Online-Piraterie - Strategiewechsel der Musikindustrie

09.08.2011

Die Antwort der Musikindustrie auf zunehmende Internetpiraterie bestand lange Jahre darin, Leute, die illegal Dateien heruntergeladen hatten, auf hohe Schadensersatzsummen zu verklagen. Auf diese Weise sollten andere von der Nachahmung abgeschreckt werden und der wirtschaftlich angeschlagenen Musikindustrie bot sich eine neue Einnahmequelle. Nun allerdings scheint ein Umdenken stattgefunden zu haben. So erklärte der Lobbyverband Recording Industry Association of America (R.I.A.A.), der die großen vier Plattenfirmen Sony, Universal (Vivendi), Warner und EMI vertritt, jüngst künftig auf Schadensersatzklagen zu verzichten. Die Redaktion von mediadb.eu hat das Umdenken der Medienkonzerne in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen näher beleuchtet und analysiert:

Welche neuen Strategien verfolgt die Musikindustrie?
Eine für die Major-Labels vielversprechende Strategie besteht darin, enger mit den Internet Service Providern zusammen zu arbeiten. Jüngst wurde Cary Sherman zum neuen Vorsitzenden der R.I.A.A. gewählt. Sherman koordinierte in den vergangenen Jahren diverse Abkommen, die Provider stärker in die Pflicht in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen im Internet nehmen. So werden in den USA und anderen Ländern Benutzer mittlerweile mehrfach darauf aufmerksam gemacht, wenn sie entsprechende Seiten aufsuchen, die illegale Inhalte anbieten. Im Fall von US-Internetanbietern wie Comcast oder Cablevision beispielsweise werden User bis zu sechs Mal gewarnt, ehe ihr Internetzugang verlangsamt oder blockiert wird. In Großbritannien erließ die letzte Labour-Regierung mit dem "Digital Economy Act" ein ähnliches Gesetz. Die Kooperation mit ISPs wird begleitet von einer Klageoffensive, die weniger gegen einzelne Nutzer sondern Webseiten und Netzwerke gerichtet ist, die illegale Dateien zum Download anbieten. So war es ebenfalls Sherman, unter dessen Regie einzelne erfolgreiche Klagen geführt wurden - etwa gegen P2P-Netzwerke wie LimeWire oder Grokster. Zudem führte das millionenschwere Lobbying in Washington 2008 zum Erlaß des PRO-IP Act, der die juristische Handhabe gegen Anbieter von illegalen Dateien signifikant verstärkte.

Welche Entwicklungen gibt es in Bezug auf legale Musik-Flatrates?
Lange Zeit konnten sich die vier großen Plattenfirmen nicht auf Lizenzierungs-Abkommen mit legalen Musikportalen einigen, zu groß schienen die Bedenken der Labels ihre Musikkataloge für unbegrenzte Flatrates zur Verfügung zu stellen. Dies hat sich in den vergangenen Monaten jedoch geändert. Musikportale und Webradios wie Qriocity, Pandora, Spotify oder Last.fm bieten Nutzern in Kooperation mit den "Big Four" der Musikindustrie anzeigenfinanziert oder für geringe monatliche Gebühren Streaming-Flatrates an.

Wie ist es um die wirtschaftliche Situation der Plattenfirmen bestellt?
Die sinkenden CD-Verkäufe können weiterhin nicht durch steigende Online-Verkäufe ausgeglichen werden. Im letzten Jahr ging der Umsatz der Musikindustrie um rund 10 Prozent zurück; eine ähnliche Prognose haben Insider auch für dieses Jahr abgegeben. Ob Piraterie wirklich die Hauptursache für den Rückgang verkaufter Tonträger ist, bleibt jedoch äußerst umstritten. So könnte einer der Gründe für sinkende Alben-Verkäufe in der steigenden Popularität von Einzel-Downloads liegen (Single-Verkäufe im ersten Halbjahr 2011 stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent): immer mehr Nutzer wollen sich nicht mehr das gesamte Album eines Künstlers kaufen. Laut einer Studie des Harvard-Ökonom Felix Oberholzer aus dem Jahr 2004, der Downloads in Tauschbörsen mit legalen Tonträger-Verkäufen verglichen hat, gibt es keine Korrelation zwischen illegalen Downloads und Verlusten der Musikindustrie.

Mehr dazu:

- Politico: RIAA names Cary Sherman its CEO (08.08.2011)