Gazeta Wyborcza

Die polnische Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" bezeichnet sich selbst als ein Kind der "Solidarność"-Bewegung, und ihre Entstehung ist eng mit der friedlichen Transformation Mittelosteuropas nach 1989 verbunden. Einst als "das erste freie Medium östlich der Elbe" angetreten, erfüllt das Blatt mehr als die Funktion eines Informationsorgans. Zwar hat die "Gazeta" ihre Rolle als "Leitmedium" Polens der 1990er Jahre eingebüßt, doch bleibt sie mehr als bloß eine Zeitung. Zum großen Teil liegt das an der streitbaren aber in ihrer historischen Rolle unhinterfragten Person des Chefredakteurs und ehemaligen Dissidenten Adam Michnik. So ist die Bewertung der "Gazeta Wyborcza" und in erheblichem Maße auch die wirtschaftliche Entwicklung an die Einstellung gegenüber Michnik, der polnischen Transformation und an innenpolitische Debatten, u. a. über den Umgang mit dem postkommunistischen Erbe, gebunden.

Das zeitgleich 1989 von einer handvoll Mitstreitern aus der früheren demokratischen Opposition gegründete Verlagsunternehmen "Agora" entwickelte sich in den Folgejahren zum einflussreichen Medienkonzern. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Blattes und der gesamten Gruppe, besonders seit dem Börsengang 1999, wurde "Agora" zu einem der größten Unternehmen dieser Branche in Polen.

Basisdaten

Hauptsitz:
ul. Czerska 8/10, 00-732 Warszawa, Polen
Tel.: + 48 (22) 555 60 00, 555 60 01
Fax: +48 (22) 555 48 50, 555 47 80
Internet: www.wyborcza.pl (Zeitung), www.agora.pl (Medienkonzern "Agora")

Branche: überregionale Tageszeitungen, Lokalzeitungen, Radiosender, Online-Angebote, Außenwerbung, Zeitschriften
Rechtsform: Aktiengesellschaft
Geschäftsjahr: 1.1.-31.12
Gründungsjahr: 1989
Beschäftigte: 3.673 (Ende 2008)

 

Tab. I: Ökonomische Basisdaten (in Mio. PLN)
20082007200620052004200320022001
Einnahmen1277,71272113412021001,1853,5785,3777,1
Gewinn23,3100,232125,668,32,951,9176,2
Dividende (in PLN pro Aktie)0,501,500,500,50---
Aktienkurs (in PLN, Jahresende)16,2055,5036,5069,0056,8051,1051,1051,4
Beschäftigte36733469348836263387384938493312

 

Geschäftsführung

Vorstand:

  • Piotr Niemczycki, Präsident des Vorstands
  • Zbigniew Bąk, Vizepräsident
  • Tomasz Józefacki, Vorstandsmitglied
  • Grzegorz Kossakowski, Vorstandsmitglied, Finanzdirektor

 

Aufsichtsrat:

  • Andrzej Szlęzak, Vorsitzender des Aufsichtsrats
  • Sławomir S. Sikora, Mitglied des Aufsichtsrats
  • Tomasz Sielicki, Mitglied des Aufsichtsrats
  • Marcin Hejka, Mitglied des Aufsichtsrats
  • Sanford Schwartz, Mitglied des Aufsichtsrats

 

Redaktion Gazeta Wyborcza:

  • Adam Michnik, Chefredakteur
  • Jarosław Kurski, Erster Stellvertreter des Chefredakteurs
  • Helena Łuczywo, Stellvertreter des Chefredakteurs
  • Piotr Pacewicz, Stellvertreter des Chefredakteurs
  • Juliusz Rawicz, Stellvertreter des Chefredakteurs
  • Piotr Stasiński, Stellvertreter des Chefredakteurs
  • Edward Krzemień, Chefredakteur der offiziellen Webseite der Zeitung

 

Besitzverhältnisse: Seit 1999 wird die Gruppe an der Warschauer und Londoner Börse notiert. Eine Kontrollminorität von 33,6% privilegierter "A"-Aktien behält die "Agora-Holding", wovon ein Teil langjährigen Mitarbeitern gehört. Weitere nennenswerte Investoren sind der Artio Global Management LLC und BZWBK Asset Management S.A..

Geschichte und Profil

"Gazeta Wyborcza" bedeutet auf Deutsch "Wahl-Zeitung" und verweist auf das ursprüngliche Gründungsmoment des Blatts vor den ersten halb-freien Parlamentswahlen in Polen im Juni 1989. Die Zulassung einer unabhängigen, für die Kandidaten der "Solidarność" werbenden Zeitung, wurde von den regierenden Kommunisten (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei, PVAP) als Teil der Abkommen am Runden Tisch in Polen (Verhandlungen Februar-April 1989) zugestanden. Chefredakteur wurde damals der bekannte Dissident und als radikaler Oppositioneller geltende Adam Michnik, dessen Teilnahme am Runden Tisch erst im letzten Moment zugelassen wurde. Die erste Ausgabe der "Gazeta Wyborcza" erschien am 8. Mai 1989.

Der ideengeschichtliche Hintergrund und das historische Moment der Entstehung der Zeitung prägen das Blatt und seine Wahrnehmung bis heute. Anfangs noch mit dem "Solidarność"-Logo versehen, das Mitte 1990 nach der Auseinandersetzung mit Lech Wałęsa um dessen Präsidentschaftskandidatur auf Anweisung der Gewerkschaft entfernt wurde, war die "Gazeta" in den ersten Monaten des Systemwechsels das Sprachrohr der demokratischen Opposition. Dank dieser Rolle und aufgrund der einflussreichen Stellung Adam Michniks – er war bis 1991 gleichzeitig Parlamentsabgeordneter – konnte das Blatt die Tagespolitik entscheidend mitbestimmen. So wird die Gründung der ersten nicht-kommunistischen Regierung unter Tadeusz Mazowiecki (August 1989) unter anderem auf Michniks Aufruf zur Teilung der Macht mit einem "Solidarność"-Premierminister und einem Präsidenten aus der PVAP, General Wojciech Jaruzelski, zurück geführt – Schlagzeile: "Euer Präsident, unser Premier" (3. Juli 1989).

Diese politische Rolle in der Systemtransformation sowie geschicktes wirtschaftliches Handeln machten aus der "Gazeta Wyborcza" die größte meinungsbildende Tageszeitung in Mittelosteuropa und das Herzstück eines Medienkonzerns von internationalem Rang. In Polen besetzt die Zeitung mit im Schnitt 411.000 (2008) verkauften Exemplaren den zweiten Rang hinter dem Axel-Springer-Boulevardblatt "Fakt". Gleichzeitig dominiert sie den Anzeigenmarkt mit einem 41-prozentigen Anteil und Einnahmen von 486 Mio. PLN (2008). Mit der Gratis-Zeitung "Metro" stellt "Agora" auch die drittpopulärste Tageszeitung des Landes. Zum Konzern gehören ferner 15 Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von 15 Mio. Exemplaren (2008), die Außenwerbungstochter AMS, sowie zahlreiche Internetpräsenzen (siehe unten) und Radiostationen, inkl. des angesehenen Informationssenders "TOK FM".

Nicht erst seit dem erfolgreichen Börsengang 1999 und dem damit verbundenen Kapitaleinschuss wird den Zeitungsmachern unlaute Bereicherung vorgeworfen. Kritik, die "Gazeta Wyborcza" hätte in den Anfangsjahren die ausländischen Hilfsmittel für unabhängige Medien vereinnahmt, wurde schon 1991 laut, musste aber durch Gerichtsbeschluss widerrufen werden. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen erst seit 1993 dank ausländischen Krediten und Spenden von einer gesicherten Existenz sprechen können. Um Vorwürfen der persönlichen Bereicherung zuvor zu kommen, verzichtete Chefredakteur Adam Michnik beim Börsengang auf sein Aktienpaket. Die seit 1990 gegründeten oder übernommenen Zeitungen der konservativen "Solidarność"-Nachfolgeparteien haben nie den ökonomischen oder politischen Status der "Wyborcza" erreicht. Erst die Gründung der "polnischen 'Welt'", des Springerblatts "Dziennik. Polska-Europa-Świat" 2006 stellte vorübergehend eine Herausforderung für ihren Marktstatus dar. Ende 2008 erreichte "Dziennik" 154.000 verkaufte Exemplare, etwa gleichauf mit der konservativen "Rzeczpospolita" (zu 51% Eigentum des britischen Investmentfonds Mecom und zu 49% in staatlicher Hand). Zu den Eigenarten des polnischen Zeitungsmarkts gehört allerdings der geringe Anteil von Abonnements am Verkauf.

Das politische Profil der Zeitung lässt sich am ehesten als links-liberal bezeichnen, geprägt durch starke Unterstützung für die freie Marktwirtschaft, die EU-Integration und gesellschaftliche Modernisierung. Die "Gazeta Wyborcza", vor allem in Person von Adam Michnik, unterstützte ferner die militärische Intervention im Kosovo, sowie die Kriege in Afghanistan und Irak. Auch in Fragen der polnischen Tagespolitik bezog die Redaktion stets recht eindeutig Stellung, z. B. in Form von Wahlempfehlungen. Bekannt sind auch die zahlreichen Kampagnen in sozialen Angelegenheiten, etwa für die qualitative Verbesserung von Geburtskliniken ("Rodzić po ludzku"- Menschlich gebären), und Schulen (Szkoła z klasą – Eine klasse Schule). Seit 1999 vergibt die Zeitung zudem den Titel "Mensch des Jahres" und ist seit Anbeginn (1997) an der Verleihung des polnischen Literaturpreises "Nike" mit einem Preisgeld 100.000 PLN beteiligt.

Die Zeitung hat in den 1990er Jahren großen Einfluss auf die Entwicklung der Medien im demokratischen Polen ausgeübt. Viele angesehene Journalisten haben früher oder später bei "Gazeta" gearbeitet, wenn es auch im Laufe der Jahre wiederholt zu spektakulären Brüchen gekommen ist. Ein frühes Zeugnis dessen ist Stanisław Remuszkos "Enthüllungsbuch", das 2006 schon in dritter Auflage erschien. Sowohl der engagierte Journalismus, wie auch das Reportagemodell haben aber Schule gemacht. Nachdem das Hochglanzmagazin zwischenzeitlich abgespeckt und vom Freitag auf Montag verschoben wurde, erscheint es seit Mai 2009 als Reportermagazin "Duży Format" (Großformat) am Donnerstag. Seit 1999 erscheint am Samstag das an "moderne Frauen" gerichtete Magazin "Wysokie Obcasy" (Hohe Absätze), das u. a. prominente Feministinnen zu Wort kommen lässt. Großes Ansehen genießt zudem die Wochenendausgabe mit einem Mittelteil aus Kommentar, Reportage und Feullieton – "Gazeta Świąteczna" (Zeitung für die Feiertage).

Zu den markantesten Publikationen in der zwanzigjährigen Geschichte der "Gazeta" gehören sicherlich ihre Stellungnahmen in historisch-politischen Fragen. In verschiedenen Artikeln und Essays plädierte Adam Michnik seit Anbeginn für einen Schlussstrich unter die kommunistische Vergangenheit und eine nationale Versöhnung mit den PVAP-Vertretern, die den Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft ermöglicht haben. Seine glühenden Einsätze für General Wojciech Jaruzelski oder Ex-Innenminister Czesław Kiszczak brachten ihm bei einem Teil der Öffentlichkeit offene Gegnerschaft ein. Von Seiten konservativer Publizisten und Politiker wurde Michnik wiederholt der Drang zur Monopolisierung der Deutungshoheit über die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit und die Gestalt der Transformation vorgeworfen. Einige Außenstehende bewerten ferner kritisch die unklare Trennung zwischen Bericht und Kommentar in den Artikeln der "Wyborcza"-Journalisten. Schon frühzeitig setzte sich die Zeitung konsequent für die Abrechnung mit nationalen Mythen in Bezug auf die Geschichte der polnisch-jüdischen, polnisch-deutschen, polnisch-ukrainischen u. a. Beziehungen ein.

Diese Phase wirtschaftlicher und meinungspolitischer Dominanz ging 2002/2003 mit der sog. Rywin-Affäre zu Ende. Der bekannte Filmproduzent Lew Rywin (u. a. "Der Pianist") hatte Adam Michnik im Sommer 2002 vorgeschlagen, für ein Schmiergeld von 17,5 Mio. US-Dollar positiv auf das entstehende Mediengesetz einzuwirken. Darin sollte es dem "Agora"-Konzern unmöglich gemacht werden, Anteile des privaten Fernsehsenders "Polsat" zu übernehmen. Die Angelegenheit wurde erst Ende 2002 öffentlich gemacht, um die laufenden EU-Beitrittsverhandlungen unter dem postkommunistischen Premierminister Leszek Miller nicht zu behindern, und führte zu einem politischen Erdbeben in Polen. Weder der Gerichtsprozess, noch die monatelange Arbeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses konnten völlige Klarheit über den Hergang herstellen, doch wurden prominente Vertreter der regierenden Linken, u. a. Premier Miller selbst, einer Zusammenarbeit mit Rywin verdächtigt. In der Konsequenz dieser Affäre, („ Rywingate“) übernahmen 2005 konservative Oppositionsparteien, die sich als Korruptionsbekämpfer profilierten, die Macht, während die postkommunistischen Sozialdemokraten ihre Vormachtstellung einbüßten. Für die "Gazeta Wyborcza" bedeutete die Debatte aufgrund der Rolle des Konzerns in der Affäre einen großen Ansehensverlust und wirtschaftlichen Einbruch. Weiterhin trennte sich "Agora" von allen Anteilen an Fernsehsendern, u. a. dem Pay-TV Canal Plus.

Verlagsüberblick, Management und Geschäftsfelder

Als quasi-ehrenamtliches Projekt gestartet, entwickelte sich die "Gazeta Wyborcza" als Kernstück der "Agora" AG zu einem mächtigen Medienunternehmen. Die ursprüngliche enge und vor allem persönliche Verbindung zwischen Redakteuren und Management hat sich im Laufe der Zeit etwas gelockert, blieb aber im Wesentlichen erhalten. So bleibt der heutige Vorstandschef Piotr Niemczycki der "Agora" von Beginn an verbunden, und hatte auch schon in den 80ern mit etlichen Redakteuren in der Untergrundpresse der "Solidarność", namentlich der Wochenzeitung "Tygodnik Mazowsze", zusammen gearbeitet. Von den übrigen Vorstandsmitgliedern verfügen zwei über ausgeprägte transatlantische Verbindungen, wie auch die Polin-Kanadierin Wanda Rapaczyńska (auch Rapaczynski), die seinerzeit vom "Fortune"-Magazin zu den 50 einflussreichsten Geschäftsfrauen gezählt wurde. Rapaczyńska war im Zuge der Rywin-Affäre ins Licht der Öffentlichkeit geraten, und trat im August 2007 vom Vorstandsposten zurück. Die Aufsichtsratsmitglieder rekrutieren sich ausschließlich aus der Welt von Recht und Wirtschaft, wobei mit Sanford Schwartz, President von Cox Auto Trader & Cox Newspapers Inc., der einzige Ausländer im Management vertreten ist.

Nach dem starken Ansehensverlust im Zuge der "Rywin-Affäre" 2002/2003, auf den die Zeitung mit einer Imagekampagne unter dem Motto: "Nam nie jest wszystko jedno" (Uns ist nicht alles gleich) reagierte, bedeutete der Markteintritt zweier Axel-Springer-Blätter in Polen eine wichtige Herausforderung für die Zeitung. Die "polnische 'Bild'", das Boulevardblatt "Fakt" verdrängte mit ihrem Erscheinen im Oktober 2003 die "Gazeta Wyborcza" vom ersten Rang der meistgekauften Tageszeitungen. Diesen hatte sie vorher auch gegenüber dem heimischen Tabloid "Super Express" jahrelang behaupten können. Die seriöse Springer-Zeitung "Dziennik" (erscheint seit April 2006) vermochte die "Gazeta" auf längere Sicht nicht in ihrer meinungsmachenden Vorrangstellung herausfordern können, jedoch erzwang durch die Festsetzung des Verkaufspreises auf 1,50 PLN (ca. 0,33 EUR) eine Preissenkung der "Wyborcza" auf gleiches Niveau. Mittlerweile stieg der Preis beider Zeitungen auf 2,00 PLN. Zudem kämpfen alle Zeitungen und Magazine seit mehreren Jahren mit Buch-, Film- und Musikbeilagen verstärkt um die Leser. Im Jahre 2008 beliefen sich diesbezügliche Einnahmen der Gruppe auf 63 Mio. PLN.

Die wirtschaftlichen Erfolge des Unternehmens, nicht zuletzt seit dem erfolgreichen Börsengang 1999, erlaubten "Agora" weitere Zukäufe und Investitionen. So wurde 2003 (bzw. 2005 als Mehrheitseigentümer) das angesehene Informationsradio TOK FM übernommen, und mit der Außenwerbungstochter AMS besitzt "Agora" den Marktführer dieser Branche und zweitwichtigste Einnahmequelle des Konzerns (187 Mio. PLN in 2008). Allerdings musste die Tabloid-ähnliche Tageszeitung "Nowy Dzień" kurz nach Markteintritt 2005 wieder eingestellt werden. Seit Mai 2007 ist "Agora" in der Ukraine aktiv, wo sie das populäre Spieleportal "Chikidriki.com.ua", das Internetwerbungsbüro "AdBroker", sowie seit März 2009 das Shopping-Magazin "Magazin" und seit 2008 die Bloggerplattform "Blox.ua" betreibt.

Im Jahre 2008 co-produzierte "Agora" den Dokumentarfilm "Świadectwo" (Das Zeugnis) über das Leben von Johannes Paul II. Der Film wurde zum Jahrestag der Papstwahl Karol Wojtyłas am 16. Oktober 2008 im Vatikan uraufgeführt. Ferner gründete der Konzern im Februar 2008, gemeinsam mit der Film- und Fernsehproduzenten ATM Grupa (u. a. polnische Edition von "Big Brother"), das Medienunternehmen A2 Multimedia. Letzteres produziert und sendet Serien im Internet unter der Marke tivi.pl.

Internetpräsenz und Online-Performance

Seit 2001 ist der "Agora"-Konzern verstärkt im weltweiten Netz tätig. Auf den Ausbau des Portals "gazeta.pl" folgte 2006 die Gründung eines eigenen Internetauftritts der Zeitung "Gazeta Wyborcza" selbst: wyborcza.pl. Im Dezember 2008 betrug die Zahl der Nutzer 6,93 Mio. (gazeta.pl) bzw. 3 Mio., was wyborcza.pl zur populärsten Zeitungswebseite in Polen macht. Mit Edward Krzemień wurde im Februar 2009 erstmals ein Chefredakteur eigens für den Internetauftritt ernannt.

Zu den wichtigsten thematischen Webseiten gehören die Job- und Immobilien- bzw. Homeportale gazetapraca.pl und gazetadom.pl, sowie sport.pl, die in Rankings jeweils Spitzenplätze in ihrer Kategorie belegen. "Agora" verfügt ferner über zahlreiche Anzeigen-, Informations- und Communityportale. Seit 2004 besteht auch der Blogservice blox.pl. Insgesamt besitzt der Konzern 89 Internetmarken mit einer Zahl von 7 Mio. real users (Dezember 2008). Im Zeitungsarchiv wird kostenlose Recherche alle Redaktionsbeiträge der gedruckten Ausgabe seit Juni 1992 (bzw. seit 1999 der lokalen Editionen und thematischen Beilagen) ermöglicht und gegen Gebührt bereitgestellt.

Einige kritische Stimmen erntete das Unternehmen nach dem Engagement in Klatschportale: Plotek.pl, PopCorner.pl, Ciacha.net, Widelec.pl, Groszki.pl, InfoMuzyka.pl etc. Damit seien die Qualitätsmaßstäbe im Journalismus, die die "Gazeta Wyborcza" in den Neunzigern gesetzt hat, herabgesetzt. Zwar werden Texte zu Celebrities nicht direkt auf wyborcza.pl verlinkt, dafür nehmen sie auf gazeta.pl eine prominente Stellung ein, und das speziell dafür geschaffene Portal g.pl sammelt die Artikel aus den thematischen Webseiten von "Agora".

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Die Zeitungskrise, in Folge der Erschütterungen auf dem globalen Finanzmarkt seit 2008, hat Polen mit einer gewissen Verzögerung erreicht. Die Ausgangslage war mit einer relativ geringen Leserschaft an Tageszeitungen insgesamt (ca. 30% der Gesamtbevölkerung), und vorher gehenden Problemen anders. Anfang 2009 brach die Zahl der verkauften Exemplare der meisten Zeitungen merkbar ein – im Februar 2009 verkaufte "Gazeta Wyborcza" um gut 11% weniger als im Vorjahrszeitraum. Schon Ende 2008 stellte sich "Agora" strukturell auf steigende Kosten und fallende Einnahmen, u. a. durch geplante Entlassungen ein.

Die verstärkte Konzentration auf die Internetsparte hängt mit der in den letzten Jahren erzielten und auch für 2009 prognostizierten Steigerung der Werbeeinnahmen in diesem Medium zusammen. Die Ernennung eines eigenen Redakteurs für wyborcza.pl und die weitere Abkopplung der Internet- von der gedruckten Ausgabe weisen darauf hin. So wurde die populäre Wochenendausgabe zuerst mit einer zweitägigen Verzögerung im Netz verfügbar gemacht, und ist seit März 2009 explizit nicht mehr als solche einsehbar. Dafür werden einzelne Artikel thematisch gruppiert, und einige Beiträge erscheinen exklusiv im Internet, so eine Serie des Lyrikers Jarosław Mikołajewski.

Im Mai 2009 wurde sehr feierlich das zwanzigjährige Bestehen der "Gazeta Wyborcza" gefeiert. Umrahmt wurde das Ereignis von einer groß angelegten Werbekampagne, in der neue Beilagen (u. a. für über 50-Jährige) angekündigt wurden. Dazu gehört auch eine Serie der wichtigsten Buchpublikationen von Chefredakteur Adam Michnik sowie mehrere Ausstellungen und der Start des interaktiven Services gazetopedia.pl über die Geschichte der Zeitung.

Referenzen/Literatur