Twitter: Hintergründe zu Übernahmeverhandlungen

26.09.2016

Twitter-CEO Jack Dorsey. Cellanr CC by 2.0

CNBC-Wirtschaftsjournalist David Faber bestätigte am vergangenen Freitag, worüber bereits seit Monaten spekuliert wurde: Twitter befindet sich offiziell in Gesprächen über eine mögliche Übernahme. Gemeinsam mit den Investmentbanken Goldman Sachs und Allen & Company lotet der kriselnde Onlinekonzern, dessen Aktienkurs im Zuge der Berichterstattung zeitweise um 20 Prozent anstieg, momentan seine Optionen aus. Die Redaktion von mediadb.eu hat die wichtigsten Details aus Berichterstattung über die Entwicklung zusammengefasst.

Wer sind mögliche Interessenten?
Der Branchenblog Recode hat die lange Liste der möglichen Käufer in drei Gruppen unterteilt: Internetunternehmen, klassische Medienkonzerne und Telcos (ein Sonderfall ist der Cloud Computing-Anbieter Salesforce, dem ebenfalls gute Chancen attestiert werden). Onlineunternehmen wie Google, Facebook, Microsoft und Apple sowie deren chinesische Pendants Tencent oder Baidu sind allesamt prinzipiell an Twitters Nutzerdaten und deren Vermarktung interessiert. Insbesondere Google und Facebook gelten hierbei als aussichtsreiche Kandidaten. Google hat im Gegensatz zu Facebook zwar keine erfolgreiche Bilanz im Social Media-Bereich, wäre jedoch womöglich in der Lage, Twitters Werbeeinnahmen - etwa durch eine sinnvole Verknüpfung mit YouTube - signifikant zu erhöhen. Für Facebook wiederum, das mit seiner Instant Articles und Live-Video-Strategie trotz entgegenlautener Aussagen längst zu einem Medienkonzern geworden ist, wären die 300 Millionen Twitter-User eine willkommene Ergänzung, um - ggf. kombiniert mit Instagram - den Facebook-Feed mit Live-News anzureichern.

Klassische Medienkonzerne, darunter 21st Century Fox und Walt Disney, zählen naturgemäß zu den Interessenten - allein schon deshalb, weil das Werbepotenzial von Twitter einem Film und TV-Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen würde, der nur schwer akzeptabel für die Konkurrenz wäre. Kauft allerdings kein großes Medienunternehmen Twitter, wäre die gesamte Branche damit zufrieden, da sie die Promotion ihrer Produkte über Twitter schon jetzt weitestgehend kostenfrei nutzen kann. Twitter als politisches Kommunikationstool könnte zudem nachhaltig beschädigt werden, wenn das Unternehmen künftig de facto ein Teil von Hollywood wäre.

Telekommunikationskonzerne wie Verizon oder Comcast kommen ebenfalls als Käufer in Frage. Den Telcos geht es insbesondere darum, ihre mobilen Nutzerdaten mit Twitters Wissen über die Vorlieben seine User zu verknüpfen, um so in den lukrativen mobilen Werbemarkt einzusteigen. Verizon gilt als Vorreiter dieser Strategie. Der Konzern hat im vergangenen Jahr AoL übernommen und legte in diesem Sommer mit dem Kauf von Yahoo nach.

Wie ist es um die wirtschaftliche Situation von Twitter bestimmt?
Die Bereitschaft von Twitters Management um Jack Dorsey, erste Verhandlungen mit Kaufinteressenten zu führen, kann auch als Eingeständnis des Scheiterns gewertet werden. Aufgrund stagnierender Nutzerzahlen und Umsätze sowie der Unfähigkeit, die existierende Nutzerbasis effektiver zu monetarisieren, bleibt der Geschäftsführung nur noch die Möglichkeit, das Unternehmen zu verkaufen. Die vielen Probleme von Twitter - bereits vor zwei Jahren in einem internen Strategiepapier beim Namen genannt - wurden bisher nicht gelöst: Für normale, nicht-prominente Nutzer ohne Background im Medien- oder Wissenschaftssektor ist Twitter eine einsame, isolierte Nutzererfahrung. Eine Milliarde Menschen hat sich bei Twitter angemeldet und ist nach den ersten Log-Ins nicht wieder zurückgekehrt.

Welchen Verkaufspreis könnte Twitter erzielen?
Der kolportierte Verkaufspreis von 18 Milliarden Dollar (der je nach Interessenslage auf 30 Milliarden ansteigen könnte) ist wohl das größte Hindernis für Twitter, den Deal zu finalisieren. Wie Bloomberg Koluministin Shira Ovide argumentiert, würde es für kein Unternehmen auf der Welt Sinn machen, Twitter zu solch einem Preis zu übernehmen. Doch die Silicon Valley-Unternehmen mit ihren gigantischen Festgeldkonten haben in der Vergangenheit höhere Summen für mehr oder weniger sinnvolle Übernahmen hingeblättert. Oder in den Worten von Ovide: "But just because it doesn't make sense doesn't mean it won't happen." Eins steht fest:Sollte Twitter einen Käufer finden, werden die prominenten Anteilseigner um einige Milliarden reicher (neben CEO Dorsey und Gründer Ev Williams zählen dazu insbesondere der Scheich Prinz Bin Talal, Ex-Microsoft-Boss Steve Ballmer und Benchmark-Direktor Peter Fenton).