Er kann nicht loslassen: Berlusconi gründet transeuropäische Medienholding in Amsterdam

14.06.2019

Silvio Berlusconi, 82, Bau- und Medienunternehmer, vierfacher italienischer Ministerpräsident, vorbestrafter Steuerbetrüger, der Kaiman (nach dem Film von Nanni Moretti von 2006), der mit den Kosmetik-OPs, dem Wachsgesicht und letzten mit einer Art Melasse verdichteten Haaren, macht weiter. Zuerst: Nach Aufhebung des 2013 gegen ihn verhängten Ämterverbots trat er auf der Liste seiner Partei Forza Italia zur Europawahl am 26.5.2019 an und gewann einen Sitz. Die Notwendigkeit seiner Kandidatur und seines politischen Comebacks, trotz des hohen Alters, machte er klar mit: „Europa fehlt eine tiefgründige Vision für die Welt“.

Dazu passend, gewissermaßen: Berlusconis Mediaset-Gruppe machte am 7.6.2019 ihre anstehende tiefgreifende Umformung in eine „pan-European media company“ mit Sitz in Amsterdam publik. Der Name: MFE MEDIAFOREUROPE N.V. Neben dem Mailänder Stammhaus (mit einem Umsatz 2018 von 3,4 Mrd. € auf Platz 53 des IfM-Medienkonzern-Rankings) wird auch das separat gelistete Mediaset España (Umsatz 2018 981,6 Mio. €) integriert werden. Auf der spanischen Internet-Seite wird verkündet, mit MFE entstehe „un gigante europeo de la communicación y el entretenimiento“. Also ein klarer Anwärter für die Top 50.

Nicht unkompliziert die Neuordnung der Anteile: Die Berlusconi-Familie werde nach Abschluss des Deals 36 Prozent am fusionierten Medienhaus halten, und knapp über 50 Prozent der Stimmrechte, so Chief Executive Pier Silvio Berlusconi, der Sohn. Mit den „feindlichen Anteilseignern“ von Vivendi, die 28,8 Prozent an Mediaset besitzen, habe er den Plan allerdings nicht besprochen. Denn das Mediaset/Vivendi-Verhältnis ist zerrüttet. Es fing an mit der Idee einer franko-italienischen Medienallianz von Mediaset und Vivendi, bzw. Berlusconi und Vivendis größtem Shareholder Vincent Bolloré, um mit gestärkter Marktmacht Newcomern wie Netflix Widerstand zu leisten. Doch innerhalb von vier Monaten brach das Bündnis auseinander, als Vivendi im Juli 2016 erst die Zusage zurücknahm Premium zu kaufen, Mediasets Pay TV-Sparte. Und dann die 28,8 Prozent nach einem hostile raid übernahm. Seitdem gibt es Streit, seit Februar 2018 auch einen Gerichtsprozess. Berlusconi, Bolloré: Man könnte auch sagen das Duell zweier Alphamänner der europäischen Medienwelt. Ein Urteil gibt es bis heute nicht.

Die Fusion soll im 4. Quartal 2019 abgeschlossen werden, nach Zustimmung der Aktionäre am 4. September. Unter dem Dach der holländischen MFE-Holding fänden sich die hundertprozentigen Töchter Mediaset and Mediaset España, der 40-prozentige Anteil am Dienstleister für Sendetechnik EI Towers. Und die 9,6 Prozent an der ProSiebenSat1 Media SE. Ende Mai 2019 war es ja eine überraschende Attacke, als Mediaset nach ProSiebenSat1 griff, für rund 330 Mio. € fast zehn Prozent erwarb und größter Anteilseigner der Münchner Senderkette wurde. Von Max Conze, P7S1-Vorstandsvorsitzender, hörte man nur zurückhaltend: „Wir begrüßen das Investment von Mediaset und werten es als Vertrauensbeweis für unsere Strategie und das Team".

Im Strategiepapier für Berlusconis MEDIAFOREUROPE wird betont: „Size is crucial“. Und: „To remain relevant in the media industry, scale and international footprint are not anymore an option.” 2018 sei man beim Werbeumsatz in Europa die Nummer zwei gewesen (nach der RTL-Gruppe, vor ProSiebenSat1). Mittelfristig gehe es auch darum, auf der MFE-Plattform eine local, also europäische Alternative zu den US-Streamingvorreitern zu entwickeln („Euroflix“). Es bleibt jetzt abzuwarten, ob Berlusconi seinen Anteil an den Münchnern noch erhöht, eventuell mit einer Komplettübernahme am Ende, und inwieweit sich ProSiebenSat1 bei MFE einbringen kann (bzw. soll), auch weil man gemeinsam mit Discovery (das ja auch mal als Interessent für eine P7S1-Übernahme galt) gerade erst, im Juni 2019, das Streaming-Angebot Joyn lanciert hat. Als App für Free-TV mit Livestreams von über 50 Sendern und Video-On-Demand, mit dem Anspruch: „Als lokaler Premium Player wollen wir den deutschen Streaming-Markt verändern.“ Das also wird sich alles zeigen, und was der Kaiman im Brüsseler Parlament vorhat sowieso.