Bloomberg: investigativer Journalismus vs. Profit

25.11.2013

Medienkonzern Bloomberg befindet sich in Folge einer Reihe von Skandalen im Umbruch. Das vom gleichnamigen Noch-Bürgermeister von New York City gegründete Unternehmen ist auf Finanzinformationen und investigative Reportagen spezialisiert. Letztere sorgen jedoch unternehmensintern immer wieder für Verärgerung, weil sie den Verkauf von Bloombergs Hauptprodukt gefährden - Terminal-Computer, die Bänker und Broker in Echtzeit mit Details zu den neuesten Entwicklungen der Finanzmärkte versorgen. Längst haben sich intern die Stimmen gemehrt, wonach der Konzern seine journalistischen Aktivitäten einstellen solle, um das Kerngeschäft nicht weiter zu gefährden. Andere plädieren hingegen dafür, den Nachrichtenarm am Leben zu erhalten. Nur so könne Bloomberg seine Glaubwürdig- und Unabhängigkeit erhalten, die für Bereitsteller für Finanzdaten essenziell ist.

Mit dem Verkauf von Terminal-Computern erwirtschaftet Bloomberg rund 85 Prozent seines Umsatzes (der für das Geschäftsjahr 2013 auf insgesamt 8,3 Milliarden US-Dollar ansteigen soll). Nur vier Prozent hingegen entfallen auf journalististische Produkte (die zudem einen jährlichen Verlust von rund 100 Millionen generieren); von den mehr als 15.500 Mitarbeitern sind nur 2.300 Journalisten, der Rest besteht aus Finanzexperten und Bänkern. Für letztere ist die Journalismussparte nichts anderes als "ein hitzköpfiges Stiefkind, das nur Ärger verursacht".

Gemeint sind Recherchen über Korruption und Klientelismus unter wirtschaftlichen Eliten, die - wie zuletzt in China - zu Umsatzeinbrüchen geführt haben. Bloomberg-Chefredakteur Matthew Winkler hatte vor zwei Wochen das Erscheinen einer Reportage über reiche chinesische Geschäftsmänner verhindert, um den Terminal-Verkauf im Wachstumsmarkt China nicht zu gefährden. Bei einer ähnlichen Story im Jahr zuvor hatten mehrere chinesische Top-Manager ihren Angestellten empfohlen, künftig auf Bloomberg-Finanzinformationen zu verzichten. Mittlerweile wurde der zuständige Autor, Michael Forsthye, entlassen; weitere 40 bis 50 journalistische Stellen werden weltweit ebenfalls gestrichen.  

Hinzu kommt, dass die Bloomberg-Journalisten auch für den im Mai diesen Jahres ans Licht gekommenen Spionage-Skandal verantwortlich gemacht werden. Denn die Ausspähung der Terminal-Aktivitäten bescherte dem Konzern ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem. Glaubt man den Vorwürfen, so wurden die 24000 Premium-Kunden (Broker, Bänker, Wirtschaftsbosse) systematisch ausspioniert und deren private Daten weitergegeben. Zudem wurden Daten wie private Telefonnummern oder Beziehungsstatus für persönliche Belange der Reporter missbraucht. Dieser Vorfall sowie die China-Affäre haben den Verkauf von Terminals weltweit rückläufig werden lassen. Nur ein Drittel der Terminal-Kunden liest regelmäßig die Reportagen und Meinungskolumnen (Bloomberg Opinion), was den betriebswirtschaftlichen Druck, die Journalismus-Sparte auf mittelfristige Sicht einzustellen, nicht mindert.

Ob dies jedoch wirklich realisiert wird, ist ungewiss angesichts der Rückkehr von Michael Bloomberg, der noch bis Ende 2013 als Bürgermeister von New York amtiert. Zwar wird Bloomberg nicht ins operative Tagesgeschäft involviert sein (Spekulationen zufolge wird er sich auf wöchentliche Meinungskolumnen bei Bloomberg View beschränken). Doch er könnte sich für die Beibehaltung des News- und Recherchearms stark machen. Es sei denn Bloomberg entscheidet sich dafür, noch einmal anderweitig große Summen in den Fortbestand von Journalismus zu investieren: Seit Jahren schon kursieren Gerüchte, er könne in absehbarer Zeit die "Financial Times" oder "New York Times" übernehmen.

Mehr dazu:
New York Times: Signs of Change in News Mission at Bloomberg (24.11.2013)