Amazon vs. Buchhändler und Verlage

19.10.2011

Das Onlineversandhaus Amazon scheint auf dem besten Weg, das weltweite Buch- und Verlagswesen zu dominieren. Im Zuge einer agressiven und expansiven Geschäftspolitik versucht das Unternehmen, konkurrierende Buchhandelsketten durch Exklusiv-Deals mit einzelnen Verlagen zu schwächen. Darüber hinaus agiert Amazon zunehmend als eigener Verlag, der tausendenden prominenten und unbekannten Autoren die Möglichkeit gibt, ihre Werke zu veröffentlichen, zu vetreiben und zu vermarkten. Setzt sich diese Entwicklung fort, bedeutet dies auf lang- und mittelfristige Sicht die Erosion des klassischen Verlagswesen. Medienkonzerne würden so einen ihrer wichtigsten Geschäfsbereiche verlieren. Die Redaktion von mediadb.eu hat die Entwicklungen zusammengefasst:

1. Amazon vs. Buchhändler
Der Markt für den Offline-Verkauf physischer Bücher wird in den USA im Wesentlichen von zwei Ketten bestimmt, Barnes & Noble sowie Books-a-Million, die in etwa 1300 bzw. 230 Filialen betreiben. Die bisher zweitgrößte Buchladenkette Borders musste im Zuge der Konkurrenz zu den Online-Verkäufen von Amazon im Sommer endgültig die Pforten ihrer knapp 400 Filialen schließen und mehr als 10000 Mitarbeiter entlassen. Da E-Reader, insbesondere Amazons Kindle, immer populärer werden, betreten viele Leser Buchläden nur noch, um dort nach Titeln zu suchen, die sie anschließend von zu Hause in elektronischer Form herunterladen. Im kommenden November veröffentlicht Amazon die neueste Version seines Readers (Kindle Fire), der neben E-Books auch sämtliche anderen bei Amazon erworbenen Medienprodukte abspielt. Um seine Marktführerschaft im E-Book/E-Reader-Segment auszubauen, forciert Amazon zudem exklusive Partnerschaften mit Verlagen. Jüngstes Beispiel dafür ist eine Kooperation mit dem Comic-Verlag DC (Tochterunternehmen des Medienkonzerns Time Warner): Amazon sicherte sich im Rahmen des Abkommens die exklusive E-Book-Veröffentlichung von mehr als 100 Graphic Novels zu, darunter auch Superman- und Batman-Titel. Barnes & Nobles (produziert mit dem "Nook", einen eigenen E-Reader) und Books-a-Million entschieden sich daraufhin, die gedruckten Versionen der Comics aus Protest aus ihren Läden zu entfernen. Comic-Fans protestierten ebenfalls und zeigten sich entrüstet darüber, dass sie die Werke nun nur noch per Kindle lesen können (und nicht etwa über z.B. ein iPad). Exklusive Vertriebswege entsprechen einem aktuellen Trend in der Buchbranche. Auch die Autorin J.K. Rowling entschied sich, die E-Book-Versionen ihrer immens populären "Harry Potter"- Reihe exklusiv über ihre Website Pottermore zu vertreiben.

2. Amazon vs. Verlage 
Nachdem Autoren Amazon bereits seit geraumer Zeit als Plattform benutzen, um ihre Werke in Eigenregie als Kindle-Versionen zu veröffentlichen, wagt Amazon in diesem Herbst erstmals den Schritt in das klassische Verlagswesen. Mehr als 120 neue Werke prominenter Autoren werden von Amazon sowohl als gedruckte als auch als elektronische Versionen vermarktet und verkauft. Mit hohen Vorschüssen versucht das Unternehmen prominente Autoren von Großverlagen abzuwerben. Die New York Times zitiert in diesem Zusammenhang einen Verlagsvertreter, der zugibt, die Branche sei "in Panik verfallen und weiß nicht, was zu tun ist". Die etablierten Autoren ebenso wie die Amateur-Schriftsteller bekommen bei Amazon denselben Rundum-Service, wie sie ihn bisher nur große Verlage anbieten konnten. Dabei wird der Agent, das Bindeglied zwischen Autor und Verlag, zunehmend obsolet. Amazon-Autoren können direkt mit ihren Fans kommunizieren und müssen deshalb nicht unbedingt eine landesweite Buch-Tour antreten. Zudem können sie auf Nielsen-Statistiken zurückgreifen, die ihnen mitteilen, wieviele Exemplare in welcher geographischen Region verkauft worden sind. Auch Rezensionen prominenter Kritiker spielen eine immer geringere Rolle. So konnte der hierzulande eher unbekannte deutsche Autor Oliver Pötzsch 250 000 Exemplare seiner historischen Romane verkaufen, ohne dass diese von Zeitungen und der Fachpresse lobend erwähnt wurden. Etablierte Verlage wurden auf Pötzsch erst im Zuge seiner Amazon-Popularität aufmerksam.

Mehr dazu:

New York Times: In a Battle of the E-Readers, Booksellers Spurn Superheroes (18.10.2011)

Die Zeit: Amazon wird Verleger (17.10.2011)