Amazon: Streaming-TV wird zum Kerngeschäft

15.01.2015

Woody Allen, cc-by-sa (Collin Swan)

Amazon Prime, die Premium-Mitgliedschaft, die gleichzeitig schnellen Gratisversand und den Zugriff auf eine umfangreiche VoD-Bibliothek ermöglicht (Prime Instant Video), wird langsam aber sicher zum wichtigsten Eckpfeiler von Amazons Geschäftsstrategie. Die für 99 US-Dollar, bzw. 49 Euro im Jahr erhältliche Prime-Mitgliedschaft sorgt dafür, dass Kunden, die primär an den Videoinhalten interessiert sind, durch den kostenlosen Schnell-Versand auch mehr Waren über Amazon bestellen. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, produziert der Konzern seit geraumer Zeit auch eigene Inhalte. Doch was  als crowdanalytische Spielerei anfing (Prime User konnten damals mittels Klickzahlen über die Fortführung von 14 Serienpiloten entscheiden, ist in den letzten Monaten zu einer Qualitätsserien-Offensive geworden, die US-Kabelsendern in nichts nachsteht. Spätestens seit dem Golden Globe-Triumph der Transgender-Serie "Transparent" und der nun bekannt gegebenen Verpflichtung des vierfachen Oscar-Gewinners Woody Allen startet Prime Instant Video einen Angriff auf die Konkurrenz, die unter anderem aus Netflix, Hulu und HBO besteht (der 2015 einen rein Streaming-basierten Ableger seines Angebots starte wird). Mit dem Engagement von Allen, der noch nie für das Fernsehen (geschweige denn Streaming-TV) gearbeitet hat, gelang dem Unternehmen ein PR-Coup - zuletzt war Amazon durch seine Boykotte von den Büchern bestimmter Verlage massiv in die Kritik geraten. Die Redaktion von mediadb.eu hat zusammengefasst, wie essenziell Amazon Prime (das in den USA, Großbritannien und Deutschland 50 Millionen Kunden hat) für den Konzern geworden sind.

Milliarden-Investionen in Hardware, Serien und Filme
Allein für den Zeitraum 2014/15 wird Amazon laut Schätzungen des Wall Street Journals bis zu 4,5 Milliarden US-Dollar für die Produktion von Serien sowie den Erwerb von Streaming-Rechten ausgeben, was zwei Prozent des jährlichen Umsatzes entspricht. Noch nutzen nur etwa 60 Prozent der Prime-Kunden auch das Video-Angebot. Doch mit Verpflichtungen wie der von Woody Allen und anderen hochwertigen Projekten in der Pipeline (s.u.) wird sich dieser Prozentsatz wahrscheinlich erhöhen sowie weitere Prime-Kunden angelockt werden. Traffic-Messungen legen zudem nahe, dass die Prime-Abonennten immer mehr Zeit mit dem Streamen von Serien und Filmen verbringen: Im vergangenen Jahr stieg der Anteil des gesamten US-Breitband-Traffics, der jeden Abend auf Prime Instant Video entfiel von 1,27 auf 2,58 Prozent. Amazon arbeit zudem mit Hochdruck daran, dass der Dienst auf möglichst allen Platformen und vor allem auf den heimischen TV-Geräten anstatt nur auf dem Tablet abgerufen werden kann. Für nicht internetfähige Fernseher wurden deshalb die Fire TV Streaming Box sowie der Fire TV Stick auf den Markt gebracht.

 Wenn mehr Amazon-Kunden aufgrund des umfangreichen Streaming und Medien-Angebots (dazu zählen mittlerweile u.a eine E-Book-Flatrate und ein Musik-Streamingportal) Prime-Mitglieder werden, wird sich das für das Unternehmen auszahlen: Prime-Kunden geben mehr Geld bei Amazon aus, shoppen dort öfter und kaufen teuere Waren als Nicht-Mitglieder. Doch auch leztere Gruppe hat Amazon ins Auge gefasst. Offenbar soll in Kürze auch eine durch Werbung und monatliche Gebühren finanzierte Alternative von Amazon Video gelauncht werden.

Serien-Offensive
Heute starten 13 neue von Amazon Studios entwickelte Serien-Piloten und Formate über deren Fortführung die User bestimmen können (dazu zählen u.a. "The Man in the High Castle", das vom "Akte X"-Macher Frank Spotnitz entwickelt wurde sowie die Doku-Serie "The New Yorker Presents", die sich mit Themen auseinandersetzt, die auch im gleichnamigen Magazin behandelt werden). Diese Serien sollen das Portfolio von Shows ergänzen, über die bereits vor einem Jahr abgestimmt wurde, wie die Krimi-Serie "Bosch" oder "Mozart in the Jungle", das von Jason Schwartzman entwickelt wurde. Ãœber Woody Allens Serie werden die User nicht bestimmen können, da Amazon bereits die Produktion einer kompletten Staffel in Auftrag gegeben hat; die Science Fiction-Serie, die die Prime-User eigentlich für gut befunden hatten, "The After", wurde hingegen aus unbekannten Gründen gecancelt.

Streaming-Portale der Konkurrenz
Die massiven Investionen von Amazon sind auch eine Antwort auf die wachsende Konkurrenz im Streaming-Sektor. Allein in diesem Jahr werden HBO, Time Inc. und Discovery Channel-Gründer John Hendricks Video-Portale launchen, die vor allem auf die rund Millionen Amerikaner abzielen, die keinen Kabel-TV-Vertrag abgeschlossen haben. Time Inc. will mit "Daily Cut" die Video-Inhalte seiner Magazin-Marken (u.a. Sports Illustrated oder People) vereinen und Hendricks mit CuriosityStream ein Portal für Doku-Content etablieren. Yahoo wagt mit einer Neuauflage der von NBC gecancelten Serie "Community" einen weiteren Versuch, im Serien-Sektor Fuß zu fassen und Hulu.com wagt sich mit "11/22/63" an eine Umsetzung des gleichnamigen Bestsellers von Stephen King, die von "Star Wars"-Regisseur J.J. Abrams produziert wird. Die viel spekulierte Krise des US-Kabel-TVs scheint damit immer näher zu rücken.