Telcoms vs. Netzneutralität in Großbritannien, USA und Kanada

09.03.2011

Der US-Senator Al Franken bezeichnete Netzneutralität jüngst als "wichtigste Frage der Meinungsfreiheit unserer Zeit". In den Vereinigten Staaten versuchen einflussreiche Vertreter der Republikanischen Partei wie John Boehner (Foto) gegenwärtig die von der US-Regulierungsbehörde FCC erlassenen Bestimmungen zur Netzneutralität rückgängig zu machen. In Großbritannien hat ein Konsortium der größten Kabel- und Internetprovider für diesen Monat angekündigt, einen Kodex zu verabschieden, der darlegen soll, in welchem Ausmaß zahlende Kunden gegenüber nicht zahlenden in Punkto Schnelligkeit im Netz bevorzugt werden. In Kanada hingegen haben Massenproteste und die Arbeit von Grassroots-Bewegungen dazu geführt, dass Verletzungen des Netzneutralitätsprinzip von Seiten der Telekommunikationskonzerne politisch nicht mehr toleriert werden können. Die Redaktion von mediadb.eu hat den gegenwärtigen Stand der Durchsetzung des Prinzips der Netzneutralität in den USA, Großbritannien und Kanada verglichen und analysiert:

USA
Ende Dezember 2010 verabschiedete die FCC ihre net neutrality-Regeln, die ausschließlich Anbieter von klassischen Breitband-Internetzugängen dazu verpflichten, alle Inhalte gleich in Bezug auf Zugang und Schnelligkeit zu behandeln und kleinere Inhalteanbieter wie Blogs nicht zu diskriminieren. Anbieter von mobilen oder wireless Internetzugängen wurden jedoch von diesen Restriktionen befreit, was Kritiker wie etwa die progressive Medien-NGO Free Press als "fake net neutrality" scharf kritisierten. Aus Sicht der Republikanischen Partei, deren FCC-Vertreter gegen die Bestimmungen votierten, beinhaltet diese verwässerte Version des Netzneutralitätsprinzip noch immer zu viel Regulierung. Sie versuchen, die Netzneutralitätsbestimmungen rückgängig zu machen. Im Februar 2011 brachte die Vorsitzende des Handels- und Wissenschaftsausschusses des Senats, Kay Bailey Hutchison, mit der Unterstützung 39 weiterer republikanischer Senatoren einen entsprecheneden Gesetzesentwurf im Kongress ein. Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, warnte in einer Rede Anfang März davor, das Prinzip der Netzneutralität würde zu einer staatlichen Kontrolle des Internets führen und sämtliche Innovationsanreize zerstören. Boehner erhielt in den vergangenen Jahren mehr als 140 000 US-Dollar an Wahlkampfspenden vom Telekommunikationskonzern AT&T. Das Thema Netzneutralität hat durch Comcasts Übernahme von NBC Universal neue Relevanz erhalten. Telekommunikationskonzerne wie unter anderem Comcast und AT&T betreiben Lobbyarbeit gegen das Prinzip, während sich Onlinekonzerne wie etwa Yahoo, Google oder Skype für dessen Durchsetzung stark machen.

Großbritannien
In Großbritannien existieren bislang keine rechtskräftigen Richtlinien für Netzneutralität. Die großen Internet-Service-Provider (ISPs) Sky (News Corp.), Virgin Media und BT haben ein Konsortium gebildet, das sich selbst regulieren soll. So wollen die Konzerne am 16. März einen Leitfaden entwickeln, der aufzeigen soll, wie und in welchem Umfang bestimmte Onlinedienste gegenüber anderen Inhalteanbietern bevorzugt bzw. diskriminiert werden. So soll transparent gemacht werden, welche Firmen gegen Bezahlung in Sachen Schnelligkeit bevorzugt werden und welche nicht. Auf einen universalen Mindeststandard in Sachen Zugang und Schnelligkeit konnten sich die ISPs jedoch nicht einigen. Mit dieser Form der Selbstverpflichtung hoffen die britischen Telekommunikationskonzerne eine gesetzliche Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde Ofcom zu umgehen. Zu den prominentesten Befürwortern für eine strikte Anwendung des Neutralitätsprinzips zählt die BBC. Die Rundfunkanstalt geriet in der Vergangenheit mehrfach in Konflikt mit Internetprovidern, die sie für das Hosting ihrer enorm populären iPlayer-Mediathek zusätzlich zur Kasse bitten wollten. BBC-Direktor Mark Thompson hat mehrfach öffentlich vor bezahlten "Schnellstraßen" im Internet gewarnt. Diese, so Thompson, würden den öffentlich-rechtlichen Auftrag im Internet massiv erschweren.

Kanada
In Kanada, wo die Regulierungsbehörde CRTC die Einhaltung von sogenannten Internet Openness Rules garantieren soll, haben basisdemokratische Proteste bis auf weiteres verhindert, dass Kunden von ISPs unterschiedliche Gebühren zahlen, je nachdem wieviele Daten sie pro Monat herunterladen. Angeführt wurden die Proteste von der NGO OpenMedia.ca, die in wenigen Wochen mehr als 440 000 Unterschriften sammelte, die die beiden großen kanadischen Parteien letztendlich zum Einlenken brachten. Nachdem Anfang März dieses Jahres die Übernahme des größten privaten Fernsehunternehmens CTVglobemedia durch den Telekommunikationskonzern BCE (Bell Canada) genehmigt wurde, sind in Kanada sämtliche großen Telekommunikationskonzerne auch Medienunternehmen und Inhalteproduzenten (Quebecor, Roger Communications, Shaw Communications) und haben betriebswirtschaftliche Anreize, konkurrierende Onlineinhalte zu diskriminieren.

Mehr dazu:

- Guardian: ISPs to outline stance on net neutrality (09.03.2011)

- Free Press: Canadians Step Up to Stop the Meter (02.03.2011)

- Pressemitteilung der Republikanischen Partei: Republican Leader to Repeal FCC's Internet Regulations (16.02.2011)