Netflix Film-Offensive: Angriff auf das Kino-Geschäftsmodell

02.10.2014

Netflix plant, in den kommenden Jahren drei Milliarden US-Dollar für eigenproduzierte Serien und Filme auszugeben. Neben neuen Serien-Formaten ("King Kong", "Marco Polo") wurden in den vergangenen Tagen erste Details bezüglich des Eintritt in die Spielfilmproduktion bekannt: So wird das Streaming-Unternehmen gemeinsam mit der Weinstein Company einen Nachfolger des Martial Arts Epos "Crouching Tiger, Hidden Dragon" produzieren, der zeitgleich zum Stream angeboten und in IMAX-Kinos ausgestrahlt wird. Außerdem wurde ein Vertrag mit Hollywood-Star Adam Sandler über vier Filme abgeschlossen, nachdem eine Auswertung der Nutzerdaten ergab, dass Sandler-Werke zu den meistgesehenen Filmen auf Netflix zählen. Während die Film-Offensive einen weiteren Meilestein für Netflix-CEO Reed Hastings (Foto) auf dem Weg vom reinen technischen Dienstleister zum Filmstudio darstellt, sind die großen Kino-Ketten alles andere als erfreut. Sie befürchten nicht weniger als den Anfang des Ende eines jahrzehntelangen auf Exlusivität beruhenden, hochprofitablen Geschäftsmodells.

Netflix verspricht sich von den Hollywood-Filmen neben Exklusivität vor allem eine weitere positive Publicity. Das "Crouching Tiger"-Sequel etwa wird nur ein Zehntel der Produktionskosten der 100 Millionen US-Dollar pro Staffel teueren Vorzeige-Serie "House of Cards" veranschlagen. Die Kooperation mit IMAX garantiert zudem eine Ausstrahlung in ausgewählten Kinos, damit der Event-Charakter der Filme bewahrt bleibt. In ausländischen Märkten, in der US-Filme in der Regel erst mit Verspätung ausgestrahlt werden, könnte Netflix die Streaming-Premiere hinauszögern und stattdessen auf eine exklusive Kino-Austrahlung setzen. Damit würde Netflix in Europa auf lange Sicht zu einem wichtigen Player in den nationalen Kinomärkten avancieren. Was für die Produktion von Serien gilt, trifft nun offenbar auch auf Filme zu: Netflix ist davon überzeugt, aufgrund seiner Nutzerdatenauswertung besser zu wissen, was die Zuschauer sehen möchten. Die von Kritikern regelmäßig vernichteten (und an den Kino-Kassen zuletzt gefloppten) Adam Sandler-Filme treffen anscheinend den Nerv der Mehrheit der Netflix-Kunden.

Kino-Ketten in den USA haben bereits massiven Widerstand gegen die Pläne angekündigt. So ließ einer der Marktführer, Cineplex, verlauten, dass "Crouching Tiger" keinesfalls in den 20 kanadischen IMAX-Filialen ausgestrahlt werden wird (IMAX kann jedoch eigentlich selbst entscheiden, welche Filme in ihren Kinos laufen). Grund ist die Verteidigung des exklusiven, drei Monate dauernden Zeitfensters, in dem Hollywood-Filme in der Regel nur in Kinos gezeigt werden dürfen. Sollte Netflix dieses Modell aufweichen, könnten die ohnehin von Zuschauerrückgängen betroffenen Kino-Ketten weitere Umsatzeinbußen verzeichnen.