Trust-Vorsitzender tritt zurück: Wohin steuert die BBC?

07.05.2014

Gestern ist Lord Patten (Foto), bisher Vorsitzender des BBC Trust, überraschend aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten. Damit verlässt der 69-Jährige einen taktisch wichtigen Posten für die britische Politik- und Rundfunklandschaft. Der BBC Trust ist das Kontrollgremium des Konzerns, welches die strategische Ausrichtung für das gesamte Unternehmen festlegt. Die Arbeit der verschiedenen Direktoren der BBC soll, so die Royal Charter, durch den Trust kontrolliert und der Umgang mit Rundfunkbeiträgen überwacht werden.

Lord Chris Patten, langjähriges Mitglied des Abgeordnetenhauses und des Kabinetts unter Margaret Thatcher sowie ehemaliger EU-Kommissar für Außenbeziehungen und letzter britischer Gouverneur von Hongkong, hatte die Position seit April 2011 inne. Patten, im Jahr 2005 in den Adelsstand berufen und seitdem Baron Patten of Barnes, überzeugte bei seiner Berufung zum Vorsitzenden des BBC Trust trotz seiner konservativen Parteifärbung auch liberale Mitglieder der Anstalt. Insbesondere durch seine öffentliche Auseinandersetzung mit Rupert Murdoch im Jahr 1998 sei seine Standfestigkeit gegenüber Druck von kommerziellen Konkurrenten deutlich geworden, so das Medienecho zu seiner Ernennung damals.
Der aus dem Norden Englands stammende Patten, der in der nächsten Woche seinen 70. Geburtstag feiert, zieht sich mit sofortiger Wirkung von seinem Posten beim BBC Trust zurück. Grund hierfür sei Pattens sich zunehmend verschlechternder gesundheitlicher Zustand. Nach vielen Jahren des Herzleidens und verschiedener vorangegangener Untersuchungen hätte er Ende April diesen Jahres eine Bypass-Operation gehabt, die ein volles Arbeitsengagement nicht mehr zulasse.

Wie fällt das Fazit zu Pattens Amtszeit aus?
In die kurze Patten-Ära fielen neben den von den Zuschauern als herausragend gewürdigten Übertragung der Olympischen Sommerspiele in London 2012 jedoch auch zahlreiche Skandale. Für manche Beobachter ist ohnehin klar, dass sich die BBC seit geraumer Zeit in einer handfesten Krise befindet. So stand die Anstalt zuletzt in der Kritik, überzogene Abfindungen und Pensionen in Höhe mehrerer hunderttausend Pfund ausgezahlt zu haben, darunter auch an jene ausscheidenden Manager, die in Folge des Skandals um den BBC-Moderator Jimmy Savile entlassen wurden. Der inzwischen verstorbene Savile, seit den 60er Jahren mit Familien- und Popmusik-Sendungen sehr erfolgreich, hat während der Produktion von BBC-Shows mutmaßlich hunderte Fälle von sexuellen Missbrauch an Minderjährigen begangen. Der von Patten installierte Generaldirektor George Entwistle musste aufgrund seiner als zu lax angesehenen Handhabe des Skandals nach wenigen Monaten wieder zurücktreten. Die Kontrollfunktion des Trusts wurde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen beim Versuch das gesamte BBC-Archiv zwecks Effizienzsteigerung zu digitalisieren. Die entsprechende "Digital Media Initiative" geriet zum Fiasko und musste nach Kosten von 100 Millionen Pfund ergebnislos abgebrochen werden.

Welche Nachfolger werden diskutiert?
Den Vorsitz des BBC Trust übernimmt nun kommissarisch die bisherige Vize-Vorsitzende Diane Coyle. Wer Pattens Nachfolge antreten wird, stellt eine wichtige Frage dar, sieht sich die BBC in den nächsten Jahren doch mit außerordentlichen Herausforderungen konfrontiert. So erregt schon seit einigen Jahren die sogenannte licence fee Debatte die Gemüter. Hierbei geht es um die Festsetzung der Rundfunkgebühren für die Jahre nach 2016, wenn die Royal Charter der BBC (Vergleichbar mit den deutschen Rundfunkstaatsverträgen) ausläuft und bis dahin neu verhandelt sein muss. Mit der Wahl des Nachfolgers von Lord Patten steht daher eine richtungsweisende Vorentscheidung zur Frage der Zukunft der BBC im Raum. Als Favoriten unter den Kandidaten werden momentan Howard Stringer, bis 2012 Geschäftsführer von Sony und Marjorie Scardino, US-Amerikanerin und ehemalige Geschäftsführerin des britischen Medienkonzerns Pearson, u.a. Herausgeber der Financial Times und des Economist, gehandelt. 

Hier stehen sich der knallharte Kürzungs- und Führungsstil des im US-amerikanischen und japanischen Markt groß gewordenen Stringers und die leidenschaftliche aber kluge Sanierungs- und Sicherheitspolitik Scardinos auf dem britischen Markt gegenüber. Stringer, der schon jetzt den Posten eines Non-Executive Directors bei der BBC innehat, könnte leichte Vorteile für die Wahl haben. Allerdings gibt es nicht wenige Vertreter, die endlich eine Frau an der Spitze eines wichtigen BBC-Gremiums sehen wollen. So zeigten sich Beobachter bereits bei der Ernennung von Tony Hall als Generaldirektor darüber enttäuscht, dass erneut keine Frau berufen wurde.