Nach Rücktritt des FCC-Chefs: Lockerung des US-Medienkonzentrationsrechts?

25.03.2013

Vergangene Woche trat Julius Genachowski (Foto) überraschend von seinem Posten als Vorsitzender der US-amerikanischen Medienregulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) zurück. Er hat die nun vorrübergehend führungslose Behörde in einer für die US-Medienindustrie kritischen Phase verlassen: So stand die FCC kurz davor einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der zu einer weiteren Konsolidierung des US-Medienmarktes geführt hätte. Nach dem Willen von Genachowski sollte es einem einzelnen Medienkonzernen erlaubt sein, in einer Stadt gleichzeitig eine Tageszeitung und den fünftreichweitenstärksten Fernsehsender sowie bis zu acht Radiostationen zu kontrollieren. Industrievertreter und vereinzelte Medienpolitiker sehen in dieser Maßnahme einen Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise, in der sich insbesondere die Zeitungsindustrie befindet. Medienreform-NGOs und Bürgerrechtsorganisationen lehnen die Initiative ab und warnen vor einem weiteren Anstieg der Meinungsmacht in den Händen weniger Unternehmen - insbesondere von Rupert Murdochs News Corp.-Konzern. Durch Genachowskis Rücktritt wurde eine Entscheidung nun vertagt. Es ist unklar, wie mögliche Nachfolgekandidaten zu der Gesetzesnovelle stehen. Die Redaktion von mediadb.eu hat auf die vierjährige Amtszeit von Genachowski zurückgeblickt und die neuesten Entwicklungen zusammengefasst:

1. Wie bewerten Industrievertreter und Medienaktivisten die Genachowski-Ära?
Die Bilanz von Genachowski fällt zwiespältig aus. Unter seiner Ägide musste die FCC über zwei Mega-Übernahmen entscheiden: Durch die Untersagung der Fusion von AT&T und T-Online verhinderte er eine Konsolidation des Telekommunikationsmarktes, während das grüne Licht für Comcasts Übernahme von NBC Universal Kritikern zufolge negative Konsequenz für die Medienvielfalt in den USA hatte. Als selbsterklärter Verfechter des Prinzips der Netzneutralität führte er ein entsprechendes Gesetz für ein freies Internet ein, bestand jedoch darauf, dass diese Prinzipien für das mobile Internet nicht gelten müssen. Zudem war er Befürworter des sogenannten Lex Murdoch, dass News Corp. signifikante Zukäufe im Zeitungssektor ermöglichen würde. Laut einem Nachruf der Medienreform-NGO Free Press hat Genachowski vor allem die Interessen der Medienkonzerne und nicht der Bürger vertreten; Michael Powell, zuvor selbst FCC-Vorsitzender und nun Cheflobbyist für die Kabelindustrie, hingegen lobte Genachowski für seinen Einsatz für den Ausbau des amerikanischen Breitband-Netzes. Dieses ist jedoch im internationalen Vergleich weiterhin defizitär: 80 Prozent aller Internetkunden können ihren Provider nicht frei wählen, da es meist nur einen einziger Anbieter gibt, während 19 Millionen US-Bürger - insbesondere Arme und Minderheiten - über keinen Breitbandzugang verfügen, da es diesen in bestimmten Gegenden schlichtweg nicht gibt.

2. Welche Nachfolger werden gehandelt?
Laut New York Times zählen zu den aussichtsreichsten Kandidaten insbesondere der ehemalige Kabelindustrie-Lobbyist und heutige Investor Tom Wheeler; die OECD-Mitarbeiterin Karen Kornbluh; Lawrence Strickling, Staatsekretär beim Handelsministerium und Chef der Telekommunikationsbehörde National Telecommunications and Informations Administration sowie die Demokratin Mignon Clyburn, die schon unter Genachowski FCC-Kommissarin war und die Behörde wohl auch interimsweise führen wird. Eher Außenseiterchancen hat aufgrund ihrer vergleichsweisen radikalen Beführwortung von Internetneutralität und Medien-Dekonzentration die Juristin Susan Crawford, die derzeit an der Cardozo School of Law lehrt und New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg in Technologiefragen berät. Crawford war 2009 Beraterin von Präsident Obama.

3. Welche Auswirkungen hat der Rücktritt auf die Pläne von News Corp.?
Rupert Murdochs jüngst in einen separates Unternehmen ausgegliederte Zeitungssparte hätte unmittelbar von der von Genachowski zuletzt befürworteten Gesetzesänderung profitiert: Murdoch plant angeblich, die beiden großen Tageszeitungen "Los Angeles Times" und "Chicago Tribune" von der Tribune-Gruppe zu kaufen. Insbesondere die L.A. Times will Murdoch unbedingt haben, da er so die Berichterstattung im und über den wichtigsten Kinomarkt der USA, Kalifornien, kontrollieren würde. Sowohl in Los Angeles als auch in Chicago betreibt News Corp. bereits Fernsehstationen. Ohne Änderung der Gesetzeslage wäre die Übernahmen jedoch nicht möglich. News Corp. Lobbyisten haben Ende des vergangenen Jahres bereits mehrfach Kontakt zur FCC aufgenommen, um für die Lockerung der Gesetzes zu plädieren. Insgesamt 6,3 Millionen US-Dollar hat das Unternehmen 2012 für Lobbying ausgegeben. Kritiker warnen bereits davor, dass der durch den Abhörskandal in Großbritannien in die Kritik geratene Konzern künftig zusätzlich zum "Wall Street Journal" und der "New York Post" zwei der bedeutensten Tageszeitungen der USA kontrollieren könnte. Durch die unklare Personalsituation wird eine Entscheidung nun aber frühestens im Sommer erwartet..

Mehr dazu:

New York Times: FCC Shift May Thwart a Murdoch Media Deal (24.03.2013)