YouTube-Boykott weitet sich aus

27.03.2017

Google Chairman Eric Schmidt. CC BY 3.0 (Guillaume Paumier)

T-Mobile-Werbung vor Abtreibungsvideos, Minecraft-Banner über Videos zum Thema Kokain und Werbespots von Pharmakonzern Novartis als Intro eines Videos mit dem Titel "Feminismus ist ein Krebsgeschwür" - Google und sein Display-Werbearm DoubleClick scheinen die Kontrolle über die zielgruppen-optimierte Anzeigenplatzierungen verloren zu haben. Nachdem sich nun auch US-Firmen wie PepsiCo, Walmart und Starbucks dem zuvor nur britischen YouTube-Boykott angeschlossen haben, muss der größte Medienkonzern der Welt sich erstmals mit Umsatzrückgängen aus seinem Werbegeschäft auseinandersetzen. Zwar hatten sich Google-Vertreter bereits vergangene Woche offiziell für die Falsch-Platzierungen entschuldigt und Bessererung gelobt. Doch die Affäre wirft nun ein kritisches Licht auf die von dubiosen und instransparenten Algorithmen dominierte Online-Werbepraxis, die offenbar über Jahre hinweg ihren Klienten ein präzise Zielgruppen-affine Schaltung von Anzeigen versprach, die es in dieser Form niemals gab. Die von Nordamerika-Chef Phillip Schindler veröffentlichte Pressemitteilung und das TV-Interview mit Alphabet-Vorstandsvorsitzenden Eric Schmidt jedenfalls konnte die werbetreibenden Firmen bisher nicht beruhigen. Solange YouTube nicht sicherstellen können, dass sich Fehlschaltungen in Zukunft nicht wiederholen, werden Pepsi und Co. sowie deren Mediagenturen bis auf weiteres Abstand von Google nehmen.

Es wird immer deutlicher, wie undurchsichtig die auf einzelne Internetuser zugeschnittene Onlinewerbepraxis für Firmen geworden ist. Diese spielt sich nicht mehr zwischen Webseiten und Firmen ab, sondern über teilweise anonymisiert operienden Online-Auktionsplattformen, die selbst nicht wissen, auf welcher Webseite die jeweilige Display-Werbung erscheinen wird. Eine Fallstudie zu diesem Thema lieferte gestern die New York Times, anhand des Beispiels Breitbart News. Firmen, die merkten, dass ihre Produkte auf dem rechtsexstremen Nachrichtenportal beworben wurden, hatten bereits Ende letzten Jahres ihre Werbe-Networks gebeten Breitbart zu blocken - manche Anzeigen erschienen jedoch weiterhin dort.

Traditionelle Medienkonzerne, denen Google und Co. Werbemarktanteile streitig gemacht haben, wittern angesichts der Kontroverse um unangemessenen Content und Fake News nun ihre Chance. Ausgerechnet Rupert Murdochs News Corp. hat sich nun an die Speerspitze der momentanen Anti-Google-Welle gestellt. So war es Murdochs Times of London, die erstmals über die ungenauen Werbeschaltungen berichtete (dass News Corp. einen zehn Millionen Euro schweren Anteil an DoubleClicks Konkurrent AppNexus hält, wurde dabei nicht erwähnt). Doch es war der Daily Mail, der bisher die größte Kampagne gegen Google gefahren hat. Das Flagschiff des Medienkonzerns DMGT bezeichnete Google als "Freunde der Terroristen."