Folha de São Paulo

Die Folha de São Paulo hat eine Ausnahmestellung in der brasilianischen Medienlandschaft inne. 1921 gegründet, gilt sie seit den 1980er Jahren als die
einflussreichste Tageszeitung des Landes. Ihre Gründer Olival Costa und Pedro Cunha
wollten eine Zeitung für das Volk. Ein schwieriges Unterfangen in einem Land, in dem noch heute fast die Hälfte der Bevölkerung nicht in der Lage ist, eine Tageszeitung zu lesen und zu verstehen. (Vgl. IBGE 2006) Das Fernsehen kann per definitionem als einziges brasilianisches Massenmedium gelten; jedoch liefern nur die überregionalen Tageszeitungen genügend Hintergrundinformationen, um für die gesellschaftliche und politische Partizipation von Relevanz zu sein.

An diesem Punkt setzt die Redaktionsphilosophie der Folha de São Paulo an. Den
Gründern war es von Anfang an wichtig, ihr Blatt finanziell und politisch unabhängig zu
halten. Als eine der ersten brasilianischen Tageszeitungen führt die Folha 1984 schriftlich festgehaltene redaktionelle Richtlinien ein; 1989 ist sie die erste Zeitung Lateinamerikas mit einem Ombudsmann. Zwar ist Zensur seit 1978 offiziell verboten, brasilianische Journalisten gehören aber – wie lateinamerikanische insgesamt – weiterhin zu den gefährdetsten weltweit. (Vgl. Reporter ohne Grenzen 2010)

Basisdaten

Hauptsitz:
Al. Barão de Limeira, 425
01202-900 Campos Elíseos
São Paulo, SP, Brasil
Telefon: 0055-11-3224-3090
Fax: 0055-11-3224-7550
Internet: www.folha.uol.com.br (Zeitung und Verlagsgruppe)

Branche: überregionale Tageszeitungen und Zeitschriften, Online-Angebote, Internet-Service-Provider, E-Mail-Provider, Web-Radio, IPTV
Rechtsform: Aktiengesellschaft
Geschäftsjahr: 01.01. bis 31.12.
Gründungsjahr: 1945
Beschäftigte: 1700 (2010), 2100 (2008)

2010 (bis 31.03.)2009200820072006
Umsatz162.281672.466707.194664.959617.995
Gewinn (Verlust) nach Steuern-22022.28427.83751.49324.195
Auflage*294.498295.558311.287302.595309.383

* Quelle: Instituto Verificador de Circulação (IVC)

Geschäftsführung Folha de São Paulo

  • Luis Frias, Presidente, Mitglied des Conselho Editorial
  • Otávio Frias Filho, Diretor Editorial, Mitglied des Conselho Editorial (Secretário)


Superintendenten:

  • Antônio Manuel Teixeira Mendes, Superintendente, Mitglied des Conselho Editorial
  • Judith Brito, Superintendente


Herausgeber:

  • Sérgio Dávila, Editor-executivo


Conselho Editorial (Redaktionsbeirat):

  • Rogério Cezar de Cerqueira Leite
  • Marcelo Coelho
  • Jânio de Freitas
  • Gilberto Dimenstein
  • Clóvis Rossi
  • Carlos Heitor Cony
  • Celso Pinto


Diretoria-executiva:

  • Antônio Carlos de Moura, Diretor-executivo (comercial)
  • Adalberto Fernandes, Diretor-executivo (industrial/tecnologia)
  • Murilo Bussab, Diretor-executivo (circulação)
  • Marcelo Machado Gonçalves, Diretor-executivo (financeiro)


Gerente comercial:

  • Luciano Belfiore


Geschäftsführung Folha Online:

  • Ana Lucia Busch, Diretora-executiva
  • Ricardo Feltrin, Editor-chefe
  • Flávio Prado, Gerente administrativo e financeiro (Financial Manager)
  • Fernando Nemec, Diretor de Tecnologia (Director IT)


Besitzverhältnisse: Die Larimus Participações Ltda hält 100 Prozent der Aktien der Empresa Folha da Manhã. Keine der beiden Firmen ist börsennotiert. Im November 2005 wurde die Sardinelle Participações Ltda. übernommen. Einzig die Tochter Universo Online (UOL) ist an der Börse von São Paulo gelistet. Luis Frias (President Director) und Otávio Frias Filho (Director) führen die Geschäfte gemeinsam mit einem siebenköpfigen Redaktionsbeirat (Conselho Editorial).

Geschichte und Profil

„Die Rolle einer Zeitung ist es, die Wahrheit zu sagen, koste es, was es wolle“ – so  beschrieb der Herausgeber der Folha de São Paulo, Octávio Frias de Oliveira, einst das Motto seines Journals. Diesem Grundsatz war man bei der Folha nicht immer treu: In den Anfangstagen hängten die Journalisten ihre Fahnen nur allzu gerne in den Wind – unabhängig davon, woher dieser wehte. Erst während der Militärdiktatur (1964 bis 1985) wurde die Folha zu dem, was sie heute ist: die größte und einflussreichste Tageszeitung Brasiliens.

Anfang des 20. Jahrhunderts ist die brasilianische Zeitungslandschaft abseits der Hauptstadt Rio de Janeiro spärlich besiedelt. Eine Ausnahme ist São Paulo mit der Tageszeitung O Estado de São Paulo. Olival Costa und Pedro Cunha, Journalisten der Abendausgabe Estadinho, geben sich nicht damit zufrieden, dass diese nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eingestellt wurde, und gründen mit Unterstützung einiger Kollegen kurzerhand ein eigenes Abendjournal: die Folha da Noite. Costa und Cunha schlugen ihren Arbeitgebern eine Kooperation vor: O Estado de São Palo sollte Druck und Distribution der jungen Zeitung übernehmen – die Folha da Noite die Kosten. Der Vorschlag wurde angenommen; Júlio de Mesquita Filho, damals Chefredakteur des Estado, schrieb gar den Leitartikel der Erstausgabe vom 19. Februar 1921.

Nur vier Jahre später lancieren Olival Costa und Pedro Cunha zusätzlich eine Morgenausgabe: die Folha da Manhã. Die Sprache ist verständlicher, der Stil leichter gehalten als jener der Konkurrenzblätter. „Wir hoben uns vom Ernst und der Strenge der anderen ab“ (Pedro Cunha). Verständlichkeit und ökonomische Unabhängigkeit gingen jedoch auf Kosten der Qualität. Es gab nur eine redaktionelle Richtlinie: das Journal politisch unabhängig zu halten. So war die Linie der Folha „flexibel“ (Maurício Puls) – sie wechselte, wann immer es angebracht schien.

Nach Meinung der Gründer war es Hauptaufgabe der Zeitung, die Arbeit der Regierung zu überwachen. In den 1920er Jahren fährt die Folha mehrere Kampagnen und unterstützt etwa die Forderungen der politisch-militärisch organisierten Tenentistas- junge Offiziere, die u.a. geheime Wahlen, sozialen Wohnungsbau und eine staatliche Regulierung von Kinderarbeit auf ihrer politischen Agenda stehen haben. Obwohl die Bewegung nicht den gewünschten Erfolg hat, bereitet sie doch den Boden für die Revolution von 1930. Die República Velha – die „alte Republik“ – geht mit einem Staatsstreich zu Ende. Der neue Präsident heißt Getúlio Vargas.

1929 – ein Jahr vor der Revolution – verlässt Pedro Cunha die Folha; die Blattlinie macht eine Kurve. Zuvor hatte die Folha den Tenentismo offen unterstützt; im Vorfeld der Revolution aber stellt sie sich gegen Vargas. „Der an den Urnen vernichtend geschlagene Politiker glaubt, dass er mit Waffengewalt gewinnen wird“ – solcher Art sind die Botschaften, die nun zu lesen sind. Der Sinneswandel kostet die Folha mehr, als sie sich leisten kann: Am 24. Oktober 1930 feiern Vargas’ Anhänger ausgelassen die Amtsenthebung von Präsident Washington Luis – und zertrümmern die gesamte Redaktion des Journals. Schreibmaschinen und Tische brennen auf der Straße.

Erst am 15. Januar 1931 sollte die Folha wieder erscheinen, dieses Mal unter der Leitung von Octaviano Alves de Lima, Sohn eines Kaffeebarons, der Pedro Cunha die Zeitung ein Jahr vor dessen Tod abkauft. Die Zeitung wird zum Unternehmen – zur Empresa Folha da Manhã. Alves de Lima installiert erste Lokalredaktionen im Landesinneren von São Paulo. Nun werden auch regionale Themen behandelt und mit großer Aufmerksamkeit gelesen: Die verkaufte Auflage der Vormittags- und Abendausgabe steigt in kurzer Zeit von 15.000 auf durchschnittlich 80.000 Exemplare pro Tag. Der Erfolg der beiden Folhas ist so groß, dass Alves de Lima am 1. Juli 1949 eine dritte, nachmittägliche Ausgabe der Zeitung lanciert: die Folha da Tarde. Am 1. Januar 1960 werden die drei Editionen zusammengefasst – und firmieren fortan unter Folha de São Paulo.

Am 13. August 1962 wird die Folha wieder verkauft, dieses Mal an die Unternehmer Octavio Frias de Oliveira und Carlos Caldeira Filho. Der Übernahme gingen finanzielle Probleme voraus; die internationale Papierkrise und ein Redaktionsstreik die Situation.

Anfangs unterstützt die Folha das Militärregime und blüht richtiggehend auf: Zwischen 1964 und 1985 gewinnt die Redaktion 14 Journalistenpreise (Prêmios Esso). Seit Ende der 1960er Jahre ist sie finanziell gut aufgestellt. 1968 hat die Auflage 200.000 Exemplare überschritten. Zwar wurde die Folha auch zuvor gern gelesen, verfügte jedoch über weit weniger Prestige und politischen Einfluss als etwa O Estado de São Paulo, das Jornal do Brasil oder O Globo. Die Zeitung war informativ, aber zu wenig konsistent gewesen; die Qualität schwankte von Tag zu Tag.

„Von 1975 bis 1977 erlebte die Folha de São Paulo ihren Prager Frühling“ (Otávio de Frias Filho). Herausgeber Octávio Frias de Oliveira besinnt sich auf den Grundsatz der politischen Unabhängigkeit. Zusammen mit Otávio Frias Filho, Ruy Lopes, Cláudio Abramo und Boris Casoy beschließt er, die Schlupflöcher in der Abertura-Phase der politischen Öffnung (1974-1985) journalistisch auszunützen. 1973 berichtet die Folha mit Nachdruck über den Militärputsch in Chile, ebenso wie über die Nelkenrevolution in Portugal von 1974. Restriktionen von offizieller Seite werden nach allen Regeln der Kunst umgangen. „Ich habe den Überblick verloren, wie oft ich verhaftet wurde und der Polizei Reportagen der Folha erklären musste“, sagte Ruy Lopes, vormals Chefredakteur. 1975 wird Reportagechef Cláudio Abramo verhaftet, muss jedoch sofort wieder freigelassen werden. Die Geschäftsleitung holt weitere große Namen ins Boot: Paulo Francis, Newton Rodrigues, Glauber Rocher und Flávio Rangel verstärken die Redaktion.

Am 16. September 1977 ziert die Folha de São Paulo ein weißer Fleck. Darüber steht ein Name: Lourenço Diaféria. Am Fuß der Seite folgt die Erklärung: „Die tägliche Kolumne von Lourenço Diaféria wird bis auf weiteres ausgesetzt, da der Chronist gestern Abend um 17 Uhr von der Polizei verhaftet wurde.“

Zwei Wochen zuvor hatte Diaféria einen Artikel veröffentlicht, der ihm den Ärger der Militärs eintrug In „Herói. Morto. Nós.“ beschreibt er den Märtyrertod eines Unteroffiziers, der einem Kind das Leben rettet und dabei sein eigenes verliert. Im gleichen Atemzug kritisiert Diaféria den Herzog von Caxias, den Patron der Armee. „Dieser heroische Unteroffizier ist mir lieber als der Herzog von Caxias. Der Herzog von Caxias ist ein Mann auf einem Pferd, nur eine Statue. Das Volk ist die Schwerter und die Pferde leid. Das Volk uriniert auf die Helden auf Sockeln.“ (Lourenço Diaféria)

Noch am 16. September erhält Herausgeber Octávio Frias de Oliveira einen Anruf von General Hugo Abreu. Er droht, die Zeitung zu schließen. Nach dem Gesetz zur Nationalen Sicherheit konnte Abreu die Zeitung für 30 Tage aussetzen – und die Suspendierung unbegrenzt verlängern. Um die Folha zu retten, gibt Frias de Oliveira nach. Lourenço Diaféria wird zu acht Monaten Gefängnis verurteilt und erst 1979 freigesprochen.

Das Jahr 1984 markiert gleichsam einen Einschnitt in der Geschichte Brasiliens wie in jener der Folha de São Paulo. Oppositionspolitiker und Bürger formieren sich zu einer Bürgerbewegung. Sie fordern direkte Präsidentschaftswahlen und damit das Ende der Diktatur. Die Folha zieht mit und fährt die größte Kampagne seit ihren Anfangstagen – mit unvorhersehbarem Erfolg. „Es gibt eine Folha vor und eine nach den ‚Diretas’“, fasst Reporter Ricardo Kotscho zusammen.

Am 27. November 1983 organisiert die Brasilianische Arbeiterpartei (PT) eine Demonstration in São Paulo, an der nur 15.000 Menschen teilnehmen. Mit dem Einstieg der Folha wendet sich das Blatt: Am 18. Dezember trägt das Editorial den Titel „Genug der Lethargie“ (Chega de letargia). Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten: Am 25. Januar findet eine weitere öffentliche Kundgebung statt, und diesmal sind es 300.000 Menschen, die direkte Wahlen fordern.

Die Unterstützung der „Diretas“ vervielfacht in kürzester Zeit das politische Gewicht des Journals. Plötzlich ist die Folha die einflussreichste Tageszeitung Brasiliens – nicht mehr nur jene mit der größten Auflage. 1984 wird Frias de Oliveiras Sohn Otávio Geschäftsführer und setzt den Weg fort, den sein Vater Mitte der 70er Jahre für die Folha bestimmt hat: eine pluralistische, kritische und politisch unabhängige Tageszeitung zu werden.

Fernando Collor de Mello, der 1989 erster demokratisch gewählter Präsident Brasiliens wird, betrachtet die Folha von Anfang an als Feind. Er ist nicht einmal zehn Tage im Amt, als er 1990 Finanzministerium und Polizei grünes Licht gibt, die Zeitung zu stürmen. Unter einem Vorwand verschafften sich am 23. März sechs Steuerfahnder, zwei Beamte und ein Polizist Zugang zum Redaktionsgebäude. Von offizieller Seite heißt es nur, gegen die Zeitung würde ermittelt. Drei Personen werden verhaftet: Frias Filhos Sekretärin, Vera Lia Roberto, das Vorstandsmitglied Pedro Pinciroli sowie der administrative Leiter, Renato Castanhari.

Der Leitartikel der nächsten Ausgabe trägt den Titel „Der faschistische Aufstieg“: „Die brasilianische Demokratie toleriert keine Aspiranten auf den Platz Ceauşescus oder jugendliche Versionen von Mussolini“, heißt es darin. Von da an konzentriert man sich bei der Folha darauf, die Regierung Collor de Mello zu demontieren. Tatsächlich deckt die Zeitung mehrere Schmiergeldaffären auf. Collor de Mello startet einen Gegenangriff: Zum ersten und bisher einzigen Mal in der Geschichte Brasiliens verklagt ein Präsident eine Zeitung wegen Verleumdung: Frias Filho sowie drei seiner Redakteure. Frias Filho antwortet mit einem offenen Brief auf Seite eins: „Ich kämpfe für meine Freiheit, Sie für Ihre verletzte Eitelkeit. Meine Gründe sind von allgemeinem Interesse, während die Ihren düster sind wie nur die Einsamkeit selbst.“ Im Januar 1992 werden die Beklagten freigesprochen; der Senat eröffnet am 29. September den Prozess gegen Fernando Collor de Mello, der am 29. Dezember abdankt.

Als Teil des Restrukturierungsprojekts Projeto Folha nimmt 1989 mit Caio Túlio Costa der erste Ombudsmann der Folha seine Arbeit im Dienste der Leser auf. Zwei Jahre später folgt eine eigene Sektion für Richtigstellungen (Erramos). Mitte der 1990er Jahre erreicht die Folha eine Spitzenauflage von 1,5 Millionen Exemplaren.

1998 sitzen die Kolumnisten José Simão, Jânio Freitas und Heitor Cony zusammen im Flugzeug nach Frankreich. Simão: „Wäre das Flugzeug abstürzt, wäre es vorbei gewesen mit der Opposition in Brasilien.“ Paulo Maluf, ehemaliger Gouverneur von São Paulo, fasst die Entwicklung der Folha zusammen: „Aus einem Journal ohne Glaubwürdigkeit und in einer finanziell diskutablen Situation ist eine unabhängige Zeitung geworden, die der brasilianischen Presse zum Stolz gereicht.“

Verlagsüberblick, Management und Geschäftsfelder

Verlag
Der hauseigene Verlag Publifolha wurde 1995 gegründet. Veröffentlicht werden neben den zur Grupo Folha gehörigen Zeitungen und Zeitschriften auch Bücher, CDs und Videos aus den verschiedensten Bereichen, unter anderem Gesundheit, Journalismus, Kunst, Kinder und Kulinarik, wissenschaftliche Publikationen, literarische Werke und Ratgeber. Auf dem Tourismussektor ist die Publifolha mit ihrem Angebot an Reiseliteratur Marktführer.

Neben den Verlegern und Autoren beschäftigt der Verlag eigene Berater, Übersetzer, Korrektoren, Grafiker, Illustratoren und Fotografen.

Management
Zwar handelt es sich bei der Empresa Folha da Manhã um eine Aktiengesellschaft, diese war jedoch nie börsennotiert. Die Familie Frias hält seit 1962 das Zepter fest in der Hand. Der aus einer traditionellen Arbeiterfamilie stammende Octávio Frias de Oliveira kaufte die damals marode Firma zusammen mit Carlos Caldeira Filho. Die beiden hatten zwei Jahre zuvor beim Bau des Busbahnhofs São Paulo zusammengearbeitet. Frias de Oliveira selbst sah sich nie als Journalist. Mitte der 1970er Jahre scharte er einige der hellsten Köpfe des Landes um sich. Zu den engsten Vertrauten gehörten neben Sohn Otávio Cláudio Abramo, Ruy Lopes und Boris Casoy.

Abramo war 1945, mit 22 Jahren, einer der Gründer des Jornal de São Paulo. 1948 wechselte er zum Estado, 1963 holte ihn Octávio Frias zur Folha und machte ihn zum Berater. Auf Druck des Militärregimes verließ der erklärte Trotzkist 1979 die Folha, schrieb aber von 1980 bis 1984 eine politische Kolumne aus dem US-amerikanischen Exil. Der studierte Jurist Ruy Lopes war seit Anfang der 1960er Leiter der Zweigstelle in Brasília, als ihn Octávio Frias 1973 zum Editor-chefe seiner Zeitung macht. Der ehemalige Presse-Staatssekretär Boris Casoy wird ein Jahr später ins Boot geholt. Gemeinsam entwickeln sie das Projeto Folha, eine umfassende Restrukturierung. 1975 wechselt Lopes zurück nach Brasília, Casoy verlässt die Folha ein Jahr später und wird Leiter der Fundação Armando Alvares Penteado, einer Privatuniversität in São Paulo. Abramo leitet künftig die Redaktion.

1984, mit 27 Jahren, übernimmt Frias de Oliveiras ältester Sohn Otávio die Geschäfte, Bruder Luis folgt 1990. Ein Jahr später wird er Präsident der Firma. 1992 hält Vater Octávio Frias 100 Prozent der Firmenaktien. Obwohl er sich dem Anschein nach von der Geschäftsleitung zurückgezogen hat, bleibt er bis zu seinem Tod 2007 eine der führenden Instanzen. Zwei weitere Namen prägen seit über zwei Jahrzehnten die Führung der Zeitung: Maria Judith de Brito und Antônio Manuel Teixeira Mendes. Die Politikwissenschaftlerin Brito forschte am Centro Brasileiro de Análise e Planejamento sowie am Instituto de Estudos Econômicos, Sociais e Políticos de São Paulo und lehrte vier Jahre an der Fundação Getúlio Vargas. Seit 15 Jahren gehört sie der Führungsriege der Folha an. Brito ist Superintendentin der Folha, Vizepräsidentin des Aufsichtsrats (Conselho de Administração) von UOL sowie Präsidentin der Associação Nacional de Jornais (ANJ), eines brasilianischen Journalistenverbands. Der studierte Soziologe Teixeira Mendes ist Superintendent der Folha, Mitglied des Redaktionsbeirats (Conselho Editorial), Präsident des Aufsichtsrats von UOL und fungiert als offizieller Vertreter von Luis Frias.

Im Wesentlichen hat sich an der Führung der Folha seit der Übernahme 1962 wenig geändert: Die Oligarchen-Familie Frias leitet das Geschick des Unternehmens, Köpfe aus Wissenschaft und Politik stehen beratend zur Seite.

Geschäftsfelder
Die Empresa Folha da Manhã ist – ebenso wie ihre größte Konkurrenz, die von Irineu Marinho gegründeten Organizações Globo – in allen wesentlichen Mediensektoren vertreten. Zum Imperium gehören Tageszeitungen, Wochen- und Monatsmagazine sowie mehrere Websites. Das Unternehmen betreibt mit Universo Online (UOL) einen Internet- und E-Mail-Provider; auch ein VoIP-Dienst, Webradio sowie Web-TV gehören zum Angebot. Des Weiteren verfügt die Empresa Folha da Manhã über eine eigene Presse- und Fotoagentur (Folhapress), ein Meinungsforschungsinstitut mit Datenbank (Datafolha) sowie eine Grafikagentur (Folha Gráfica). Die Distribution der Produkte erfolgt auf nationaler Ebene über das ebenfalls hauseigene Transportunternehmen Transfolha.

Zeitungen und Zeitschriften
Die Grupo Folha stellt mit der Folha de São Paulo und Agora São Paulo zwei der wichtigsten Tageszeitungen des Landes. Während die Folha das Segment der Qualitätszeitungen dominiert, ist Agora eines der marktführenden Tabloid-Formate. Zusätzlich zur landesweiten Ausgabe der Folha gibt es fünf Ausgaben für den Bundesstaat São Paulo mit Regionalnachrichten und Veranstaltungstipps.
2008 war die Folha mit 7,83 Prozent Marktanteil und einer durchschnittlichen täglich verkauften Auflage von 311.287 Marktführer (2010: 294.498 Stück, minus 0,3 Prozent gegenüber 2009). Auf dem zweiten Platz lag 2008 erstmals Súper Notícia der Sempre Editora mit  303.087 Stück, das die Folha 2010 mit einer Auflage von 295.701 Stück kurzzeitig überholt hat. Unmittelbar dahinter folgen O Globo (2010: 262.435; 2008: 281.407) und Extra (2010: 242.306; 2008: 287.382), die beide zu den Organizações Globo gehören. Agora São Paulo belegte 2010 im Ranking mit einer Durchschnittsauflage von 92.863 (2008: 83.259) Platz zwölf. Zusätzlich publiziert die Grupo Folha seit 1989 eine tägliche Ausgabe von Alô Negócios, einem Anzeigenblatt.

Zudem werden unter dem Dach der Grupo Folha mehrere Zeitschriften und Supplements veröffentlicht. Wöchentlich erscheinen Beilagen zu Special-Interest-Themen wie Investment, Tourismus, Informatik, Gesundheit und modernes Leben. Der eigens abgestellte Núcleo de Revistas ist für die Herausgabe der Zeitschriften verantwortlich. Hier werden Guia da Folha, Revista da Folha, Revista Lugar, Revista +Dinheiro, Revista Moda, Revista Morar, Revista serafina (alle als Beilage der Folha de São Paulo) sowie Revista da Hora (als Beilage zu Agora) verlegt. Ebenfalls als Beilage der Folha erscheint einmal jährlich Top of Mind. Im Gegensatz zu den Organizações Globo besitzt die Grupo Folha kein eigenes politisches Nachrichtenmagazin.

Neue Geschäftsmodelle und Beteiligungen

Relativ spät dehnt die Empresa Folha da Manhã ihre Produktpalette von Tageszeitungen auf andere Medienbereiche aus. 1996 macht das Unternehmen einen Glücksgriff und schließt ein Joint Venture mit der US-amerikanischen Quad/Graphics. Sechs Firmen buhlen um die Gunst der Folha, als Larry Quaddracci sein Angebot macht. Aus der Verbindung entsteht Plural – die größte Akzidenzdruckerei Lateinamerikas. Plural etabliert sich rasch; Ende 2008 wird der Maschinenpark aufgestockt und modernisiert.

1996, im selben Jahr wie Plural startet die Folha das Universo Online (UOL). Die Tochter fungiert einerseits als Internet-Service-Provider (ISP), andererseits als Inhaltelieferant. Sie ist der marktführende Internet-Anbieter Lateinamerikas. 1999 verschuldete sich UOL stark, um die Marktführerschaft (knapp 80 Prozent Reichweite) gegen die amerikanische AOL sowie die spanische Terra/Telefónica zu verteidigen. Im selben Jahr stieg die Portugal Telecom mit 100 Millionen Dollar bei UOL ein. 2000 wurde sein Wert von Analysten auf 2,5 bis 3 Milliarden US-Dollar geschätzt – und war damit mehr wert als die Folha de São Paulo selbst. Die Umsätze machen etwa ein Viertel des Gesamtvolumens der Grupo Folha aus, wie viele andere Internetfirmen operiert UOL jedoch noch am Rande der Rentabilität. 2005 ging das Unternehmen an die Börse und ist seitdem an der Bolsa de Valores de São Paulo gelistet. 2010 erwirtschaftete es einen Umsatz nach IFRS von 816,7 Milliarden Reais (2009: 730,8 Milliarden Reais) bei einem Gewinn von 97,3 Milliarden Reais (2009: 118,1 Milliarden Reais).

Im September 1996 schließen die Editora Abril – das drittwichtigste brasilianische Verlagsunternehmen – und die Empresa Folha da Manhã ein Joint Venture und integrieren das Internetportal und den E-mail-Service Brasil OnLine (BOL) in Universo Online.

Im Jahr 2000 gründen die Konkurrenten Folha und Globo die Tageszeitung Valor Econômico. Sie erreicht 2010 eine verkaufte tägliche Auflage von 54.627 Stück (2007: 51.149, 1,29 Prozent Marktanteil). Ziel war es, der Gazeta Mercantil und dem Jornal do Commércio den Rang als wichtigste Wirtschaftmedien abzulaufen. Tatsächlich liegt das Jornal do Commércio mit einer Auflage von 41.434 deutlich zurück (2007: 39.845 Stück). Valor bringt unter anderem Reportagen von The New York Times, Financial Times, Wired, Michelin, Der Spiegel, Harper's Magazine, Fast Company, The New York Times Book Review sowie The Atlantic Monthly. Wöchentlich publiziert das Journal Beilagen mit Texten aus The Economist und Business Week.

Internetpräsenz und Online-Performance

Deutlich stärker als die Organizações Globo setzt die Familie Frias auf den Online-Sektor.

Die Folha de São Paulo ist ein Pionier im Technologiebereich: 1983 war ihre Redaktion die erste Lateinamerikas, in der Computer genutzt wurden. Da die Grupo Folha mit Universo Online über einen eigenen ISP und Content-Provider verfügt, sind die Übergänge zwischen den Onlineangeboten fließend. Im April 1996 gestartet, erreicht das Portal www.uol.com.br  monatlich rund 27,8 Millionen Unique Users und 4,3 Milliarden Seitenaufrufe.

UOL fungiert als Foto- und Videohoster, zudem lassen sich Blogs erstellen und Grußkarten verschicken. Die Nachrichtenangebote der Grupo Folha stehen als RSS-Feed zur Verfügung. Die Tageszeitungen Folha de São Paulo, Agora São Paulo und Valor Econômico verfügen jeweils über eine eigenen Internetauftritt.

Unter www.folha.uol.com.br wird seit 1995 der Webauftritt der Folha de São Paulo gebündelt. Links führen zu weiteren Angeboten von UOL, etwa Live-Chat, Webradio und –TV sowie VoIP-Dienst. 19 Onlineressorts informieren über das Tagesgeschehen, auf der Website sowie via Twitter. Auch eine Integration mit Facebook ist vorhanden. Monatlich zählt Folha.com 17 Millionen Besucher und 173 Millionen Seitenaufrufe.

Im Mai 2010 fand ein Relaunch statt, im Zuge dessen der Name von Folha Online in Folha.com geändert wurde. Die Navigation wurde überarbeitet und die Website um interaktive Elemente ergänzt, beispielsweise eine Übersicht von aktuellen, noch ungelesenen Artikeln.

Im Gegensatz zur Konkurrenz, etwa O Globo, sind die meisten Inhalte auf den Seiten der Folha de São Paulo frei zugänglich. Es gibt eine digitale Ausgabe der Tageszeitung, die allerdings Abonnenten vorbehalten bleibt, ebenso wie die kostenlose Detailsuche im Printarchiv und die Suche in der hauseigenen Datenbank. Gegen Entgelt können jedoch auch Nicht-Abonnenten die Dienste nutzen. Seit Oktober beziehungsweise November 2010 stehen Mobilversionen der Website für Apples iPhone und iPad zur Verfügung. Sie ergänzen den WAP-Dienst der Folha.

2009 füllten 14 Kolumnisten die Blogs der Empresa Folha da Manhã. Mittlerweile ist das Netzwerk auf 41 interne wie externe Autoren und 31 Themenblogs angewachsen.

Regelmäßig werden Live-Chats mit Prominenten organisiert. Teilnehmer schicken ihre Fragen per SMS oder E-Mail. Die Chatprotokolle und Videos werden auf der Microsite Bate-papo gebündelt, wo auch ein Archiv der interessantesten Beiträge abrufbar ist. Ende August 2009 stand etwa auch Otávio Frias Filho Lesern im Web Rede und Antwort – anlässlich der Veröffentlichung von „Seleção Natural“, einer Artikelsammlung zu kulturellen und politischen Themen.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Trotz eines Einbruchs der Umsatzzahlen aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise 2008 baut die Folha de São Paulo ihre Marktführerschaft auf dem brasilianischen Mediensektor aus. Die Auflagenzahlen der Printausgabe der Folha waren entgegen dem weltweiten Trend 2008 um fast 10.000 Exemplare gestiegen – während die Organizações Globo herbe Einbußen hinnehmen mussten. 2009 mit einer verkauften Auflage von 295.558 Stück noch die größte Tageszeitung Brasiliens, fiel die Folha 2010 erstmals seit Jahren knapp hinter Super Notícia (Auflage: 295.701) auf Platz zwei zurück. Sie holt jedoch seit Beginn des Jahres wieder auf und liegt derzeit bei durchschnittlich 352.459 verkauften Exemplaren täglich (Stand: März 2011).

Die Zahl der Regionalbüros ist auf aktuell 13 Standorte in elf Bundesstaaten angewachsen. Der größte Teil der Firmenexpansion findet jedoch auf dem Onlinesektor sowie im Mobilbereich statt. Die Grupo Folha scheint durch die relative Unabhängigkeit von nationalen und internationalen Zulieferern für die Zukunft bestens gerüstet und nutzt die Möglichkeiten des Web 2.0 wie kein anderer brasilianischer Medienkonzern.

Referenzen/Literatur

  • Dines, Alberto (1986): O Papel do Jornal. Uma Releitura. São Paulo: Summus
  • Sodré, Nelson Werneck (1999): História da Imprensa no Brasil. Rio de Janeiro: Mauad.

 

Onlinequellen: