FCC und Obama-Adminstration genehmigen Comcasts Übernahme von NBC

19.01.2011

Die amerikanische Medienaufsichtsbehörde FCC (Federal Communications Commission) hat den seit 2009 verhandelten Merger zwischen den Medienkonzernen Comcast und NBC Universal genehmigt. Comcast übernimmt für 13,8 Milliarden US-Dollar den 51-prozentigen Anteil an NBC Universal von Mutterkonzern General Electric. Vorraussetzung für den Deal war der Verkauf von Vivendis NBCU-Anteilen an GE im Dezember 2009, der im Januar 2011 abgeschlossen wurde. Die Übernahme wurde jedoch unter Auflagen genehmigt, die einen Wettbewerb im Online-Video-Bereich aufrechterhalten sowie zu mehr Vielfalt in Bezug auf lokale TV-Nachrichten führen sollen. Kritiker befürchten dennoch eine weitere Konsolidierung des ohnehin schon stark konzentrierten US-Medienmarktes. Die Übernahme, so Kritiker, hätte negative Konsequenzen für die Demokratie der Vereinigten Staaten, zu deren Eckpfeilern ein freies und diversifiziertes Mediensystem gehört, das die Meinungsvielfalt der US-Bürger widerspiegelt.

Um die Übernahme von NBC Universal durch Comcast richtig einordnen zu können, muss man sich zunächst die Größe beider Unternehmen vergegenwärtigen. Comcast war 2009 mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 35 Milliarden US-Dollar (25,5 Mrd. Euro) der zweitgrößte Medienkonzern der Welt. Als größter Anbieter von Kabel- und Breitband-Diensten verfügt Comcast in den USA über einen Stamm von knapp 23 Millionen Kabelkunden, 17 Millionen Internetkunden und 8 Millionen digitaler Telefonkunden, was einem landesweiten Marktanteil von 30 Prozent entspricht. Anders als reine Medienkonzerne generierte Comcast in der Vergangenheit nur einen vergleichsweise geringen Teil seiner Erlöse durch die Produktion von Inhalten.

NBC Universal war 2009 mit einem Umsatz von knapp 15 Milliarden US-Dollar der neuntgrößte Medienkonzern der USA. Anders als bei Comcast handelt es sich bei NBCU mit seinen zwei Senderketten, 26 Fernsehstationen, mehr als 20 Kabelkanälen sowie mehreren Film- und Fernsehproduktionsstudios (darunter auch die Universal Studios) um einen Medienkonzern klassischer Art.

Mit der Fusion von NBCU mit Comcast steigt das neu formierte Comcast/NBCU zum umsatzstärksten und damit potenziell einflussreichsten Medienkonzern der Welt auf. Die Kombination von Comcasts oben skizzierter Marktmacht im Kabel- und Internetsegment mit NBCUs enormen Produktionskapazitäten für audiovisuelle Inhalte könnte den verantwortlichen Managern die Möglichkeit geben, Preise zu erhöhen, konkurrierende Inhalteproduzenten vom eigenen Distributionsnetzwerk auszuschließen und so den Rest an Vielfalt, der noch im US-Fernsehen erkennbar ist, weiter zu verringern. Die Verschmelzung beider Konzerne bedeutet, dass zukünftig ein Fünftel aller im US-Fernsehen ausgestrahlten Programmstunden von Comcast/NBC stammen wird.

Mit Comcasts neu gewonnener Kontrolle der für den durchschnittlichen Zuschauer essenziellen NBC-Kanäle, könnte das Unternehmen diese Macht missbrauchen, indem es die Übertragungsrechte dieser Programme für konkurrierende Drittanbieter (etwa Satelliten-Firmen) nur im Bündel mit Comcast-eigenen Kanälen anbietet. In diesem Fall würden den entsprechenden Kunden nicht nur unerwünschte Programme aufgezwungen; das in der Kabelbranche gängige bundling würde zudem immer weniger freie Sendeplätze für unabhängige Programm-Macher bedeuten.

Ein Motiv, das Comcast-CEO Brian Roberts vermutlich zur Übernahme von NBCU bewogen hat, ist die Konkurrenz im Bereich der Distribution audiovisueller Inhalte, die durch das Internet erwächst. Der Trend hin zu virtual cable - d.h. über das Internet ausgestrahlte Kabelprogramme, die der Zuschauer als Ergänzung zum frei empfangbaren Fernsehen nutzt – ist den großen Kabelkonzernen seit langem ein Dorn im Auge. Immer mehr Kabelkunden kündigen ihre Kabelverträge und nutzen kostenlose und kostenpflichtige Online-Plattformen für Video-Content, wie iTunes, Netflix oder Hulu. Letztere gehörte zu einem Drittel NBCU. Mit der Kontrolle über NBCUs Inhalte könnte Comcast nicht nur etwa Hulu in ein kostenpflichtiges Portal umwandeln, sondern jegliche internet-basierte Konkurrenz im Bereich der Distribution von Videoinhalten schwächen, indem NBCU-Inhalte exklusiv online oder im Kabelnetz vertrieben werden.

Es liegt auf der Hand, dass Comcast-CEO Brian Roberts und NBCU-Chef Jeff Zucker sowie die von ihnen gesponserten Entscheidungsträger in Washington die Sorgen der Verbraucherorganisationen und progressiven Think Tanks nicht teilen. So äußerte etwa der republikanische Kongressabgeordnete Cliff Stearns aus dem Bundesstaat Florida vor dem Unterausschuss des Repräsentantenhauses im Februar 2010, die Verschmelzung von NBCU mit Comcast „will lead to greater innovation and drives more competition in this competitive market“. Stearns wies außerdem auf die für Fusionen in dieser Größenordnung üblichen good behaviour promises hin. Dazu gehört auch das Versprechen der Verantwortlichen, durch die Übernahme von NBCU werde es künftig mehr lokale Nachrichten und Programme von öffentlichem Interesse geben. Worauf er jedoch nicht hinwies: Für seine Unterstützung erhielt er wie viele seiner Kollegen aus dem Kongress eine großzügige Wahlkampfspende von Comcasts gigantischem Lobbying-Apparat. Allein im zweiten Quartal 2010 schüttete Comcast 3,8 Millionen US-Dollar an Kongressabgeordnete aus; im gesamten Kalenderjahr 2009 waren es mehr als zwölf Millionen. Insgesamt 78 ehemalige Regierungsmitglieder stehen gegenwärtig als Lobbyisten auf der Gehaltsliste von Comcast. David Cohen, Vize-Präsident von Comcast und oberster Lobbyist hat seit 2006 mehr als 180 000 US-Dollar an die Demokratische Partei gespendet. Jeffrey Immelt, CEO von NBC-Mutterkonzern General Electric besuchte allein im ersten Halbjahr 2009 sechsmal das Weiße Haus und war Mitglied von Obamas Economic Advisory Board.

Die Aussagen der bezahlten Befürworter der Fusion sind also mit Vorsicht zu genießen. Eines der Hauptargumente von Brian Roberts bei den Anhörungen im Kongress war, dass die bestehenden Regeln der Aufsichtsbehörde FCC schon dafür sorgen werden, dass die Übernahme von NBCU keine negativen Effekte für die Öffentlichkeit nach sich zieht. Roberts verschwieg jedoch, dass die Anwälte von Comcast seit geraumer Zeit vor dem Bundesberufungsgericht in Washington dafür kämpfen, genau diese FCC-Regeln (insbesondere der Cable Act von 1992) für verfassungswidrig  zu erklären.

Die oben zitierte Behauptung, der Kauf von NBCU würde zu mehr Wettbewerb auf einem ohnehin schon kompetitiven Markt führen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Schließlich besteht der betriebswirtschaftliche Zweck einer jeden Akquisition darin, die Konkurrenz durch eine Übernahme zu eliminieren, anstatt sich mit ihr in einem Wettbewerb auseinander zu setzen. Den US-Kabelmarkt als kompetitiv zu bezeichnen, ist ebenfalls realitätsfremd. Seit dem Telecommunications Act der FCC aus dem Jahre 1996, dessen Ziel unter anderem eine Liberalisierung des Kabelmarktes war, ist es nicht gelungen, die Monopolstellung des US-Kabelkartells zu brechen. Ähnlich schlecht steht es um den Wettbewerb im US-Mediensektor, in dem bereits vor der Fusion fünf große Kabelsender 74 Prozent des Zuschauermarktes, vier Plattenfirmen 85 Prozent des Musikmarktes und vier Veranstalter 90 Prozent des Radiowerbemarktes kontrolliert haben. Minderheitenschutz – elementarer Bestandteil jeder postindustriellen Demokratie – bleibt dabei auf der Strecke: Obwohl 34 Prozent aller Amerikaner Minderheiten sind befinden sich jedoch nur drei Prozent aller kommerziellen Fernsehsender im Besitz von nicht-weißen Männern. Obwohl Frauen 51 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmachen, kontrollieren sie nur 5,8 Prozent aller kommerziellen Fernsehsender.

Eine Fusion von Comcast und NBCU ist daher aus zwei Gründen problematisch. Erstens würde die Hochzeit zwischen dem zweit- und neuntgrößten Medienkonzern der USA einen Konzentrationsprozess der Medienlandschaft fortführen, der nicht im Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit sein kann. Zweitens betrifft die Übernahme die medienpolitisch enorm wichtige Frage der Netzneutralität. Comcast mit seinen 17 Millionen Breitbandkunden hat in der Vergangenheit mehrfach demonstriert, dass es nichts von einer neutralen Datenübermittlung im Internet hält. Das von der FCC im August 2008 sanktionierte illegale Blocken von P2P-BitTorrent-Diensten durch Comcast stellt einen historischen Präzedenzfall dar, indem ein Internetanbieter nicht weniger versuchte, als die Zwei-Wege-Kommunikationsstruktur des Internets zu zerstören. Die Unmengen an audiovisuellen Inhalten, über die Comcast nach einer erfolgreichen NBCU-Übernahme verfügen würde, böten dem Unternehmen nur einen noch größeren Anreiz, anderen Content in seinen Online-Übertragungswegen zu diskriminieren. In diesem Zusammenhang droht eine Kommerzialisierung des Internets, wie sie im vergangenen Jahrhundert bei den TV- und Radio-Übertragungswegen (die zumindest theoretisch noch immer der Öffentlichkeit gehören) zu beobachten war. In die Karten von Comcast spielt zudem, dass die Obama-Administration von ihrer ursprünglichen, radikalen Unterstützung der Idee eines freien Internets abgerückt ist. Die Kontrolle eines Großteils des US-Internets durch ein Medienunternehmen (zu welchem Comcast durch die Übernahme von NBCU endgültig avanciert ist) ist bedenklich, da es in den letzten Jahren gerade die (häufig auf Non-Profit-Basis operierenden) unabhängigen Online-Informationsangebote waren, die das Korrektiv zu der einseitigen Meinungsmacht der Medienkonzerne darstellten.

Dass die Obama-Adminstration der Übernahme grünes Licht gegeben hat, verwundert, war doch eines der zentralen Standpunkte im Wahlkampf, für ein freies Internet einzutreten und der Konzentration im Mediensektor entgegen zu wirken. Eine Untersagung der Übernahme hätte für die Administration die Gelegenheit geboten, beide Versprechungen gleichzeitig in die Tat umzusetzen.

Mehr dazu:

- Presseerklärung der FCC
- Statement von FCC-Chef Julius Genachowski
- Dissenting Opinion von FCC Commissioner Michael Copps
- Stellungnahme des Medien-Think Tanks Free Press, der die Übernahme ablehnt