"Unangemessenes Verhalten" Teil der Unternehmenskultur?

14.09.2011

Der Abhörskandal bei der inzwischen eingestellten Sonntagszeitung "News of the World" ist für den Mutterkonzern News Corp. noch längst nicht ausgestanden. Im Zuge der Affäre verklagen nun US-amerikanische Anleger das Unternehmen aufgrund von mutmaßlicher Korrumpierung des Top-Management. In Großbritannien wurde Rupert Murdochs Sohn James (Foto), Chef der britischen Zeitungssparte "News International" erneut vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zitiert, weil er bei seinem ersten Auftritt vor dem Gremium offenbar gelogen haben soll. Die Redaktion von mediadb.eu hat die Entwicklungen zusammengefasst.

1. Wer und was steckt hinter der Klage gegen News Corps Top-Management in den USA?
Eine Gruppe von Investoren und Banken, die Millionen von Anteile am Konzern besitzt, hat nun vor einem Gericht im US-Bundesstaat Delaware Klage gegen News Corp. eingereicht. Angeführt von der Amalgamated Bank, richtet sich die Klage gegen den Aufsichtsrat des Unternehmens, insbesondere gegen Rupert Murdoch und seine Söhne James und Lachlan, sowie COO Chase Carey. Der Vorwurf lautet, Murdoch und seine Söhne hätten das öffentliche, börsennotierte Unternehmen als "persönlichen Machtbereich" mißbraucht. Die Kläger wollen beweisen, dass der britische Abhörskandal kein Einzelfall war, sondern Teil einer korrupten Kultur ist, die das gesamte Unternehmen betrifft. So bezieht sich die Klage explizit auf die Geschäftspraktiken der Tochtergesellschaften News America Marketing und NDS Group Plc.
Die Sparte News America Marketing generiert ihren Umsatz durch die Veröffentlichung von Zeitungs-Coupons für Lebensmittel und das Aufstellen von Werbematerial innerhalb von Supermärkten. News America wird vorgeworfen, kleineren Rivalen geschadet zu haben, indem Mitarbeiter bedroht und deren Computer mehrfach ausgespäht wurden. Im Februar 2010 erklärte sich das Management von News America im Rahmen eines Rechtsstreits dazu bereit, 650 Millionen US-Dollar an drei Konkurrenten zu zahlen, um sich außergerichtlich zu einigen. Chef von News America Marketing ist Paul Carlucci, der bekannt ist für seine zweifelhafte Geschäftsführung. Carlucci erklärte seinen Untergebenen jüngst, dass sie ersetzt würden, wenn sie "liberale Bettnässer" seien. Um die Belegschaft zu motivieren, zeigte er eine Szene aus dem Film "The Untouchables", in der Al Capone einen unloyalen Mitstreiter mit einem Baseball-Schläger totschlägt. Carlucci soll einst zu dem Geschäftsführer eines Konkurrenten gesagt haben: "Wenn du dich jemals in unser Geschäft einmischt, werde ich dich zerstören. Ich arbeite für einen Mann, der alles will und nicht versteht, wenn ihm jemand sagt, dass etwas nicht geht."
Auch die NDS Group steht auf einmal im Fokus von Ermittlern. Bereits vor fünf Jahren haben Konkurrenten der Satellitenfirma DirecTV (Dish Network, NagraStar) News Corp. auf mehr als eine Milliarde US-Dollar Schadensersatz verklagt. NDS soll einen Hacker damit beauftragt haben Smartcards der Konkurrenz zum Empfang von Satelliten-TV zu hacken und über das Internet zu vertreiben, um die Wettbewerber zu schwächen. Die Vorwürfe konnten nach einem fünfjährigen Prozess jedoch letztlich nicht bewiesen werden.
Zusammen mit den weiterhin im Raum stehenden Vorwürfen, News Corp. hätte Opfer der Terroranschläge vom elften September abgehört, ergibt das ein verheerendes Bild über die US-Aktivitäten des Unternehmens.

2. Welche Nachwirkungen hat der Abhörskandal in Großbritannien?
James Murdoch muss - wahrscheinlich im November dieses Jahres - erneut vor dem Untersuchungsausschuss des britischen Parlamentes zu seiner Rolle im Abhörskandal Rede und Antwort stehen. Bei seinem ersten Auftritt bestritt Murdoch von einer unternehmensinternen Email gewusst zu haben, die nahe legt, dass die Abhörpraktiken bis ins obere Management bekannt gewesen sein müssen. Dabei log er offensichtlich, denn ein Redakteur sowie ein Angestellter der Rechtsabteilung äußerten inzwischen, sie hätten Murdoch von den Abhörpraktiken in Kenntnis gesetzt. Derweil hat eine Frau News Corp. verklagt, weil das Mobiltelefon ihres Sohnes, der bei den Terroranschlägen in London 2005 umgebracht wurde, von "News of the World"-Reportern abgehört wurde. Die Liberale Partei Großbritannien reichte zudem einen Gesetzesentwurf ein, der künftig hohe Geldstrafen für Verfehlungen von verantwortlichen Redakteuren und Medien-Managern vorsieht.

Mehr dazu:

- The Guardian: News Corp shareholders lodge complaint against Rupert Murdoch (13.09.2011)