Übernahmeschlacht in der Musikindustrie

29.03.2011

Die Musikindustrie befindet sich seit Jahren im Umbruch. Neue Geschäftsmodelle - Online-Flatrates, Musik-Clouds oder die Komplettvermarktung (sog. "360"-Management) von Künstlern sollen den rückläufigen Verkauf von physischen Tonträgern auf Dauer ausgleichen. Derweil tobt in der Branche, die mittlerweile von Banken, Private Equity und milliardenschweren Investoren dominiert wird, eine zunehmend unübersichtlicher Übernahmeschlacht, an deren Ende es anstatt vier großer Plattenfirmen ("The Big Four") nur noch drei oder zwei geben könnte. Die Redaktion von mediadb.eu hat die Konzentrationstendenzen sowie die wirtschaftliche Situation in der Musikindustrie zusammengefasst und analysiert:

1. Medienkonzerne, Plattenfirmen, Private Equity-Firmen, Investoren, Banken - Wer will wen übernehmen?
Im Januar diesen Jahres beauftragte die weltweit drittgrößte Plattenfirma Warner Music die Investmentbank Goldman Sachs damit, Käufer für das gesamte Unternehmen bzw. seine Musikverlag Warner/Chapell zu finden. Zu den potenziellen Interessenten zählen mittlerweile Konkurrenten aus der Musikindustrie wie Universal (Vivendi), Sony und BMG Rights Management (Bertelsmann im Verbund mit der Private Equity-Firma KKR) sowie reiche Individuen wie der russische Öl-Magnat Len Blavatnik (Access Industries), der Supermarkt-Ketten-Betreiber Ron Burkle (Yucaipa Companies) oder Napster-Gründer Sean Parker, der über seinen Facebook-Anteil mittlerweile Milliardär geworden ist. Warner Music selbst wurde von einem Investoren-Konsortium um den ehemaligen Vivendi Universal-Vize Edgar Bronfman Jr. 2003 für 2,5 Milliarden US-Dollar vom Medienkonzern Time Warner übernommen und als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht. Der Verkaufspreis soll deutlich über 2,5 Milliarden US-Dollar liegen.
Doch die Universal Music Group und ihr Chef Bronfman, der jüngst wegen Insider-Handel im Rahmen seiner Rolle beim Vivendi-Bankrott im Jahr 2002 wegen Insiderhandel von einem Pariser Gericht verurteilt wurde, fahren eine zweigleisige Strategie. So wurde eine andere Abteilung von Goldman Sachs damit beauftragt, den Kauf der konkurrienden Plattenfirma EMI durch Warner in die Gänge zu leiten. Dazu wurde die US-Bank Citigroup kontaktiert, die die hochverschuldete EMI Group im Februar 2011 von der Private Equity-Firma Terra Firma übernommen hatte. Bronfman und seine Investorenkollegen wollen also entweder durch den Kauf von EMI wachsen oder durch den Verkauf von Warner ihre Anteile mit Gewinn verkaufen. Eine andere Möglichkeit bestünde für Warner Music darin, nur seinen Musikverlag zu verkaufen, um mit dem Erlös für EMI zu bieten. Ebenfalls an EMI interessiert zeigt sich ein anderer Musikverlag, Sony/ATV, ein Joint-Venture zwischen Sony und dem Nachlass des verstorbenen Sänger Michael Jackson.

2. Wie ist es allgemein um die Musikindustrie im Jahr 2011 bestellt?
Das Handelsvolumen globaler Musikverkäufe sank im vergangenen Jahr um mehr als acht Prozent. Während der Umsatz aus dem Verkauf von physischen Tonträgern um mehr als 14 Prozent zurückging, stieg der Verkauf von bezahlten Musik-Downloads nur um etwas mehr als fünf Prozent. Insgesamt ging der Umsatz der Musikindustrie wischen 1997 und 2009 um 60 Prozent zurück. Laut Bundesverband der Musikindustrie kommen allein in Deutschland auf jeden legalen Download acht illegale Downloads. iTunes - das einzige funktionierende Geschäftsmodell für den legalen Verkauf von Musiktiteln - hat sich mehr als Fluch denn als Segen herausgestellt. So profitiert vor allem Apple durch seine hohen Transaktionsgebühren und Nutzer tendieren dazu lieber einzelne Songs als komplette Alben zu verkaufen. Der Verkauf der Musik neuer Künstler ist - im Gegensatz zum nach wie vor lukrativen Verlagsgeschäft - so zu einem sogenannten penny business geworden, in dem nur noch vergleichsweise wenig Gewinn erwirtschaftet werden kann. Die meisten zeitgenössischen Künstler verdienen ihr Geld heute in erster Linie mit Merchandise, Tourneen und Werbeauftritten - einen Markt, den die Labels durch sogenannte "360"-Modelle - der Komplettvermarktung von Künstlern - besetzen wollen.

Mehr dazu:

- Guardian: The sale of Warner Music highlights a turning point for the whole industry (28.03.2011)

- New York Times: Warner Music Plan: Buy or Be Bought (20.01.2011)

- paidContent: Music Sales Shed Another $1.4 Billion As Digital Growth Flattens Out (28.03.2011)