Medienkonzerne in Identitätskrise

29.04.2009

Die Umsätze der 50 größten Medienkonzerne der Welt haben im Geschäftsjahr 2008 stagniert. Sie setzten zusammen 362,03 Milliarden Euro um, nachdem der Gesamtumsatz der Medienhäuser im Vorjahr bei 360,88 Milliarden Euro gelegen hatte. Zu diesem Ergebnis kommt das vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik erstellte Ranking, das die Umsatzstärke der weltweit führenden Medienkonzerne abbildet. Präsentiert werden die Ergebnisse in der Online-Datenbank des Instituts.

Time Warner führt das Medienkonzern-Ranking auch in diesem Jahr an. Der Umsatz des US-amerikanischen Konzerns schrumpft allerdings kontinuierlich. Time Warner kam 2008 auf 31,9 Milliarden Euro Umsatz, nach 33,7 Milliarden Euro im Jahr 2007 und 34,6 Milliarden Euro im Jahr 2006. Seinen Spitzenplatz im Ranking der weltgrößten Medienunternehmen wird Time Warner wohl in Zukunft verlieren, da der Konzern grundlegend umstrukturiert wird. Das Unternehmen trennte sich im März 2009 von seiner Kabelnetzsparte, die im vergangenen Jahr noch gut 17 Milliarden US-Dollar Umsatz erzielte. Auch eine Ausgliederung von AOL steht derzeit zur Diskussion. Für das aktuelle Ranking musste aus methodischen Gründen der Status Quo im Jahr 2008 zu Grunde gelegt werden, so dass Time Warner noch einmal den ersten Platz belegt.

„Dies ist für die Medienkonzerne keine normale Konjunkturkrise, die nur mit dem Sparkurs der Werbewirtschaft oder der Konsumzurückhaltung zu erklären wäre. Vielmehr kommen der technologische Wandel, die ökonomischen Umwälzungen und eine Identitätskrise zusammen“, sagt Lutz Hachmeister, Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik. Die Identitätskrise erschüttere das Selbstverständnis der Medienkonzerne und zwinge sie mehr und mehr zurück in die Produzentenrolle.

In der Rangliste des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik folgen nach Time Warner der Unterhaltungskonzern Walt Disney (2008: 25,7 Mrd. Umsatz/2007: 25,7 Mrd. Euro) auf Platz 2, der Kabelgigant Comcast (2008: 23,3 Mrd. Euro/2007: 22,4 Mrd. Euro) auf Platz 3, News Corp. (2008: 22,4 Mrd. Euro/2007: 20,8 Mrd. Euro) auf Platz 4 und Viacom/CBS (2008: 19,4 Mrd. Euro/2007: 19,9 Mrd. Euro) auf dem fünften Rang.

„Die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise schlagen sich im aktuellen Ranking gerade bei den US-amerikanischen Medienkonzernen nieder“, sagt Thomas Schnedler, Projektleiter der Mediendatenbank am Institut für Medien- und Kommunikationspolitik. So hätten beispielsweise Time Warner und Rupert Murdochs News Corp. zum Jahreswechsel Quartalsverluste in Milliardenhöhe verbucht. Walt Disney habe im Ende Dezember abgeschlossenen Geschäftsquartal einen Gewinneinbruch um fast ein Drittel verkraften müssen. „Relativ stabil sind hingegen im internationalen Vergleich die öffentlich-rechtlichen Sender sowie die Telekommunikationsunternehmen, die sich über strategische Partnerschaften Inhalte sichern und im Ergebnis zu mächtigen Full-Service-Anbietern werden könnten“, so Schnedler.

In diesem Jahr wird daher auf www.mediadb.eu erstmals ein zusätzliches Ranking der 50 weltgrößten Kommunikationskonzerne präsentiert, das sowohl Medien- als auch Telekommunikations-, Online- und Videospielunternehmen berücksichtigt. Die Rangliste erlaubt einen direkten Vergleich der Umsatzstärke. Angeführt und dominiert wird dieses Ranking von den großen Unternehmen der Telekommunikationsbranche. Erst auf Rang 10 folgt der erste traditionelle Medienkonzern, Time Warner. Der US-amerikanische Telekommunikationsriese AT&T belegt den Spitzenplatz.

Im Ranking der 50 größten Medienkonzerne der Welt liegt die Bertelsmann AG als der größte europäische und größte deutsche Medienkonzern mit 16,1 Milliarden Euro Umsatz auf Rang sieben. Im Vorjahr belegte der Gütersloher Konzern noch Rang sechs. Auch Bertelsmann ist in den Sog der Wirtschaftskrise geraten: Das Unternehmen musste 2008 den niedrigsten Nettogewinn seit fünf Jahren hinnehmen und rechnet mit weiteren Einbußen. Vergleicht man die in den Geschäftsberichten von 2007 und 2008 ausgewiesenen Zahlen, so verbuchte Bertelsmann ein Umsatzminus von 2,64 Milliarden Euro. Zu erklären ist dies damit, dass sich das Unternehmen im vergangen Jahr von der 50-Prozent-Beteiligung am Musik-Joint-Venture Sony BMG trennte und Teile des in der Direct Group gebündelten Direktkundengeschäfts verkaufte. Der Umsatz aus fortgeführten Aktivitäten blieb stabil.

Im Ranking finden sich neben der Bertelsmann AG noch fünf weitere deutsche Medienunternehmen. Auf Rang 17 liegt die ARD, das größte öffentlich-rechtliche Medienunternehmen der Welt. Sie nimmt aus Gebühren und Werbung 6,1 Milliarden Euro ein und liegt damit in diesem Jahr vor der BBC. Einen Platz in der Rangliste haben ferner die ProSiebenSat.1 Media AG (Rang 39), die Axel Springer AG (Rang 44), die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck (Rang 48) und die Hubert Burda Media Holding (Rang 50).

Herausgefallen aus der Liste der 50 größten Medienkonzerne der Welt ist das Verlagshaus der New York Times, das sich wegen der US-Zeitungskrise in schweren Turbulenzen befindet. Zu den größten Aufsteigern im Ranking gehört trotz der Finanzmarktkrise der Informationsdienstleister Thomson Reuters, der 2008 aus einer Fusion des kanadischen Unternehmens The Thomson Corporation und der britischen Nachrichtenagentur Reuters hervorgegangen ist. Der Konzern verbuchte ein Umsatzplus von fast 2 Milliarden Euro, das sich auch durch die Berechnung auf Pro-Forma-Basis erklären lässt.

Mit der Mediendatenbank wird die Studie „Wer beherrscht die Medien?“ (Lutz Hachmeister/Günther Rager, C.H. Beck, 2005) fortgeführt. Die Datenbank bietet regelmäßig aktualisierte Unternehmensporträts und analysiert die medienökonomische Entwicklung. Die Medienkonzerne des Rankings sind als Unternehmen definiert, deren strategischer Fokus auf der Inhalte-Produktion in den Bereichen Print, TV, Film und Internet liegt. Die Größe eines Konzerns bemisst sich am Medienumsatz des jeweils letzten Geschäftsjahres. Basis für die Umsatzzahlen ist – soweit publiziert – der in den Geschäftsberichten ausgewiesene Betrag in Originalwährung. Zur Umrechnung in Euro wird der Mittelkurs des jeweiligen Jahres herangezogen.