Chaos bei Yahoo

09.09.2011

Nachdem Yahoo-Chefin Carol Bartz am Mittwoch vom Aufsichtsrat entlassen wurde, herrscht völlige Unklarheit über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens. Insider gehen davon aus, dass Yahoo zu einem Übernahmekandidaten geworden ist und bald verkauft werden könnte. Der Aufsichtsrat wiederum bestreitet dies und sucht nach einem neuen CEO, um das Unternehmen eigenständig weiterzuführen. Allerdings sieht sich das Gremium selbst schweren Vorwürfen von Seiten der Aktionäre ausgesetzt, die ihrerseits die Entlassung des Aufsichtsrates fordern. Die Redaktion von mediadb.eu hat die wichtigsten Entwicklungen der letzten Tage zusammengefasst:

1. Ist Bartz Entlassung gerechtfertigt?
Die Trennung von Bartz ist nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten überfällig. Ihr gelang es innerhalb von zwei Jahren nicht, das Ruder beim kriselnden Onlinekonzern herumzureißen. In ihrer Amtszeit ging der Umsatz um 25 Prozent zurück. Die erwirtschafteten Gewinne verdoppelten sich zwar, liegen aber weiterhin deutlich unter den Ergebnissen aus den Jahren 2004-2006, der Hochphase des Unternehmens. Unter Bartz' Ägide zogen Google und Facebook in Bezug auf Marktanteilen aus der Online-Werbung deutlich an Yahoo vorbei.
Neben schlechten wirtschaftlichen Kennzahlen waren wohl auch Bartz Schwächen in der Menschenführung ausschlaggebend für die Entlassung. Bei Yahoo-Mitarbeitern machte sie sich unbeliebt als sie einen harten Sparkurs einläutete, Massentlassungen vornahm, sich selbst jedoch Mega-Gehälter gönnte (u.a. verdiente sie in ihrem ersten Amtsjahr inklusive Bonuszahlungen die astronomische Summe von mehr als 47 Millionen US-Dollar). Ein zusätzliches Problem war Bartz' grenzwertige Außendarstellung, die wohl nur weiter toleriert worden wäre, wenn die wirtschaftlichen Ergebnisse gestimmt hätten. So fluchte sie lauthals in Meetings und bediente sich einer unflätigen Sprache, die bei Mitarbeiter und Journalisten für Kopfschütteln sorgte. In einem nach der Entlassung geführten Interview mit Forbes bezeichnete sie die Mitglieder des Aufsichtsrates als "Idioten", die sie "verarscht" hätten. Ob Bartz aufgrund dieses Nachtretens ihre Abfindung von 10 Millionen US-Dollar erhält ist fraglich.

2. Wie stellt sich Yahoo für die Zukunft auf?
Momentan gibt der Konzern ein zerstrittenes und planloses Bild ab. Bartz' Entlassung sollte eigentlich für Ruhe sorgen und verärgerte Aktionäre beschwichtigen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Daniel Loeb, CEO des drittgrößten Anteilseigner Third Point LLC, forderte in einem Brief an die Börsenbehörde SEC die Absetzung eines Großteils des Aufsichtsrates. Dieser hatte noch vor wenigen Wochen öffentlich verkündet, an Bartz festhalten zu wollen. Der Zorn richtet sich insbesondere gegen den Vorsitzenden Ray Bostock, der Bartz eingestellt hatte und mehrfach verteidigt hatte (ehe er sie per Telefon entließ). Zwar wurde mit Tim Morse der bisherige COO zum Interims-CEO gewählt, auf den Konferenzen der letzten Tage scheint es jedoch so, dass Yahoo-Gründer Jerry Yang (Foto) wieder die Geschicke leitet. Yang kündigte entgegen den Meinungen von Wall Street-Experten an, Yahoo auf keinen Fall verkaufen zu wollen. Es wird immmer offensichtlicher, dass der Aufsichtsrat Bartz entlasse hat, ohne sich vorher Gedanken über die zukünftige Ausrichtung gemacht zu haben.

Mehr dazu:

- Guardian: Yahoo fires chief and puts itself up for sale in search for success (07.09.11)

- Allthingsd.com: Return of the Jerry? Co-founder Yang Back in Yahoo Spotlight (08.09.11)