Int. Medienkonzerne in Russland: Probleme und Chancen

28.10.2011

Am vergangenen Donnerstag verkündete der Medienkonzern Walt Disney, im nächsten Jahr eine Version des Disney-Kanals im nationalen Rundfunk in Russland zu starten. Dazu würden für 300 Mio. US-Dollar 49 Prozent an dem TV-Sender „Seven“ übernommen, wobei 51 Prozent beim Medienunternehmen UTH Russia verbleiben. Das Geschäft soll die Grundlage für weitere Expansionen nach Russland bilden, die auch Merchandising und Vergnügungsparks umfassen. Die Redaktion von mediadb.eu hat die Unternehmungen und Schwierigkeiten internationaler Medienkonzerne in Russland zusammengefasst:

Walt Disney
Der Medienkonzern betreibt bereits einen „Disney Channel Russia“, doch nur im Kabelnetz. Dieses ist aber im Wachstum begriffen und bereits sehr populär: Im April 2011 empfingen 60 Prozent aller in Großstädten lebenden Russen Kabelfernsehen mit mindestens einem „thematischen“ Kanal - und auch Disney Channel Russia kann ein wirtschaftliches Wachstum vorweisen. Der Konzern hat noch nicht entschieden, welche Auswirkungen der 2012 neu vermarktete Fernsehkanal auf diesen Kabelsender haben wird.

Viacom
Disney-Konkurrent Viacom hat keinen eigenen Sender in Russland, vertreibt aber Musik- und verwandtes Programm unter der Marke „MTV Russia“. Diese Inhalte werden vom russischen Medienunternehmen Prof-Media unter Lizenz gesendet, welche im Juni 2007 für 360 Mio. US-Dollar erworben wurde.

Sanoma Group
2005 erweiterte Sanoma ihre Magazinsparte durch den Zukauf des größten russischen Zeitschriftenverlags Independent Media, 2011 in Sanoma Independent Media umbenannt. Der Verlag publiziert neben den russischen Ausgaben von Cosmopolitan, Men’s Health und FHM seit 1992 die englischsprachige und international ausgerichtete „Moscow Times“, die im Vergleich zu den meisten gleichgeschalteten russischen Zeitungen moderat-kritische Töne anschlägt. Eine weitere Publikation von Independent Media ist „Vedomosti“, eine täglich erscheinende Wirtschaftszeitung, die in Kooperation mit dem „Wall Street Journal“ und der „Finacial Times“ entsteht. Die iPad-Version der russischen Cosmopolitan gibt es bereits seit August 2010, die übrigen Sanoma-Magazine sollen ebenfalls bald mit eigenen kostenpflichtigen Apps folgen.

Bonnier AB
Seit 2008 baut der Medienkonzern seine Präsenz in Russland verstärkt aus. Bonnier Publications übernahm zu diesem Zeitpunkt 51 Prozent des Zeitschriftenverlags Vkusnaja Zhizn. Dem folgte 2010 der Start des Magazins „Science Illustrated“, 2011 die Übernahme von „Women's Secrets“ und im gleichen Jahr das neu vermarktete Webangebot „Bonimani.ru“. Weiterhin gibt der Medienkonzern in Russland unter dem Dach der Bonnier Business Press Wirtschaftspublikationen heraus. Das Land ist aktuell Bonniers siebtgrößter Absatzmarkt.

Axel Springer AG
In Russland verlegt Springer diverse Lizenzausgaben, darunter Ableger der „Computer BILD“, des People-Magazins „OK!“ und der Zeitschrift „Forbes“. Diese Kooperation wurde 2008 bis „mindestens 2020“ verlängert und soll um Line-Extensions erweitert werden. Ende 2009 übernahm der Konzern das Russland-Geschäft des deutschen Rivalen Gruner+Jahr, der sich aus dem Markt zurückzog, und erweiterte so sein Portfolio an Lizenzausgaben um Titel wie „Geo“, „Gala Biografia“ und „Geo Traveller“ sowie diverse Internetportale.

Bauer Media Group
Der Konzern verlegt in Russland 40 Titel, wie beispielsweise „Bravo“, „777“ und „Fity-Fifty“.

Hubert Burda Media
Burda Eastern Europe vertreibt in Russland 56 Titel, darunter „CHIP“, viele verschiedene Ausgaben der Zeitschrift „Lisa“, „JOY“ und „Playboy“.

Advance Publications
Die international am weitesten verbreiteten Titel des Konzerns Vogue (15 Titel) und GQ erscheinen auch in Russland. Im September 2004 startete in Russland zudem die elfte internationale Ausgabe des Frauentitels Glamour.

Naspers
2006 investierte Naspers in den Kommunikations- und Mehrwertdienstleister Mail.ru, mit 70% des russischsprachigen Internetverkehrs eine der größten Internet-Firmen in diesem Raum. Das Unternehmen erzielte von Juni 2010 bis 2011 einen zweistellig gewachsenen Umsatz in Höhe von umgerechnet 158 Mio. Euro. Der größte Anteil des Umsatzes wird mit dem Geschäftsfeld „MMO-Spiele“ (z.B. „Legend: Legacy of the Dragons“ und die lokalisierte Fassung von „LOTRO“) erwirtschaftet.

Google
Selbst der US-amerikanische Suchmaschinen-Gigant hat Mitarbeiter in Russland, indem er Forschungs- und Entwicklungszentren in Moskau und St. Petersburg unterhält.

Probleme für Medienkonzerne bei der Arbeit in Russland:
Eine bekannte Schwierigkeit für Medien ist es Journalismus zu betreiben, der sich kritisch mit russischen Politikern auseinandersetzt. Einerseits ist das Leben solcher Reporter bedroht, wie ein Fall von 2004 zeigt: Der Chefredakteur des von Axel Springer unter Lizenz verlegten Magazins „Forbes“, Paul Klebnikov, wurde erschossen. Das Verbrechen, so wie die meisten anderen dieser Art, ist bis heute nicht aufgeklärt.
Andererseits wird ganz offiziell von staatlicher Seite Druck auf kritische Medien ausgeübt: Unter anderem wegen angeblicher Steuerprobleme und dem möglichen Entzug einer Aufenthaltsgenehmigung wurde die Arbeit des Magazins „Newsweek“ behindert. Dieser Umstand sowie ein Verlust am Ende des Geschäftsjahres führten dazu, dass der Springer-Konzern seinen Lizenzvertrag für die russische „Newsweek“-Ausgabe nicht verlängerte. NPR zitiert dazu Nina Ognianova vom Committee to Protect Journalists: Redaktionen könnten wegen Diffamierung verklagt werden, aber lähmende „Prüfungen“ zu scheinbaren Nichtigkeiten wären ähnlich schlimm, weil sie Werbekunden vertreiben würden.
Staatlicher Druck kann auch zu Selbstzensur führen: Das Verlagshaus Condé Nast hatte 2009 die Veröffentlichung eines Artikels im russischen Ableger seines Magazins GQ, sowie auf dessen Website, verhindert. Der Artikel setzte sich kritisch mit Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin auseinander.

Auch abseits des kritischen Journalismus bestehen Hürden für Medienkonzerne: Walt Disney glaubte 2008 bereits mit dem „Disney Channel“ in den russischen Rundfunkmarkt einsteigen zu können. Die Kooperation mit der russischen Media-One Holdings Limited wurde jedoch durch die Regierung verhindert. Warum nun ein ähnliches Geschäft genehmigt wurde, bleibt unklar. Es gibt jedoch einige Erklärungsansätze: Igor Shchegolev, Russlands Minister für Kommunikation und Massenmedien, wurde kürzlich in das US-amerikanische Hauptquartier von Disney Pixar Animation eingeladen. Weiterhin gab es ein Treffen zwischen Robert A. Iger, Disneys CEO, und Wladimir Putin. Möglich ist, dass sich Iger somit das Geschäft von oben hat absegnen lassen. Außerdem lohnt ein Blick auf die ökonomische Situation Russlands insgesamt: Aufgrund schwindender Ölreserven hat der Staat heute ein verstärktes Interesse an Auslandskapital.
Vielleicht ist aber auch ein anderer Umstand ursächlich für den erfolgreichen Einstieg von Disney in den russischen Rundfunkmarkt: Neben klassischem Disney-Programm soll auf dem Kanal auch Material aus Russland laufen. Der Staat, der interessiert daran ist, seine eigene Unterhaltungsindustrie auszubauen, könnte Disney als Quelle für Fachwissen nutzen.
Sicher bleibt eins: Im Falle von Russland kann man über die Gründe für Probleme oder Erfolge oft nur spekulieren.

Mehr dazu:

NYTimes.com: Disney Channel to Be Introduced in Russia (27.10.2011)

DER SPIEGEL: Zwischen Stalin und Mumu (18.10.2010)