Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erschien erstmals am 1. November 1949. Es gab personelle Überschneidungen mit den Journalisten der Frankfurter Zeitung, die 1943 verboten wurde, und mit der Nachkriegsgründung der Mainzer Allgemeinen Zeitung. Die Mainzer Allgemeine ging in der Neugründung auf, deren Name Frankfurter Allgemeine an das angesehene Vorkriegsblatt erinnern sollte und die sich im Erscheinungsbild und im Ton an der Neuen Züricher Zeitung orientierte. Die erste Redaktion bestand aus vier Herausgebern und 14 Redakteuren, weshalb ein Chefredakteur überflüssig erschien. Die vier Herausgeber übernahmen die Funktion des Chefredakteurs direkt. Diese Konstruktion hat sich bis heute erhalten. Im Sommer 2009 stand die verkaufte Auflage der FAZ bei knapp 370.000 Exemplaren. Die Redaktion ist mit 375 Autoren für europäische Verhältnisse groß, und das Korrespondentennetz im Ausland zählte mit 53 Korrespondenten zeitweilig zu den größten überhaupt. Heute ist es auf 41 Korrespondenten zusammengestrichen worden.

Basisdaten

Unternehmenssitz:
Verlagsgruppe Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt a. M.
Internet: F.A.Z. Electronic Media GmbH
F.A.Z. Electronic Media GmbH
Hellerhofstraße 2-4, 60327 Frankfurt am Main,

Tel.: 0180 3 329 638
Telefax: 069 / 7591 - 2332,
E-Mail: info(at)faz.net
HRB 30912, Amtsgericht Frankfurt am Main

Branche: Tageszeitungen, Druckerei, Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen: Märkische Verlags- und Druck-Gesellschaft mbH, Frankfurter Societäts-Druckerei, FAZ-Institut für Management-, Markt- und Medieninformation GmbH und Maincom Telemarketing Services GmbH, FAZ-Institut.

Geschäftsjahr: 01.01.-31-12

Reichweite: 
FAZ: 1,035,000 Mio. Exemplare  
FAS: 1,169,000 Mio. Exemplare (nach AWE Studie Juli 2009

 

Tab. I: Ökonomische Basisdaten/Auflagentwicklung 2001-2009 (in Mio. €)
200920082007200620052004200320022001
Umsatz Gesamt
FAZ GmbH
252,4307,9323,6316,7309,4k.A.290,5346,7415,7
Gewinn (Verlust) (nach Steuern)-19,821,748,828,714,510,9k.A.k.A.-27
Beschäftigte (Verlagsgruppe)1.7851.8851.828k.A.k.A.k.A.k.A.k.A.1500
Verk. Auflage FAZ 368.759368.847363.847365.567373.439380.223384.348393.241405.624
Verk. Auflage FAS 342.995 334.381334.381313.889309.920290.449277.880261.658247.568
(nur viertes Quartal)

 

Quelle: Auflagenzahlen: IVW - Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.

 

Geschäftsführung/Redaktion

Geschäftsführer:

  • Dirk Specht
  • Tobias Trevisan


Herausgeber:

  • Werner D'Inka
  • Berthold Kohler
  • Günther Nonnenmacher
  • Frank Schirrmacher
  • Holger Steltzner


Redaktion FAZ (Chefredaktion und Ressortleiter):

  • Innenpolitik: Stefan Dietrich
  • Außenpolitik: Klaus-Dieter Frankenberger
  • Nachrichten: Dr. Jasper von Altenbockum
  • „Zeitgeschehen“: Dr. Georg Paul Hefty
  • „Die Gegenwart“: Horst Bacia
  • Deutschland und die Welt: Dr. Alfons Kaiser
  • Wirtschaftspolitik: Heike Göbel
  • Wirtschaftsberichterstattung: Holger Appel
  • Unternehmen: Carsten Knop
  • Finanzmarkt: Gerald Braunberger
  • Sport: Jörg Hahn
  • Fußball-Koordination: Roland Zorn
  • Feuilleton: Patrick Bahners, Verena Lueken (stv.)
  • Literatur und literarisches Leben: Felicitas von Lovenberg
  • Rhein-Main-Zeitung: Dr. Matthias Alexander (Stadt), Peter Lückemeier (Region)

 

Regelmäßig erscheinende Beilagen und Sonderseiten:

  • Beruf und Chance: Holger Appel
  • Bilder und Zeiten: Andreas Platthaus
  • Bildungswelten: Dr. h. c. Heike Schmoll
  • Die Lounge: Carsten Knop
  • Die Ordnung der Wirtschaft: Heike Göbel
  • Geisteswissenschaften: Jürgen Kaube
  • Immobilienmarkt: Steffen Uttich
  • Jugend schreibt: Dr. Ursula Kals
  • Jugend und Wirtschaft: Dr. Lukas Weber
  • Kunstmarkt: Dr. Rose-Maria Gropp
  • Medien: Michael Hanfeld
  • Menschen und Wirtschaft: Georg Giersberg
  • Natur und Wissenschaft: Joachim Müller-Jung
  • Neue Sachbücher: Christian Geyer
  • Politische Bücher: Prof. Dr. Rainer Blasius
  • Recht und Steuern: Dr. Joachim Jahn
  • Reiseblatt: Freddy Langer
  • Staat und Recht: Dr. Reinhard Müller
  • Technik und Motor: Wolfgang Peters

 

Besitzverhältnisse: Die heutige Konstruktion fußt auf einer Einigung aus dem Jahr 1959. Sie wurde 1989 noch einmal leicht verändert: 4,75 Prozent gehören den Herausgebern, 11,26 Prozent der FAZ GmbH. Der FAZIT-Stiftung gehören 83,99 Prozent.

Geschichte und Profil

Die FAZ verdankt ihr Entstehen einer elitären Gemeinschaft von Industriellen, die heute nur noch wenigen bekannt ist (obwohl sie nach wie vor existiert): der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (WIPOG). In den Besatzungszonen war es zunächst unmöglich, ohne die Zustimmung der Besatzungsmächte eine Zeitung zu gründen. Die Haltung aller publizistischen Organe (auch des Rundfunks) hatte in wirtschaftspolitischer Hinsicht starke sozialistische Tendenzen. Da weite Teile der Wirtschaft noch auf die NS-Planwirtschaft abgestimmt waren und für die großen Industrien noch kein freier Markt existierte, war diese Haltung durchaus zeitgemäß, setzte aber enge Grenzen für eine Markt- und Wirtschaftspolitik. So kam eine Gruppe Industrieller auf die Idee, eine Zeitung zu gründen, über die sie einer freieren Marktpolitik den Boden bereiten wollte.
Zu den Hauptinitiatoren dieses Kreises gehörten Rudolf Mueller, Rechtsanwalt und erster parteiloser Wirtschaftsminister in Hessen, sowie Otto Klepper, letzter preußischer Finanzminister und nun ebenfalls Anwalt. Zum erweiterten Kreis zählten Industrielle wie Kurt Pentzlin, Ernst Deissmann oder Politiker wie Ludwig Erhard. Zu den 21 Unternehmen, die schließlich die FAZ finanzierten, gehörten unter anderem Mercedes, Bosch, Henkel, Continental, Dyckerhoff oder die deutsch-amerikanische Petrolgesellschaft Esso. Klepper besaß über den Journalisten und Wirtschaftswissenschaftler Erich Welter einen Kontakt in die Redaktion der Mainzer Allgemeinen Zeitung, wo eine ganze Reihe ehemaliger Journalisten der 1943 verbotenen Frankfurter Zeitung untergekommen war. Die französische Besatzungsmacht zeigte sich aufgeschlossen, die Zeitung  zugunsten einer größeren aufzugeben, die den kulturellen Zusammenhalt der Region stärken könnte. Der Verlag der Mainzer Allgemeinen Zeitung und die WIPOG gründeten daraufhin die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Gesellschafter war neben der WIPOG (51 Prozent) die Mainzer Zeitungsverlag GmbH (49 Prozent).
Bis Mitte der 1960er Jahre setzte sich die Redaktion fast ausschließlich aus Journalisten zusammen, die vor dem Zweiten Weltkrieg sozialisiert waren und die sich durchweg in dieser oder jener Weise mit dem Nationalsozialismus arrangiert hatten. Auch unter den Spitzenkräften war keiner, der den Nationalsozialismus klarsichtig verurteilt hätte oder gar zum Widerstand gehörte. Sethe hatte hymnische Artikel auf Hitler verfaßt, den „Wiedererwecker der deutschen Seele“. Karl Korn hatte sich nicht nur mit einer sehr wohlwollenden Rezension zum Propagandafilm „Jud Süß“ an das System  angepasst, und Friedrich Sieburg arbeitete als Botschaftsrat in Paris unter Otto Abetz, zu dessen politischen Aufgaben Kunstraub, vor allem aber der Abtransport französischer Juden nach Ausschwitz gehörte. Wie Passagen in seinem unveröffentlichten Tagebuch belegen, hat Sieburg davon auch Kenntnis gehabt. Der Generationenkonflikt der 1960er Jahre, der ein Kernelement der Studentenunruhen war, spielte auch innerhalb der Redaktion eine Rolle. Die Kraft der politischen Wirkung der 1945er Generation wurde dort jedoch nicht in seinem ganzen Umfang erkannt. Diese Vorbehalte hielten sich auch, als die späteren Jahrgänge, die den Nationalsozialismus nur als sehr junge Männer erlebt hatten, innerhalb der Redaktion die geistige Führung übernahmen. Den eskalierenden Terrorismus der 1970er Jahre lehnten diese Journalisten mit allen Mitteln ab.
 
Die zweite Generation der Herausgeber zeichnete aus, dass sie vom Antikommunisten der ersten Generation keinen Deut abwich. Im Gegenteil: Allein ihre Biografien garantierten einen unnachgiebigen Kurs. Friedrich Karl Fromme (1930-2007), in Dresden geboren und ausgebombt, aus der SBZ geflohen und bei Theodor Eschenburg promoviert, gehörte der FAZ seit 1964 an und war einer der einflußreichsten Kommentatoren. Johann Georg Reißmüller, 1932 in Böhmen geboren, wurde zwei Mal vertrieben und blieb zeitlebens ein glühender Antikommunist. Eigentlich sollte er seit 1974 als Herausgeber des Politikteils die politische Linie des Blattes bestimmen. Prägender als er hat aber Joachim Fest gewirkt, der Abteilungsleiter für Zeitgeschichte im NDR war, bevor er zur FAZ kam und der durch seine Hitler-Biografie zu einem wohlhabenden Mann wurde. Die Gesellschafter-Versammlung berief ihn 1973 – im Jahr des Erscheinens seines Hitler-Buches – in das Herausgeber-Gremium und ernannte ihn zum Chef des Feuilletons. Ihm gelang es, die Zeitung zum Taktgeber einiger wichtiger Debatten zu machen und ihr so zu internationaler Anerkennung zu verhelfen. Fest gilt als Erfinder des „politischen Feuilletons“, was bedeutet, dass wichtige Themen in der Zeitung mehrmals vorkommen können, im politischen Buch, im Wirtschaftsteil oder im Feuilleton.
Eine der ersten Maßnahmen Fests als zuständiger Herausgeber des Feuilletons war die Ablösung des teils genialen, oft aber unbegreiflichen Literaturchefs Karl Heinz Bohrer durch den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Man darf gleichwohl nicht so weit gehen, die Eingriffe Fests als konservative Revolution innerhalb der FAZ zu betrachten. Noch im Jahr 1962, zehn Jahre, bevor Fest zur FAZ kam, hatte der junge Hans Magnus Enzensberger unter dem Titel „Journalismus als Eiertanz“ eine stilkritische Analyse der FAZ veröffentlicht und ihr ein „miserables Akten-Deutsch“ attestiert. Enzensberger, neben Habermas einer der auffälligsten Protagonisten der nachrückenden Intellektuellen-Generation, warf der Redaktion vor, sie retuschiere, unterdrücke und entstelle mit einer ganz bestimmten Absicht Nachrichten und veröffentliche redaktionelle Texte, die auf eine „abgründige Verachtung“ demokratischer Grundsätze schließen ließen. Das Blatt übe die „hochgezüchtete Technik der Heuchelei und das tägliche Versteckspiel mit der Wahrheit“, spreche eine Sprache der Herrschaft, mit der dem Leser nur das mitgeteilt werde, was dieser Herrschaft „bekömmlich“ sei. Damit sei die FAZ, so Enzensberger 1962, um vieles unseriöser als andere „große Blätter der Welt“ wie Le Monde, die New York Times oder die Neue Zürcher Zeitung. Die Kritik war nicht ganz von der Hand zu weisen und ergab sich quasi aus der Intention der Blattgründer, die eine Stabilisierung der Gesellschaft auf dem Fundament der sozialen Marktwirtschaft anstrebten. War die FAZ zu Beginn eine Art „Newsletter“ für eine enge Elite, wurde sie erst in den 1960er Jahren zu einer Zeitung von überregionaler Bedeutung und allgemeiner, internationalen Beachtung. Nach den Studentenunruhen konnte und wollte sich die FAZ den neuen gesellschaftlichen Tendenzen nicht mehr verschließen und musste Mindestanforderungen an eine neue Wahrhaftigkeit genauso erfüllen wie andere Medien.

Der Preis für die konservative Reform der 1970er Jahre war jedoch eine zunehmende Erstarrung der Zeitung, deren Redaktionsstamm eine nach Herkunft, Bildung und Alter verhältnismäßig homogene Gruppe bildete. Im Umfeld der 1980er Jahre, die mit dem Aufkommen des privaten Rundfunks und zahlreichen Innovationen auf dem Zeitschriftenmarkt eine neue Sprache hervorbrachten, wirkte die Konzeption der Zeitung verstaubt. Spätestens Anfang der neunziger Jahre konnte man diesen Umstand nicht mehr übersehen, denn er begann sich zugunsten der SÜDDEUTSCHEN, ZEIT und neuen Blättern wie DIE WOCHE oder der BERLINER ZEITUNG auch auf die Auflage auszuwirken. Dem Nachfolger Fests erwuchs daraus eine einzigartige Machtfülle – auch weil er von seinem Vorgänger ein Instrument erbte, das Mitte der 1980er Jahren endgültig zum Kontrapunkt der deutschen Zeitungslandschaft aufstieg.

Die „Fischerkontroverse“, die auf der These des Hamburger Historikers Fritz Fischer beruhte, der den Deutschen die Alleinschuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges gab, war zum Ärger der Frankfurter von der ZEIT entfacht worden – und zwar ausgerechnet durch eine Veröffentlichung des ehemaligen FAZ-Herausgebers Paul Sethe. Die FAZ war zu langsam gewesen und zu wenig an einer aktuellen Debatte interessiert. Dies wurde nun anders. Fest veröffentlichte am 6. Juni 1986 einen Artikel des Berliner Historikers Ernst Nolte und löste damit den Historikerstreit aus. Nolte behauptete in seinem Beitrag, Hitlers Vernichtungspolitik sei eine Reaktion auf die Politik Stalins gewesen. Die Brisanz der Argumentation Noltes war zuerst dem FAZ-Autor Jürgen Habermas aufgefallen, der in der ZEIT vom 11. Juni 1986 antwortete. Nach diesem Artikel erhob sich von vielen Seiten ein Sturm der Entrüstung, und die FAZ stand im Mittelpunkt einer Vergangenheitsdebatte, die auch deshalb so heftig geführt wurde, weil es hier über die Sachfragen hinaus um die publizistische Deutungshoheit der deutschen Feuilletons ging.

Wenn die nachfolgenden Kampagnen die Durchschlagskraft des Historikerstreits auch nicht mehr erreichten, so hat das Instrument des politischen Feuilletons seitdem immer wieder Wirkung gezeigt. In Erinnerung sind noch die Walser-Bubis-Debatte oder die zentrale Rolle der Redaktion im Kampf gegen die Rechtschreibreform. Auch die Demografie-Debatte ging von der FAZ aus und hat dafür gesorgt, ein neues Thema fest im öffentlichen Bewußtsein zu verankern. Andere Kampagnen, wie etwa zu der Frage, ob man das Bundesland Brandenburg nicht mit Berlin vereinen und „Preußen“ nennen sollte, haben keine Spuren hinterlassen. Der Erfolg oder Misserfolg solcher Kampagnen hängt aufgrund der fehlenden Chefredaktion wesentlich davon ab, ob man die richtigen Redakteure beisammen hat. Ein Bewerber, der bei der FAZ neu anfangen möchte, muss deshalb nicht nur eine Empfehlung haben, sondern jeden der Herausgeber in einem Einzelgespräch überzeugen. Bis in die Mitte der 1980er Jahre war dieses Gespräch ein „ideologisch-geistiges Gespräch“, und bis heute zeichnet sich die Zeitung selbst in entlegenden Winkeln der Architekturkritik dadurch aus, dass sie jedem Utopismus eine feste und klare Absage erteilt und sich an das Kleinteilige und Überschaubare mit menschlichem Zuschnitt hält.
Mit dem Ausscheiden von Fest entfiel innerhalb der Feuilleton-Redaktion zunächst eine entscheidende, identitätsstiftende Personalie, so dass 1996 in einer ersten Welle wichtige Nachwuchskräfte wie Gustav Seibt, Jan Roß, Jens Jessen oder Stephan Speicher zu anderen Zeitungen wechselten. Vier Jahre später gingen insgesamt 12 Redakteure zur WELT, und wieder ein Jahr später verlor die FAZ ihren Feuilleton-Chef Ulrich Raulff und den Literaturchef Thomas Steinfeld mit Franziska Augstein an die SÜDDEUTSCHE. Schirrmacher gelang es nicht, in seiner Altersgruppe die notwendige Unterstützung für sein neues Feuilleton zu erhalten und konnte den bedenklichen Verlust an hochtalentierten Mitarbeitern erst stoppen, als er die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG durchsetzte und im März 2001 mit diesem Lockmittel Claudius Seidl, Niklas Maak, Georg Diez, Edo Reents, Michael Althen und Alexander Gorkow von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG abwerben konnte. Nicht alle blieben, doch konnte vor allem der Berliner Standort neue intellektuelle Kräfte an die Zeitung binden und die 2002 eingestellten „Berliner Seiten“ in gewisser Weise in der Sonntagsausgabe aufgehen lassen. Die Frankfurter ist seither zweigeteilt. Die Berliner Redaktion unterscheidet sich vom Geist der Frankfurter durchaus gewollt, und Schirrmachers Unabhängigkeit innerhalb des Verlages ist weiter gestiegen. Erst mit der FAS gelang es, den Einfluß zurück zu gewinnen, den das Mutterblatt nach 1989 verloren hatte.
Mit der Wiedervereinigung und dem gleichzeitigen, demografisch bedingten langsamen Abklingen des gesellschaftlichen NS-Traumas verlor die Zeitung (und der Konservatismus) zwei zentrale Orientierungspunkte. Die Frankfurter führte in ihrem Titel die Unterzeile „Eine Zeitung für Deutschland“, was programmatisch auch mit Blick auf das andere Deutschland gemeint war. Wesentlich ausführlicher als andere hat sie die kontinuierlichen Verstöße gegen die Menschenrechte in der DDR registriert und die Leser über den Charakter der politischen Führung mit berechnender Nüchternheit informiert. In gewisser Weise ist die FAZ heute westdeutscher als damals, als sie noch ein wirkliches Anliegen in den Gebieten östlich der Elbe hatte. In Ost-Berlin war beständig eine journalistische Kohorte stationiert, und als Autoren zog man Männer wie Karl Wilhelm Fricke heran, die auch heute noch gelegentlich zur Feder greifen, um jede DDR-Nostalgie im Keim zu ersticken.
Sehr rasch und klarsichtig steuerte die FAZ auf die Wiedervereinigung zu und verurteilte alle Kooperationen mit der ostdeutschen Führung, die über das notwendige Maß hinausgingen. Im Januar 1989 kritisierte der Kommentar auf der Titelseite alle westdeutschen Politiker, die zur Leipziger Messe reisten, weil sie mit ihrer Präsenz das SED-Regime stützten. In der Folge verdichtete und verstärkte sich die negative Berichterstattung über die SED-Führung, und im August 1989 bezeichnete Karl Feldmeyer die „auferlegte Zweistaatlichkeit“ erstmals als „Fremdbestimmung“. Damit war die Position der FAZ auf Wiedervereinigung festgelegt und allen Reformbemühungen eine klare Absage erteilt.

Es war die national-ökonomistische Haltung der Zeitung, die ihre feste Opposition zur DDR mitbegründete. Diese Haltung geriet nun jedoch in eine Identitätskrise. Schlagworte wie Sozialisierung oder Planwirtschaft waren mit dem Ende der DDR zunächst erledigt. Die nachfolgenden Jahre standen im Zeichen einer umfangreichen Privatisierung, so dass der FAZ plötzlich die Gegenbegriffe zu den eigenen Grundwerten fehlten. Die Position auf der publizistischen Landkarte Deutschlands wurde durch den Wegfall der Polarität mit der DDR und der bipolaren Weltordnung unschärfer. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE stand vor der Aufgabe, ihre Grundwerte in die neue Zeit zu übersetzten und gleichzeitig eine neue Leserschaft zu gewinnen. Letzteres mißlang gründlich, denn die FAZIT-Stiftung kaufte die kleinen Verlage abseits der großen SED-Zeitungen – in der irrigen Annahme, dass die meist kirchlichen Träger der Lokalzeitungen Rudimente des Bürgertums erhalten hatte. Diese Schicht war östlich der Elbe aber nicht mehr vorhanden. Die kleineren Lokalblätter konnten ihre Leserschaft nach der Wende nicht halten und gingen fast alle ein. Übrig blieben die großen SED-Titel, die aber unter die Kontrolle der WAZ-Gruppe, Holtzbrinck oder Springer gerieten. Die FAZ, die mit ihrem dominanten Wirtschafts- und Finanzteil (der FAZ-Index war ein Vorläufer des DAX) von den DDR-Bürgern als Symbol des westlichen Kapitalismus wahrgenommen wurde, war ein Verlierer der Wiedervereinigung.

In Deutschland drängten neue Zeitungen auf den Markt, und Frankfurt drohte im wiedervereinigten Deutschland mit der neuen Hauptstadt Berlin zu einer Provinzstadt zu werden. In dieser schwierigen Phase begannen die Herausgeber, die FAZ langsam zu verändern. Erst setzten sie mit den „Berliner Seiten“ einen Fuß in die neue Hauptstadt und experimentierten in der Sonntagsausgabe mit Ideen für ein neues Layout. Seit dem 5. Oktober 2007 erscheint die Zeitung im farbigen Layout mit Titelfoto, das mittlerweile Kultstatus genießt und im Erfindungsreichtum seinesgleichen sucht. Das Bild funktioniert wie ein zusätzlicher Leitartikel, der die Leser über verschiedene Interpretationen und Verweise auf weiterführende Informationen in die Zeitung hineinzieht. Schirrmacher hat das politische Feuilleton weiter entwickelt und einen neuen Politikbegriff gefunden, der weit über die Bindung an den Staatsbegriff hinaus geht (Demografie, Gehirnforschung, Klimawandel). Damit zielt er auf eine Feuilletonisierung der Politik und natürlich auch auf einen persönlichen Bedeutungsgewinn. In der FAS, die Schirrmachers Vorstellungen einer modernen Zeitung wohl sehr nahe kommt, ist schon Realität, was in der FAZ bislang nur andeutungsweise der Fall ist: Der Politikteil geht im Feuilleton auf. Damit vollzieht die Zeitung die Individualisierung der Gesellschaft im Innern nach. Das heißt aber nicht, dass die anderen Teile der Zeitung unkenntlich würden. Es ist nur die Haltung, die sich ändert. Während das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen neuen Sender nach dem anderen gründet, differenziert sich die FAZ nach innen aus. Neben dem vielfach ausgezeichneten Sportteil bilden Beilagen wie Bilder & Zeiten, Geisteswissenschaft, Bildung und Wissenschaft, Beruf & Chance, Immobilien, Kunstmarkt oder Reise zugkräftige Angebote.

Verlagsüberblick / Neue Geschäftsmodelle / Beteiligungen

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG erscheint in 140 Ländern und erreicht knapp eine Million Leser. Im Juli 2009 wies die Redaktion stolz auf eine Allensbacher Werbeträger-Analyse hin, nach der die FAZ die einzige Zeitung sei, die in der Krise an Reichweite gewonnen habe, während alle übrigen Tageszeitungen deutliche Verluste hinnehmen mussten. Seit die FRANKFURTER ALLGEMEINE ihre behutsame Expansion der Jahrtausend-Wende abgebrochen und rückgängig gemacht hat, gehört der FAZ GmbH nur noch das Stammblatt, die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG (FAS) und die in Potsdam erscheinende MÄRKISCHE ALLGEMEINE. Das unterscheidet ihre Situation ganz wesentlich von der Konkurrenz und macht sie in Krisen besonders anfällig. Von allen Versuchen, das Stammblatt über andere Geschäftsfelder finanziell abzusichern, war allein die Sonntagszeitung ein Erfolg. Die Deutsche Verlagsanstalt ging an Random House, das FAZ-Business-Radio wurde nach wenigen Monaten wieder eingestellt.

Der strukturelle Wandel der Branche erfordert eigentlich zusätzliche Erlösquellen, und es wird sich zeigen, ob die Konzentration auf ein klares Markenbild Vorteile gegenüber der Diversifizierung hat. Der geplante Ausbau von Themenportalen im faz.net wird jedenfalls allenfalls langfristig zum Gewinn des Verlages beitragen, und die verschiedenen Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen FAZ –Institut für Management-, Markt- und Medieninformation GmbH und die Maincom Telemarketing Service GmbH werden die Zeitung kaum retten. Noch ist der Verlag jedoch schuldenfrei und verfügt über eine hohe Eigenkapitalquote. Außerdem ist wohl anzunehmen, dass über die Stiftung kurzfristig Geld aus der Industrie beschafft werden könnte. Im Sommer 2009 stand die verkaufte Auflage der FAZ bei knapp 370.000 Exemplaren. Das entspricht zwar einem Rückgang von 40.000 Exemplaren gegenüber dem Rekordjahr 1999. Im Jahr 1993 verkaufte die Zeitung allerdings mit durchschnittlich 380.000 Stück nur unwesentlich mehr, und wenn man bedenkt, dass die FAZ 1975 eine verkaufte Auflage von 287.000 hatte und 1955 eine Auflage von 150.000 als großen Erfolg feierte, kann man auch im Internet-Zeitalter nicht davon sprechen, dass die Leserschaft wegbrechen würde.

Management

Das Kuratorium der FAZIT-Stiftung, so heißt es in der Satzung, hat die finanzielle und geistige Unabhängigkeit der FAZ zu sichern. „Es sollen nur solche Personen Gesellschafter werden, die nach ihrer Stellung und Persönlichkeit die Gewähr für den Erhalt der steuerlichen Gemeinnützigkeit der Gesellschaft und für die Wahrung der Unabhängigkeit der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bieten.“ Heute sitzt in dem Kuratorium der FAZIT-Stiftung mit dem Vorsitzenden des Verbandes hessischer Zeitungsverleger, Thomas Schmitt, nur ein Mitglied aus der Zeitungsbranche. Wolfgang Bernhardt war vormals Generalbevollmächtigter der Friedrich Flick KG und saß neben seiner Tätigkeit als Berater bei Banken und Industrieunternehmen im Vorstand der Korf-Stahl AG. Der Volkswissenschaftler Alfred A. Schüller ist Spezialist für Ordnungstheorie, Außenwirtschaftspolitik, Preis- und Wettbewerbspolitik. Ludwig Georg Braun ist der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Der Jurist Michael Hoffmann-Becking ist Spezialist für Aktien- und Konzernrecht. Der Unternehmer Jens Odewald besitzt in Berlin eine Gesellschaft für Kapitalanlagen und räumt freimütig ein, dass er zusammen mit seiner Frau den Altkanzler Helmut Kohl mit 650.000 DM bei der Erstattung der anonymen Spenden in der Zeit zwischen 1993 und 1998 unterstützte. Die Geschäftsführung liegt seit einigen Jahren bei dem Schweizer Tobias Trevisan. Er kam als Verlagsleiter von der NZZ. Gleichwohl hat die FAZ den Weg des Schweizer Vorbilds mit diversen Geschäftstätigkeiten bislang nicht beschritten.

Internetpräsenz und Online-Performance

Die Online-Seite faz.net ist mit 19 Millionen Visits im Monat so wenig erfolgreich, dass Texte von renommierten FAZ-Autoren eine Zeit lang nicht selten beim zugkräftigen (und besser zahlenden) SpiegelOnline landeten. Die Redaktion setzt auf Qualitätsjournalismus, und Frank Schirrmacher ist der Auffassung, dass sich Qualität langfristig gegen den boulevard- und bild-lastigen Stil der Konkurrenz durchsetzen wird. Nicht die Zahl der Klicks ist das Ziel der Zeitungsmacher, sondern die Verweildauer. Man ist sich darüber bewußt, dass die eher konservative Leserschaft nur zögerlich ins Netz folgen wird. Wenn die Leser aber kommen, sollen sie im Netz kein anderes Produkt vorfinden als im Printbereich. Faz.net bietet einen umfangreichen interaktiven Serviceteil mit Informationen zum Wetter, einem Finanzcheck, Tarifrechnern, Formular-Shop, Kulturkalender und vielem anderen. Nicht alle Artikel der Printausgabe sind im Netz, und nicht alle Internet-Angebote sind kostenfrei. Das Archiv ist kostenpflichtig (auch wenn man die Gebühr meist umgehen kann, wenn man den Artikel über Google sucht). Wer möchte, kann als Abonnent das E-Paper zu einem Aufpreis zu der Printausgabe dazu buchen und ein eigenes Archiv aufbauen. Ein Artikel kostet 2 Euro. Das monatliche Abonnement kostet 39,50 Euro, zusammen mit der Sonntagszeitung 44,50 Euro.

Aktuelle Entwicklungen

Qualitätsjournalismus mit Objektivitätskriterien zu messen, ist ein falscher Ansatz. Dafür ist die FAZ vielleicht der beste Beweis. Die Redaktion hatte zu keinem Zeitpunkt die Absicht, das Weltgeschehen gerecht und ausgewogen darzustellen. Wie jede ernst zu nehmende Tageszeitung ist auch die FAZ dazu da, Meinungsbildung zu betreiben und eine Haltung zu vermitteln. Das hat sie vom Tag ihrer Gründung getan und tut es auch heute noch. Sie fordert ihre Leser allerdings intellektuell stärker heraus als andere Medien. Dass die Leser von ihrer Zeitung genau dies fordern, verraten die Leserbriefe. Sie sind zitierfähig und zeugen von ungeheurer Kenntnis. Tatsächlich muss man viel wissen, um die Parteilichkeit und journalistische Strategie hinter den Artikeln zu entschlüsseln. In dieser Herausforderung liegt die Bedeutung der FAZ für die Kultur der Bundesrepublik – daraus generiert sie ihren politischen Einfluß, den sie zweifelsohne besitzt. In vielerlei Hinsicht ist sie das offiziöse Organ nicht nur der Ökonomen, sondern auch der Gelehrten, die sich gegen die Vermassung der Gesellschaft zur Wehr setzen und gegen nivellierende Tendenzen kämpfen. Nicht ohne Grund hat die FAZ mit Jürgen Kaube (zusätzlich zu der für Bildung zuständigen Heike Schmoll) einen ihrer scharfsinnigsten Mitarbeiter eingesetzt, um die Entwicklung des Bildungswesens kritisch zu beobachten und jede Rücknahme der Leistungsansprüche bissig zu kommentieren.

Reportagen und längere Stücke nehmen zu, mitreißend geschrieben und im Netz mit umfangreichem Bildmaterial unterfüttert. Damit entspricht die FAZ dem Umstand, dass Leser ihre Nachrichten und Meldungen zwar kostenfrei im Netz erwarten, aber nach wie vor bereit sind, für Reportagen und kluge Analysen zu bezahlen. Die Auflagenzahlen sind durchaus ermutigend. Gewiß, in der gegenwärtigen Krise schreibt die Zeitung rote Zahlen im hohen einstelligen Millionenbereich und stellt seit Sommer 2008 keine neuen Mitarbeiter mehr ein. Sie macht gleichwohl einen robusteren Eindruck als in der letzten Krise, als das Blatt mitunter so dünn war, dass sein Verschwinden fast greifbar schien.
Diversifizierungen und Fusionen mit anderen Medien hat die GmbH für die Zukunft – nach den schlechten Erfahrungen der Jahrtausendwende – eine Absage erteilt. Man beschränkt sich auf das, was man kann: die FAZ zu produzieren. Sie muss nach Auffassung ihrer Journalisten eine Bilanz, ein Resümee, ein Ruhepol sein, und das hat auch für die Website zu gelten, die sich deutlich von dem Marktführer Spiegel-Online unterscheidet und darauf setzt, dass die Leser den Verzicht auf Boulevardmeldungen und Revolverjournalismus langfristig honorieren. In den Augen Schirrmachers ist der Kampf der Onliner gegen die Offliner nur durch „psychologische Kriegsführung“ zu gewinnen. Es ist ein „Krieg des Selbstbewußtseins“, wie der Herausgeber sagt, und den dürfte die FAZ eigentlich nicht verlieren. Reich-Ranicki wird in der Redaktion gern mit den Worten zitiert: „Wenn es mich langweilt, dann kann es nicht gut sein, ist mir völlig egal, wenn 99 Prozent der Leser das anders sehen.“ Selbst wenn das Zitat erfunden wäre – es ist eine treffende Skizze der Geisteshaltung, die diese Zeitung auszeichnet. Es entspricht im Übrigen einem anderen, das Mitarbeiter dem ehemaligen Herausgeber Welter in den Mund legen: „Ich lasse mir meine Zeitung von den Lesern nicht kaputt machen!“    

Referenzen/Literatur/Links

  • Astrid von Pufendorf: Otto Klepper (1888-1957). Deutscher Patriot und Weltbürger, Oldenburg 1997.
  • Friedemann Siering: Zeitung für Deutschland. Die Gründergeneration der „Frankfurter Allgemeinen“, in: Lutz Hachmeister und Friedemann Siering (Hrsg.): Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945, München 2002. S. 35-86.
  • Margot Traureck: Friedrich Sieburg in Frankreich. Seine literarisch-publizistischen Stellungnahmen zwischen den Weltkriegen in Vergleich mit Positionen Ernst Jüngers, Heidelberg 1987, (Beiträge zur Literatur- und Sprachwissenschaft Bd. 75).
  • Hermannus Pfeiffer (Hrsg): Die FAZ. Nachforschungen über ein Zentralorgan, Köln 1988.
  • Johann Georg Reißmüller (Hrsg.): „Dazu möchte ich bemerken ...“. Leserbriefe in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus 50 Jahren.
  • Frankfurter Allgemeine. Zeitung für Deutschland. Die Erste Seite. Das politische Weltgeschehen auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 1. November 1949 bis zum 21. Dezember 1990, 3Bde., Frankfurt a. M. 1991.
  • Siegfried Blasche: Die Gründungen der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft von 1947 e.V.
    und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (1949)
    , Frankfurt a. M. 2004.
  • Ulrike Simon: "SZ"-Abwanderung: Keine Verlustängste, erschienen im "Tagesspiegel" vom 25.03.2001.
  • Sven Felix Kellerhof: Eine Art Schadensentwicklung, erschienen in der "Welt" vom
    11.07.2006