Basisdaten

Hauptsitz:
490 First Avenue South
St Petersburg, Florida - FL 33701
Tel.:001-727-839-8111
www.tampabay.com

Auflage: 284.000 (werktags); 407.000 (sonntags) (Stand: August 2009)
Umsatz und Gewinn: nicht ausgewiesen

Geschäftsführung:
Paul Tash fungiert seit 2000 als Editor & President der St Petersburg Times; außerdem seit 2004 auch als CEO und Chairman. Zudem leitet er das Poynter Institute. Marty Petty amtiert als Publisher der Zeitung.

 

Geschichte und Profil

Gegründet wurde die St Petersburg Times in dem Ort Dunedin am 25. Juli 1884 als Wochenzeitung. Damals hieß sie West Hillsborough Times. A. C. Turner kaufte die Zeitung im Dezember 1884 und verlegte ihren Sitz nach Clearwater. St. Petersburg war damals noch ein kleines Fischerdorf am südlichen Ende der Halbinsel. 1892 kaufte Reverend R.J. Morgan die Zeitung für 1200 Dollar, zog damit nach St. Petersburg um und nannte die Zeitung fortan St. Petersburg Times. 1912 traf der Verleger Paul Poynter aus dem Bundesstaat Indiana in St. Petersburg ein und war derart angetan und überzeugt vom Potential der Zeitung, dass er sie binnen 48 Stunden nach seiner Ankunft kaufte und den Verlag Times Publishing Company gründete. Seit 1924 erscheint die Times täglich.

Paul Poynters Sohn Nelson übernahm die Zeitung 1947 als Chefredakteur und Verleger und zahlte dem Vater 50.000 Dollar. Allerdings überließ der Vater dem Sohn nur einen Teil der Anteile; außerdem bedachte er seine Tochter. Nelson wollte diese Anteile später wiederholt von seiner Schwester kaufen – ohne Erfolg. Nach dem Tod des Vaters 1950 dachte sich der Sohn für ihren Erhalt das einmalige Eigentümermodell aus. Zeitungen waren für ihn ein “sacred trust” – heilig und nur den Lesern und der Wahrheit verpflichtet. Dass der Verlag Dow Jones, dem das Wall Street Journal gehört, 1963 an die Börse ging und die Verlage Gannett und die New York Times 1967 und 1969 folgten, hat Nelson Poynter nicht gerne gesehen. Er wollte verhindern, daß seine Zeitung von einer börsennotierten Zeitungskette übernommen und von Eigentümern kontrolliert wird, denen die politische und gesellschaftliche Debatte in St Petersburg nicht am Herzen lag. Er wollte eine lokal verankerte Zeitung verlegen und ihre Selbtständigkeit und Unabhängigkeit garantieren. Dabei war Poynter Zeit seines Lebens nicht nur gegenüber börsennotierten Verlagsketten skeptisch, sondern auch gegenüber Familiendynastien. Überliefert sind seine Worte: “Ich kenne meine Urenkel nicht, und es könnte sein, dass ich sie nicht leiden kann.”

Er suchte ein Modell, das die Zeitung absichert und wollte sie der Stiftung seiner Familie übereignen. Doch der Plan scheiterte, da der Kongress Ende der 60er Jahre entschied, dass Stiftungen nur bis zu 20 Prozent eines Unternehmens besitzen dürfen. Die Abgeordneten wollten vermeiden, dass ein Unternehmer seine Firma einer Stiftung übereignet, um Steuern zu sparen. Das Modell Bertelsmann, bei dem die Stiftung mehrheitlich den Medienkonzern besitzt, wäre in den USA also nicht möglich. Das Stiftungsmodell war gescheitert. Aber Poynter erfuhr, daß reine Bildungseinrichtungen steuerbegünstigt sind. Also gründete Poynter 1975 eine Journalistenschule und gab ihr den Namen Modern Media Institute. Nach seinem Tod 1978 wurde das Institut nach ihm umbenannt. Das ist passend, denn Poynter versuchte mit seiner Zeitung jene Ideale so zu verwirklichen, wie man sie an Journalistenschulen lehrt. Das Besondere daran ist, dass Poynter die Leitung der Schule und der Zeitung in die Verantwortung einer einzigen Person legte, die alles bestimmen kann.

Die Schule bildet nicht nur Anfänger aus, sondern engagiert sich besonders in der Weiterbildung von Journalisten. Das Institut bietet dazu eine Vielzahl von Seminaren an; ihre Professoren beteiligen sich an Debatten und Diskursen. Auf ihrer Website nehmen sie zu aktuellen Fragen von Handwerk und Ethik Stellung. Seit 1999 verbreitet das Institut den Mediendienst von Jim Romanesko und ist seitdem eine der maßgeblichen Anlaufstellen für Journalisten, denn Romanesko meldet und verlinkt alle relevanten Mediennachrichten, die in amerikanischen Agenturen, Zeitungen, Zeitschriften und Websites erscheinen.

Zeitung und Schule haben ihren Sitz in der Küstenstadt St. Petersburg am Golf von Mexiko. Die Stadt ist bekannt für ihre weißen Strände und ihre betagten Bewohner, die in motorisierten Rollstühlen leise surrend durch die Straßen fahren und scheinbar zufrieden ihren Ruhestand in der Sonne genießen. In New York betrachtet man die Stadt als riesiges Altersheim. Für Schlagzeilen sorgt hin und wieder die Scientology-Sekte, die im benachbarten Clearwater ihre Zentrale hat. Die St Petersburg Times wird eigenen Angaben zufolge von der Hälfte der Einwohner der Tampa Bay gelesen (sonntags: 60 Prozent). Die Leserschaft liege bei täglich 755.000 (werktags) bis einer Million (sonntags).

Die St. Petersburg Times gilt als beste Lokalzeitung der USA, TIME und Columbia Journalism Review listeten sie seit 25 Jahren sogar mehrfach als eine der besten Zeitungen des Landes. 2009 wurde sie mit zwei Pulitzerpreisen ausgezeichnet. Preisgekrönte Reporter wie Dana Priest, Anne Hull und David Barstow, die 2008 und 2009 für die Washington Post und die New York Times den Pulitzerpreis gewannen, haben ihr Handwerk bei der St. Petersburg Times gelernt. Sie gilt besonders dem erzählerischen Journalismus verschrieben.

Wer über ihren Modellcharakter, ihre Krisensicherheit und ihre Zukunft spricht, sollte sich daran erinnern, wie ihr Chefredakteur Andrew Barnes vor 20 Jahren die bislang größte Bedrohung ihrer Unabhängigkeit abwehrte. Barnes fungierte zugleich als Chefredakteur der Zeitung und als Chef des Poynter Institutes und verteidigte die Unabhängigkeit der beiden Einrichtungen. Barnes hatte in Harvard Geschichte studiert, war dann Reporter des Providence Journal und der Washington Post geworden. Er war seinem Chef Gene Patterson deshalb 1973 nach St. Petersburg gefolgt, weil dort alles anders sein sollte. Nicht Gewinn, sondern der journalistische Ertrag sollte die Arbeit leiten. Die Doppelrolle als Chefredakteur und Schulleiter hatte er 1988 von Patterson übernommen, der wiederum dem ehemaligen Besitzer Nelson Poynter nachgefolgt war.

Eigentlich war Barnes in beiden Positionen unangefochten. Er war damals, vor 20 Jahren, 50 Jahre alt und er allein hatte alles zu bestimmen, sogar die Höhe seines eigenen Gehalts. Eines Tages vor rund 20 Jahren erhielt Barnes also diesen Telefonanruf, der ihn zwei Jahre lang beschäftigen sollte: es ging um das Lebenswerk von Nelson Poynter. Und um viel Geld. Am Telefon war der Unternehmer Robert M. Bass, 41, ein Milliardär aus Texas. Er teilte Barnes mit, er habe 1988 die Verlagsanteile der Töchter der verstorbenen Schwester von Nelson Poynter gekauft, immerhin 40 Prozent der stimmberechtigten Aktien (die Aktien sind zweigeteilt, frei gehandelt werden nur Aktien mit eingeschränktem Stimmrecht). Bass sagte, er würde die Zeitung jetzt gerne ganz übernehmen. Wieviel solle der Verlag kosten? Im Januar 1990 bot die Bass Group für die restlichen 60 Prozent der stimmberechtigten Aktien 270 Millionen Dollar, wovon die Journalistenschule 234 Millionen und Nelson Poynters Witwe Marion K. Poynter 36 Millionen erhalten sollten. Der Verlag erwirtschaftete damals einen Jahresumsatz von 180 Millionen und einen Gewinn von 27 Millionen Dollar. Die Schule nutzte Räumlichkeiten der Zeitung für Seminare und Bass versicherte den skeptischen Poynter-Leuten, er wolle die Zusammenarbeit zwischen Zeitung und Schule aufrecht erhalten. Er werde ihre redaktionelle Unabhängigkeit bewahren. Bei einem Besuch in St. Petersburg fragte ihn Barnes, warum er die Zeitung eigentlich kaufen wolle. Bass antwortete, er wolle sie aus dem gleichen Grund erwerben, aus dem er alle seine Geschäfte betreibe: um sein Vermögen zu mehren. Die Antwort war ehrlich, aber Barnes war davon sicher nicht begeistert.

 Der Unternehmer und Milliardär Bass dachte wohl, die Bestandsgarantie für die Kooperation mit der Journalistenschule würde seine Kaufchancen erhöhen. Doch Barnes und die Treuhänder des Poynter Institutes lehnten sein Angebot ab. Die Zeitung sei unverkäuflich, sagte Barnes. Man habe das Angebot genau geprüft und glaube, es komme der Schule mehr zugute, wenn sie eine Zeitung besitze als einen Stapel von Finanzpapieren. Die Bass Group zog gegen diese Entscheidung vor Gericht und argumentierte in ihrer Klage, die Treuhänder der Schule seien gegenüber der Öffentlichkeit verpflichtet, das Kaufangebot zu prüfen und anzunehmen, weil der Verkauf die Finanzierung der Schule um 500 Prozent verbessere. Börsenlogik. Zudem klagten sie gegen die einzigartige und alles bestimmende Stellung von Barnes, weil seine Entscheidungen von keiner unabhängigen Aufsicht kontrolliert werden. Ein Manager von Bass schimpfte, die St. Petersburg Times sei nur mit der Moskauer Prawda vergleichbar, also sozialistisch geführt. Er übersah, daß die Times das Gegenteil verkörperte, nämlich inhaltliche Unabhängigkeit.

Die Klage war erfolglos, vermutlich, weil die Ablehnung des Angebots die einzig mögliche Entscheidung und ganz im Sinne von Nelson Poynter war, wie seine Witwe betonte. Ihr Mann habe sein halbes Leben damit verbracht, Vorkehrungen gegen eine Übernahme wie die von Bass zu treffen. Der Kampf gegen Bass forderte dennoch seine Opfer: Barnes stornierte eine fertig recherchierte, dreiteilige Serie über die Zeitung und den Konflikt; die Wirtschaftsredaktion erhielt Anweisung, nicht ausführlich und kritisch über Bass zu berichten, um eine gütliche Einigung zu ermöglichen. Später bedauerte Barnes diese Anweisung und sagte, er werde sie “bis zu meinem Tode bereuen”. Entscheidend aber war, dass Bass und seine Anwälte scheiterten. Sie hatten offenbar nicht verstanden, weshalb Nelson Poynter die Schule gegründet hatte. Ihm ging es in erster Linie nicht um die Schule. Sie war nur Mittel zum Zweck und sollte der Zeitung die Unabhängigkeit sichern.

Als die Mitarbeiter des Poynter Institutes 2001 ihr 25jähriges Bestehen feierten, erzählte der damalige Präsident von Poynter, James Naughton, den Gästen von einem Erlebnis, das ihn traurig stimmte: ein Jahr zuvor habe sich ein Seminarteilnehmer, ein leitender Mitarbeiter eines Fernsehsenders, in einer Veranstaltung über Journalismus und das Geschäft zu Wort gemeldet und berichtet, der Eigentümer verlange, daß er den Gewinn um zwei Prozent steigern solle. Das klang nicht schlimm. Doch die Gewinnspanne betrug bereits 69 Prozent. Kann eine Redaktion, die mit ihrer Arbeit 71 Prozent Profit abwerfen soll, noch wirklich recherchieren und zeitaufwendig Kontakte pflegen?
Ein anderer Teilnehmer, ein Chefredakteur einer Lokalzeitung mit unter 50.000 Auflage, berichtete, die Zeitung habe jahrelang Gewinne von mehr als 30 Prozent abgeworfen; nach einem Eigentümerwechsel verlangten die neuen Verlagschefs nun 45 Prozent Gewinn. Dafür mussten sie eine Lokalausgabe einstellen, eine Million Dollar des vorgesehenen Budgets und die Gehälter der Redakteure um 18 Prozent kürzen. Und das bei einer Zeitung, die mehr als 30 Prozent Profit machte. Dank solcher Seminarteilnehmer weiss man bei Poynter die eigene Situation noch mehr zu schätzen.
Gewinn sei in den Räumlichkeiten des gemeinnützigen Institutes kein Unwort.

Schließlich hängt die Zukunft der Schule davon ab, daß sie mit ihrem Verlag Geld verdient. Aber bei diesem Bericht verschlug es Naughton die Sprache. Denn die Schule hat eine Mission und diese Mission heißt: Journalismus. Als Naughton einige Jahre später mit einer Feier in den Ruhestand verabschiedet wurde, blieb ein großes “J” in seinem Büro liegen und seine Nachfolgerin Karen Dunlap fand den riesigen Buchstaben passend für den Ort und ihre Aufgabe. “Bei Poynter dreht sich alles um Journalismus”, sagte sie. Andere beurteilten Erfolg nach Quartalsergebnissen, nach Umsatz und Gewinn. Bei Poynter habe man andere Maßstäbe. Zu vielen Geschichten fehle es an der Recherche. Geschichten seien unklar und nicht mitreißend. Mit einem Wort: vielen Geschichten fehlt es am “J”. Den Journalismus zu verbessern, das sah Karen Dunlap als ihre Aufgabe und als Aufgabe ihres Institutes.

Doch es gab viele Hürden, auch unter wohlmeinenden Konkurrenten. Kaum war der Konflikt mit dem Unternehmer Bass ausgestanden und sein Versuch der Übernahme abgewehrt, da wurde die Schule 1991 von einer Forderung der Yale Universität überrascht. Poynter hatte in Yale studiert, die Universität zu Lebzeiten unterstützt und sie im Testament erwähnt. Deshalb stellte Yale die Steuererleichterung des Poynter Institutes in Frage und meldete Ansprüche auf den Verlag an. Da Yale ohnehin steuerbefreit sei, brauche es das Poynter Institute nicht. Der Anwalt der Schule warf Yale “pure Gier” vor und Poynters Witwe reagierte entsetzt: Sie kenne keine Eltern, die ihre Kinder wegen des eigenen Wohlbefindens umbringen, schrieb sie an den Präsidenten von Yale. Falls Yale die Forderung nicht zurückziehe, würden potentielle Spender sicherlich irritiert reagieren. Yale verstand die Drohung – und zog die Forderung zurück.

Geschäftsfelder

Der Verlag Times Publishing Company verlegt neben der St. Petersburg Times mehrere Publikationen, darunter Florida Trend, Tampa Bay Times und regionale Wochenzeitungen, und beschäftigt knapp 1500 Mitarbeiter (die Website spricht noch von rund 2000 Mitarbeitern, aber diese Zahl ist vermutlich veraltet). 300 arbeiten für die Zeitung, 60 für die Schule. Zum Verlag gehören Druckereien sowie die Zeitschrift Congressional Quarterly, die allerdings zum Verkauf steht; der gleichnamige Buchverlag wurde bereits verkauft. Seit 1995 ist die St Petersburg Times online präsent mit sptimes.com (mittlerweile tampay.com, benannt nach der Meeresbucht am Golf von Mexiko). Heute betreibt der Verlag mehrere Websites, darunter floridaforecast.com (für Wetterbericht und Sturmwarnungen), weitere Websites für Kfz-, Immobilien-, Kleinanzeigen- und Stellenmarkt sowie PolitiFact.com (für Kontrolle politischer Aussagen).

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Das Poynter Institut und die St. Petersburg Times haben die oben genannten Konflikte überlebt und sämtliche Übernahmeversuche abgewehrt. Das gibt ihren Mitarbeitern vermutlich Selbstbewusstsein und Sicherheit. Die kurzfristigen Forderungen der Börsenaktionäre nach Gewinn und Wachstum können sie ignorieren. Ihr Modell gilt in Zeiten der Zeitungskrise als Vorbild: Es gibt kleine Zeitungen wie den Anniston Star in Alabama oder den New Hampshire Union Leader, die das Modell kopierten und einer Journalistenschule gehören. Aber große Zeitungen wie die New York Times? George Rahdert, ein in St. Petersburg lebender Anwalt, der die St. Petersburg Times berät, sagte dem Fachblatt Columbia Journalism Review vor einem Jahr, er habe mehrere Anrufe amerikanischer Milliardäre erhalten, die eine der großen Zeitungen nach dem Modell von Poynter erhalten möchten.

Eli Broad war angeblich einer von ihnen. Broad bemühte sich 2007 zusammen mit dem Milliardär David Geffen um die Los Angeles Times - vergeblich. Im Mai wurde bekannt, dass Geffen nun versucht, 20 Prozent der New York Times von einer Investorengruppe zu kaufen, um stimmlose Anteile nach dem Modell von Poynter in eine Bildungseinrichtung einzubringen. Das wäre möglich. Gesichert wäre die New York Times dadurch aber nicht, denn entscheidend sind die stimmberechtigen Anteile der Verlegerfamilie Sulzberger.

Die Familie müsste die New York Times von der Börse nehmen, was sie bislang ablehnt, und sie müsste ihre Anteile verschenken. Frank Blethen, dessen Familie seit fünf Generationen die Seattle Times verlegt, sagte, er glaube nicht, dass Verlegerfamilien dem Modell von Poynter folgen werden. Er halte das Ganze für ein schönes Märchen, das Journalisten sich am Lagerfeuer erzählten. Kaum eine Familie möchte ihren Besitz aufgeben.

Viele, die sich in der Debatte zu Wort melden, glauben fälschlicherweise, die Zeitung finanziere sich aus den Zinsen eines großen Geldbetrages. Das ist falsch. Allen, die vorschnell glauben, das Modell sei die Lösung aller Probleme, sagt Chefredakteur Paul Tash deutlich: “Wir sind ein privates, profitorientiertes Unternehmen.” Die Zeitung arbeitet gewinnorientiert und muss Steuern zahlen, wenngleich sie ohne den kurzfristigen Quartalsdruck der Börse agieren kann. Nur die Schule, die die Dividende einstreicht, ist steuerbefreit.

Was also sind die Vorteile? An dieser Stelle kann man Bill Adair erwähnen, der seit 1997 aus Washington berichtet. Im August 2007 überlegte Adair, seit 2004 Washingtoner Büroleiter, wie er über den Präsidentschaftswahlkampf 2008 auf neue Art berichten könnte und gründete als Ableger der Zeitung die Website PolitiFact.com, um Wahlversprechungen zu überprüfen. Die Website beschäftigt heute mehrere Mitarbeiter, die Reden, Anzeigen und Interviews prüfen und dann in einem so genannten Wahrheitszähler als Wahrheit oder Lüge darstellen. In 865 Meldungen hat die Zeitung auf diese Art Fakten geprüft. Seit Januar betreibt PolitiFact.com auch einen Obama-Zähler, der die Erfüllung der 510 Wahlversprechen des Präsidenten listet. Was hat Obama gehalten? Was gebrochen? Was hat er noch vor sich?

Adair spricht von einer "neuen Form des Journalismus", die den Erfolg der Präsidentschaft jederzeit sichtbar mache. Natürlich ist nicht immer leicht zu sagen, ob ein Versprechen gehalten oder gebrochen wurde. Im April erhielt die Website immerhin den Pulitzerpreis, einer von zwei Preisen, der 2009 an die Zeitung ging und zusammen mit sechs früheren Pulitzerpreisen den Ruf unterstrich, wonach sie über eine der besten Redaktionen des Landes verfügt, obwohl ihre Zahl von mehr als 400 auf 300 sank. Ob sie noch "die glücklichste Redaktion" im ganzen Land ist, wie das Branchenblatt Columbia Journalism Review einmal schrieb, sei dahingestellt.

Bill Adairs Vita zumindest deutet in diese Richtung. Als er einst zum Wall Street Journal, das damals Reportern viel Geld bot, gewechselt war, kehrte er bereits nach weniger als einem Monat zurück. Die St. Petersburg Times bietet viele Freiräume. Dort konnte er seine Website entwickeln. Die erzielt zwar noch keinen Gewinn, aber sie leiste der Allgemeinheit einen wertvollen Dienst, betont Verlagssprecher Andy Corty.

Das ist in St. Petersburg eine gute Begründung für Journalismus. Andere Zeitungen können davon nur träumen. Ihnen geht es nur mehr ums Überleben. Chefredakteur Paul Tash erhält seit Monaten Anrufe von Journalisten und Verlegern, die gegen Schwund kämpfen. Tash ist seit 2000 Chefredakteur und seit 2004 als Nachfolger von Barnes auch Verlagschef von Times Publishing. Den höchsten Umsatz ihrer Geschichte erreichte der Verlag 1998: damals erzielte die Times Publishing Company 210 Millionen Dollar. 2006, in guten Zeiten, erlöste der Verlag immerhin 6,2 Millionen Dollar für die Schule. Aber das war vor der Krise. St. Petersburg leidet an der Wirtschaftskrise wie andere Regionen. Anzeigen bleiben aus.

Die Zeitung muss wirtschaften, wenngleich Paul Tash statt mit 20 Prozent Rendite mit zehn Prozent zufrieden wäre. Seit 2006 ist auch dieses Ziel illusorisch. Die werktägliche Auflage sank von 317.840 Exemplare 2005 auf 284 000 Exemplaren im Mai 2009; sonntags stieg sie von 405.949 auf 407.000. Redaktionen wurden zusammengelegt, 2008 gingen 200 Mitarbeiter vorzeitig in Ruhestand, ein Buchverlag wurde verkauft, und die Zeitschrift Congressional Quarterly steht ebenfalls zum Verkauf. Geblieben ist der Anspruch, relevanten Journalismus zu produzieren. Die Zeitung kostet mit 35 Cent (sonntags ein Dollar) weniger als die Konkurrenz, damit auch arme Bürger sie sich leisten können. Wie lange noch kann sie sich diese Großzügigkeit leisten?

Was aus der Schule wird, wenn die Anzeigen langfristig ausbleiben, ist unklar. Auf ein solches Szenario gehen Chefredakteur Tash und Sprecher Corty nicht ein. Aber wenn die Zeitung keinen Gewinn mehr erwirtschaftet, wird sie nicht nur Mitarbeiter entlassen und Teile verkaufen müssen, sondern die Schule wird auch Mitarbeiter entlassen und ihr Angebot kürzen müssen. Denn die Zeitung ist nicht dazu da, die Schule zu erhalten. Nelson Poynter hat sie gegründet, damit die Unabhängigkeit der Zeitung erhalten bleibt. Die größte Krise steht der Schule und ihrer Zeitung also möglicherweise noch bevor und es ist unklar, ob und wie sie sie überleben werden. Paul Tash sagt, wenn die Zeitung ihre Aufgabe nicht erfüllen kann, dann gedeihen Korruption, Selbstsucht und Machtmißbrauch.

Im Juli 2009 feierte die St Petersburg Times ihren 125. Geburtstag. Chefredakteur Paul Tash nannte seinen Lesern zehn Gründe, warum die Times dieses Jubiläum schaffen konnte und optimistisch in die Zukunft blicke: Was ist das Geheimnis der Zeitung? Zu den zehn Gründen zählte er unter anderen, dass die Times lokal verwurzelt sei, dass sie seit 97 Jahren kontinuierlich im Besitz einer Familie und dann einer Schule sei und Manager und Journalisten bei der Times ausgebildet sind und bleiben (so wie Paul Tash) und ihre Erfahrung einbringen. Schließlich auch, dass die Zeitung als Lokalblatt höchste Ansprüche an Qualität einfordere und nicht nur die Tampa Bay-Region im Blick habe. Von den bislang acht Pulitzerpreisen erhielt die St Petersburg Times zwei für nationale Berichterstattung.

Referenzen/Literatur

  • McCollam, Douglas: Somewhere East of Eden, Columbia Journalism Review, März/April 2008
  • Corty, Andrew P.: Online-Interview des Autors mit dem Pressechef der St. Petersburg Times, 18.5.2009
  • Krauss, Clifford: Balancing Bottom Lines and Headlines, New York Times, 30.9.2008
  • Naughton, James: Poynter at 25: Signs of Progress, Poynter.org, 17.1.2001
  • Dunlap, Karen: Journalism Basics, Poynter.org, 23.8.2005
  • The Poynter Institute: What We Do, Poynter.org, 30.3.2003
  • Hilder, David: Foundation Trustees Reject Bass Bid, Wall Street Journal, 20.2.1990
  • Dugger, Celia W.: Bookish Editor Battles With Texas Tycoon, Houston Chronicle, 18.2.1990
  • Koff, Stephen: Poynters` widow steps into Times-Yale fight, St. Petersburg Times, 12.2.1991
  • Trigaux, Robert: Interview mit Paul Tash zur wirtschaftlichen Lage, St. Petersburg Times, 28.4.2009