Radio vs. Internetradio

13.06.2012

Längst ist bekannt, welche teilweise dramatischen Auswirkungen die Digitalisierung für die Zeitungsbranche und das traditionelle Fernsehen bereits hat bzw. haben wird. Doch auch die Radioindustrie ist von der wachsenden Bedeutung des Internet betroffen. Experten gehen davon aus, dass der Internetradio-Werbemarkt auf lange Sicht größer werden wird als der nach wie vor domininierende, traditionelle Radiosektor. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, einigte sich Clear Channel Communications, die größte Radiokette der USA, mit einem Country-Musiklabel vergangene Woche über die Zahlung von Lizenzgebühren für das Abspielen seiner Songs. Die Redaktion von mediadb.eu hat hat die Entwicklungen zusammengefasst:

1. Wie groß ist der Markt für Webradios im Vergleich zu traditionellen Radiosendern?
Der Radiosektor stagniert seit Jahren auf einem hohen Niveau. Nach wie vor erwirtschaften Onlineradios nur einen Bruchteil der Umsätze von Offlineradios. In den USA setzten Radiosender 2011 laut Daten von BIA/Kelsey 14,1 Milliarden Dollar um, was sogar einer minimalen Steigerung gegenüber dem Vorjahr entsprach. 2012 soll der Umsatz auf 14,5 Milliarden ansteigen, was unter anderem am Wahljahr liegt, das den US-Sendern lukrative Wahlverbespots beschert. Welche Bedeutung Radioshows für die Meinungsbildung haben, zeigte sich auch jüngst an Berichten über das Gehalt von Radiohost Glenn Beck, der eine populäre Morgensendung im Premiere Network leitet. Der ehemalige Fox News-Moderator bekam von Clear Channel 100 Millionen Dollar für eine Vertragsverlängerung um fünf Jahre. Die Konzentration des umkämpften Radiomarktes geht derweil weiter: 2011 übernahm Cumulus Media den Konkurrenten Citadel Media, während Hubbard Radio einen Teil der Stationen von Bonneville kaufte.

Onlineradios hingegen kamen 2011 dazu auf vergleichsweise bescheidene 439 Millionen US-Dollar. Die Tendenz ist jedoch steigend: bis 2016 soll sich der Umsatz auf 767 Millionen fast verdoppelt haben (SNL Kagan schätzt den weltweiten Umsatz von Online Radios bis 2013 auf 827 Millionen US-Dollar; in Deutschland sollen die Umsätze von Web-Radios laut Goldmedia bis 2014 auf 28,5 Millionen Euro ansteigen). Fast die Hälfte des gesamten Umsatzes fällt dabei auf den Marktführer Pandora. Das hierzulande nicht empfangbare Internetradio hatte 2011 einen Umsatz von 274 Millionen US-Dollar und mehr als 125 Millionen Benutzer, die auf ein Repertoire von 900 000 Songs zugriffen. Mehr als fünf Prozent aller Radiohörer (offline und online) entfallen mittlerweile auf Pandora. Die wachsende Popularität von Gratis-Diensten wie Pandora, Spotify oder Last.fm liegt vor allem in der Benutzerfreundlichkeit und der steigenden Verbreitung von Smartphones. Autofahrer - die wichtigste Zielgruppe für die Radioindustrie - können bei entsprechender Austattung ihres Wagens ihr Smartphone mit ihrem Autoradio verbinden und sämtliche weltweiten Onlinekanäle hören. Der technische Zwang, die lokale Radiostation hören zu müssen, ist damit aufgehoben.

2. Wie reagiert Clear Channel auf diese Entwicklung?
Im Gegensatz zu Deutschland, wo Künstler und Labels im Rahmen von GEMA-Abkommen Geld erhalten, wenn ihre Songs im Radio gespielt werden, partizipierten diese in den USA bisher nicht an den Gewinnen der Radiokonzerne. Anders im Fall von Webradios, wo Künstler und Labels in einem größeren Ausmaß vom Abspielen ihrer Songs proftitieren. Clear Channels Hörer sind zwar noch zu 98 Prozent offline, werden jedoch in den kommenden Jahren zunehmend online auf die 850 Clear Channel-Sender zugreifen. Deshalb traf das Management die strategische Entscheidung, dem Country-Label Big Machine erstmals auch Lizenzgebühren für das Offline-Abspielen seiner Songs zu zahlen - im Austausch für geringere Gebühren im Onlineradio. Clear Channel wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich mehr zahlen als nötig. Auf lange Sicht könnte sich das Abkommen jedoch lohnen.

Mehr dazu:

New York Times: Radio Royalty Deals Offers Hope for Industrywide Pact (10.06.2012)