Ausweitung des Abhörskandals

20.07.2011

Der Abhörskandal bei der inzwischen eingestellten „News of The World“ zieht nun auch rechtliche und journalistische Auswirkungen in den USA nach sich. Das renommierte, zu Rupert Murdochs Konzern News Corp. gehörende Blatt „Wall Street Journal“ ergreift nach langem Zögern für den Medienmogul Partei und schiebt die Schuld auf die Londoner Polizei. Die Redaktion von mediadb hat die aktuellen Entwicklungen und mögliche Folgen für Murdochs Medienimperium zusammengefasst:

Welche neuen Ereignisse prägen die Entwicklung im Abhörskandal?
Am Montag wurde einer der Kronzeugen, ein ehemaliger Reporter der eingestellten Boulevardzeitung „News of the World“, tot in seiner Wohnung aufgefunden. Laut Polizeiangaben handelt es sich um den Journalisten Sean Hoare, der im letzten Jahr den ehemaligen britischen Regierungssprecher Andy Coulson die Unterstützung illegaler Recherchepraktiken vorwarf. Die Beamten gehen jedoch nicht von einem Verbrechen aus. Am Dienstag verkündete die Hackergruppe LulzSec in einer Falschmeldung auf der Webseite der News Corp.-Boulevardzeitung „The Sun“ den Tod des Medienmoguls Rupert Murdoch. Letztgenannter äußerte sich mit seinem Sohn James Murdoch vor Medienausschussabgeordneten des britischen Unterhauses zu der Abhöraffäre. Beide dementierten Kenntnisse von den illegalen Abhörpraktiken und damit einhergehender Bestechungsgelder bei der „News of the World“. Aufgrund der Größe des Konzerns konnte laut Rupert Murdoch diesem Blatt nicht viel Beachtung geschenkt werden, das weniger als ein Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht.

Welche Auswirkungen zeigen sich in den USA?
Im Zuge des Abhörskandals gibt es Befürchtungen, dass Hinterbliebene des Terroranschlags vom 11. September 2001 abgehört wurden. Das FBI hat bereits Ermittlungen aufgenommen. Außerdem prüft das US-amerikanische Justizministerium einen Verstoß gegen US-Korruptionsgesetze, Kongressabgeordnete kritisierten Murdoch. Journalistisch hat sich das zu News Corp. gehörende „Wall Street Journal“ in die Affäre eingemischt, indem es Stellung bezog. In einem von Lesern stark kritisierten Leitartikel werden Murdochs britische Medien als „Opfer einer Kabale von Konkurrenten und Politikern“ bezeichnet. Damit schließt sich die Zeitung der Linie des Fernsehsenders Fox News an, dem kommerziell erfolgreichsten Nachrichtensender der USA und Teil der News Corp. Die Zeitung schreibt die Schuld Scotland Yard zu, die vor einigen Jahren die Affäre nicht genau untersuchten. Insbesondere die Aussage, dass die mangelnde Untersuchung schwerwiegender sei als die Tat selbst, sorgte für Kritik. US-Medienexperten zweifeln jetzt an der journalistischen Unabhängigkeit des Blattes.

Welche möglichen Folgen ergeben sich für das Medienimperium Rupert Murdochs?
Nach dem Tag der „größten Demut“ in seinem Leben motiviert Rupert Murdoch seine Mitarbeiter mit Durchhalteparolen. Seiner Meinung nach werde die Abhöraffäre den Konzern stärken. Kritiker sehen jedoch nicht nur ein Schwinden der Macht des Medienmoguls, sondern seines Medienimperiums. Insidern zufolge denkt News Corp. bereits über einen Nachfolger für Rupert Murdoch nach. Laut Verwaltungsratsmitglied Thomas Perkins gäbe es solche Pläne nicht. Der 80-jährige sieht sich zudem selbst als am besten geeignet, um in diesem Skandal „aufzuräumen“.
Laut Aussagen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel ist die Abhöraffäre bereits jetzt für den gesamten Konzern ein Desaster. Neben den Rücktritten der News International Chefin Rebekah Brooks und des Chefs des US-Verlags Dow Jones Les Hinton muss der Konzern die Schließung seiner größten britischen Zeitung „News of the World“ und die geplatzte Übernahme des Bezahlsenders BSkyB verkraften. Die Ermittlungen in den USA und die Parteinahme von Murdochs wichtigstem Blatt „Wall Street Journal“ lassen den Druck auf den Konzern nun auch in den USA wachsen, wo der Großteil der Umsätze generiert wird. Kritikern zufolge könnte Murdoch einen Kollaps in den USA weniger verwinden als in Großbritannien. Gefährlich für Murdochs Image ist bereits jetzt, dass sich „Murdochs Lebensstolz“, das „Wall Street Journal“, das „ihm den Ruf des angesehenen Publizisten“ verlieh, in die Debatte eingemischt hat. Die Parteinahme des „Wall Street Journal“ wird im Nachrichtenmagazin Der Spiegel als Sorge um Murdochs US-Geschäfte gedeutet.
Aufgrund der globalen und cross-medialen Ausweitung des Konzerns sind genaue Folgen für den Gesamtkonzern nicht absehbar. Jedoch brach der Aktienkurs Anfang der Woche rapide ein. Diskussionen über journalistische Praktiken betreffen inzwischen die gesamte britische Medienlandschaft, in der fast 40 Prozent von News Corp. beherrscht wird. So wird laut Aussagen der Süddeutschen Zeitung Rupert Murdoch als „vierte Gewalt“ bezeichnet, der „die Eliten in Staat und Regierung zu willfährigen Höflingen des Medienfürsten degradieren“ ließ. Es sei nun „der Moment gekommen, vom System Murdoch Abschied zu nehmen“.


Mehr dazu:

Themenseite „Guardian“

- Der Spiegel: Rupert Murdoch zeigt Schwäche im Kreuzverhör (19.07.2011)

- ZDF heute.de: Tag der Wahrheit für David Cameron (20.07.2011)