News International: gehackte Handys sorgen für Regierungskrise

07.07.2011

(Update 08.07: Rupert Murdoch hat sich aufgrund des öffentlichen Drucks dazu entschlossen, die Zeitung "News of the World" einzustellen.)

Die vor zwei Tagen vom britischen "Guardian" veröffentlichten Recherchen, denzufolge Redakteure der Tabloid-Zeitung "News of the World" (News International/News Corp.) sich 2002 gemeinsam mit Privatdetektiven in das Mobiltelefon eines entführten und ermordeten Teenagers einhackten, haben zu einem der größten Medienskandale in der Geschichte Großbritanniens geführt. Die Redaktion von mediadb.eu hat die Ereignisse zusammengefasst anhand von drei Fragen analysiert:

Wie verbreitet war die Praxis des illegalen Abhörens von Voice Mail-Nachrichten bei der "News of the World"?
Als der "Guardian" 2007 erstmals von den Vorgängen bei dem Boulevardblatt berichtete, ging man davon aus, dass nur die Handys von Prominenten von Hacker-Angriffen betroffen waren. Viele der Stars, deren Mobiltelefon-Anrufbeantworter von Privatdetektiven abgehört wurden, einigten sich - wie etwa die Schauspielerin Sienna Miller - außergerichtlich mit News International und erhielten Schadensersatz in Millionenhöhe. Reporter Clive Goodman und Privatdetektiv Glenn Mulcaire, die zu Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie sich u.a. in Handys der königlichen Familie eingehackt hatten, erhielten ebenfalls Zahlungen von News Corp., vermutlich damit sie über die auch bei anderen Reportern der "News" weitverbreitete Praxis kein Wort verlieren. In den Aufzeichnungen von Mulcaire sollen nun auch Hinweise darauf gefunden worden sein, dass die Zeitung neben Prominenten und dem Mordopfer Milley Dowler auch Angehörige der Opfer der Londoner Terroranschläge von 2005 sowie Eltern von gefallenen britischen Soldaten abhörte. Die Fülle der Vorwürfe, die fast das gesamte letzte Jahrzehnt betreffen, deuten darauf hin, dass illegale Hacking-Attacken auf Mobiltelefone bei der "News of the World" gängige und von oberster Stelle erlaubte Praxis gewesen ist. Diesen Vorwurf bestreiten die während dieser Zeit verantwortlichen Chefredakteure Rebekah Brooks und Andy Coulson vehement und behaupten, nichts gewusst zu haben. Inzwischen werfen Parlamentarier dem "News"-Management vor, das Parlament systematisch belogen zu haben. Sie fordern außerdem eine Untersuchung der Londoner Polizei, die bestochen worden sein soll, um den Vorwürfen nicht weiter nachzugehen. Derweil entschloss sich News Corp.-Chef Rupert Murdoch zu der ungewöhnlichen Maßnahme, eine Stellungnahme in der "News" zu veröffentlichen, in der er alle Vorwürfe bestritt.

Welche Auswirkungen könnten die Enthüllungen auf News Corps Aktivitäten in Großbritannien haben?
Die konservative Regierung sowie diverse Regulierungsbehörden gaben in der vergangenen Woche grünes Licht bezüglich News Corps vollständiger Übernahme von Großbritanniens größten Pay-TV-Anbieter BSkyB, an dem das Unternehmen bisher nur 39 Prozent der Anteile hält. Die jüngsten Enthüllungen könnten jedoch dazu führen, dass diese Entscheidungen überdacht werden. Sollten sich die neuesten Vorwürfe erhärten, wäre es der konsternierten Öffentlichkeit schwer zu vermitteln, warum ausgerechnet ein skandalgeschütteltes Unternehmen wie News Corp. künftig inklusive seiner drei Zeitungen ein Medienimperium kontrollieren soll, das doppelt so groß wäre wie die BBC. Das Medienkontrollorgan Ofcom hat bereits verkündet, die polizeilichen Ermittlungen zu verfolgen und gegebenenfalls die Genehmigung der Übernahme zu überdenken. Derweil weigern sich immer mehr Firmen, Anzeigen in der "News of the World" zu veröffentlichten, darunter Ford, Mitsubishi, Lloyd Banking und Virgin Holidays.

Welche Rolle spielt Großbritanniens Premierminister David Cameron (Foto) in der Affäre?
Der Skandal bedroht auch zunehmend die konservative Regierung von Premierminister David Cameron. Schließlich unterhält dieser enge Beziehungen zu Rupert Murdoch und seiner Familie. Ohne die Unterstützung der Murdoch-Blätter "The Sun", "The Times" und eben "News of the World" wäre Cameron vermutlich niemals zum Staatschef gewählt worden. Camerons erster Besucher, den er nach seiner Wahl in der Downing Street empfing war Rupert Murdoch. Cameron und seine Frau Samantha sind enge Freunde der ehemaligen Chefredakteure der "News of the World", Rebekah Brooks und Andy Coulsen, ebenso wie der Murdoch-Schwiegersohn Mathew Freud. In Brooks' Anwesen in Oxfordshire traf sich Cameron vergangene Weihnachten mit James Murdoch zum Essen. Cameron machte Coulson zum Regierungssprecher, ehe dieser wegen dem Abhör-Skandal zurücktrat. Kritiker beklagen deswegen seit geraumer Zeit, dass die Cameron-Administration einen Pro-Murdoch-Kurs fährt, um sich für die mediale Unterstützung im Wahlkampf zu revanchieren. Doch Forderungen, sich öffentlich vom Murdoch-Clan zu distanzieren, gestalten sich als schwierig. Vermutlich verfügen Brooks und Co. über sensible Informationen über Cameron, die eine Gefahr für die Regierung wären.

Mehr dazu:

- Themenseite des "Guardian"
- Themenseite der Huffington Post UK
- New York Times: Murdoch Facing Parliament's Ire in Hacking Case (06.07.2011)
- New York Times: The Murdoch Style, Under Pressure (06.07.2011)