport“ seine wahre Bestimmung gefunden. Jetzt sagt er: Ich will als Sportvermarkter bis 2015 weltweit die Nummer eins werden. Bislang aber läuft es alles andere als rund. Was wohl der Hauptgrund dafür war, dass der Konzern am 20.9.2012 (nach 16 Jahren) aus dem französischen Leitindex CAC 40 geworfen wurde. Arnaud Lagardères „Sport business“-Strategie habe letztlich weder Investoren noch die Börsenbehörde überzeugt.

Schon die enttäuschenden Halbjahreszahlen Mitte 2011 waren nicht zuletzt begründet in den schlechten Ergebnissen der Sportsparte (ausgelöst beispielsweise durch Streitigkeiten mit der indischen Cricket-Liga). Auch das enttäuschende Gesamtergebnis 2011 (mit einem konsolidierten Verlust von 689 Mio. Euro) wird im wesentlichen auf das Missmanagement bei Lagardère Unlimited zurückgeführt. Genau in dem Feld also, in dem Arnaud Lagardère um jeden Preis reüssieren wollte. Mehr als 1,1 Milliarden Euro hat er seit 2006 in diesen Geschäftsbereich investiert, der heute, so die übereinstimmende Analystenmeinung, noch gerade zwischen 200 und 400 Mio. Euro wert sei. Für 2012, für das Jahr nach dem „sehr enttäuschenden 2011“, hat Lagardère sich eine doppelte Priorität gesetzt: die Wende mit der defizitären Sportbranche und der Verkauf der 20%-Beteiligung an Canal+ France.

Ein Wort an dieser Stelle zu den (am 13.11. veröffentlichten) Zahlen des dritten Quartals 2012: Hier war es vor allem der Verkaufserfolg des neuen Romans der Harry Potter-Autorin J.K. Rowling („The Casual Vacancy“), mit dem man die Umsatzrückgänge bei Lagardère Active ausgleichen konnte. So kam es zu dem nur leicht abgefallenen Q3-Umsatz von 1,963 Mrd. Euro (Zum Vergleich: im dritten Quartal 2011 belief sich der Umsatz auf 1,982 Mrd. Euro).

Dann kommt Anfang Dezember 2012 Bewegung in die EADS-Sache: Am 5.12. wird bekannt, dass die EADS-Eigentümerstruktur neu geordnet wird. Deutschland steigt mit 12% am stimmberechtigten Kapital als dritter Staat (neben Frankreich (12%) und Spanien (4%)) als Großaktionär ein. Im Zuge des „umfassenden Aktienrückkaufs“, den EADS dann für das erste Halbjahr 2013 plant, wird auch Lagardère, endlich, den Großteil seiner Beteiligung verkaufen können.

Eine weitere aktuelle Entwicklung wäre zu vermerken:
Die staatliche Qatar Holding ist mit mittlerweile 12,83% größter Lagardère-Aktionär. Was die Frage nach den weiteren Absichten von Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani aufwirft, Emir von Katar, Verwalter von Erdölmilliarden. Auch angesichts weiterer massiver Investitionen der Katarer in ganz Frankreich: In Bau- und Umweltkonzerne, in den Ölkonzern Total und in Immobilien von allerhöchstem Prestige (z.B. das Hotel Carlton in Cannes, das Hotel Royal Monceau in Paris). Den meisten Medienwirbel gab es natürlich nach dem Kauf des Fußballklubs Paris Saint-Germain.
Lagardère zumindest wird der Scheich nicht komplett übernehmen können. Denn ein Gesetz verhindert, dass ein nicht-europäischer Investor mehr als 20% an einem französischen Unternehmen erwirbt, das einen landesweiten TV-Sender betreibt.

Und am Ende lässt es sich Arnaud Lagardère Mitte November 2012 nicht nehmen, ein weiteres Mal mit privaten Eskapaden für Aufsehen zu sorgen. Was hat er wieder angestellt? Diesmal geht es um eine 52-minütige Doku des belgischen Senders RTBF über Szenen aus dem Alltag des Milliardärs, seiner Freundin und ihrer Mutter, die eigentlich immer dabei ist. Arnaud schenkt Jade ein weißes Hochzeitskleid, fliegt sie im Privatjet zum Shooting nach Barcelona, schenkt ihr einen schwarzen Porsche („Was für ein schönes Geschenk, mon amour.“) Bezeichend auch ein auf youtube gezeigter Ausschnitt. Man möchte es gar nicht sehen, aber kann doch nicht wegschauen. Arnaud, seine Freundin und ihre Mutter fummeln eine gefühlte Stunde lang auf ihren iPhones rum und reden über das Wetter von morgen.