Springer und Bloomberg: Interesse an der Financial Times

22.07.2015

Update, 25.07: Überraschend hat der japanische Finanzinformationsdienstleister Nikkei den Zuschlag bekommen und für 1,3 Milliarden Euro die Financial Times übernommen.

Ursprünglicher Artikel
Lange Zeit galt es als undenkbar, dass sich der britische Medienkonzern Pearson von seinem publizistischen Flaggschiff, der Financial Times, trenne würde (die langjährige Chefin des Konzerns, Marjorie Scardino, erklärte einst auf Nachfrage "nur über ihre Leiche" würde sie die FT verkaufen. Auch ihr Nachfolger John Fallon sträubte sich lange gegen einen Verkauf. Doch in Folge diverser Umstrukturierungen und aufgrund wirtschaftlichen Drucks scheint auf Dauer kein Platz mehr für das 127 Jahre alte Traditionsblatt. Gestern wurde erstmals offiziell bekannt, dass Pearson einen Käufer sucht.

Die Financial Times Group, zu der neben der gleichnamigen Wirtschaftszeitung auch noch eine Beteiligung am "Economist" gehört, ist innerhalb des Pearson-Konzerns der letzte traditionelle Medien-Geschäftsbereich; das Unternehmen ist längst zu einem Bildungsanbieter mutiert, der sich auf die Publikation von Schulbüchern spezialsiert hat. Da der Verkauf von letzteren aufgrund von vermehrt digitalen Lehrangeboten zuletzt rückläufig war, würde ein Verkauf der FT dringend benötigtes Geld in die Kassen spülen. Spekuliert wird über einen möglichen Verkaufspreis von 1,6 Milliarden - außerordentlich in Zeiten der anhaltenden Printkrise (Alex DeGroote, Analyst von Peel Hunt, kommentierte deshalb, er "wird seinen Hut essen" sollte ein solcher Preis erzielt werden). Allerdings ist die FT im Gegensatz zu vielen Zeitungen, die nicht auf Wirtschaftsthemen spezialisiert sind, hochprofitabel. Neben namentlich nicht genannten Interessenten aus dem mittleren Osten und Asien zählen Axel Springer und Bloomberg zu den aussichtsreichsten Kandidaten für eine Übernahme.

Für Springer würde die Kontrolle über die FT einen weltweiten Prestigegewinn bedeuten. Insbesondere im Onlinebereich verfügt die FT über eine internationale loyale Leserschaft, die - und das ist das wichtigste Argument für den Kauf - bereit ist, für die Nutzung der FT-Homepage zu zahlen. Die Financial Times ist eine der wenigen Qualitätszeitungen, die es neben dem Wall Street Journal momentan vormachen, wie man erfolgreich eine Paywall aufzieht. Für den Springer-Konzern, der nach dem Verkauf seiner Regionalzeitungen und Programmzeitschriften eine neue digitale Journalismusoffensive gestartet hat (mit Beteiligungen u.a. an Ozy, Business Insider, mic.com und Politico) und dem auch Interesse am Wirtschaftsmagazin Forbes nachgesagt wird, wäre der Kauf der FT der nächste logische Schritt.

Allerdings könnte Springer im Bieterwettstreit den kürzeren gegenüber Bloomberg ziehen. Gründer und seit kurzem auch wieder CEO Michael Bloomberg gilt als begeisterter "Economist"-Leser und hat in der Vergangenheit wiederholt geäußert, das Medienangebot von Bloomberg am Economist auszurichten (u.a. engagierte er 2014 dessen Chefredakteur John Micklethwait). Bloomberg, der jüngst darüber nachdachte, die Bloomberg News Website abzuschalten und Kritikern zufolge über keine kohärente Online-Strategie verfügt, könnte mit dem Kauf der FT-Gruppe zwei Probleme auf einmal lösen: Er würde mit der Financial Times und dem Economist zwei der renommiertesten Wirtschaftspubklikationen kontrollieren und würde gleichzeitig eine voll funktionsfähige Online-Publikation mit einer weltweiten Leserschaft dazu bekommen. Die Bloomberg-Homepage könnte er dann tatsächlich abschalten.