Clarín

„Clarín“ („Signalhorn“) aus Buenos Aires ist die größte und einflussreichste Tageszeitung Argentiniens. Sie ist eine der führenden Zeitungen in spanischer Sprache. Das Blatt ist Keimzelle und publizistisches Aushängeschild der gleichnamigen mächtigen Mediengruppe, die den hochkonzentrierten argentinischen Medienmarkt dominiert und sich mit der Regierung des Landes heftige Auseinandersetzungen liefert.

Basisdaten

Hauptsitz:
Clarín
Piedras 1473
Buenos Aires, C.F. C1140ABK
Tel.: +54 11 4309 7500
Fax: +54 11 4309 7200
www.clarin.com

Auflage: 289.144 (Durchschnittswert Montag bis Sonntag/ 1. Quartal 2011; Quelle: Instituto Verificador de Circulaciones)

Geschichte und Profil

In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts besaß Argentinien eine lebendige und vielfältige Presselandschaft mit einer Reihe von anerkannten Prestigeblättern, der sogenannten gran prensa von Buenos Aires. 1928 entfielen drei Fünftel des lateinamerikanischen Papierverbrauchs auf das Land am Rio de la Plata. Die Hauptstadt Buenos Aires war ein „Zentrum der Lesekultur“ (Rehrmann 2005: 228).  Die Auflagen florierten und lagen bei den Blättern der gran prensa – „El Mundo“, „La Prensa“, und „La Nación“ – bei mehreren hunderttausend Exemplaren. Mit einem Militärputsch 1943 und dem anschließenden Aufstieg von Oberst Juan Domingo Perón zur führenden Figur des autoritären Regimes begann allerdings der Abstieg der argentinischen Presse. Bereits 1943 kam es zum Verbot verschiedener in- und ausländischer Zeitungen. Vor dem Hintergrund dieser politischen Situation gründete Roberto Noble seine Zeitung „Clarín“ im August 1945.

Noble, ein in La Plata geborener Rechtsanwalt, war in den 20er Jahren an der Gründung der Unabhängigen Sozialistischen Partei beteiligt und 1932 ins argentinische Parlament gewählt worden, wo er sich mit anderen Abtrünnigen der Sozialisten dem Parteienbündnis „Concordancia“ anschloss. (Vgl. Infoamerica 2011)  Mit seinem Namen ist ein Gesetz zum Urheberrecht verbunden, das Autoren das exklusive Recht gewährte, über die öffentliche Verwendung ihrer Werke zu bestimmen („Ley Noble“). (Vgl. Clarin 1999) Seine politische Laufbahn brachte ihm einen einflussreichen Posten im Umfeld des Gouverneurs der Hauptstadtprovinz, Manuel Fresco, ein. Als dieser jedoch 1939 aus dem Amt gedrängt wurde, endete auch Nobles Karriere. In der Folge wandte er sich seiner Ranch zu, die er allerdings wenige Jahre später verkaufte, um 1945 die „Clarín“-Gründung zu finanzieren. Am ersten Tag, dem 28. August, wurden rund 60.000 Exemplare der Zeitung verkauft. (Vgl. fundinguniverse 2011) In den folgenden Jahren etablierte sich „Clarín“ als Teil der gran prensa.

Das autoritäre Regime unter Perón, dessen politisches Weltbild vom faschistischen Italien geprägt worden war, ging bis zu seinem Sturz im Jahr 1955 harsch gegen missliebige Blätter vor und schaffte die Presse- und Meinungsfreiheit de facto ab. Die Blätter der gran prensa reagierten unterschiedlich: „La Nación“ verfolgte eine regimefreundliche Linie, während „La Prensa“ kritisch berichtete. „Clarín“ arrangierte sich und war weder dezidiert oppositionell noch eindeutig regierungsnah.
Die Mittel peronistischer Pressepolitik reichten von der Zuteilung von Papier nach politischer Opportunität bis hin zu Enteignungen und Gewalt. 1950 wurden 60 Zeitungen geschlossen. Die staatliche Willkür traf auch die kritische „La Prensa“, die 1951 enteignet wurde. Die Leser und Anzeigenkunden „La Prensas“ verhalfen wiederum „Clarín“ zur wirtschaftlichen Konsolidierung.

Die Einschränkung der Pressefreiheit endete auch nicht nach einem erneuten Putsch 1955. Die anti-peronistische Junta kontrollierte ebenfalls die Berichterstattung und bannte zudem Symbole, die mit den Regierungsjahren Peróns in Verbindung standen. Das von Perón etablierte System zur Pressekontrolle, etwa mit der obersten Zensurstelle Subsecretaría de informaciones de la Presidencia (SIP), wurde in den folgenden Jahren sogar ausgebaut.

Der Aufstieg „Claríns“ zur führenden Zeitung zuerst in Buenos Aires, später in ganz Argentinien, begann in den 60er Jahren. Die Zeitung mit ihrem Mitte-Rechts-Profil und wirtschaftspolitisch „desarollistischen“ Ideen, die den Aufbau einer konkurrenzfähigen Industrie mittels Importsubstitution und ausländischer Investoren verfocht, profitierte vom Wirtschaftswachstum jener Jahre und von der Nähe zur „desarollistischen“ Bewegung. „Clarín“ richtete sich an die breiter werdende Mittelschicht und war eher volkstümlich als elitär. 1965 war sie die meistverkaufte Zeitung in Buenos Aires. Als Gründer Noble 1969 starb, konnte er seiner Witwe nicht nur eine erfolgreiche Zeitung überlassen, sondern auch funktionierende Bande zur argentinischen Regierungselite. Ernestina Herrera de Noble ist seither Besitzerin und Herausgeberin von „Clarín“.

Während der Abfolge von mehr oder weniger undemokratischen Wahlen, Putschen und Militärregierungen hielt sich „Clarín“ bedeckt, was Kritik an der Regierungspolitik anging, und verlagerte den Schwerpunkt der Berichtersterstattung auf harmlose Kultur- und Sportberichterstattung. Das 1974 von einer neuen peronistischen Regierung verabschiedete „Sicherheitsgesetz“ schränkte nicht zuletzt die Pressefreiheit weiter ein; das staatliche Pressesekretariat forderte von den Zeitungen, „sich in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen“ (Finkenzeller 1998: 62). Das Militär, das sich gegen die Peronisten positionierte, versuchte wiederum, die Presse für ihre Propaganda zu nutzen. Als es im März 1976 die Regierungsgewalt an sich riss, applaudierten viele Blätter, darunter auch „Clarín“. Herrera de Noble zeigte sich öffentlich mit dem Führer der Junta, Jorge Videla.

Die Militärdiktatur unter Videla entwickelte sich zur infamsten Diktatur in der Geschichte Argentiniens. Zwischen 1976 und 1983 fielen ihr Zehntausende zum Opfer. Die Junta ließ Regimegegner spurlos in Folterkeller entführen und ermorden. Die Praxis des „Verschwindenlassens“ – von Julio Cortázar als „argentinischer Tod“ bezeichnet – machte auch vor Schwangeren nicht halt: Mütter mussten in Gefangenschaft gebären und wurden anschließend umgebracht. Die Kinder gab man regimetreuen Adoptiveltern. Das Schicksal vieler Opfer ist noch immer nicht aufgearbeitet: Großmütter und Mütter, deren Kinder während der Tyrannei „verschwanden“, treffen sich regelmäßig auf der Plaza de Mayo in Buenos Aires zu Protesten.

Angesichts der – zumindest anfänglich – positiven Einstellung vieler Großverleger zur Diktatur, der staatlichen Repression und der Regierungspropaganda bot sich zwar einerseits kaum Raum für journalistischen Widerstand, andererseits dienten sich einzelne Zeitungen dem Regime geradezu an, insbesondere „La Nación“. Für den Journalisten Horacío Verbitsky besteht kein Zweifel daran, dass „die Zeitungen La Nación und Clarín Komplizen des Regimes waren.“ (Schulten/Denegris 2010) Den beiden Blättern wird vorgeworfen, Berichte über Journalisten unter den Opfern der Militärdiktatur bewusst nicht veröffentlicht zu haben. Laut Amnesty International wurden in den ersten beiden Jahren der Militärherrschaft weit über 100 Journalisten zu Opfern der Diktatur: 69 wurden getötet oder verschwanden, 70 wurden verhaftet. „Clarín“ wird indessen zu Gute gehalten, 1979 einen Bericht über die Menschenrechtslage in Argentinien im Sportteil untergebracht zu haben. Nach der Ablösung Videlas durch General Viola 1981 begann „Clarín“, die Wirtschaftspolitik der Regierung verhalten zu kritisieren, blieb jedoch systemtreu.

1978 war es „Clarín“ gelungen, den Hauptanteil der Papierfabrik Papel Prensa zu erwerben, die 1972 gegründet worden war und ein Monopol auf Zeitungspapier besitzt. „Clarín“ gehören seither 49 Prozent, der Zeitung „La Nación“ 22,5 Prozent und dem argentinischen Staat 27,5 Prozent. (Vgl. KAS 2010)  Für „Clarín“-Kritiker liegt der wirtschaftliche Aufstieg des Zeitungshauses im Kauf des Papel-Prensa-Anteils während der Militärdiktatur begründet. (Vgl. Schulten/Denegris 2010)

Während des zehnwöchigen Falklandkrieges 1982 verbreitete die argentinische Presse noch einmal uneingeschränkt die Propaganda der Diktatur. Als auf die militärische Niederlage der Niedergang des Regimes folgte und ein Übergang zur Demokratie möglich wurde, rückten die Zeitungen schließlich von der Junta ab und forderten Reformen. Die argentinische Presse gestaltete den Umbruch allerdings nicht aktiv mit, im Unterschied zu vergleichbaren Transitionen, etwa in Spanien, wo die Zeitung „El País“ eine hervorgehobene Rolle bei der publizistischen Begleitung der demokratischen Reformen spielte. Die Militärdiktatur hinterließ vielmehr eine verkümmerte Presselandschaft, die in den folgenden Jahren zudem häufig unter wirtschaftlichen Druck geriet. Ein Lichtblick war die Gründung der bonaresischen Zeitung „Página 12“ im Jahr 1987.

In den 90er Jahren erlebte die regionale Presse Argentiniens einen Niedergang. Es kam zu einem Konzentrationsprozess, zu dem die Branchenriesen „Clarín“ und „La Nación“ mit ihrem 1997 gegründeten Joint-Venture CIMECO beitrugen, indem sie etliche Zeitungsverlage in den regionalen Zentren übernahmen. Auch die Preispolitik von Papel Prensa sorgte für die andauernde Kritik, kleinere Blätter würden systematisch benachteiligt und oft in den Ruin getrieben. Beobachter verweisen darauf, dass in den 90er Jahren die Produktion einer Ausgabe von „Página 12“ um 50 Prozent teuer war als die Herstellung einer „Clarín“. Zwischen 1983 und 1993 zwangen die Papierpreise des Monopolisten Papel Prensa 46 Zeitungen in den Konkurs.

„Clarín“ nutzte die liberale Wirtschaftspolitik der ersten demokratisch gewählten Präsidenten Alfonsín und Menem, um kräftig zu expandieren. Dabei kam dem Unternehmen die wirtschaftliche Schlagkraft zu Gute, die sie nicht zuletzt unter der Diktatur aufgebaut hatte. In wenigen Jahren entwickelte sich das Zeitungshaus zu einem der größten Multimediakonzerne Lateinamerikas. Insbesondere der Kauf des defizitären Fernsehkanals „Canal 13“ ebnete 1989/90 den Weg zur Ausnahmestellung im Segment. Die Kooperation mit „La Nación“ setzt „Clarín“ unterdessen fort, so auch bei der Nachrichtenagentur Diarios y Noticias (DyN), an der beide Unternehmen beteiligt sind und die 1982 gegründet worden war.

Die Internetausgabe clarin.com startete 1995. Sie befindet sich auf Rang 12 der meistbesuchten Seiten in Argentinien. (Vgl. Alexa.com 2011)  2003 erschien die Printausgabe der Zeitung mit überarbeitetem Design, das Tabloid-Format wurde jedoch beibehalten – seit der Gründung wird die Zeitung in dieser Größe produziert. Der Sportteil ist gestalterisch hervorgehoben. Sport steht neben lokalen Themen im Zentrum der Berichterstattung. Beim Politikjournalismus ist „Claríns“ Blattlinie zuvörderst populistisch, kommentierte Jorge Fontevecchia, Gründer des Magazins „Perfil“, im Jahr 2008: „Clarín stimmt zu, wenn die Bevölkerung zustimmt und kritisiert, wenn die Bevölkerung kritisiert. In beiden Fällen bewirkt sie eine Rückkopplung der Befindlichkeiten: Wenn sie sich der Unterstützung der Gesellschaft für eine Regierung anschließt, trägt sie dazu bei, diese Popularität zu potenzieren; schließt sie sich jedoch der Ablehnung an, trägt sie auch dazu bei, ihren Misskredit zu steigern.“ (Fontevecchia 2008)  Zwar irrten die Regierungschefs, wenn sie dem Blatt die Schuld für Popularitätsverluste zuwiesen, sobald diese einmal auftreten; die Zeitung sei dafür nicht die Ursache. Man könne „Clarin“ allerdings vorwerfen, zur Volatiliät der öffentlichen Meinung mit der für sie charakteristischen „pendelnden Hysterie“ beizutragen, so Fontevecchia.

Seit über zehn Jahren bewegt ein Fall um die Adoptivkinder der „Clarin“-Herrscherin Herrera de Noble die Argentinier, der charakteristisch ist für die jüngste Geschichte des Landes. Estela de Carlotto, die Vorsitzende der „Abuelas de Plaza de Mayo“, jenen Großmüttern, die auf der Plaza de Mayo für die Aufarbeitung des Schicksals der „Verschwundenen“ kämpfen, stellte Strafantrag gegen Herrera de Noble. Darin wird der Verlegerin vorgeworfen, falsche Angaben über die Identität ihrer Adoptivkinder Marcela und Felipe Noble Herrera gemacht zu haben. Die beiden sind möglicherweise Nachkommen von ermordeten Regimegegnern. Die Frage der Abstammung ist nach etlichen Gerichtsverfahren und einem kurzen Gefängnisaufenthalt Herrera de Nobles nach wie vor ungeklärt. Entnommene Blutproben wurden nicht berücksichtigt. Auch wenn die „Abuelas“ in erster Linie das Schicksal der „Verschwundenen“ und ihrer Kinder klären wollen und darüber hinaus wohl keine politischen Interessen verfolgen, ist der Fall ein Politikum. Alcira Ríos, Anwältin möglicher biologischer Eltern von Marcela und Felipe, erklärte dem Blatt „Perfil“: „Solange Herrera de Noble nicht stirbt, werden sich ihre Kinder keiner Analyse unterziehen. Schließlich geht es um ein Millionenerbe.“ (Gueler 2011)

Unternehmen

Das argentinische Mediensystem ist von einem hohen Konzentrationsgrad geprägt und in diesem Punkt vergleichbar mit anderen lateinamerikanischen Medienmärkten: So spielen die Unternehmen Televisa und Globo in Mexiko, respektive Brasilien eine ähnlich hervorgehobene Rolle wie Clarín in Argentinien. Seine Macht brachte dem Medienkonzern den Beinahmen „El Pulpo“ (“Der Krake“) ein. (Vgl. Finkenzeller 1998: 111) Zusammen mit dem Rivalen Telefónica bildet er ein Duopol im Bereich der elektronischen Medien Argentiniens: Die beiden Unternehmen besitzen zwei der fünf Free-TV-Kanäle in Buenos Aires und kontrollieren einen großen Teil der Inhalte-Produktion. Clarín dominiert den Kabelfernseh- und Radiomarkt, während Telefónica Primus im Telekommunikationssektor ist.

Auf dem argentinischen Zeitungsmarkt existieren heute sechs Blätter mit nationaler Verbreitung, darunter „Clarín“. In argentinischen Städten wird in der Regel mehr Zeitung gelesen als in anderen Gebieten Lateinamerikas. Zwar gingen die Gesamtwerbeausgaben zwischen 1995 und 2005 zurück, der Printsektor konnte seinen Anteil dennoch von 18 Prozent auf 37 Prozent erhöhen. Zur Clarín-Gruppe gehört auch die Sportzeitung „Olé“, die sich nach der Markteinführung 1996 unter den zehn meistverkauften Zeitungen Argentiniens behaupten konnte.

Die Gruppe befindet sich mehrheitlich im Besitz von Herrera de Noble. Insgesamt 70,99 Prozent gehören den vier Hauptaktionären. Neben Direktorin Herrera de Noble sind dies Héctor Magnetto, José Anranda und Lucio Pagliaro. 1999 stieg Goldman Sachs ein und erwarb 18 Prozent des Unternehmens für 500 Millionen US-Dollar. (Vgl. Mastrini/Beccera 2011) Derzeit befinden sich noch 9,11 Prozent des Unternehmens im Besitz der Investmentbank, 19,9 Prozent sind Streubesitz. 2007 brachte man 20 Prozent der Anteile an die Börsen von Buenos Aires und London.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Lange galten „Clarín“ und der um die Zeitung gruppierte argentinische Medienkonzern als Unterstützer sowohl von Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner, als auch von Nestor Kirchner, ihrem Amtsvorgänger und Ehemann (1950-2010). Im Frühjahr 2008 war es mit der Eintracht jedoch vorbei. Seither stehen sich Regierung und Clarín-Gruppe in inniger Gegnerschaft gegenüber. Es kam zu einer Reihe bemerkenswerter Auseinandersetzungen, die allerdings nicht einseitig interpretiert werden sollten.
Einerseits ergriff die Regierung Maßnahmen, um das Oligopol im Mediensektor aufzubrechen, das sie als Erbe von Militärdiktatur und anschließender neoliberaler Privatisierungspolitik begriff. Andererseits schürte sie Befürchtungen, sie ziele mit ihrer Politik auf eine zunehmende Gängelung der Medienunternehmen und der Berichterstattung.

Der Schwenk „Claríns“ auf eine regierungskritische Linie erfolgte 2008, als die Regierung eine Erhöhung der Agrarsteuern durchsetzen wollte. Der Grund für den Schritt der Zeitung liegt für einige Kommentatoren in der Relevanz der Anzeigenkunden aus dem Agrarsektor. Andere vermuten eine Retourkutsche für die zuvor nicht genehmigte Akquise von Telecom Argentina durch den Mutterkonzern des Blattes.

Die Konfrontation zwischen Präsidentin Fernandez und „Clarín“ gewann in der Folge an Schärfe, zumal die Regierung dabei war, ein Mediengesetz umzusetzen, das nicht zuletzt Claríns Marktmacht beschneiden sollte. Kurz vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes im Herbst 2009, das eine Regelung ersetzt, welche die Militärs 1980 eingeführt hatten, ließ die Regierung die Clarín-Büros von der Steuerfahndung durchsuchen. (Vgl. BBC News 2009)

Auch eine Debatte um den Papier-Monopolisten Papel Prensa wird von Beobachtern vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Regierung und Clarín-Gruppe gesehen. Im August 2010 stellte die Regierung einen Bericht  mit dem Titel „Papel Prensa: die Wahrheit“ vor. (Vgl. Argentinia.ar 2011) Darin wird erklärt, die ehemaligen Eigentümer von Papel Prensa seien 1976 angesichts des Staatsterrors der Militärdiktatur zum Verkauf des Unternehmens gezwungen worden. Profiteur sei das Käuferbündnis unter Ägide der „Clarin“ gewesen. Die Zeitung widersprach und veröffentlichte ihre Sicht des Falls. Die Indizien lassen kein eindeutiges Bild zu. Einerseits sind Mitglieder der früheren Papel-Prensa-Eigentümerfamilie Graiver offenbar entführt und gefoltert worden, andererseits war in verschiedenen Gerichtsverfahren der vergangenen Jahrzehnte, in denen es um Papel Prensa ging, ein möglicher Zwangsverkauf nie thematisiert worden. Isidorio Graiver, der am Verkauf beteiligt war, erklärte nach der Publikation des Regierungsberichts öffentlich, die Transaktion sei freiwillig erfolgt.

Fest steht: Der Regierung ist das Zeitungspapier-Monopol von Papel Prensa ein Dorn im Auge. Präsidentin Fernandez verfolgt das Ziel, Papel Prensa zu enteignen und dem Staat zu unterstellen. Ein Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, auch Papierherstellung, -verteilung und -vertrieb zu verstaatlichen. Diese Maßnahmen würden der Regierung ein Druckmittel gegenüber der Presse verschaffen.
Die Rolle der Presse und insbesondere „Claríns“ zur Zeit der vergangenen Diktatur ist weit davon entfernt, aufgearbeitet zu werden. Kritiker werfen den großen Zeitungen zudem vor, über die Prozesse zur Bewältigung der Tyrannei lediglich oberflächlich zu berichten. (Vgl. Schindel 2010)

Unzufriedenheit herrscht auch mit dem aktuellen Mediensystem Argentiniens: In einem Radiointerview erklärte der Medienwissenschaftler Fernando Ruiz: „Nach fast 30 Jahren Demokratie müsste Argentinien, was die Pressefreiheit angeht, eigentlich auf dem Niveau der Länder Europas sein. Aber uns fehlen öffentlich-rechtliche Medien, die diesen Namen verdienen. Uns fehlen klare und transparente Kriterien für die Verteilung der Werbeanzeigen und Spots der Regierung. Außerdem brauchen wir Medieneigentümer mit einer professionellen Haltung, die sich weniger stark von politischen und wirtschaftlichen Interessen leiten lassen.“ (Eglau 2011)

Referenzen/Literatur