El Universal

Das Urteil von Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez über Mexikos Zeitungen ist kurz und vernichtend. "Jeder Morgen ist ein Desaster. Ich leide wie ein Hund", klagte der in Mexiko-Stadt lebende Autor von „Hundert Jahre Einsamkeit“. Schuld an der schlechten Qualität der Presse sind laut dem früheren Journalisten Zeitdruck und Sensationalismus. 
Mehr als 250 Tageszeitungen gibt es in Mexiko. Viele sind regional begrenzt, die meisten sensationalistischer Art. Boulevardblätter mit grauenhaften Titelbildern der Verbrechen und Leichen des Vortags sind die Regel, meinungsbildende Tageszeitungen hingegen die Ausnahme. Unter letzteren nimmt der Universal eine führende Rolle ein. Unter den politischen Entscheidungsträgern Mexikos ist er das meistbeachtete Blatt, so die Einschätzung von Mexikos profiliertestem Medienbeobachter, Raúl Trejo. Diese Stellung erkämpft hat sich der in Familienbesitz befindliche Universal durch jahrzehntelange verlegerische Konstanz, vorausschauende Investitionen und eine für mexikanische Verhältnisse ungewöhnliche Unabhängigkeit gegenüber der Regierung.

Insgesamt erheben etwa ein halbes Dutzend Tageszeitungen Mexikos den Anspruch, landesweite Blätter zu sein. Doch alle von ihnen verkaufen den Großteil ihrer Auflage in der Hauptstadt, so auch der Universal. "Es gibt keine wirklich nationale Tageszeitung in Mexiko", fasst Trejo die Lage zusammen.

Breitenwirkung hat der Universal auch darum nicht, weil meinungsbildende Tageszeitungen in Mexiko ein Elitemedium sind. 40 Prozent der Mexikaner lesen laut Umfragen nie eine Zeitung, entweder, weil sie nicht lesen können, oder weil ihr Bildungsstand zu gering ist. Hinzu kommt der relativ zum Einkommen hohe Preis für Zeitungen. In der Hauptstadt kosten Qualitätsblätter üblicherweise 10 Peso (rund 50 Eurocent). Das ist ein Elftel des gesetzlichen Minimal-Tageslohnes und für viele gewöhnliche Arbeiter damit unerschwinglich.

Boulevardblätter sind in Mexiko deutlich billiger und ab etwa drei Peso zu haben. Auch in diesem Segment führt der Universal, mit seinem sensationalistisch aufgemachten Schwesterblatt El Universal Gráfico. Es gilt als die meistverkaufte Boulevardzeitung und wird nur durch die in Mexiko populären Sportzeitungen übertroffen.

Gemessen an der Größe Mexikos mit seinen 108 Millionen Einwohnern sind die Auflagen der Zeitungen gering, ganz gleich, welcher Gattung sie angehören. Verlässliche Angaben gibt es nicht (siehe unten). Experten schätzen die verkaufte Auflage des Universal auf etwa 80 000, die des Universal Gráfico auf etwa 150 000 täglich. Beide Blätter liegen damit in ihrem Segment an der Spitze.

Mehr noch als in Europa ist das bedeutendste Informationsmedium in Mexiko damit das Fernsehen, das wiederum durch zwei private Sender dominiert wird, Televisa und TV Azteca. Der Universal nimmt über lange stets eine redaktionell eigenständige Position gegenüber dem Meinungsmonopol des Fernsehens ein. Diese kritische Distanz schwächte sich in den vergangenen zwei Jahren ab. Zu vermuten ist, dass der Universal die Zusammenarbeit mit den Platzhirschen im TV-Geschäft sucht, um selbst im Fernsehmarkt mitspielen zu können.

Ob Nobelpreisträger García Márquez auch beim Lesen des Universal leidet, ist nicht bekannt. Doch vermutlich gehört er nicht zur Lieblingslektüre des linksgerichteten Schriftstellers. Denn erstens ist der Universal tendenziell konservativ ausgerichtet. Zweitens sind ausführliche Reportagen oder gar literarische Texte selten im Universal. Aufgrund seiner Konkurrenzsituation mit dem Fernsehen betont der das Blatt vielmehr Schnelligkeit und Aktualität, insbesondere in seiner Online-Ausgabe.

Basisdaten

Hauptsitz:
Bucareli No. 8
Colonia Centro
CP 08040 México DF.
Tel. (0052) 55 5709 1313
www.eluniversal.com.mx

Geschäftsführung des Verlags El Universal Compañía Periodística Nacional S.A. de CV
Eigentümer und Präsident des Verwaltungsrats (seit 1969):
Juan Francisco Ealy Ortiz
Generaldirektor (seit 2007):
Juan Francisco Ealy jr.

Redaktion "El Universal"

  • Chefredakteur: Jorge Zepeda Patterson (seit 2008)
  • Vize-Chefredakteure: Alejandro Páez Varela, Ricardo Raphael (Meinung), Alejandro Irigoyen Ponce (Chef vom Dienst)

 

Redaktion "El Universal Gráfico"

  • Chefredakteurin: María Félix Escalante
  • Kaufmännischer Direktor: Jose Luis Grosvenor


Gleiche Postadresse und Telefonnummer wie der Universal
www.eluniversalgrafico.com.mx

Sonntagsbeilage "Dia Siete"

  • Redaktionschef: José Pérez Espino
  • Kaufmännischer Direktor: Rocío Campo


Av. México 49, Col. Condesa
06100, México, DF
Tel. (0052) 55 5553.3740; 55 5553.3799
www.diasiete.com

El Universal online

  • Generaldirektor: Ignacio Catalán


www.eluniversal.com.mx

Dem Verlag gehören laut dem Finanzbericht von 2008 mindestens vier Untergesellschaften an. Sie erfüllen Aufgaben wie Grafik, Druck, Technik und Anzeigenverkauf.

Zeitung
Mit einer Auflage von mehr als 80 000 täglich verkauften Exemplaren während der Woche und doppelt so viel am Sonntag ist der Universal die größte meinungsbildende Tageszeitung Mexikos. Die dazu gehörende Verlagsgesellschaft ("El Universal Compañia Periodística Nacional S.A. de C.V.") gibt auch das Boulevardblatt El Universal Gráfico heraus, die Sonntagsbeilage Día Siete sowie weitere Zeitungsbeilagen. 

In Mexiko führend ist der Universal auch mit seinem Newsportal. Keine nennenswerten Marktanteile erzielte der Universal bisher bei Radio und Fernsehen. Nicht aktiv ist der Universal im Ausland. Zudem sind die Aktivitäten des Universal-Verlags auf die Hauptstadt konzentriert, wo 89 Prozent der werktäglichen Auflage des Leitblatts Universal verkauft werden. Ähnlich sind die Anteile bei den weiteren Publikationen.

Auch in Mexiko sind die Printmedien unter Druck, was sich bei der Verlagsgesellschaft des Universal im Jahr 2008 mit rückläufigen Auflagen und Geschäftszahlen niederschlug. Dieser Trend setzte sich im Jahr 2009 fort.

Tab. I: Verkaufte Auflage der größten mexikanischen Tageszeitungen 2009 (gemäß Meldungen der Verlage)
ZeitungstitelAuflageGattung
La Prensa244,299Boulevard
El Universal Gráfico235,088Boulevard
El Universal (So)161,911Qualitätszeitung
Ovaciones148,018Boulevard
Reforma145,650Qualitätszeitung
Esto139,712Boulevard
La Jornada107,659Qualitätszeitung
Estadio92,847Sportzeitung
El Universal (Mo-Sa)81,534Qualitätszeitung
Milenio80,700Qualitätszeitung
Ovaciones (2. Ausgabe)62,247Boulevard
Metro48,702Boulevard
Récord (Mo-Sa)46,693Sportzeitung
La Crónica de Hoy46,125Qualitätszeitung
Rumbo de México43,211Qualitätszeitung
Récord (So)40,209Sportzeitung
Unomásuno32,400Qualitätszeitung
Impacto30,927Qualitätszeitung
Excélsior (So)27,490Qualitätszeitung
Excélsior (Mo-Sa)25,357Qualitätszeitung

Quelle: Secretaría de Gobernacíon (Innenministerium), Padrón Nacional de Medios Impresos

Exakte Auflagenvergleiche sind im mexikanischen Umfeld nicht möglich. Viele Zeitungen geben lediglich die gedruckte Auflage an, oft ohne unabhängige Zertifizierung. Die von den Medien beim Regierungsverzeichnis gemeldeten verkauften Auflagen (siehe Tabelle) beruhen auf nicht überprüften Angaben der Verlage. Experten schätzen die tatsächliche verkaufte Auflage des Universal auf 80 000 bis 90 000 Exemplare; in derselben Größenordnung oder sogar etwas darunter dürfte sich die Reforma bewegen.

Damit ist der Universal, gemessen an der Auflage, die führende meinungsbildende Zeitung Mexikos. Andere Blätter aus dem Segment, wie der einst führende "Excelsior", die linksgerichtete "Jornada" oder der "Milenio", dürften mit ihren Auflagen deutlich unter der des Universal liegen, auch wenn sie offiziell teils höhere Zahlen melden.

Verlag
Der Umsatz des Verlags sank im Jahr 2008 um elf Prozent auf rund 81 Millionen Euro. Davon entfielen 69 Prozent auf das Leitblatt Universal. Die weiteren Printerzeugnisse (Details unten) lieferten laut Finanzbericht "akzeptable Ergebnisse". Nicht detailliert erwähnt der Finanzbericht den Beitrag von Online-Aktivitäten und Fernsehen zum Gesamterfolg. Laut ehemaligen Verlagsmitarbeitern erzielt der Universal-Verlag in keiner der beiden letztgenannten Sparten Gewinne.

Der konsolidierte Gewinn des Verlags betrug 2008 rund 1,6 Mio Euro. Auf Pesobasis liegt er damit 47 Prozent unter dem Vorjahr. Seit 2008 läuft ein Kostensenkungsprogramm, das auch mit einer Reduktion des redaktionellen Teils verbunden ist. So wurden beispielsweise beim Universal das Feuilleton und die Gesellschaftsseiten zu einem neuem Bund "Kiosko" (Kiosk) zusammengefasst.

Keine Angaben macht der Universal-Verlag zum Anteil der Werbung an den Gesamteinnahmen und zur Zusammensetzung der Werbekunden. Neben der in Mexiko verbreiteten Politwerbung und den Inseraten der Privatwirtschaft liegt die Stärke des Universal laut Branchenkennern bei den Kleinanzeigen, wo er als Marktführer gilt. Ihnen kommt in Mexiko aufgrund der geringen Internetnutzung noch große Bedeutung zu.

Der Verlag des Universal ist zwar formell eine Aktiengesellschaft (El Universal Compañía Periodística Nacional S.A. de C.V.). Doch die rund 290 Millionen Aktien sind nicht börsenkotiert und vermutlich im Besitz von Juan Francisco Ealy Ortiz (Sr) oder Familienangehörigen. Damit kann der Universal-Verlag als Familiengesellschaft bezeichnet werden.

Wie in Mexiko üblich, ist der Verlag sehr zurückhaltend mit Angaben zu Struktur und Finanzen. Der Verlag hat allerdings Schuldverschreibungen über die mexikanische Börse platziert. Darum ist er verpflichtet, einige grundlegende Daten zu veröffentlichen.

 

Tab. II: Geschäftszahlen der Universal-Verlagsgesellschaft (in Mio. MXN)
20082007Veränderung in % gegenüber Vorjahr2008 in Mio. Euro*
Umsatz1561.41734.1-11.0681.07
Kosolidierter Gewinn31.246-47.441.62
Beschäftigte11531227-6.42

*Umrechnungskurs vom 31.12.08: 19,26
Quelle: Finanzbericht der Universal-Verlagsgesellschaft 2008

Laut der internationalen Finanzrating-Agentur Standard & Poor's hat sich die Finanzlage des Universal seit 2008 deutlich verschlechtert, was sich in geringerer Liquidität und zugleich hohen kurzfristigen Schulden äußert. Grund sind neben der allgemein schlechten Wirtschaftslage in Mexiko die hohen Investitionen des Universal-Verlags in Rationalisierung sowie in den Bieterkampf um eine neue Fernsehkonzession.

Zudem kritisiert Standard & Poor's die hohen Gewinnausschüttungen des Familienbetriebs und spricht von einer "aggressiven Dividendenpolitik". Eine unmittelbare wirtschaftliche Gefährdung besteht gemäß den Analysten jedoch nicht, dank der Führungsposition des Universal im Tageszeitungsmarkt. Langfristig entscheidend werde es allerdings sein, ob es dem Verlag gelingt, sich auch im mexikanischen Fernsehmarkt zu etablieren.

 

Geschichte und Profil

El Universal ist die älteste bestehende Tageszeitung in Mexikos Hauptstadt und ein Kind der mexikanischen Revolution (1910 - 1920). Félix Fulgencio Palavicini, Mitglied der damals in Querétaro tagenden verfassungsgebenden Versammlung Mexikos, gründete das Blatt am 1. Oktober 1916 als ausdrücklich politische Tageszeitung in der Hauptstadt. Auf deren ersten Druckmaschine, einer vier Stockwerke hohen Goss, wurde 1917 die erste politische Verfassung Mexikos gedruckt.

Von Anfang an hob sich der Universal durch seine Pionierrolle bei journalistischen und technischen Neuerungen hervor. Als erste Zeitung Mexikos arbeitete der Universal mit Nachrichtenagenturen und einem eigenen Korrespondentennetz. Er führte 1922 als erstes Blatt eine zusätzliche Abendausgabe ein, El Universal Gráfico. Aus ihm ist 2002 die gleichnamige heutige Boulevard-Ausgabe hervorgegangen.

1940 publizierte der Universal erstmals aktuelle Bilder aus dem damaligen Krieg in Europa. Ab den 1970er Jahren investierte die Zeitung in die einsetzende technologische Umwälzung der Tagespresse, mit Offsetdruckmaschinen, Fotobelichtung und der stufenweisen Digitalisierung der Druckvorstufe.

1996 war der Universal wiederum Mexikos Pionier, mit der Einführung einer Internetausgabe; die sich inzwischen zum führenden Newsportal Mexikos entwickelt hat (siehe unten). Heute verfügt der Universal nach eigenen Angaben über die größte und modernste Zeitungsredaktion Lateinamerikas.

Geführt wird das Blatt bis heute als Familienbetrieb, mit Direktoren, die oft jahrzehntelang im Amt verweilen. 1923 übernahm José Gómez Ugarte die Direktion von Gründer Fulgencio. 1940 übernahm Miguel Lanz Duret Präsidium und Generaldirektion. Beides ging 1969 an Juan Francisco Ealy Ortiz über. Er übergab 2007 die Generaldirektion seinem gleichnamigen Sohn, amtiert aber weiterhin als Präsident des Verwaltungsrats der Verlagsgruppe.

Seit 1983 werden der Universal und weitere Publikationen unter dem Dach der Aktiengesellschaft "El Universal Compañia Periodística Nacional S.A. de C.V." geführt. Die Aktienmehrheit ist laut Finanzexperten bis heute im Besitz von Verwaltungsratspräsident Juan F. Ealy (Senior) oder Familienangehörigen. Der Verlag selbst macht keine Angaben dazu.

Hervorstechende Professionalität und Meinungspluralismus
In Mexiko gab es im Mai 2009 mehr als 250 bei der Regierung angemeldete Tageszeitungen. Die Mehrheit von ihnen ist lokal begrenzt, mit Auflagen von oft nur wenigen Tausend Exemplaren. Zudem ist die offene Ausrichtung der Medien entlang an Partei-Ideologien oder Wirtschaftsinteressen verbreitet, ebenso der Sensationalismus. In diesem Umfeld fällt der Universal durch unspektakuläre journalistische Professionalität auf.

Ein weiteres Merkmal des Universal ist das für mexikanische Zeitungen ungewöhnliche hohe Maß an Meinungspluralismus. Das Blatt verfolgt zwar eine eher konservative Linie, bietet aber abweichenden Meinungen Raum. Am deutlichsten sichtbar wird das auf der jüngst umgestalteten Seite 2, auf der täglich wechselnde, prominente Gastkommentatoren aus Fernsehen und Politik die Möglichkeit erhalten, sich zu aktuellen Fragen zu äußern.

Pluralismus, journalistische Professionalität und technologische Führerschaft sind erklärtes Ziel des Verlags, um die Spitzenposition innerhalb der seriösen Tageszeitungen zu erreichen. Unterstrichen wird das durch den Untertitel der Zeitung, der seit 1921 auf der Titelseite steht: "Die große Tageszeitung Mexikos". Unter politischen Entscheidungsträgern ist der Universal laut dem mexikanischen Medienbeobachter Raúl Trejo die einflussreichste Zeitung. 

Im wirtschaftlichen Bereich hat das Konkurrenzblatt Reforma mindestens ebenso viel Gewicht wie der Universal: Die Reforma gehört ebenfalls zu den wenigen journalistisch professionell betriebenen Zeitungen Mexikos, vertritt aber deutlich eine wirtschaftsnahe Ideologie.

Konkurrenz machen sich die Verlage des Universal und der Reforma (Ediciones del Norte, S.A. de C.V.) auch im Segment der Boulevardzeitungen. Hier übertrifft der Universal mit dem Universal Gráfico das entsprechende Blatt der Reforma, Metro, deutlich.

Dominanz des Staates und vorsichtige Emanzipation des Universal
Mexikos Intransparenz bei der Meldung der Print-Auflagen lässt sich politisch erklären. Hauptinserenten sind der Staat und die politischen Parteien. Sie zahlen etwa doppelt so hohe Preise wie die Privatwirtschaft und vergeben Anzeigen oft nach ideologischen und politischen Kriterien. Die Auflage spielt darum keine große Rolle. Bis heute ist es üblich, kritische Medien mit Inserate-Entzug zu strafen. 

Private Inserenten haben nur beim Universal und in der Reforma einen nennenswerten Anteil am Anzeigenvolumen, was die beiden Tageszeitungen wiederum weniger abhängig von politischen Einflussnahme macht.

Die politisch-ideologische Kontrolle der Medien Mexikos geht auf die rund 70 Jahre währende Einparteienherrschaft der PRI (Partei der Institutionalisierten Revolution) zurück, die erst im Jahr 2000 endete. Noch im Jahr 1993 bezeichnete sich Emilio Azcárraga Milmo, Besitzer des größten TV-Senders (Televisa), öffentlich als „Soldat der PRI“.

Der Universal sieht sich gerne als Vorkämpfer gegen allzu enge Bande zwischen Staat, Parteien und Presse. So wehrte sich die Verlegerfamilie in den 1980er Jahren erfolgreich gegen die quasi-staatliche Zuteilung des Druckpapiers. 1992 führte der Universal als erstes Blatt Mexikos die zwingende Regelung ein, die Reisekosten für Journalisten aus der eigenen Kasse zu zahlen. Zuvor war es üblich, sich die Spesen von der Regierung erstatten zu lassen - mit entsprechenden Konsequenzen für die Berichterstattung. Förmliche Anerkennung für sein Bestreben erhielt Verwaltungsratspräsident Juan Francisco Ealy Sr. im Jahr 2007 mit der Verleihung des vom mexikanischen Verlegerverband vergebenen Preises der Meinungsfreiheit.

Auch wenn sich der Universal gerne als „Vanguarde des nationalen Journalismus“ bezeichnet, lag er wie die meisten anderen Medien Mexikos bis zum Jahr 2000 auf der Linie der regierenden PRI. Die Verlegerfamilie definierte stets die Grenzen der Redaktionsfreiheit, die zu überschreiten die betreffenden Journalisten oft den Job kostete. Bezeichnendes Beispiel ist die Berichterstattung über das große Erdbeben in Mexiko-Stadt im Jahr 1985. Im falschen Vertrauen auf ihre redaktionelle Freiheit hinterfragten die Journalisten des Universal die mutmaßlich geschönten Regierungsstatistiken über die Opfer und stellte ihnen eigene Statistiken mit höheren Zahlen gegenüber. Bereits das war im damaligen autoritären Klima Mexikos ein gewagter Schritt.

Im Gefolge des Erdbebens wurden auch die damaligen Folterpraktiken von Mexikos Staatsanwaltschaft ruchbar, denn Folterer und deren Opfer wurden von der Naturkatastrophe überrascht und ihre Leichen in einem eingestürzten Gebäude gefunden. Als der Universal auch darüber berichtete, entließ der Verleger den damaligen Chefredakteur. Das zeigt, dass selbst der Pionier unter Mexikos Zeitungen innerhalb eng gesetzter Grenzen arbeitete.

Dabei war der Universal nicht das einzige Blatt, das sich der Bevormundung durch die Regierung zu entziehen suchte. Schon in den 1970er-Jahren gab es in Mexiko erste Versuche der Linken, eine oppositionelle, kritische Presse zu begründen. Auslöser waren ein Studentenmassaker der Armee im Jahre 1968 und die folgenden Jahre massiver Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung, bekannt als "Schmutziger Krieg". In dieser Zeit profilierten sich La Jornada, Unomásuno und Excelsior mit regierungskritischer Berichterstattung. Von ihnen besteht heute nur noch die Jornada als Linksblatt mit nationalem Anspruch fort. Die "Jornada" ist jedoch nahezu ausschließlich von staatlicher und politischer Werbung abhängig und damit entsprechend zahnlos. Die beiden anderen Blätter haben nach dem Wechsel von Besitzern und inhaltlicher Ausrichtung an Bedeutung verloren.

Mehr Pluralismus seit dem historischen Machtwechsel im Jahr 2000
Zu einem beginnenden pluralistischen Mediensystem in Mexiko kam es erst ab dem Jahr 2000. Denn mit der Wahl des Präsidenten Vicente Fox von der konservativen PAN (Partei der Nationalen Aktion) verlor die PRI ihre jahrzehntelange Dominanz im Staatsapparat und in den Medien, die seither kritischer und vielfältiger berichten. Diese Tendenz setzte sich 2006 mit der Wahl Felipe Calderóns, ebenfalls PAN, fort. Von dem medienkulturellen Wandel in Mexiko profitierte ganz besonders der Universal.

Doch bis heute wirkt Mexikos Tradition des politischen Autoritarismus fort und es gelten weiterhin ungeschriebene Grenzen der Redaktionsfreiheit. Davon ist auch der Universal nicht ausgenommen. Indiz dafür sind die häufigen Wechsel des Chefredakteurs, die im auffälligen Kontrast zur Konstanz in der Verlagsleitung stehen. Seit November 2008 ist Jorge Zepeda Patterson Chefredakteur, nachdem sein Vorgänger Raymundo Riva Palacio überraschend entlassen wurde. Es war der vierte derartige Wechsel innerhalb von sechs Jahren.

Trotz dieser Einschränkungen gilt die Ernennung Zepadas als ermutigendes Signal. Er ist einer der renommiertesten Journalisten Mexikos. Seinen Ruhm erwarb er sich in den 1990er Jahren, als er neue Maßstäbe im investigativen Journalismus setzte.

Internetpräsenz und Online-Performance

El Universal ist der Pionier unter Mexikos Online-Portalen. Unter www.eluniversal.com.mx bietet der Verlag kostenlos den gesamten Inhalt der Druckausgabe und dazu minütliche Aktualisierungen sowie TV-News. Das Portal erzielt nach eigenen Angaben täglich fünf Millionen page views. Laut dem Ranking von Alexa.com ist es das mit Abstand meistgelesene Newsportal Mexikos.

Dabei befriedigt das Online-Angebot offenbar auch das Informationsbedürfnis der emigrierten Mexikaner. Rund zehn Prozent der Zugriffe auf das Portal kommen aus den USA, Spanien und Kanada, den bevorzugten Auswanderungsländern. Alleine in den USA leben rund 20 Millionen Mexikaner, ein Sechstel der Bevölkerung.

Die Klick-Statistik des Online-Universal lässt vermuten, dass das Medium in ganz Lateinamerika als unabhängige Informationsquelle konsultiert wird. So ist der Universal auch in Ländern wie Venezuela, Kolumbien und Peru noch unter den ersten 1000 der meistbesuchten Seiten zu finden.

Mit Informationen zu seinem Onlinegeschäft ist der Verlag zurückhaltend. Insider gehen davon aus, dass es unterm Strich keine nennenswerten Gewinne oder sogar Verluste beschert. Online bietet der Universal auch seine Kleinanzeigen an, unter www.aviso-oportuno.com.mx/.

In Mexiko ist der Onlinemarkt im internationalen Vergleich wenig entwickelt. Rund 20 Prozent der 108 Millionen Mexikaner (Stand 2008) nutzen das Internet regelmäßig. Von ihnen verfügt wiederum nur gut ein Drittel über einen Internetanschluss daheim; der Rest hat Zugang am Arbeitsplatz oder in den zahlreichen Internetcafes. Selbst im lateinamerikanischen Umfeld liegt Mexiko damit weit hinten und wird von ärmeren Ländern wie Kolumbien oder Peru übertroffen (siehe Tabelle).

Dem Online-Markt kommt in Mexiko trotz seiner bescheidenen Größe Bedeutung zu, denn er bietet die Möglichkeit, das unbefriedigende Informationsangebot des Fernsehens und der teils ideologisch geprägten und außerhalb der Hauptstadt wenig verfügbaren Zeitungen zu ergänzen. So sind es vor allem die jungen und gebildeten Mexikaner, die das Internet als Hauptinformationsquelle nutzen. Das spiegelt sich auch in der Klickstatistik des Universal online wieder, in der die 25- bis 44-jährigen männlichen Akademiker die deutlich größte Nutzergruppe sind.

 

Tab. III: Internetnutzung in Mexiko im int. Vergleich
LandInternetnutzer (je 10000 Einwohner
Kanada8517
USA7194
Deutschland5145
Chile3348
Peru2737
Kolumbien2622
Brasilien2607
Venezuela2068
Weltweit2013
Mexiko1971
China1581

 

 

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Nur in bescheidenem Ausmaß konnte sich der Universal im TV-Bereich etablieren, wo es dem Verlag bisher nicht gelang, eine Alternative zu den beiden marktbeherrschenden Sendern Televisa und TV Azteca aufzubauen. Grund ist auch der mangelnde Wille des Gesetzgebers, das Fernsehen anderen Anbietern zu öffnen.

2007 erklärte Mexikos oberstes Gericht die zuvor erfolgte Novellierung des Radio- und Fernsehgesetzes in Mexiko, von Kritikern als "Televisa-Gesetz" verspottet, für verfassungswidrig. Seither bemüht sich das Parlament um ein neues, verfassungskonformes TV-Gesetz. Davon hängen die Chancen des Universal-Verlags ab, einen TV-Sender mit Breitenwirkung aufzubauen.

Über das Onlineportal bietet der Universal bereits digitales Fernsehen an, unter anderem die tägliche Nachrichtensendung "Conexión Universal", die auch über Youtube zu finden ist. (www.eluniversaltv.com.mx)

Seit April 2009 betreibt der Universal unter "efektoTV" einen von ihm kontrollierten Kanal im Bezahlfernsehen über die in Mexiko dominierende Satelliten-TV-Gesellschaft Sky (Kanal 234). Mexikos Medienexperten ließ das vom Universal nicht öffentlich deklarierte TV-Projekt aufhorchen. Denn Sky Mexiko wird wiederum von Televisa kontrolliert. Das lässt Spekulationen über eine geheime Kooperation zwischen dem TV-Marktführer (Televisa) und dem Zeitungsmarktführer (Universal) keimen.

Bereits zuvor begann der Universal, in Kooperation mit dem Televisa-Konkurrent "TV Azteca" einen TV-Kanal aufzubauen. Zugleich änderte das Leitblatt UNIVERSAL die redaktionelle Linie. Die früher häufigen kritischen Artikel zu Mexikos beherrschendem Fernsehduopol von Televisa und TV Azteca sind auffällig seltener geworden. All das sind Indizien dafür, dass der Universal-Verlag auf dem Weg der Kooperation den Einstieg in den TV-Markt sucht.

Referenzen/Literatur

Literatur:

  • Pressemitteilungen von Standard & Poor's zur Universal-Verlagsgesellschaft, zuletzt vom Februar 2009.
  • Frank Priess: Mediensystem in Mexiko, Konrad-Adenauer-Stiftung, 2007, Arbeitspapier.

 

Mündliche Auskünfte und Interviews:

  • Claudia Benassini Félix, Medienwissenschaftlerin am Technologischen Institut Monterrey (MTY), Mexiko-Stadt
  • Frank Priess, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko und Journalist, Mexiko-Stadt
  • Fabiola Ortiz, Mónica Ponce, Finanz-Analystinnen bei Standard & Poor's, Mexiko-Stadt
  • Raúl Trejo, Medienwissenschaftler an der Nationalen Universität Mexiko (UNAM), Präsident der mexikanischen Vereinigung zum Recht auf Information (AMEDI), Mexiko-Stadt
  • Ehemalige Mitarbeiter des Universal, unter Anonymität. Anfragen zu offiziellen Stellungnahmen bei Verlag und Redaktion des Universal blieben unbeantwortet.

 

Links (auf spanisch):