Yahoo vor der Übernahme durch Medienkonzerne und Finanzinvestoren?

15.10.2010

Das Onlineunternehmen AOL und der Medienkonzern News Corp. sowie diverse Private Equity-Firmen haben offenbar Interesse an einer Übernahme von Yahoo. Dies geht aus übereinstimmenden Presseberichten vom gestrigen Donnerstag hervor. Größtes Interesse an einem entsprechenden Deal signalisiert bisher AOL. Das ehemals zum Medienkonzern Time Warner gehörende Web-Portal würde sich demnach mit den Finanzinvestoren Silver Lake Partners und Blackstone Group verbünden, um das von der Marktkapitalisierung her deutlich höher bewertete Yahoo-Unternehmen zu kaufen. Ein anderes Gerücht - eine Fusion von AOL und Yahoo – machte am Donnerstag ebenfalls an der Wall Street die Runde.
Als weiterer ernsthafter Interessent gilt News Corp.. Rupert Murdochs Unternehmen probierte bereits 2008, gemeinsam mit Microsoft erfolglos Yahoo zu übernehmen, um es mit seinem sozialen Netzwerk MySpace und Microsofts Internetmarke MSN zu einem gemeinsamen Online-Powerhouse zu verschmelzen.
Bedingung für jedwede Übernahme ist, dass Yahoo seine 40- bzw. 35-prozentigen Anteile an Yahoo China und Yahoo Japan verkauft. Nur wenn diese auf einen Wert von bis zu 10 Milliarden US-Dollar bezifferten Anteile abgestoßen werden, wäre der Weg frei für einen Kauf durch einen der Interessenten. Yahoo hat derweil die Investmentbank Goldman Sachs beauftragt, sämtliche Übernahmeangebote abzuwehren.

Folgende Fragen hat die mediadb.eu-Redaktion anlässlich der Übernahmegerüchte diskutiert:

1. Wie ist die aktuelle wirtschaftliche Situation des Yahoo-Konzerns einzuschätzen?

Yahoo-CEO Carol Bartz räumte jüngst in einem Interview ein, sie bräuchte mehr Zeit um das kriselnde Unternehmen wieder in die Spur zu führen, was nicht besonders gut ankam bei den an kurzfristiger Rendite orientierten Aktionären. Bartz Gehalt – im Kalenderjahr 2009 verdiente sie inklusive Bonuszahlungen astronomische 47,2 Millionen US-Dollar – steht laut Kritikern und Analysten in keinem Verhältnis zu der Performance des Konzerns seit sie Anfang 2009 ihren Dienst antrat. Mit 16,7 Prozent Marktanteil im September 2010 bewegt sich die durch Microsofts Bing unterstützte Yahoo-Suchmaschine weiterhin in großer Distanz hinter Marktführer Google (66,1 Prozent; Comscore). Der geringe Aktienwert sowie das für Analysten nicht akzeptable Umsatzwachstum von nur zwei Prozent im zweiten Quartal 2010 lassen immer mehr Stimmen unter den Aktionären laut werden, die einen Wechsel an der Spitze des Konzerns fordern. Mit großem Interesse wartet die Börsenwelt in diesem Zusammenhang auf die Veröffentlichung der Ergebnisse des dritten Quartals 2010 am 19. Oktober. Teile der Yahoo-Belegschaft sind derweil selbst nicht mehr von einem positiven Kurswechsel überzeugt: Seit Jahresbeginn haben mehr als zehn Yahoo-Topmanager angekündigt, den Konzern verlassen oder dies bereits getan, darunter auch die Nordamerika-Chefin Hillary Schneider und der Vorsitzende der Mediensparte Jimmy Pitaro.
Kritiker weisen zudem auf eine Identitätskrise des Unternehmens hin: Bartz müsse sich eindeutiger dafür entscheiden, was Yahoo in der Zukunft sein möchte – Onlinekonzern, der es mit Google, Microsoft und Co. aufnimmt oder Medienkonzern, der seine Web-Popularität dazu nutzt selbst produzierten Content sowie Inhalte Dritter online zu vermarkten.

2. Was macht Yahoo als Kauf- oder Fusionsobjekt interessant?

Eine der attraktivsten Eigenschaften von Yahoo ist die weiterhin ungebrochene Popularität der Online-Marke. Jeden Monat besuchen weltweit mehr als 600 Millionen Menschen die Homepage oder nutzen einen der vielen Yahoo-Dienste. In den vergangenen Jahren hat Yahoo erfolgreich themenspezifische Nachrichten-Portale etabliert. Darunter zählen neben der populären Yahoo-Homepage unter anderem die Finanzseite Yahoo Finance, das Klatschmagazin omg! und Yahoo Sports – allesamt Marktführer in den Vereinigten Staaten. Eine Übernahme des Unternehmens würde auch die Übernahme der Yahoo-User bedeuten und der Käufer könnte sich über eine Vervielfachung seines Publikums freuen. Dies ist umso bedeutsamer, als dass Yahoo neben Google eine führende Stellung auf dem Markt für Display-Werbung hat. Letztere wird an Bedeutung gewinnen, da die werbetreibenden Firmen in Zukunft weniger auf textbasierte Anzeigenplatzierung neben Suchergebnissen, sondern vermehrt auf grafisch aufwändigere Werbung setzen.

3. Wie würden AOL bzw. News Corp. von einer Übernahme/Fusion profitieren?

Ein Merger von AOL und Yahoo wurde bereits 2008 diskutiert, letztlich jedoch nicht realisiert. Eine Fusion macht auf den ersten Blick Sinn: beide Unternehmen ähneln sich und bieten die gleichen Services an: Nachrichtenportale, Emaildienste, Instant Messaging, Chat usw. Seit geraumer gilt AOL – mit 2,68 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung deutlich geringer bewertet – als kleinere Version von Yahoo. Eine Zusammenlegung beider Unternehmen hätte positive Synergieeffekte zur Folge und würde den großen Abstand zum Werbe-Marktführer Google verringern. AOL-CEO Tim Armstrong möchte sein Unternehmen mit der Übernahme von Yahoo (oder einer ebenfalls diskutierten Übernahme von AOL durch Yahoo) zu einem modernen, online-basierten Medienunternehmen umwandeln – eine Idee, die Yahoo-Chefin auch für ihren Konzern entwickelt hat, jedoch nicht so überzeugend wie Armstrong, der mit seinem Konzept in Wall Street-Kreisen offene Türen einrennt. Würde Yahoo AOL akquirieren, würde Armstrong neuer Yahoo-Chef und Bartz zur Vorsitzenden degradiert werden.
News Corp. zeigte sich 2008 ebenfalls an einer Übernahme interessiert. Gegenwärtig könnte der Wunsch der Verantwortlichen nach der Kontrolle über Yahoo noch gestiegen sein, entwickelt sich doch News Corps wichtigste Online-Aktivität – die Social Community MySpace – immer mehr zu einem wirtschaftlichen Desaster. Die Kontrolle über Yahoo und deren Nutzern könnte eine letzte Möglichkeit darstellen, MySpace doch noch zu retten. News Corps Digital-Chef Jonathan Miller, der bezeichnenderweise zuvor Chef von AOL war, würde im Falle einer erfolgreichen Einigung an der Spitze des neuen Yahoo-Konzerns stehen.

Mehr dazu:

Wall Street Journal: AOL, Firms Explore an Offer for Yahoo (14.10.10)

Guardian: Yahoo ‘targeted for buyout’ (14.10.10)

IBTIMES.com: Yahoo Execs’ Departures Could Hurt Turnaround (1.10.10)

Golem.de: AOL möchte Yahoo kaufen (14.10.10)

Comscore: Statistik Suchmaschinen-Marktanteile September 2010