31. Lagardère Media

Umsatz 2022: € 6,929 Mrd.

Überblick

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Seit dem Verkauf der restlichen Anteile an EADS (Airbus Group) im April 2013 und somit dem Ausstieg aus dem Geschäft mit Rüstung, Luft- und Raumfahrt war die Lagardère-Gruppe ein reiner Medienkonzern, vertreten in rund 30 Ländern, aktiv in den Bereichen Presse, Verlage, Pressevertrieb, Sportrechte sowie Fernsehen, Radio und Multimedia. Ab 2018 wurden dann im Zuge einer strategischen Neuorientierung um die Pole „Lagardère Publishing“ und „Lagardère Travel Retail“ Aktiva des Medienbereichs verkauft. Mitte September 2021 wird bekannt, dass es jetzt wohl zu Ende geht mit dem Medienkonzern am Triumphbogen. Der andere französische Medienriese Vivendi (Platz 30 im aktuellen IfM-Ranking) plant die Übernahme von Lagardère.

 

 

Basisdaten

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Hauptsitz:
4, rue de Presbourg
75016 Paris
Frankreich
Telefon: 0033 1 40 69 16 00
Internet: lagardere.com

Branchen: Buchverlage, Zeitungen, Magazine, Pressevertrieb
Rechtsform: Kommanditgesellschaft auf Aktien
Geschäftsjahr: 01.01. - 30.12.
Gründungsjahr: 1826 (Hachette), 1992 (Lagardère Groupe)

Ökonomische Basisdaten (in Mio. €)
202220212020201920182017
Umsatz Gesamt 6.9295.1304.4397.2116.8687.084
Gewinn (Verlust)187(86)(660)(15)177204
Aktienkurs (in €, Jahresende)20,9824,3820,4819,4322,0226,73
Beschäftigte 27.38325.33325.00030.00028.73828.886
Umsatz nach Geschäftsfeldern (in Mio. €)Tab. II: Medien-Umsatz nach Geschäftsfeldern (in Mio. €)
202220212020201920182017
Lagardère Publishing2.7482.5982.3752.3842.2522.289
Lagardère Active------275895929
Other activities (Presse, Radio) 254242229288----
Lagardère Sports/Entertainment--------438454
Lagardère Travel Retail3.9272.2901.7204.2643.6733.412
Gesamt6.9295.1304.4397.2117.2587.084

Geschäftsführung

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Management:

  • Arnaud Lagardère, Chairman and CEO, Lagardère SCA
  • Pierre Leroy, Deputy CEO, Lagardère SCA
  • Constance Benqué, CEO, Lagardère News
  • Pauline Hauwel, Secretary General of the Lagardère Group
  • Dag Rasmussen, Chairman and CEO, Lagardère Travel Retail
  • Sophie Stabile, CFO of the Lagardère Group


Aufsichtsrat:

  • Arnaud Lagardère
  • Virginie Banet
  • Valérie Bernis
  • Laura Carrere
  • Fatima Fikree
  • Marie Flavion
  • Pascal Jouen
  • Véronique Morali
  • Arnaud de Puyfontaine
  • René Ricol
  • Nicolas Sarkozy

    • Pierre Leroy

    Geschichte

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    Louis Hachette (1800-1864) kaufte 1826 die Pariser Librairie Brédif und wurde so europäischer Marktführer im Geschäft mit Schulbüchern, Enzyklopädien, Reiseführern und Publikumszeitschriften. 1945 erschien erstmals die bis heute bekannteste Publikation des Hauses, die Frauenzeitschrift Elle. In Zusammenarbeit mit Henri Filipacchi entstand 1953 Le Livre de Poche, Frankreichs bestverkaufte Taschenbuch-Reihe; zudem kontrollierte Hachette seit den 1950er Jahren die Verlagshäuser Grasset, Fayard und Stock. 1986 übernahm Hachette den quotenstarken Radiosender Europe 1.

    Jean-Luc Lagardère (1928-2003) wechselte 1963 von Dassault Aviation als Generaldirektor zum Rüstungskonzern Matra (Mécanique Aviation Traction) und wurde dort 1977 zum Firmenchef ernannt. 1980 übernahm Matra dann über 40 Prozent des Medienhauses Hachette. Zwei spektakuläre Firmenzusammenschlüsse folgten 1999. Matras Technologie- und Rüstungspol fusionierte mit der staatlichen Aerospatiale und im Oktober verschmolzen Aerospatiale-Matra und Daimler-Chrysler Aerospace (Dasa) zur European Aeronautic Defense and Space Company (EADS). Lagardère, der Beamtensohn aus der Gascogne, wurde eine französische Unternehmer-Legende, der Inbegriff des Familienkapitalisten. Erst Diplomingenieur, dann Waffenhändler, Medientycoon, Luftfahrt-Enthusiast, Frankreichs bedeutendster Pferdezüchter und stets auf Du mit all den Pariser Präsidenten und Premiers formte er aus einem mittelständischen Unternehmen ein globales Konglomerat. Und eigentlich blieb ihm nur eines verwehrt: ein eigener terrestrischer Fernsehkanal. Beim Privatisierungsrennen um den französischen Marktführer TF1 unterlag Lagardère 1987 dem (qua Profession sehr politiknahen) Bauunternehmer Francis Bouygues.

    Jean-Luc Lagardères einziges Kind Arnaud (Jg. 1961) trat 1986 in das Unternehmen ein und wurde als Chef der Mediensparte an die Firmenleitung herangeführt. „Ich liebe meinen Sohn", sagte Jean-Luc Lagardère, „und ich liebe mein Unternehmen. Beides zu verbinden ist für mich das Größte." Weiter: „Er ist ich, und ich bin er.“ Als Lagardère Senior 2003 nach einer eigentlich unkomplizierten Hüft-OP an einer Blutvergiftung starb, war die Nachfolge geregelt. 2006 unternahm Arnaud Lagardère eine weitreichende Neuordnung des Konzerns. Das Presse-Segment Hachette Filipacchi Médias (HFM) wurde mit Lagardère Active (TV, Radio, Internet) zur neuen medienübergreifenden Sparte Lagardère Active Media zusammengeführt. Das Geschäft mit der Regionalpresse rentierte sich nicht mehr, Mitte August 2007 stieß Lagardère seine südfranzösischen Titel ab (darunter Nice-Matin, La Provence und Var Matin). Im Frühjahr 2011 schließlich wurde der Großteil von Lagardères „International Magazine Business“ für 606 Mio. Euro an die Hearst Corporation abgegeben. Im April 2013 schließlich wurde Lagardère vom Misch- zum reinen Medienkonzern: Für 2,3 Milliarden Euro wurden die letzten EADS-Anteile verkauft.

    Die Aktionäre aber begannen, das Vertrauen in Arnaud Lagardère und seine Strategie zu verlieren. Im März 2016 fiel der Aktienkurs auf ein sieben Jahres-Tief, auch weil der langjährige Finanzchef Dominique D'Hinnin überraschend das Handtuch geworfen hatte. D'Hinnin galt für viele als das wahre Hirn hinter Lagardère und als Absicherung für den von vielen als inkompetent und flatterhaft wahrgenommenen Arnaud. Beizeiten wurde das Unternehmen als Übernahme-Kandidat gehandelt, 2018 setzte Libération Arnaud Lagardère auf den Titel mit der Unterschrift: „Papa, ich habe das Königreich geschrumpft“.

    Im Frühjahr 2018 kündigte CEO Lagardère eine weitere umfassende Neuausrichtung an, mit der Verlagssparte Lagardère Publishing und Travel Retail als künftigen priority divisions, der Verkauf von Medienwerten folgte, z.B. von: Boursier.com (Wirtschaftsportal); der Boulevardmarke Point de Vue; den Portalen Doctissimo, My Doctor, Billetreduc.com, Plurimedia, Doctipharma; Fernsehbeteiligungen; von Radiosendern in Osteuropa und Afrika; von Zeitschriften, für die der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky insgesamt 52 Millionen Euro zahlte und sich, wie die taz schrieb, in kürzester Zeit unter dem Dach von Czech Media Invest ein „kleines Medienimperium“ in Frankreich zusammenkaufte. Medientitel, die Lagardère behielt, wurden 2018 unter dem Signet Lagardère News zusammengefasst. Am 02.09.2019 konnte Lagardère das TV-Geschäft (ausgeschlossen Mezzo) für 215 Millionen Euro an die M6-Gruppe verkaufen. Und auch aus dem Sport-Business, in das man 2006 mit der Übernahme der Sportrechteagentur Sportfive eingestiegen war, hat man sich verabschiedet. Mitte April 2020 übernahm die Investmentfirma H.I.G. Capital 75,1 Prozent der Anteile an Lagardère Sports and Entertainment, für etwa 110 Millionen Dollar. Es folgte eine weitere Umbenennung der Firma in den neu-alten Namen Sportfive.

    Ein Grund, vielleicht der wichtigste, für die zahlreichen Verkäufe war sicherlich Arnaud Lagardères abenteuerlicher persönlicher Schuldenstand. Fast eine halbe Milliarde Euro hatte er aufgenommen, um damit 2003, nach dem Einstieg als CEO, seine Lagardère-Aktienposition zu stärken. Die ganzen Verkaufserlöse gab er dann weiter an sich selbst und die anderen Aktionäre mit enormen Dividenden. Dazu Joseph Oughourlian, Chef des britischen aktivistischen Fonds von Amber Capital, der dem Lagardère-Chef seit 2016 sein disastrous management vorwirft: „Es gibt hier eine ungesunde Kultur von Plünderung. Egal was passiert, die Führungskräfte stecken ihre Gehaltsschecks ein... In jedem anderen Unternehmen würde man sagen: Es reicht!“

    Eigentlich wollten Joseph Oughourlian/Amber Capital dann im Mai 2020 eine Verlängerung von Arnaud Lagardères Verwaltungsmandat verhindern. Es hat nicht funktioniert. Denn Lagardère hatte sich mächtige Unterstützer an Bord geholt, es war ein Paradebeispiel für die unter französischen Eliten nicht seltene Vetternwirtschaft. Unterstützer wie den bretonischen Milliardär Vincent Bolloré, der zugleich mit einem Anteil von rund 26 Prozent Vivendi kontrolliert, den anderen Medienriesen aus Frankreich (auf Platz 26 im aktuellen IfM-Ranking). Er übernahm 11 Prozent von Lagardère. Oder Marc Ladreit de Lacharrière, ein weiterer Milliardär, zuvor Mehrheitseigner der Fitch-Ratingagentur (heute ein Teil von Hearst, Platz 24 im aktuellen IfM-Ranking). Er stieg mit drei Prozent ein. Guillaume Pepy, zuvor CEO der staatlichen französischen Eisenbahngesellschaft SNCF, wurde rechtzeitig im Februar 2020 in den Lagardère-Aufsichtsrat gewählt, wie auch Nicolas Sarkozy. Der im April 2005, also zwei Jahre vor seiner Wahl zum Präsidenten, über den sechs Jahre jüngeren Arnaud Lagardère sagte: „Er ist mehr als ein Freund, er ist ein Bruder.“

    Die dramatische Wendung folgte am 11. August 2020. Vincent Bolloré, der seine Lagardère-Beteiligung mittlerweile auf 23,5 Prozent ausgeweitet hatte, stellte sich auf die Seite von Amber Capital (20 Prozent) und wechselte die Fronten. Bolloré und Amber Capital schlossen einen Pakt und forderten vier Sitze im Lagardère-Aufsichtsrat, drei für Amber, einen für Vivendi. Vorher aber, als ihm auffiel, dass Bolloré seinen Anteil sukzessiv erhöhte, hatte Arnaud Lagardère die Lage mit einem besonderen taktischen Move weiter verkompliziert. Bernard Arnault, Chef des Luxuskonzerns LVMH (Louis Vuitton, Moët & Chandon, Hennessy), laut Forbes mit 94 Milliarden US-Dollar im Mai 2020 reichster Europäer, drittreichster Mensch überhaupt, erwarb für 80 Millionen Euro ein Viertel an Arnaud Lagardères privater Holding: Die vielen Arnault-Millionen schienen zunächst wie ein Gefallen, der Arnaud Lagardère Luft verschaffen sollte: angesichts des zu niedrigen Aktienkurses, gegenüber den Verpflichtungen bei seiner Hausbank Crédit agricole.

    Im August 2020, eine Woche, nachdem Bolloré/Vivendi und Amber Capital ihre 43,5 Prozent des Kapitals ausmachende Allianz publik gemacht hatten, der nächste Eskalationsschritt. Arnaud Lagardère ließ sich sein Verwaltungsmandat kurzerhand vorzeitig verlängern, vor dem eigentlichen Mandatsende im März 2021. Noch wusste er die Aufsichtsratsmehrheit hinter sich. Empörung auf der Gegenseite: Dieser „Akt des Widerstands“ bedeute nichts weniger als eine Infragestellung der Aktionärsdemokratie. Der Lagardère-Titel fiel um fünf Prozent. Doch wohl niemand wird geahnt haben, was am 23. September passierte. Ein äußerst seltenes Ereignis, als sogar der staatliche Fonds der Qatar Holding LLC Position bezog, sich an die Seite von Vivendi und Amber Capital stellte und „als langjähriger Investor“ einen Sitz im Aufsichtsrat forderte. Im Frühjahr 2021 begannen die Gegenspieler Arnault, Lagardére und Bolloré schließlich ihren Disput außergerichtlich zu regeln. Arnaud Lagardère, der verschuldete Manager ohne Fortüne, fand sich damit ab, dass er seine Sonderrolle mit Kommanditistenstatus abgeben musste.

    Management

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    Es war kein Geheimnis, dass Arnaud Lagardère mit Industrie und Rüstung nie viel anfangen konnte. Innerhalb von zehn Jahren nach dem Tod seines Vaters hat er die Lagardère-Gruppe halbiert. Vom Pariser Finanz-Establishment wurde er deshalb misstrauisch beobachtet; Kritiker warfen ihm vor, nur ein blasses Abbild des Seniors und großen Konzernlenkers Jean-Luc Lagardère zu sein. In seinen Reden auf den Hauptversammlungen bleibe er unverbindlich und blass und interessiere sich nicht wirklich für das Tagesgeschäft. Für die französische Öffentlichkeit wurde er zur Witzfigur, als ein Making-of eines Fotoshootings mit ihm und dem 30 Jahre jüngeren Dessous-Model Jade Foret im Juli 2011 online gestellt wurde. Das Video wurde zum PR-Desaster, ging viral und ließ große Teile der französischen Wirtschaft/Öffentlichkeit weiter an den Führungsqualitäten von Arnaud zweifeln. „Der Typ wird einfach nie erwachsen.“

    Geschäftsfelder

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    Priority divisions

    Lagardère Publishing
    Marktführer in Frankreich, zweitgrößter Buchverlag in Großbritannien, viertgrößter in den USA. Bekannteste französische Marken sind Hachette, fayard, Calmann-Lévy, JC Lattès, Marabout, Anaya, Le Livre de Poche, Schulbuchverlage wie Hatier und Larousse. Drei imprints kamen 2020 in den USA heraus: GCP Balance, Christy Ottaviano Books und Legacy Lit.

    Lagardère Travel Retail
    Aktiv in 40 Ländern auf fünf Kontinenten. Die Reise-Sparte von Lagardère umfasst im Wesentlichen den Verkauf und Vertrieb an Flughäfen von "Travel Essentials, Duty Free, Fashion- und Foodservice”. Den Verkauf von Printprodukten hat man eingestellt.

    Other activities

    Lagardère News
    Unter dem Signet von Lagardère News sind die folgenden Medien zusammengefasst: Paris Match (Frankreichs führendes wöchentliches News-Magazin mit monatlich 13,6 Millionen Lesern 2020), das Le Journal du Dimanche mit monatlich 4,2 Millionen Lesern, der TV-Sender Mezzo (für klassische Musik, Oper, Ballett, Jazz und Weltmusik), die Radios Europe 1, Virgin Radio, RFM und die Marke Elle.

    Lagardère Live Entertainment
    Gegründet 2011 kümmert sich Lagardère Live Entertainment um Konzerte und Shows (Salut les copains, Les Choristes) sowie die Verwaltung von Veranstaltungsorten (Folies Bergère, Casino de Paris, Arkéa Arena und die Arena du Pays d'Aix).

    Aktuelle Entwicklungen

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    Jetzt wird Lagardère verschwinden. Der andere französische Medienriese Vivendi plant ja seit geraumer Zeit eine Lagardère-Übernahme, hat im Dezember 2021 die 17,5-prozentige Beteiligung an der Lagardère SA vom britischen Investor Amber Capital gekauft und hält jetzt eine Beteiligung in Höhe von 45,1%. Vivendis Übernahmeplan hatte aber zu Kritik geführt, denn mit der Fusion würde Vivendi einen Großteil des französischen Buchmarkts kontrollieren: das zu Lagardère gehörende Hachette Livre, Frankreichs größten Verlag, sechsgrößten Buchkonzern der Welt, und den zu Vivendi gehörenden zweitgrößten Verlag Frankreichs Editis, weltweit auf Platz 26. Vivendi gab aber bekannt, dass man sich vom Verlag Editis trennen wolle, „um Konzentrationsprobleme mit der Lagardère-Gruppe zu vermeiden“. Damit ist der Weg frei für eine vollständige Übernahme.