Neuer CEO: Bringt Dorsey Twitter zurück in die Erfolgsspur?

12.06.2015

Jack Dorsey, CC by David Shankbone

Gestern wurde überraschend bekannt, dass Twitters CEO Dick Costolo seinen Chefposten räumen wird. Obwohl Costolo noch vor wenigen Wochen bei öffentlichen Auftritten äußerte, mit dem Vorstand auf einer Wellenlänge zu sein und im Hinblick auf seine Führungsrolle optimistisch in die Zukunft blickte, wurde der Druck nun offenbar zu groß und Costolo trat zurück. Das Unternehmen hat seit geraumer Zeit mit Problemen zu kämpfen, insbesondere der schwachen Nutzerentwicklung und einem niedrigen Aktienkurs, der deutlich unter dem Ausgabepreis beim Börsengang liegt. Dies hat wiederum zu einer negativen Berichterstattung in der Wirtschaftspresse geführt, auf die das Unternehmen nun mit der Berufung von Jack Dorsey, CEO von Square und einer der ursprünglichen Gründer reagiert hat. Dorsey, eine Interimslösung bis ein neuer CEO gefunden wird, hat die Aufgabe Twitter von einer App, die fast einschließlich von Celebrities und Heavy Users (oder auch VITs, Very Important Twitteres) genutzt wird zu einem Massenmedium zu transformieren. Einige Aktionäre fordern deshalb eine radikale Umgestaltung der Benutzeroberfläche. Auch über einen anstehenden Verkauf von Twitter (etwa an Google) wird immer wieder spekuliert.

Costolos Bilanz
Das größte Verdienst von Dorseys Vorgänger ist sicherlich der erfolgreiche Börsengang im Jahr 2013 sowie die von vielen Beobachtern nicht für möglich gehaltene Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Zwar hat Twitter in den beiden zurückliegenden Geschäftsjahren Verluste gemacht, kann dafür aber ein 74-prozentiges Umsatzwachstum im letzten Jahr vorweisen. Die Einführungsrate von neuen Twitter-Produkten und Applikationen hat sich in den letzten Monaten signifikant erhöht. Die Übernahme der Videostream-App Periscope gilt in diesem Zusammenhang als die wohl wichtigste Maßnahme in der jüngeren Geschichte des Unternehmens.
Costolo hat es jedoch nicht geschafft, die Anzahl der Nutzer über die gegenwärtige Schwelle von 300 Millionen zu bringen. Damit ist Twitter im Vergleich zu Facebook und seiner Userbase von einer Milliarde Menschen weiterhin ein Nischenprodukt. Besonders fatal: eine Milliarde Menschen haben sich in den vergangenen Jahr einmal bei Twitter angemeldet, haben ihre Nutzung jedoch wieder eingestellt. Chris Sacca, der größte Twitter-Aktionäre, hat in einem Blog-Eintrag eindeutig Twitters Benutzerunfreundlichkeit als Hauptgrund identifiziert: Für einen nicht-prominenten, die Platform nicht exzessiv aufsuchenden Menschen ist Twitter zu schwer zu benutzen. User senden keine Tweets, weil sie nichts zu sagen haben und meist kein Feedback auf ihre Aktivitäten erhalten. Für viele ist Twitter deshalb eine einsame Erfahrung, wobei selbst das passive Lesen seiner Twitter Timeline aufgrund fehlender Relevanzfilter anstrengend sein kann.

Zeit für Reformen?
Jack Dorsey, der weiterhin parallel den mobilen Bezahldienst Square leiten wird, muss nun versuchen, Twitter relevanter und einfacher zu machen. Er könnte sich dabei an den Vorschlägen von Sacca orientieren, die unter anderem die Einführung von nach Themen geordneten Kanälen vorsehen. Die jeweiligen Tweets würden in Saccas Modell von Redakteuren kuratiert werden und de facto separate Tabs oder Webseiten, für die man sich nicht einmal anmelden müsste. Insbesondere bei Live-Events sollten die Schauspieler einer Serie oder beispielsweise Sportkommentatoren Live-Tweets versenden. Auch über eine Umstrukturierung der individuellen Twitter-Timelines hat Sacca nachgedacht. Er schlägt vor, die Tweets nicht unbedingt nach Neuheit sondern Relevanz zu ordnen, da ständige Beobachtung nötig ist, um wichtige Tweets zu verpassen. Zudem sollten die User zumindest darüber informiert werden, wenn Prominente ihre Tweets gelesen haben. So würde die als einsam erfundenen Twitter-Sessions zumindest teilweise aufgewertet. An der bewährten 140-Zeichen-Länge von Tweets wird Dorsey wohl nichts ändern. Als erste Amtshandlung wurde jedoch bekannt gegeben, die entsprechende Grenze von Direktnachrichten zwischen Userns aufzuheben.