Update: Medienkonzerne vs. Aereo

20.01.2014

Im kommenden April kommt ein Fall vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dessen Ausgang dramatische Folgen für die US-amerikanische TV-Landschaft haben könnte. In "ABC Inc. v. Aereo, No 13-461" wird sich das US-Streaming-Unternehmen Aereo dem von allen großen TV-Networks mitgetragenen Vorwurf stellen müssen, es beginge mit seinem Dienst flächendeckende Urheberechtsverletzungen und Content-Klau. Aereo zahlt für die Online-Übertragung von frei empfangbaren Fernsehsendern bisher keine Lizenzgebühren an die großen TV-Senderketten. Auf diese sind ABC, CBS und Co. jedoch angewiesen, da sie neben Werbeeinnahmen deren wichtigste Einnahmequelle darstellen. Die TV-Sender nehmen mit der Lizenzierung ihrer Programme an Kabelkonzerne jährlich zwischen vier und sieben Milliarden US-Dollar ein.

Aereo und sein Gründer Chet Kanojia hingegen bestreiten die Vorwürfe und erwarten, dass die zu erwartende Grundsatzentscheidung zu ihren Gunsten ausgehen wird. Für Kanojia  ist sein Unternehmen nichts weiter als ein Equipment-Provider: es sei irrelevant, ob Leute frei empfangbares Fernsehen über eine Antenne empfangen (wie es gegenwärtig noch mehr als 50 Millionen Amerikaner tun) oder eine Antenne von Aereo mieten. Die Redaktion von mediadb.eu hat den Disput zusammengefasst:

Was ist das Geschäftsmodell von Aereo?
Aereo betreibt bisher in sechs US-Großstädten sog. Antennenfarms, d.h. Räume voller Mini-Antennen mit integrierten digitalen Videorekordern. Kunden können ihre eigene Antenne inklusive DVR für acht Dollar monatlich von Aereo leasen und sämtliche in ihrem Gebiet frei empfangbaren Sender auf ihre Tablets, Computer und Smartphones live bzw. zeitversetzt streamen. Das Geschäftsmodell basiert also auf der besonders unter jungen Rezipienten immer beliebter werdenden Praxis des cord-cutting, der Kündigung überteuerter Kabelpakete - von den ein Großteil von den Kunden nicht gesehen wird, die aber trotzdem bezahlt werden müssen. Stattdessen werden in Zukunft - so das Kalkül der Aereo-Macher - Kunden ihre eigene Pakete aus diversen Streaming-Angeboten schnüren. Eine Aereo-Account (der vor allem für das Live-Streaming von Nachrichten, Sport und anderen Events attraktiv ist) in Kombination mit bspw. einem Netflix-Abonennement würde momentan etwa 20 US-Dollar kosten und damit deutlich weniger als ein Vertrag mit einem der großen Kabelkonzerne, der monatlich bis zu 300 US-Dollar veranschlagen kann.

Was wird Aereo von den Medienkonzerne vorgeworfen?
Die TV-Senderketten ABC, CBS, NBC, Fox und Hearst haben Aereo im vergangenen Jahr alle bisher erfolglos Diebstahl ihres Contents vorgeworfen. Eine entsprechende Petition, die im vergangenen Oktober dem US-Verfassungsgericht vorgelegt wurde, demonstriert, wie verbissen die TV-Industrie gegen Aereo kämpft.
CEO Chet Kanojia hat in öffentlichen Auftritten immer wieder auf die Gerichte hingewiesen, die in Aereos Geschäftspraxis nichts illegales erkennen konnten. Würde man Aereo verbieten, so Kanojia müsste auch jeder Besitzer eines Auto-Radios besteuert werden. Zudem sei der Inhalt der frei empfangbaren Sender durch Werbung finanziert.

Welche Folgen könnte die Rechtssprechung haben?
Für die Networks steht viel auf dem Spiel. Sollten Dienste wie Aereo für legal erklärt werden, würden Kabelkonzerne zügig nachziehen und die Zahlung von Weiterverbreitungsgebühren an die Sender ebenfalls einstellen (Konzerne wie z.B. Time Warner Cable, das sich vergangenes Jahr einen öffentlichen Schlagabtausch mit CBS über die Kosten der Weiterverbreitung leistete, würde ein Pro-Aereo-Urteil ausdrücklich begrüßen). Sollte Aereo Recht gegeben werden, wäre ein über Jahrzehnte fünktionierendes Geschäftsmodell der TV-Industrie zerstört. Die großen Sender, die hohe Werbeinnahmen verzeichnen, würden in diesem Fall zwar weiter existieren, kleinere Sender, die auf Weiterverbreitungsgebühren im Rahmen von Kabel-Paketen angewiesen sind, würden verschwinden. Eine unmittelbare Folge für die Networks könnte darin bestehen, dass sie (wie bereits angedroht) ihre Programme sofort aus der terrestrischen Verbreitungswegen entfernen.

(Anm. d. R.: Dies ist ein aktualisierte Version eines Artikels aus dem Oktober 2013)

Mehr dazu:

Profil von Aereo-Chef Chet Kanojia in der New York Times vom 20.01.2014