Nowaja Gazeta

Ein Relikt aus der Epoche der Perestroika – so charakterisieren manche in Russland die „Nowaja Gazeta“  (kyrillisch Новая газета, übersetzt Neue Zeitung). Zum einen spielt dieses Bild darauf an, dass die Zeitung vom letzten Präsidenten der Sowjetunion, Michael Gorbatschow mitbegründet wurde. Zum anderen bringt es auf den Punkt, dass die Zeitung heute eine Sonderstellung einnimmt unter russischen Zeitungen. Sie tritt für Menschenrechte ein, berichtet investigativ, beispielsweise über Korruption, Machtmissbrauch, Kriminalität und kritisierte die Verbrechen der russischen Armee während des Tschetschenien-Krieges. Das hat mehrfach den staatlichen Machtapparat auf den Plan gerufen, der versuchte, die Zeitung zu disziplinieren. International wurde die „Nowaja Gazeta“  spätestens bekannt durch den Mord an der regimekritischen Journalistin Anna Politkowskaja. Während die Zeitung im Ausland Auszeichnungen wie den Henri-Nannen-Preis 2007 verliehen bekommt, erreicht sie im eigenen Land nur eine geringe Auflage. Ihr Einsatz für Presse- und Meinungsfreiheit kommt die Zeitung auch anderweitig teuer zu stehen: Weil viele Unternehmen negative Folgen befürchten, wenn sie in der „Nowaja Gazeta“  Anzeigen schalten, fehlen der Zeitung Werbeeinnahmen.

Basisdaten

Hauptsitz:
Potapowskii Str., H. 13
101990 Moskau
Telefon Redaktion: (495) 6236888
Internet: www.novayagazeta.ru

Branche: dreimal wöchentlich erscheinende überregionale Zeitung, Regionalausgaben
Rechtsform: autonome Gesellschaft ohne Erwerbscharakter
Gründungsjahr: 1993, seit 1995 unter dem Titel „Nowaja Gazeta“
Beschäftigte: ca. 150 für die überregionale Ausgabe (Mitte 2009)

Chefredakteur: Dmitrij Muratow
Herausgeber: Sergei Sokolow

Besitzverhältnisse: 2006 kauften sich der letzte Präsident der Sowjetunion Michael Gorbatschow und der Bankier und ehemalige Dumaabgeordnete Alexander Lebedew (Partei Einiges Russland) bei der „Nowaja Gazeta“ ein. Gorbatschow hält zehn Prozent der Aktien, Lebedew 39 Prozent. Die restlichen 51 Prozent befinden sich nach wie vor im Besitz der Belegschaft, die somit die Kontrolle behält.

 

Geschichte und Profil

Im April 1993 gründete der heutige Chefredakteur Dmitrij Muratow zusammen mit Kollegen der ehemaligen sowjetischen Jugendzeitung und heutigen Boulevardzeitung Komsomolskaja Prawda eine der ersten unabhängigen russischen Tageszeitungen. Daraus ging 1995 die „Nowaja Gazeta“ hervor. Von der russischen Bevölkerung und auch im Ausland wird die „Nowaja Gazeta“ oft als oppositionelle Zeitung bezeichnet. Die Redaktion dagegen sieht sich lediglich der Aufgabe verpflichtet, unabhängig zu berichten. Die politische Tendenz der „„Nowaja Gazeta“ “ lässt sich als bürgerlich und liberal-demokratisch beschreiben (vgl. Zasurski 2001, S. 65).

Die überregionale Ausgabe erscheint mittlerweile dreimal pro Woche (montags, mittwochs und freitags). Sie hat einen Umfang von 24 Seiten. Die Freitagsausgabe kam erst zum 1. Januar 2009 hinzu, als die Leserschaft wuchs. Die Zeitung erreicht nach eigenen Angaben eine Auflage von 272.000 Exemplaren für die Montagsausgabe (Mitte 2009). Noch fünf Jahre zuvor waren es 170.000, also ein Plus von satten 60 Prozent. Die neue Freitagsausgabe stieg von 17.000 Exemplaren Anfang 2009 auf  54.000 Mitte 2009. Hinzu kommen Regionalausgaben, von denen sich insgesamt rund 800.000 verkaufen. Sie erscheinen ein- oder zweimal pro Woche. Häufig erwerben örtliche Verlagshäuser den Mantel der „Nowaja Gazeta“ und produzieren selbstständig einen Lokalteil. Die Auflage ist für russische Maßstäbe vergleichsweise klein. Zum Vergleich: Zeitungen wie die regierungstreue Qualitätszeitung Iswestija verkauften nach Angaben des nationalen russischen Auflagendienstes 2006 durchschnittlich etwa 178.000 Exemplare täglich, die Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ durchschnittlich etwa 781.000 Exemplare täglich (vgl. Kharina-Welke 2009, S. 572). Die „Nowaja Gazeta“ wird fast ausschließlich in Moskau und in den Regionen Zentralrusslands verkauft. Dies liegt zum einen an den enormen Kosten für einen landesweiten Vertrieb, zum anderen aber auch an der mangelnden Nachfrage.

In der russischen Presselandschaft hebt sich die „Nowaja Gazeta“ deutlich von anderen Zeitungen ab: Sie tritt für Menschenrechte ein, berichtet investigativ, beispielsweise über Korruption, Machtmissbrauch und Kriminalität und kritisierte die Verbrechen der russischen Armee während des Tschetschenien-Krieges. So kauften Redakteure beispielsweise sämtliche Bestandteile, die man zum Bau einer Atombombe braucht – vom Plutonium bis hin zum Zünder, um zu zeigen, dass dies alles auf dem russischen Markt erhältlich ist. Sie verdächtigten Wladimir Putin, er habe in seiner Zeit als stellvertretender Bürgermeister von St. Petersburg Geld veruntreut, das für humanitäre Hilfe bestimmt war. Und es gelang ihnen nachzuweisen, dass zwei Wohnhäuser im Moskauer Zentrum nicht von Tschetschenen gesprengt wurden, wie es der Kreml behauptet hatte, sondern vom inländischen Geheimdienst FSB. 216 Menschen wurden dabei getötet. Aber die Redaktion greift nicht nur Themen auf, die von anderen russischen Medien verschwiegen werden. Sie nimmt auch häufig eine Position abseits des allgemeinen Medienchores ein. Während beispielsweise im Präsidentschaftswahlkampf 1996 fast alle Medien Stimmung gegen den Kandidaten der kommunistischen Partei, Gennadi Suganow, schürten und den amtierenden Präsidenten Boris Jelzin unterstützten, bemühte sich die „Nowaja Gazeta“ , neutral zu berichten.

Zur Redaktion gehören dabei so bekannte Mitarbeiter wie der Schriftsteller Julij Latynina, der international renommierte Militärexperte Pawel Felgenhauer, oder der ehemalige Armeeoffizier Wjatscheslaw Ismailow. Von der Gründungsredaktion sind heute immer noch die Hälfte der Redakteure an Bord, u. a. auch der heutige Chefredakteur Dimitrij Muratow. Zudem verfügt die Redaktion über ein Netzwerk an Korrespondenten, sowohl in der Russischen Föderation als auch in den ehemaligen Unionsrepubliken. Anonym bekommt die „Nowaja Gazeta“ offenbar auch Informationen zugespielt, etwa von hohen Beamten der Kreml-Administration und Mitgliedern der Regierung.
Dem staatlichen Machtapparat ist die „Nowaja Gazeta“ daher ein Dorn im Auge. Bisherige Versuche, die Zeitung zu disziplinieren, scheiterten. Steuerfahnder malträtieren die Zeitung mit bis zu drei Steuerprüfungen pro Jahr. Dazu kommen etwa 20 bis 30 Klagen von mehreren Millionen Dollar Streitwert, die die Hausjuristen abwehren müssen. Bisher musste die Zeitung jedoch noch nie zahlen. Alles andere würde ihren finanziellen Ruin bedeuten. Im Vorfeld der vergangenen Präsidentschaftswahlen musste die Lokalredaktion in Samara ihre Arbeit einstellen. Zuvor hatte die Polizei ihre Bürotechnik beschlagnahmt. Grund: Die Redaktion habe auf ihren Computern Software ohne gültige Lizenzen genutzt. Vor Gericht konnte dies nicht bewiesen werden. Die Redakteure hingegen vermuten, dass die Staatsmacht auf diese Weise kritische Berichte über den Wahlkampf unterbinden wollte. Schwerer als diese Schikane wiegt jedoch, dass inzwischen fünf Journalisten der „Nowaja Gazeta“ ihre mutigen Recherchen mit dem Leben bezahlen mussten:

• 2000 wurde Igor Domnikow vor seinem Haus überfallen, mit einem Hammer niedergeschlagen und liegengelassen. Er starb einen Monat später, ohne je wieder das Bewusstsein erlangt zu haben. Domnikow hatte über Korruptionsfälle berichtet.
• 2003 wurde der stellvertretende Chefredakteur und Duma-Abgeordnete Juri Schekotschichin mit einer heftigen allergischen Reaktion ins Krankenhaus eingeliefert und starb einige Tage später. Er hatte jedoch nie an einer Allergie gelitten.
• 2006 wurde Anna Politkowskaja vor ihrer Wohnung durch fünf Schüsse ermordet. Die berühmte Journalistin hatte über Verbrechen im Tschetschenien-Krieg berichtet. Spätestens seit diesem Mord ist die „Nowaja Gazeta“ auch über die Grenzen Russlands hinaus bekannt.
• 2009 wurde die freie Mitarbeiterin Anastassija Baburowa zusammen mit dem Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow auf offener Straße erschossen. Baburowa hatte über russische Neonazi-Gruppen recherchiert. Markelow hatte als Anwalt auch für die „Nowaja Gazeta“ gearbeitet und u. a. Anna Politkowskaja vertreten.
• Ebenfalls 2009 wurde die Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa entführt und am selben Tag erschossen aufgefunden. Sie war für die Menschenrechtsorganisation Memorial in Tschetschenien tätig und schrieb gelegentlich Artikel für die „Nowaja Gazeta“.
Darüber hinaus wurden drei Mitglieder der Redaktion überfallen bzw. zusammengeschlagen, ohne dass andere Gründe dafür gefunden werden konnten.

Nach den ermordeten Journalisten ist heute jeweils ein Ressort der Zeitung benannt. Das für investigative Recherche trägt den Namen „Anna Politkowskaja“. Um ihre Themen fortzuführen, richtete die Zeitung eine spezielle Rubrik ein. Darin geht es vor allem um Entführungen, Folter und politische Morde in Tschetschenien. 

Auch finanziell hat die „Nowaja Gazeta“ keinen leichten Stand. Als sie gegründet wurde, quetschten sich 30 Journalisten in einen Raum und schrieben auf Knien, denn für Schreibtische fehlte Platz und Geld. Schreibtische gibt es mittlerweile zwar, dennoch ist die finanzielle Situation der Zeitung angespannt. Einnahmen aus Anzeigen hat sie kaum, weil sie von Unternehmen – auch von europäischen Firmen auf dem russischen Markt – gemieden wird. Anzeigen schalten meist nur karitative und kulturelle Organisationen, die freundschaftliche Beziehungen zur „Nowaja Gazeta“ unterhalten. Die Anzeigenpreise sind dabei vergleichsweise niedrig. Eine ganze Seite kostet umgerechnet rund 4.300 Euro (Mitte 2009). Sonderprojekte wie z. B. der Buchdruck erwirtschaften ebenfalls keine großen Summen. Um die finanzielle Basis der Zeitung zu sichern, fasste das Redaktionskollektiv 2006 den Beschluss, 49 Prozent der Aktien zu verkaufen. Die übrigen 51 Prozent liegen nach wie vor in den Händen der Belegschaft, die somit die Kontrolle behält. Zehn Prozent erwarb der letzte Präsident der Sowjetunion Michael Gorbatschow. Den Löwenanteil mit 39 Prozent erwarb der Bankier und ehemalige Duma-Abgeordnete Alexander Lebedew. Während Gorbatschow schon lange eng mit der Redaktion verbunden ist, ist Lebedew ehemaliger KGB-Offizier und war Abgeordneter der Regierungspartei „Einiges Russland“. Andererseits tritt er für Pressefreiheit ein und setzte 25 Millionen Rubel, rund 575.000 Euro, für die Ergreifung der Mörder von Anna Politkowskajas aus. Beide Teilhaber haben nach Presseberichten während der Verhandlungen versprochen, sich nicht in die politische Tendenz der Zeitung einzumischen. Hier hatten Kritiker starke Bedenken. Bislang ist die Zeitung ihrer kritischen Linie aber treu geblieben. Gleichzeitig hat sie ihre finanzielle  Situation verbessert, da sie nun Zuschüsse aus den Geschäften von Lebedew erhalten kann. Gewinn macht die „Nowaja Gazeta“ dabei nach eigenen Angaben nicht, sondern kann gerade kostendeckend arbeiten.

Für ihre mutige und kritische Berichterstattung wurde die „Nowaja Gazeta“ mit renommierten Preisen ausgezeichnet. 2006 verlieh ihr die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) den ROG-Menschenrechtspreis für ihr besonderes Eintreten für die Meinungs- und Pressefreiheit. Im darauf folgenden Jahr erhielt die „Nowaja Gazeta“ den Henri-Nannen-Preis 2007. Auch hier wurde ihr engagiertes Eintreten für die Pressefreiheit hervorgehoben. Stern-Chefredakteur Andreas Petzold begründete in der Pressemitteilung: „Mit Respekt und Bewunderung verfolgen wir seit Jahren den Kampf, den die Redaktion der ‚Nowaja Gazeta’ für Demokratie und Menschenrechte führt, gegen alle Versuche, die Medien ihres Landes unter Regierungskontrolle zu bringen und die Wahrheit in vielen Fällen zu verschleiern. Wenn es jemanden gibt, der in dieser Zeit einen ganz besonderen Einsatz für die Freiheit und Unabhängigkeit der journalistischen Berichterstattung leistet, dann sind das Dimitrij Muratow und sein Redaktionsteam.“ Die Verleihung des Preises nutzte der Chefredakteur der „Nowaja Gazeta“, Dmitrij Muratow, für einen Appell an die deutsche Wirtschaft, in seiner Zeitung Anzeigen zu schalten. Dreizehn Unternehmen schalteten daraufhin eine Anzeige, darunter große Verlagshäuser, einige Werbeagenturen und als einziges Unternehmen außerhalb der Medienbranche BMW. Im Februar 2009 wurde der Redakteur Roman Shleynov von Transparency International ausgezeichnet für seine Recherchen und Berichte über Korruption. Im Juni 2009 erhielt die „Nowaja Gazeta“ den Preis Free Media Pioneer des International Press Institutes.

Verlagsüberblick, Management und Geschäftsfelder

Insbesondere was Manaagement und Geschäftsfelder betrifft, gestaltet es sich schwierig, Daten über die „Nowaja Gazeta“  zu sammeln. Es gibt so gut wie keine wissenschaftlichen oder wirtschaftsstatistischen Veröffentlichungen über die Zeitung. Es kann lediglich auf die Informationen zurückgegriffen werden, die die Zeitung selbst auf Anfrage mitteilte  oder andere Zeitungen über sie veröffentlichten.

Management
Zwar hat der Verlag, wie bereits im Abschnitt Geschichte und Profil detailliert beschrieben, mit Gorbatschow und Lebedew zwei Teilhaber, doch liegt die Mehrheit der Aktien in den Händen der Belegschaft. Sie kann so die Zeitung kontrollieren. 

Geschäftsfelder
Das wesentliche Geschäftsfeld des Verlags ist die Zeitung. Auf Verbreitungsgebiet und Auflage wurde bereits im Abschnitt Geschichte und Profil näher eingegangen. Seit 2007 ist die „Nowaja Gazeta“ dienstags auch in Deutschland erhältlich. Eine Vertriebsfirma importiert 10.000 Exemplare der Zeitung in russischer Sprache. Ebenso kann sie in vielen anderen europäischen Ländern am Kiosk gekauft werden wie in England, Frankreich oder Spanien. Zusätzlich zur gedruckten Ausgabe der Zeitung bietet der Verlag mittlerweile auch eine elektronische Version im Textformat oder im pdf-Format an. Ein Abonnement über drei Monate kostet für das Textformat umgerechnet rund 10 Euro, im pdf-Format etwas über 20 Euro (Mitte 2009). Diese Variante könnte eine Möglichkeit sein, den Vertrieb der Zeitung in den Regionen zu erhöhen, die weit von Moskau entfernt und nur schwer zu erreichen sind. Das setzt allerdings zweierlei voraus: Erstens, dass die Internetverbreitung in Russland weiter steigt, vor allem in den ländlichen Gebieten. Gerade dort hat das Internet noch immer eine Nischenfunktion (vgl. Kharina-Welke 2009, S. 578). Zweitens, dass in den Regionen auch Interesse an der „Nowaja Gazeta“  vorhanden ist – und dies ist fraglich.
Gewinne erwirtschaftet der Verlag nach eigenen Angaben nicht. (Vgl. Geschichte und Profil)

Internetpräsenz und Online-Performance

Die Zeitungsausgabe der „Nowaja Gazeta“ wird ergänzt durch einen Internetauftritt in russischer sowie in englischer Sprache. Das Angebot auf Englisch ist dabei wesentlich ausgedünnt. Es werden dafür nur solche Artikel übersetzt, bei denen die Redaktion einen Nachrichtenwert auch für ausländische Leser vermutet. Die Artikel des Internetauftritts werden aus der Zeitung übernommen. In der Regel werden keine gesonderten Artikel für online verfasst. Allerdings gibt es eigene multimediale und Web 2.0-Elemente auf der Seite. Dazu gehören ein Redakteurs-Blog und ein Leser-Forum. Bis April 2007 stellten die Redakteure auch Videos ein. Das bislang letzte zeigt, wie im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in St. Petersburg eine Demonstration gewaltsam aufgelöst wurde. Das Projekt ist aufgrund der Wirtschaftskrise unterbrochen, soll jedoch künftig fortgesetzt werden.

Nach Angaben der Redaktion hat die Seite 450.000 Visits von 106.000 Nutzern pro Woche (Mitte 2009). Im Vergleich zu deutschen Zeitungen ist das sehr wenig. Die politisch linke „tageszeitung“ (taz) erreicht beispielsweise nach der IVW-Ausweisung 04/2009 rund zwei Millionen Visits pro Monat und die Süddeutsche Zeitung rund 20 Millionen Visits pro Monat. Dabei ist allerdings zu beachten, dass, wie schon erwähnt, die Internetverbreitung in Russland noch nicht so weit fortgeschritten ist wie hierzulande.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Die „Nowaja Gazeta“ verzeichnet Leserzuwächse und erscheint nun statt zwei- dreimal wöchentlich. Dabei spielt es der Zeitung auch in die Hände, dass die Parlamentswahlen 2008, der russisch-georgische Krieg und die weltweite Finanzkrise das politische Interesse der Bevölkerung erhöht haben. Trotzdem nimmt die Zeitung immer noch eine Nische ein und ihre Auflage ist nicht im Entferntesten vergleichbar, mit der großer russischer Tageszeitungen. Bekannt ist die „Nowaja Gazeta“ dagegen vor allem im Ausland, auch in Deutschland. In den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt sie bei Preisverleihungen oder den Morden an einem ihrer Mitarbeiter. Wünschenswert wäre allerdings, dass deutsche Medien auch die inhaltlichen Positionen der „Nowaja Gazeta“ stärker beachten. Auch, wenn das bedeutet, dass man das ein oder andere Vorurteil über Russland über Bord werfen muss.

Mit ihrem Image als investigativ berichtende Zeitung zieht die „Nowaja Gazeta“ vor allem auch junge, mutige Journalisten an. In Bezug auf Darstellungsformen beschreitet die „Nowaja Gazeta“ neue Wege. Statt fast ausschließlich auf Berichte zu setzen, liefert sie ihren Leser nun verstärkt auch Kommentare, um das Geschehen einzuordnen.

Entwicklungsmöglichkeiten sieht die Redaktion der „Nowaja Gazeta“ derzeit vor allem im Internet. Hier möchte sie multimediale Inhalte ausbauen. In der ferneren Zukunft könnte sie sich sogar Internet-Radio oder -TV vorstellen. Dagegen sind die Pläne, die Zeitung wieder täglich zu publizieren, vom Tisch. Das Vorhaben ist zu kostenintensiv für die Zeitung, die bestenfalls kostendeckend arbeitet, aber keine Gewinne erwirtschaftet – gerade in Zeiten nach der weltweiten Finanzkrise.

Referenzen/Literatur

  • Zasurskij, Jasen Nikolaevič (Hrsg.) (2001): Sistema sredstv massovoj informacii Rossii : [učebnoe posobie] / pod. red. Ja. N. Zasurskogo. Moskau: Izd. Aspekt Press u .a.. (Das System der Massenmedien in Russland: Ein Lehrbuch für Universitäten/Nach der Bearbeitung von J. N. Zasurski)
  • Kharina-Welke, Nathalie (2009): Das Mediensystem Russlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.): Internationales Handbuch Medien 2009, Baden-Baden: Nomos, S. 568-580.
  • Die Autorin möchte Daria Afonina danken, die zusätzliche Informationen in St. Petersburg recherchierte.