Politiken

Schon durch den Zeitungsnamen „Politiken“, so teilten deren Gründer 1884 in der allerersten Ausgabe mit, wolle man deutlich machen, dass dieses Blatt den Charakter eines politischen Kampforgans und den Anspruch der „bestmöglichen Aufklärung des dänischen Volks“ haben solle. 125 Jahre später bewiesen deren Nachfolger, dass ein Teil dieses Vermächtnisses überlebt hat: sie veröffentlichten im Herbst 2009 kurzerhand als Spezialbeilage das Buch eines im Irak- und Afghanistankrieg eingesetzten Elitesoldeten, dessen Veröffentlichung das dänische Militär gerichtlich stoppen lassen wollte.

Die „levende avis“, lebende Zeitung, so der Slogan einer Werbekampgane aus dem Jahre 1962, der jahrelang als Untertitel weiterlebte, erscheint an allen sieben Wochentagen in Kopenhagen. Die Zeitung wird vom Verlagshaus „JP/Politikens Hus“ herausgegeben, das 2.900 Angestellte (Dez. 2008) hat und in dem u.a. auch „Jyllands-Posten”, Dänemarks auflagenstärkste überregionale Tageszeitung erscheint. Mit einer Auflage von 108.000 Exemplaren (1. Halbjahr 2009) ist „Politiken“ - sieht man von den Gratistageszeitungen ab  - hinter „Jyllands-Posten” (119.500 Exemplare) und vor „Berlingske Tidende (102.000 Exemplare) die dänische Tageszeitung mit der zweithöchsten Auflage. „Politiken“ beschäftigt rund 400 Angestellte, darunter 170 Journalisten. „Politiken“ bezeichnet sich selbst als „radikal-sozial liberales Blatt“, ist aber parteipolitisch unabhängig, seitdem man 1970 nach 65 Jahren Zusammenarbeit die Verbindungen zur liberalen Partei „Det radikale Venstre“ kappte.

Basisdaten

Hauptsitz Redaktion:
Politiken
Rådhuspladsen 37
1785 København V
Telefon: (+45) 33 11 85 11
Internet: http://politiken.dk

Hauptsitz Verlag:
JP/Politikens Forlagshus A/S
Vestergade 26
1456 København K
Telefon: (+45) 33 47 07 07

JP/Politikens Hus
Grøndalsvej 3
8260 Viby J
Telefon : (+45) 87 38 38 38
Internet: http://jppol.dk/

Branche: Herausgabe von Zeitungen
Rechtsform: Aktiengesellschaft (nicht börsennotiert)
Rechenschaftsjahr: 1.1.bis 31.12.
Gründungsjahr: 2003

 

Tab. I: Ökonomische Basisdaten Verlag JP/Politiken (in Mio. DKr)
20082007200620052004
Umsatz3.5563.6603.5033.3423.072
Gewinn (Verlust) nach Steuern-136-10475167138
Eigenkapital686833943877719
Eigenkapitalverzinsung-17,9-11,88,320,921,1
Eigenkapitalanteil37,542,145,846,341,5
Beschäftigte2.9002.9152.6302.4902.420

Quelle


Auflage Politiken (1. Halbjahr 2009):  108.430 (Werktäglich), 140.008 (Sonntag)

Chefredaktion:

  • Verantwortlicher Chefredakteur: Tøger Seidenfaden
  • Redaktionschef:  Christian Lindhardt


Direktion „JP/Politikens Hus A/S“:

  • Verw.-Direktor: Lars Henrik Munch
  • Konzerndirektor: Torsten Bjerre Rasmussen
  • Konzerndirektor: Jens Bruun


Besitzverhältnisse: JP/Politikens Hus A/S ist Eigentum der “Jyllands-Posten Holding A/S“ (50 Prozent) und der „A/S Politiken Holding“ (50 Prozent). Hinter beiden stehen jeweils Fondseigentümergesellschaften.

Geschichte und Profil

„Politiken“  wurde am 1. Oktober 1884 von Viggo Hørup, Edvard Brandes und Hermann Bing gegründet. Die Startauflage lag bei 2.000 Exemplaren. Hørup und Brandes waren zwei Journalisten, denen ein Jahr zuvor bei „Morgenbladet“, der Parteizeitung der liberalen „Venstre“ aufgrund eines als „beleidigend“ angesehenen Artikels über den dänischen Theologen und Psalmdichter N.F.S Grundtvig gekündigt worden war. Sie taten sich darauf mit Hermann Bing zusammen, der über die notwendigen finanziellen Mittel zur Gründung einer neuen Zeitung verfügte. 

Laut einer eigener Aussage wollte „Politiken“ ein „idealistisches Projekt“ und „ein Organ zur bestmöglichen Aufklärung des dänischen Volkes“ sein. Die Zeitung wurde schnell ein ebenso kontroverses wie erfolgreiches Produkt. Sie polemisierte treffsicher gegen Konservative und Nationalliberale, gegen soziale Priviliegien, Nationalismus und Militarismus und hatte den Ruf, eine moderne Großstadtzeitung zu sein. Nach dem Ausscheiden des ersten Chefredakteurs Viggo Hørup (1901) und einer Übergangsphase mit dem Mitbegründer Edvard Brandes an der Spitze, übernahm 1905 Henrik Cavling das Steuer. Cavling, der 1886 als „reisender Korrespondent“ zur Zeitung gestoßen war, später als Reporter arbeitete und sich nach eigener Aussage in Gesellschaft von Landstreichern wohler fühlte, als in der von Spießbürgern. Er sollte einer der berühmtesten und angesehendsten dänischen Journalisten werden. Der dänische Journalistenverband benannte den „Cavling-Preis“ nach ihm, der seit 1946 für journalistische Spitzenleistungen vergeben wird. Die ursprünglich 85 cm hohe und aufgeschlagen 108 cm breite „Politiken“, die man in Cafés und Restaurants nur mit Hilfe eines Bambusgestells lesen konnte, machte er schmaler und kürzer. Inhaltlich verbreiterte er „Politiken“ dagegen. Die Zeitung, die auch Sprachrohr der 1905 gegründeten sozialliberalen „Radikalen Venstre“ war, machte Cavling zur ersten dänischen „Omnibus“-Zeitung nach englischen und amerikanischen Vorbildern: mit einem breiten Spektrum journalistischer Genres, wie Nachrichten, Hintergrundartikeln, Analysen, Kommentaren, Sport- und Modereportagen, Leserbriefen und Kulturartikeln. Eine tägliche „Chronik“-Spalte wurde eingeführt, in der Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler Raum eingeräumt wurde, ihre Ansichten ohne Rücksicht auf den parteipolitischen Standort der Zeitung auszudrücken.

Cavling verbannte die Annoncen von der ersten Seite, stattdessen tauchten dort auch schon einmal Kriminalfälle auf und selbst Kulturnachrichten konnten zu Titelgeschichten werden. „Politiken“ warb damit, Auslandskorrespondenten in „allen Weltstädten“ zu haben. Cavling verpasste „Politien“ ein neues, luftigeres Layout und stellte 1908 den ersten dänischen Pressefotografen ein. „Populistisch“ lautete ein häufiger Vorwurf für ein solches, in dieser Art in Skandinavien bis dahin unbekanntes Presseprodukt, das neue Leserkreise erschloss. „Politiken“ erreichte vor dem 1. Weltkrieg eine in Dänemark bis dahin einmalige Auflagenhöhe von über 51.000 Exemplaren an Werk- und 63.000 an Sonntagen. 1912 zog die Redaktion in neue Räume direkt am kopenhagener Rathausplatz um, wo sie auch heute noch residiert.

Eine urspünglich anlässlich des Krieges zwischen Japan und Russland herausgegebene spezielle „Politiken“-Beilage, „Politikens Ekstra Blad“, die am 12. Februar 1904 erstmals erschien und Telegramme vom Kriegsschauplatz beinhaltete, wurde ab Anfang 1905 zu einer selbständigen Zeitung mit unabhängiger Redaktion umgewandelt. Als „Ekstra Bladet“ erschien sie seither im Verlag „Politikens Hus“.

Ihre sozialliberale Linie führte „Politiken“ nach dem 1. Weltkrieg in ihre bis dahin schwerste wirtschaftliche Krise. Auf Druck der Wirtschaft hatte der dänische Monarch Christian X. 1920 im Gefolge der sogenannten „Osterkrise“ die sozialradikal-sozialdemokratische Regierung unter Ministerpräsident Carl Theodor Zahle abgesetzt. Die Gewerkschaften riefen zu einem Generalstreik auf, nahmen davon aber ausdrücklich „Politiken“ aus, weil die Zeitung sich in ihren Spalten gegen den von ihr als verfassungswidrig angesehen Staatsstreich des Königs ausgesprochen hatte. Weil „Politiken“ weiter erscheinen konnte, wurde sie von den anderen Medien und den bürgerlichen Parteien beschuldigt, ein „Generalstreikblatt“ zu sein. Die Wirtschaft rief zu einem organisierten Annoncenboykott auf, mit dem „Politiken“ noch jahrelang zu kämpfen hatte. Die Auflage sank zwischen 1920 und 1922 von 73.000 auf 59.000 und ein verweigerter Bankkredit bedeutete beinahe das Aus für die Zeitung.

Private Gelder retteten „Politiken“ schließlich und die Zeitung wurde in den zwanziger Jahren zum wichtigsten politischen und kulturellen Debattenforum in Dänemark. Ab 1922 erschien die sonntägliche Kulturbeilage „Magasinet“, die populärwissenschaftliche Texte, Artikel, die speziell eine weibliche Leserschaft ansprachen, Wettbewerbe für Erwachsene und Kinder, Gedichte und ein umfangreiches Feuilleton enthielt. Motorjournalismus, Filmartikel und bald eine eigene Beilage für das neue Medium Radio folgten. Die Redaktion wurde weiter ausgebaut und setzte einen Schwerpunkt auf umfassende Auslandsberichterstattung, aktuelle Reportagen und Hintergrundmaterial.

Die nächste grosse Krise sollte 1940 kommen. Dänemark war vom Dritten Reich besetzt, die Zeitung stand unter deutscher Zensur. Am 28. April erschien in „Politiken“ ein Kommentar, in dem der britsche Premierminister Winston Churchill als „gefährlicher Mann“ bezeichnet wurde. „Politiken“ handelte sich damit den Ruf ein, ein Besatzungsblatt zu sein und die Reaktion ließ nicht auf sich warten: Binnen weniger Wochen verlor die Zeitung 15.000 Abonnenten und ein Zehntel ihrer bisherigen Auflage. Nach dem Krieg stieg die Auflage zwar im Zuge der durchweg steigenden Zeitungsauflagen schnell wieder an und erreichte 1948 mit 175.000 ihren Höchststand, trotzdem musste man die Stellung als auflagenstärkste dänische Zeitung damals erstmals an die „Berlingske Tidende“ abgeben.

Ein umfassendes Zeitungssterben Ende der 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre, in dessen Folge die Zahl selbständiger Titel in Dänemark von 114 auf 68 schrumpfte, überlebte „Politiken“ zwar, hatte aber ebenfalls mit schweren wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Chefredakeure wurden in schneller Folge ausgewechselt und Stabilität kehrte erst wieder mit Herbert Pundik ein, der 1970 den Chefredakteurssessel übernahm. Er kappte die letzten Verbindungen mit der „Radikalen Venstre“ und kündigte die bisherige Zusammenarbeit offiziel auf. 

Einem Redaktionstriumvirat, zu dem neben Pundik die späteren Chefredakteure Jørgen Grunnet und Agner Ahm gehörten, gelang das Kunststück, „Politiken“ in Bezug auf die Auflage wieder zur dänischen Nummer eins zu machen - auch wenn man der konservativen Konkurrentin  „Berlingske Tidende“ nie die Stellung als führendes Anzeigenmedium streitig machen konnte. Zum Erfolg trug die damals revolutionäre Aufteilung der Zeitung in zwei Sektionen bei: Ein aktueller Nachrichtenteil und eine zweite Sektion mit Hintergrund- und Debattenmaterial.

Die Stellung als auflagenstärkste Tageszeitung verlor „Politiken“ Ende der achtziger Jahre wieder in Folge eines jahrelangen, kostspieligen Konkurrenzkampfes um neue Abonnenten, der als „Dagbladskrigen“ („Tageszeitungskrieg“) in die dänische Pressegeschichte einging. An dessen Ende hatte die vormalige Regionalzeitung „Jyllands-Posten“ nach einem Relaunch die Position als auflagenstärkste überregionale Tageszeitung übernommen und „Politiken“ war hinter „Berlingske Tidende“ auf den dritten Platz zurückgefallen.

1973 wurde der „Politiken-Fonds“ gegründet, der den wirtschaftlichen Bestand der finanziell angeschlagenen Zeitung  sichern sollte. Als Zweck wurde der Erhalt der Tageszeitungen ”Politiken” und ”Ekstra Bladet” als ”unabhängige radikal-sozialliberale Blätter und Organe für dänischen Freisinn" festgeschrieben. Die Anteilsgesellschaft, an der auch die Angestellten beteiligt wurden und die 88 Prozent der Aktiengesellschaft „Politiken Holding“ hält, ist seit 2003 zusammen mit dem „Jyllands-Posten-Fonds“ Eigentümer des Verlags „JP/Politiken-Hus“.  Seit 1993 ist Tøger Seidenfaden Chefredakteur von „Politiken“. 2006 wurde die Chefredaktion um Stig Ørskov erweitert. Er ist verantwortlich für die die digitalen Medien.

Verlagsüberblick, Management und Geschäftsfelder

„Politiken“ erscheint im Verlagshaus „JP/Politikens Hus A/S“, das zum 1. Januar 2003 aus einem Zusammenschluss der Verlage „Politikens Hus“ und „Jyllands-Posten“ entstand. Das Verlagshaus gehört zu den führenden Dänemarks und gibt drei landesweite Tageszeitungen heraus. Neben Jyllands-Posten (gegründet 1871) und „Politiken“, gibt der Verlag die Boulevardzeitung „Ekstra Bladet“ (ursprünglich eine Beilage von „Politiken“, seit 1905 ein selbständiges Blatt) heraus. Eine redaktionelle Zusammenarbeit zwischen den drei Tageszeitungen findet nicht statt. Der Konzern betont ausdrücklich, sein Ziel sei es, deren redaktionelle Eigenständigkeit und spezielle Prägung zu erhalten.

Weitere Aktivitäten des Verlagshauses sind Gratis- und Lokalzeitungen in Dänemark und Schweden, Buchverlage, TV-Produktionen, sowie unterschiedliche Aktivitäten im Bereich der digitalen Medien. Außerdem gehören zum Konzern Druck- und Vertriebssparten. Mehrere eigene Druckereien wurden in den letzten Jahren abgewickelt oder verkauft. 2009 besaß der Verlag nur noch die „Politiken Tryk Erritsø“ und  „Jyllands-Posten Tryk“.

Die drei Tageszeitungen sind die Grundsteine des Verlags, sie erwirtschaften den überwiegenden Teil des gesamten Umsatzes und schrieben trotz rückläufiger Auflage auch 2008 schwarze Zahlen. In der 100-prozentigen Tochtergesellschaft „Politikens Lokalaviser A/S“ erscheinen lokale Gratiswochenzeitungen in einer durchschnittlichen Auflage von wöchentlich zwei Millionen Exemplaren. 33 Titel erscheinen in Dänemark, 37 im benachbarten südlichen Schweden.

Neue Geschäftsmodelle und/ oder Beteiligungen

Seit 2002 versuchte „Politiken“ die rund 60.000 Menschen umfassende türkische Bevölkerungsgruppe in Dänemark mit einer Wochenzeitung in dänischer und türkischer Sprache anzusprechen. „Haber“ hatte eine zweiköpfige Redaktion, konnte aber auch auf die Ressourcen von „Politiken“ zurückgreifen und wurde ebenfalls von „Politiken“-Chefredakteur Seidenfaden geleitet. Das damals vielbeachtete und gelobte Experiment wurde im Sommer 2003 nach acht Monaten wieder abgebrochen, weil man mangels ausreichender Annoncenbelegung „nicht in die Nähe einer tragfähigen ökonomischen Basis“ (Seidenfaden) kommen konnte. Name und Rechte wurden an einen anderen Verlag verkauft, in dem „Haber“ seit 2004 als türkische Monatszeitung erscheint.

Im Juli 2006 brachte „JP/Politikens Hus“ die Gratistageszeitung „24 timer“ auf den Markt. Diese galt als Antwort auf die Pläne des isländischen Verlagshauses „Baugur Group“ in Dänemark ein neues Gratistageszeitungskonzept zu lancieren: Es handelte sich um eine täglich an alle Haushalte kostenlos verteilte Gratiszeitung, die auch journalistisch ein Qualitätsprodukt sein wollte. In Island war „Baugur“ mit diesem Konzept bis zur Finanzkrise 2008/09 in Form des „Frettabladit“ erfolgreich gewesen, das Blatt war dort zeitweise die auflagenstärkste Tageszeitung.

Die Herausgabe von „24 timer“ zusammen mit dem Baugur-Produkt „Nyhedsavisen“ und einem entsprechenden Konkurrenzprodukt des Verlags der „Berlingske Tidende“ („Dato“) stellte den Beginn eines für alle beteiligten Verlage wirtschaftlich äusserst verlustreichen Kampfes um die Vormachtstellung auf dem Markt der Gratistageszeitungen dar. „24 timer“ blieb als einziges dieser neu lancierten Blätter übrig. Im Mai 2008 erwarb ”JP/Politikens Hus” einen 24,5 Prozent-Anteil an Dänemarks ältester (seit 2001) und auflagenstärkster Gratistageszeitung, der Pendlerzeitung „MetroXpress“, die zum schwedischen Konzern ”Metro-International” gehört. „24 timer“ und ”MetroXpress” erschienen im 1. Halbjahr 2009 im Verlag „MetroXpress A/S“ als nach wie vor selbständige Titel. Beide Zeitungen erreichen im Laufe einer Woche 1,9 Millionen Leser und damit die Hälfte aller Dänen über 14 Jahre. Das wirtschaftliche Resultat in der Gratismedien-Branche bezeichnete „JP/Politikens Hus“ im Jahresabschluss 2008 als unbefriedigend, man plant aber offenbar keinen Rückzug aus diesem Marktsegment. Im Gegenteil wird die Absicht betont, auf allen Gratismedien-Märkten wachsen zu wollen. Für Mai 2009 meldete der Verlag für „24 timer“ erstmals einen Überschuss. Die ingesamt stark sinkenden Auflagen deuten aber auf ein abnehmendes Interesse des dänischen Publikums an Gratismedien hin.

Internetpräsenz und Online-Performance

„Für JP/Politikens Hus ist die digitale Entwicklung entscheidend“, betont der Verlag in seiner aktuellen Selbstdarstellung. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Anfang 2009 veröffentlichten Studie „Danskernes brug av nyhetsmedier: et nyt landkort“ („Die Nutzung der Nachrichtenmedien in Dänemark: eine neue Landkarte“),  von Professor Kim Schröder von der Universität Roskilde. Demnach ist das Internet für die Dänen zur Hauptinformationsquelle geworden. Sie verschaffen sich dort einen schnellen Überblick, während die Tageszeitungen an der Spitze liegen, wenn es um Hintergrund und Analysen zu den Nachrichten geht. Gleichzeitig näherte sich das Internet als Werbemedium 2008 den Umsatz betreffend sowohl der TV-Werbung wie auch der von Tages- und Wochenpresse weiter an.

Das Internet hatte „Politiken“ zunächst zögerlich für sich entdeckt. Eine Webseite und das elektronische Archiv „Polinfo“ existierten zwar seit 1996, einen Online-Auftritt gab es aber erst ab April 1998 in Folge eines umfassenden Arbeitsmarktkonflikts, der auch den Druck der dänischen Tageszeitungen lahmlegte. Zusammen mit einem Relaunch der Printausgabe baute „Politiken“ 2007 ihren Onlineauftritt kräftig aus. Die Netzredaktion wuchs von 7 auf 25 Journalisten, die nun rund um die Uhr ein eigenständiges, auf schnelle Nachrichtenvermittlung konzentriertes Angebot produzieren. Zukünftig soll auch das Web-TV-Angebot weiter ausgebaut werden. Politiken.dk liegt mit rund 750.000 Besuchern täglich hinter den Internetauftriiten der Boulevardzeitungen (www.ekstrabladet.dk und www.bt.dk) an dritter Stelle der meistbesuchten Webseiten aller dänischen Tageszeitungen (1. Quartal 2009). Damit erreicht man allerdings nur weniger als die Hälfte der täglichen Besucher auf Dänemarks meistbesuchter Medienseite, der des öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehens (www.dr.dk), die fast zwei Millionen Nutzer hat.

„JP/Politikens Hus“ ist darüberhinaus in eine Reihe anderer digitaler Aktivitäten involviert:
„Jobzonen”, ein Internetportal, das zusammen mit dem Fernsehsender TV2 und Berlingske Media betrieben wird und das Kontakte zwischen Arbeitssuchenden und Arbeitgebern vermitteln soll, „Bilzonen”, ein Onlinemarkt für Autos und „Boligtorvet“ eine entsprechende Webbseite für Wohnungs- und Hausangebote, „Forbrugerliv“ ist ein Online-Verbraucherklub und „Turengaartil“ eine Reiseseite. Im Herbst 2009 erwarb „JP/Politikens Hus“ außerdem einen Anteil am Webbuchhändler Saxo.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Mit einem breiten Angebot von gleich vier überregionalen Qualitätstageszeitungen – neben „Politiken“, „Jyllands-Posten“ und „Berlingske Tidende“ wird außerdem die linke „Information“ (Auflage 1. Hj. 2009: 22.300) vertrieben – gibt es in Dänemark im Vergleich zu anderen skandinavischen Ländern eine außergewöhnliche Vielfalt. Wirtschaftlich hatten alle Zeitungen Dänemarks in den letzten Jahren mit kräftig sinkenden Auflagenzahlen zu kämpfen – mit Ausnahme der „Information“, die ihre Auflage sogar leicht steigern konnte. 2008 war „Politiken“ bei einem Gesamtrückgang der Tageszeitungsauflagen in Höhe von 5,4 Prozent (2. Halbjahr 2008 im Vergleich zur entsprechenden Periode 2007) mit einem Minus von 2,2 Prozent noch relativ gut davon gekommen. Ein Relaunch im Jahre 2006 mit dem man vor allem verstärkt auf eigene Themen mit vertiefenden Analysen und Hintergrundmaterial setzt, während man die umfassende Nachrichtenabdeckung der Online-Ausgabe überlässt, hat sich offenbar positiv augewirkt. Trotzdem hat man aber über eine Periode von 15 Jahren im Printbereich nahezu jeden dritten Leser verloren. 2009 war ein weiteres Krisenjahr für die dänische Tagespresse: Im Juli 2009 sank die „Politiken“-Auflage sogar vorübergehend unter 100.000 Exemplare. 

Eine vergleichende Untersuchung, welche die dänische Finanzzeitung „Børsen“ im Frühsommer 2009 über die skandinavischen Tageszeitungsverlage vorlegte, kommt zu einem widersprüchlichen Bild: Im Gegensatz zu den nordischen Nachbarländern Schweden („Bonnier“), Norwegen („Schibsted“) und Finnland („Sanoma“) gibt es im dänischen Zeitungssektor keinen mächtigen Verlagsakteur. Dieser Umstand dürfte einerseits zu der aktuellen Vielfalt beigetragen haben, machte die Zeitungen aber auch wirtschaftlich angreifbar. Eine Konzentrationsphase wurde 2000 durch den Verkauf der im Eigentum mehrerer dänischer Wirtschaftsunternehmen befindlichen „Berlingske Media“ an den norwegischen Konzern „Orkla Media“ eingeleitet. „Politiken“ und „Jyllands-Posten“ reagierten darauf mit einer Zusammenarbeit im Verlagsbereich unter dem „JP/Politikens Hus“-Dach. 2006 verkaufte „Orkla“ seine gesamte Medien-Division, darunter auch „Berlingske Media“ an die britische Kapitalgesellschaft „Mecom“.

Als einzige der großen dänischen Zeitungen erschien „Politiken“ Ende 2009 noch im Broadsheet-Format. Eine Umstellung auf das, in den Jahren zuvor von der gesamten Konkurrenz eingeführte Tabloid-Format ist nicht geplant.

Trotz sinkender Auflage schrieb „Politiken“ mit seiner Printausgabe bis 2008 schwarze Zahlen. Weder die Gratismedien, noch der Online-Auftritt konnten sich bis dahin aber längerfristig selbst tragen. Bezahlmodelle für Onlinemedien hält man solange für zum Scheitern verurteilt, wie es ein vergleichbares kostenloses Nachrichtenangebot gibt. „Wir sind unter Druck, aber in der Existenz nicht bedroht“, erklärte Lars Munch, CEO von „JP/Politikens Hus” im Mai 2009 in einem Interview. Man hoffe auch 2009 keine Verluste zu machen und das vorhandene Kapital werde reichen, um selbst fünf weitere Problemjahre überstehen zu können.

Fraglich erschien aber im Jahre 125 des Bestehens des Blattes, ob die schwache wirtschaftliche Lage nicht die journalistische Qualität bedrohen könnte. „Politiken“-Chefredakteur Seidenfaden lancierte im Frühjahr 2009 die Idee eines gesponserten Journalismus: Leser sollten wählen, in welchen Bereichen die „Politiken“-Journalisten investigativ tätig werden sollten und dies dann auch finanziell über eine Art Recherche-Fonds unterstützen. Eine engere redaktionelle Zusammenarbeit der im Verlag erscheinenden selbständigen Blätter „Jyllands-Posten“ und „Politiken“ könnte als weitere Möglichkeit zur Kosteneinsparung gesehen werden.

Referenzen/Literatur