Dossier: Umstrukturierungen bei Grupo Prisa

19.01.2011

Die Mediadb-Redaktion hat die aktuellen Entwicklungen rund um den spanischen Medienkonzern Grupo PRISA anhand drei Fragen analysiert:

1. Der Liberty-Fonds von Nicolas Berggruen hat die GRUPO PRISA übernommen. Was bedeutet das für den spanischen Medienkonzern - und was für die nationale Medienszene?

Am 24. November 2010 gaben der Finanzinvestor Liberty (Nicolas Berggruen) und PRISA bekannt, dass der Fonds mehr als 50 Prozent der Aktienanteile erwirbt und damit künftig die Geschicke des Konzerns kontrollieren wird. Dafür gibt Liberty 650 Millionen US-Dollar aus. In den Aufsichtsrat der GRUPO PRISA zieht unter anderem Nicolas Berggruen ein. [Update vom 28.01.10: Im Zuge der Umstruktierung wird das Unternehmen bis zum ersten Quartal 2012 2.000 Mitarbeiter in Spanien und weitere 500 in Portugal und Lateinamerika entlassen, was 18 Prozent der gesamten Belegschaft entspricht]

Die größte spanisch-sprachige Mediengruppe der Welt hat für den Deal das Prinzip des Familienbesitzes aufgeben müssen. Angesichts der Schulden, die der Konzern angesammelt hatte und der schlechten wirtschaftlichen Lage (angesichts sinkender Anzeigeneinnahmen bei allen Medien infolge der Finanzkrise), blieb der PRISA-Gruppe aber kaum etwas anderes übrig. Der Aktienwert des Unternehmens war bereits mehrfach gefallen.
Fest steht, dass die große Zeit einer der mächtigsten spanischen Familien, der Familie de Polanco, durch den Liberty-Einstieg jäh beendet wurde. Der Anteil der Familie wird von 70% auf 30% fallen, Liberty übernimmt rund 58% der Anteile des Medienriesen. Trotzdessen wird die Familie der größte einzelne Anteilseigner bleiben, da Liberty wiederum von mehreren Investoren kontrolliert wird.
Die treibenden Kräfte für den Liberty-Deal sind diesmal Berggruen, der bereits in Portugal Erfahrungen mit PRISA gesammelt hat, und Martin Franklin, Vorstandsvorsitzender des amerikanischen Konsumgüter-Konzerns Jarden.
Der Economist beurteilt den Einstieg des Finanzinvestors durchweg positiv und sieht darin eine große Chance für PRISA, da sich die Gruppe nun - ohne die Banken im Rücken -  auf ihre im Grunde profitablen Bestände (allen voran El Pais) konzentrieren kann.
Der Deal mit Liberty ist deshalb eher eine große Chance und wird dem Unternehmen helfen, seine gewichtige Position auf dem spanisch-sprachigen Medienmarkt zu halten.

2. Spaniens Nachrichtenkanal CNN+ wurde eingestellt, stattdessen kriegt Big Brother einen 24/7-Sendeplatz. Ist diese Entwicklung symptomatisch für die spanische Medienqualität und -vielfalt?

Nach 12-jähriger Kooperation sieht die GRUPO PRISA aufgrund der schlechten Einschaltquoten und hohen Verluste keinen Grund mehr, ihren Nachrichtensender CNN+ weiter zu betreiben und den Lizenzvertrag mit CNN zu verlängern. Am 28.12.2010 strahlte der Sender um 24:00 Uhr letztmalig sein Logo aus. Die Free-TV-Frequenz übernimmt nach den Wünschen der neuen Eigentümer und Miteigner der spanische Big-Brother-Ableger „Gran Hermano“, der Silvio Berlusconis MEDIASET gehört.

Die Spanier belegen im europäischen Vergleich des TV-Konsums seit Jahren einen der Spitzenplätze. 2010 sollen es laut dem Marktforschungsunternehmen Barlovento Comunicacion durchschnittlich 234 Minuten täglich gewesen sein. Wie in den meisten Industrienationen befindet sich auch das spanische TV auf Unterhaltungskurs. Insofern ist das spanische TV nicht besser oder schlechter als das europäische Durchschnittsprogramm, denn überall sind Unterhaltungsformate auf dem Vormarsch.
Dass ein Nachrichtensender ausgerechnet zugunsten einer Reality-Show eingestellt wird, ist dennoch ein bemerkenswerter Vorgang, über den sich vor allem Silvio Berlusconi freuen wird. Sein Konzern MEDIASET produziert „Gran Hermano“ und wird sicher von den zu erwartenden Einschaltquoten und Werbeeinnahmen profitieren. Die spanischen TV-Zuschauer werden CNN+ kaum vermissen. Die Zustimmung der Zuschauer hat CNN+ nie wirklich erobert, lagen doch die Einschaltquoten schon seit einiger Zeit bei rund einem Prozent. Insofern bleibt im spanischen TV-Programm alles beim Alten, der Wechsel zu Big Brother wird sich für MEDIASET und PRISA faktisch (durch die Anteile an MEDIASET) aber finanziell lohnen.

3. Silvio Berlusconi rückt vor: Bereits an mehreren Unternehmensbereichen der GRUPO PRISA ist die italienische Gruppe MEDIASET beteiligt, den Sender Cuatro hat sie komplett übernommen. Welche Auswirkungen hat die Entwicklung für das spanische TV?

Silvio Berlusconi hält sowohl im Free-TV als auch im Pay-TV-Bereich Anteile an PRISA-Töchtern - offenbar geht MEDIASET in Europa auf Expansionskurs. Am Pay-TV-Anbieter Digital+ halten die Italiener aktuell 44 Prozent, zusammen mit dem Partner Telefonica. Die Free-TV-Gruppe Cuatro hat MEDIASET durch einen Aktientausch komplett übernommen.

Ein verstärktes Engagement auf dem spanischen TV-Markt lohnt sich für MEDIASET: Bereits 2005 (allerdings noch vor der Finanzkrise) freute sich MEDIASET über einen Zuwachs der Werbeeinnahmen von 20 Prozent auf dem spanischen Markt, während die Werbeumsätze in Italien im gleichen Zeitraum nur um 1,5 Prozent wuchsen.
MEDIASET besitzt in Spanien bereits seit Längerem den Sender Telecinco. Die Fusion mit dem PRISA-Sender Cuatro wird aktuell abgeschlossen und ist spanienweit einmalig: Zum ersten Mal fusionieren zwei große private Fernsehanstalten.
Der spanische TV-Markt befindet sich folglich in der Konsolidierungsphase und reagiert damit auf die schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der letzten Zeit. Im Zuge dieser Neuordnung verliert das spanische Programm an Vielfalt, die sich wirtschaftlich aber offensichtlich auch nicht mehr getragen hat.