Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk in Japan: NHK in der Kritik

03.02.2014

Die journalistische Integrität von Japans öffentlich-rechtlichen Rundfunksender Nippon Hoso Kyokai ist seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Katsuto Momii (Foto) massiv beschädigt. Bei seiner ersten Pressekonferenz sorgte Momii für einen Skandal, als er die Staatsferne des Senders in Frage stellte, revisionistische Interpretationen über die Rolle Japans in den 1930er Jahren zum Besten gab und dafür plädierte, umstrittene Gesetzesinitiativen der nationalistischen Rechts-Regierung nicht weiter zu hinterfragen. Die Kritik am Zustand der Anstalt hat seit der Reaktor-Katastrophe von Fukushima massiv zugenommen. Zwar gilt NHK noch immer als vertrauenswürdigste Nachrichtenquelle in Japan; die Entgleisungen des Präsidenten haben jedoch den Fokus auf eine Anstalt gelenkt, in der politische Einflussnahme und Selbstzensur der Journalisten an der Tagesordnung sind. Die Redaktion von mediadb.eu hat die jüngsten Entwicklungen zusammengefasst:

Wer ist Katsuto Momii?
Momii, zuvor Manager bei der Software-Firma Nihon Unisys, verfügt über keinerlei Erfahrungen in der Medienbranche. Er gehört der Wirtschaftselite an, die traditionell enge Verbindungen zu der regierenden Liberal-Demokratischer Partei (LDP) pflegt. Schon vor seinem Amtsantritt galt er als Befürworter eines neuen umstrittenen Geheimhaltungsgesetzes, das Journalisten und Bürgern den Zugang zu staatlichen Informationen erschwert.
Momii gehört ferner zu der kleinen, jedoch einflussreichen Minderheit, die die Verantwortung für Japans in den 1930er und 1940er Jahren begangene Kriegsverbrechen ablehnt. So nutzte er seinen ersten öffentlichen Auftritt dazu, die zwischen 1932 und 1945 verbreiteten Formen von Zwangsprostitution zu verharmlosen. Die rund 200,000 aus Korea, China und den Phillipinen stammende Frauen, die als Sexsklavin für das japanische Militär fungierten, bezeichnete er als für die Aufrechterhaltung der Truppenmoral notwendige "Trostfrauen" (Momii entschuldigte sich in der Folge für das Statement und sagte, er hätte seine persönliche Meinung nicht als NHK-Funktionär öffentlich äußern dürfen).
Ebenfalls für Kopfschütteln sorgten seine Ausführungen über die zukünftige Rolle von NHK - insbesondere in der außenpolitischen Berichterstattung. Befragt zu der Haltung des Senders im japanisch-chinesischen Disput über die Senkaku-Inseln äußerte Momii, "natürlich" würde sein Sender in kontroversen internationalen Fragen die Position der Regierung vertreten: "Wenn die Regierung 'rechts' sagt, werden wir nicht 'links' sagen".

Welche Rolle spielt Japans Premierminister Abe?
Kritiker sind der Meinung, Shinzo Abe, hätte Momii als neuen Senderchef installiert, um NHK zum Sprachrohr seiner Regierung zu machen. Der Rechtsnationalist musste 2005 zugeben, während seiner Zeit als Vize-Kabinettschef eine kritische Sendung über die Rolle von Kaiser Hirohito im zweiten Weltkrieg zensiert zu haben. Zwar ist NHK kein Staatsfernsehen und finanziert sich durch Gebührengelder; Abe hat jedoch indirekte Kontrolle, da vier der zwölf Aufsichtsratsmitglieder, die den NHK-Präsidenten wählen, von ihm persönlich benannt wurden (darunter auch der Schriftsteller Naoki Hyakuta, der im vergangenen September in einem Tweet das Nanking-Massaker von 1936 leugnete). In der Vergangenheit haben Abe und Mitglieder seiner LDP-Partei die kritische Berichterstattung von NHK über Japans territoriale Konflikte und die Nutzung von Kernenergie mehrfach kritisiert. Seit jedoch Moomi im Amt ist, üben sich die NHK-Redakteure in Selbtzensur. So wurden bereits Begriffe wie "kontrovers" (im Zusammenhang mit Abes umstrittenen Besuch des Yasukuni-Schrein, der Kriegsverbrecher ehrt) oder "Disput" (in Bezug auf den Senkaku-Konflikt) aus dem Vokabular der Moderatoren und Journalisten entfernt.

Welche Folgen könnte NHKs Rechtsruck haben?
Die Legitimität von NHK hat bereits seit der Fukushima-Katastrophe von 2011 stark gelitten. Damals kam während der umfangreichen Berichterstattung nicht ein einziger Atomkraftgegner im Programm zu Wort. Jun Hori, ein Nachrichtensprecher, der im vergangenen Jahr einen Dokumentarfilm über die Reaktorkatastrophe machte, kündigte seinen Job, nachdem er von Senderverantwortlichen sechs Stunden zu seinem Film verhört wurde. Auch deshalb weigert sich rund ein Viertel der japanischen Haushalte die Rundfunkgebühr zu zahlen, die umgerechnet zwischen zehn und 16 Euro pro Monat beträgt. Dass Momiis Vorgänger an der Spitze von NHK, Masayuki Matsumoto, im vergangenen Dezember aus Protest gegen die zunehmende Einflussnahme der Regierung zurück trat, wird als weiteres Indiz für die zunehmende Instrumentalisierung von NHK gesehen.

Mehr dazu:

The Japan Times: Momii's rise tests NHK's reputation (02.02.2014)