Wall Street Journal mit eigener Enthüllungsplattform: Hintergründe

06.05.2011

Seit gestern ist SafeHouse, die neue Whistleblowing-Plattform des Wall Street Journals, online. Im Zuge der Enthüllungen, die in den vergangenen Monaten von Vorreiter WikiLeaks veröffentlicht wurden, erhofft sich das Wall Street Journal - das im Gegensatz zu Konkurrent New York Times von den Wikileaks-Machern bei der Enthüllung von Staatsgeheimnissen systematisch ignoriert worden ist - Hinweise auf Misstände zu erhalten, die dann von Redakteuren journalistisch aufbereitet werden. Weitere Medien, die inzwischen ähnliche Portale gelauncht haben, sind in Deutschland die WAZ-Gruppe sowie in der Arabischen Welt der Nachrichtensender Al Jazeera.

1. Wie sicher ist SafeHouse?
Die Macher des Portals versicherten im Vorfeld, größtmöglichste Anstrengungen unternommen zu haben, die Idenität von potentiellen Quellen und Informanten zu schützen. So läuft die Seite auf eigenen Servern, die nicht zu der Wall Street Journal-Homepage gehören. Ferner soll eine verschlüsselte Datenübertragung den anonymisierten Upload von sensiblen Daten ermöglichen. Doch trotz dieser Ankündigungen macht SafeHouse seinem Namen bisher noch keine Ehre. IT-Sicherheitsexperten, die SafeHouse unmittelbar nach Launch getestet haben, stellen der Plattform ein desaströses Zeugnis aus. Die Anonymität von Besuchern, die zunächst die unverschlüsselte Version der Seite besuchen um dann auf die verschlüsselte Seite zwecks Dateiupload gehen, sei nur unzureichend beschützt. Zudem bietet SafeHouse keinen SSL-zertifizierten Datentransfer an, wie er etwa bei Onlinebezahlsystemen wie PayPal gängig ist. Dieser Mangel könnte es Hackern ermöglichen, eine exakte Kopie der SafeHouse-Seite zu erstellen, etwa um Whistleblower zu täuschen und zu überführen.

2. Wie bewertet die Blogosphäre das neue Portal?
Erste Reaktionen von Bloggern fallen ebenfalls negativ aus. Hauptkritikpunkte setzen hierbei an den Geschäftsbedingungen an, denen User zustimmen müssen. So ist in den Bedingungen zu lesen, dass SafeHouse für keine illegalen Zwecke benutzt werden darf und Benutzer, keine Dokumente hochladen sollen, die gegen Gesetze und die Rechte anderer Personen verstoßen. Angesichts solch restriktiver Vorgaben, so Kritiker, könne SafeHouse gar keinen Whistleblowing-Auftrag erfüllen, sondern sei eher ein Portal für die Verbreitung von Pressemitteilungen. Weil in den Geschäftsbedingungen von SafeHouse zu lesen ist, dass die Macher der Seite die US-Gesetze respektieren, können die Identitäten von Whistleblowern von der Redaktion nur so lange beschützt werden, bis sich die Regierung einschaltet und von SafeHouse die Herausgabe seiner Nutzerdaten befiehlt.
Ein anderer Kritikpunkt bezieht sich auf den Fakt, dass SafeHouse Teil des Wall Street Journals ist - die konservative Wirtschaftszeitung ist Teil des Medienimperiums von Rupert Murdoch (News Corp.) und gilt unter Dissidenten nicht unbedingt als Quelle von kritischen Journalismus, die sich regelmäßig mit der US-Regierung anlegt. Ironischerweise kündigte Julian Assange, Chef und Gründer von WikiLeaks, im Januar 2011 an, im Besitz von kompromittierenden Akten über News Corp. zu sein.

Warum starten immer mehr Medien ihre eigenen Enthüllungsplattformen?
Für Medienkonzerne, die ein zwiespältiges Verhältnis zu Enthüllungsplattformen wie Wikileaks haben,  sind Datenleaks in Kombination mit journalistischer Aufbereitung und eigener Recherche mittlerweile zu einem lukrativen Geschäft geworden. Die "New York Times", der britische "Guardian" sowie der Spiegel konnten im Zuge der Kooperation mit Wikileaks und der eigenen Berichterstattung über die diversen Enthüllungen im vergangenen Jahr signifikant ihre Verkaufszahlen erhöhen. Insbesondere der Spiegel profitierte von denen im Vorfeld von WikiLeaks zugespielten Diplomaten-Depeschen. Das entsprechende Titelheft konnte sich im Dezember 2010 rekordverdächtige 1,1 Millionen Mal verkaufen.

Mehr dazu:

- The Atlantic: The Wall Street Journal Launches a WikiLeaks Competitor, SafeHouse (05.05.2011)
- DailyKos: Newscorp. WikiLeaks "Competitor" WSJ SafeHouse is Anything But (05.05.2011)
- The Guardian: Wall Street Journal faces backlash over WikiLeaks rival (06.05.2011)