Übernahmeschlacht um Financial Times?

10.02.2012

Zwar hat der britische Mutterkonzern Pearson umgehend dementiert, dass die "Financial Times" zum Verkauf steht. Dennoch hält sich in der Branche hartnäckig das Gerücht, dass das Traditionsblatt an Thomson Reuters oder Bloomberg abgegeben werden könnte. Dies geht aus einem öffentlich gemachten Gespräch zwischen Medieninsider und Rupert Murdoch-Biograph Michael Wolff mit einem anonymen Thomson Reuters-Mitarbeiter hervor, der von entsprechenden Überlegungen der Chefetage gehört haben will. Die "FT" im Portfolio zu haben, könnte beiden Konzernen - jedoch insbesondere deren Besitzer, David Thomson und Michael Bloomberg - helfen, ihren wirtschaftspolitischen Einflussbereich auszubauen. Die Redaktion von mediadb.eu hat die möglichen Konsequenzen zusammengefasst und analysiert:

1. Warum könnte Pearson daran interessiert sein, die "FT" zu verkaufen?
Obwohl die Financial Times Group ein wichtiger Teil von Pearsons Kerngeschäft ist (neben der gleichnamigen Zeitung gehört dazu außerdem eine 50-prozentige Beteiligung am Magazin "The Economist"), hat der Konzern sich in den vergangenen Jahren immer mehr auf das Geschäft mit Bildung und Fachinformation konzentriert. So wurden das französische Wirtschaftsblatt "Les Echos", die spanische "Recoletos" sowie ein 50-Prozent-Anteil an der "Financial Times Deutschland" verkauft. Mit der Übernahme der Bildungsparte des Verlagsriesen Simon & Schuster von Viacom (1998), dem US-Schulsoftwarehaus NCS (2000) und der Harcourt Education-Sparte von Reed Elsevier (2008) avancierte Pearson zum größten Anbieter von Schul- und Sachbüchern weltweit. Mit einem Verkauf der "FT" könnte Pearson diese strategische Ausrichtung weiter forcieren. Mit dem Penguin-Buchverlag würde der Konzern dann nur noch über ein klassisches Mediensegment verfügen.

2. Warum zeigt Thomson Reuters Interesse an der "FT"?
Der Konzern und insbesondere die Nachrichten-Arm Reuters, zu der auch die gleichnamige Nachrichtenagentur zählt, befinden sich seit Monaten in der Krise. Jüngst wurde CEO Thomas Glocer gefeuert, die Aktie befindet sich im Sinkflug und aufgrund von erhöhter Konkurrenz durch Bloomberg und Dow Jones sind immer weniger Investmentfirmen bereit, hohe Summen für Reuters' Finanzinformationen zu bezahlen. Im vergangenen Geschäftsjahr verzeichnete Thomson Reuters ein Minus von knapp drei Milliarden US-Dollar - Wertberichtigungen für die völlig überteuerte Übernahme von Reuters im Jahr 2008 (damals bezahlte man mehr als 16 Milliarden US-Dollar).
Ein Traditionsblatt wie die "FT" unter dem Dach von Thomson Reuters könnte der gesamten Mediensparte neues Leben einhauchen sowie den politischen Einflussbereich von Besitzer und Multimilliardär David Thomson erheblich ausweiten. Sollte sich ein weiteres Gerücht bewahrheiten und News Corp. das defizitäre "Wall Street Journal" innerhalb von zwei Jahren wieder verkaufen, würde Thomson Reuters mit dem Kauf der "FT" gewappnet sein, falls Konkurrent Bloomberg das "WSJ" übernähme.

3. Welche Rolle spielt Bloomberg?
Bloomberg gilt ebenfalls als potenzieller Interessent, da das Unternehmen im vergangenen Jahr seine Medienaktivitäten, die über die Bereitstellung von spezialisierter Finanzinformationen hinausgehen, intensiviert hat. So stieg das Unternehmen in den Meinungsjournalismus ein und stellt konstant Journalisten ein. Die Fernsehaktivitäten wurden zwar ausgebaut, Bloomberg TV hat es jedoch schwer gegen Marktführer CNBC. Da Präsident Michael Bloomberg momentan seine dritte und vermutlich letzte Amtszeit als Bürgermeister von New York absolviert, könnte der Erwerb der "FT" seine Transformation vom Politiker zum Medienmogul mit eigener Zeitung weiter beschleunigen.

Mehr dazu:

- Michael Wolff (Guardian): The logic of a Thomson Reuters takeover of the Financial Times (09.02.2012)