44. TF1 S.A.

Umsatz 2007: € 2,764 Mrd.

Überblick

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Im Zentrum des Medienkonzerns steht der TV-Sender TF1 – das zuschauerstärkste private Vollprogramm Europas, hervorgegangen aus dem Staatssender RTF. Dazu veranstaltet TF1 heute eine Reihe von Spartenkanälen auf Pay-TV-Plattformen und besitzt den paneuropäischen Sportsender Eurosport.

Ein aktualisiertes, vollständiges Konzernporträt erscheint in Kürze.

Basisdaten

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Hauptsitz:
1, quai du pont du jour
95656 Boulogne, Cedex
Frankreich

Telefon: 0033 1 4141-1234
Internet: groupe-tf1.fr/fr/investisseurs/resultat-et-publication

Branche: Free-TV, Pay-TV, Satelliten-TV, TV-Produktion, Spartenkanäle und Rechtehandel, Werbezeitenvermarktung, Internet-Services, Rechtehandel
Rechtsform: Aktiengesellschaft
Geschäftsjahr: 01.01. - 31.12.
Gründungsjahr: 1947 Gründung der Radio-Télévision Français (RTF), 1974 TF1 als Nachfolger der RTF, 1987 Privatisierung des Unternehmens

Ökonomische Basisdaten (in Mio. €)
2022

2021

202020192018
Umsatz 2.5082.4272.0822.3372.288
Gewinn nach Steuern17622555155127
Aktienkurs7,168,736,597,416,82
Beschäftigte2.810

Geschäftsführung

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Geschäftsführung / Vorstand (Schlüsselpositionen):

  • Rodolphe Belmer, Chairman & Chief Executive Officer
  • Ara Aprikian, Executive Vice President, Content
  • Claire Basini, Executive Vice President of BTOC Activities
  • Julie Burguburu, General Counsel
  • Maylis Çarçabal, Executive Vice President Communication and Brands
  • Raphaëlle Deflesselle, Head of Technologies and Information Systems
  • Pierre-Alain Gérard, Executive Vice President Finance, Strategy and Procurement
  • Valérie Languille, Executive Vice President Human Resources and CSR
  • François Pellisier, Executive Vice President Business and Sports
  • Thierry Thuillier, Executive Vice President of News

Geschichte und Profil

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Mit einem Marktanteil von 23,7% (2011) ist TF1 nach wie vor die unumstrittene Nummer Eins der französischen TV-Landschaft, der in den großen europäischen Märkten mit Abstand meistgesehene Kanal (Im ersten Quartal 2010 etwa erreichte TF1 einen Marktanteil ab vier Jahren von 25,1%, vor Rai1 (21,9%) und BBC1 (20,7%)). Mit erheblichem Einfluss auf die öffentliche Diskussion, denn die Entstehungsgeschichte des Senders ist eng mit der politisch-administrativen Elite des Landes verbunden. TF1 ging hervor aus dem einstigen Ersten Programm, seit de Gaulle von der Politik angesehen als eine Art verlängerter Arm der Exekutive. Vollständig hat sich die Staatsführung von diesem Anspruch bis heute nicht lösen können.

1974 wurde TF1 als öffentlich-rechtliche Anstalt aus der staatlichen Holding ORTF ausgegliedert. 1987 dann privatisierte die Regierung den Kanal; den Zuschlag erhielt ein Unternehmer, der hervorragende Beziehungen zu den Entscheidungsträgern unterhielt: Baulöwe Francis Bouygues. Sein Baukonzern war seit langem für die öffentliche Hand tätig und stark daran interessiert, seine Aktivitäten zu diversifizieren. Nach einem heftigen, live auf TF1 übertragenen Bietergefecht mit dem Medienkonzern Lagardère erhielt Bouygues schließlich den Zuschlag und stieg mit 25% bei TF1 ein. Befreundete Finanziers hielten weitere 25%; der Rest wurde an die Börse gebracht.

1988 begann der Kanal seine Strategie der vertikalen Integration: Über die Filialen Une Musique, TF1 Video und TF1 Entreprises wurden Audio, Video resp. Programmrechte vermarktet. Mit dem Ausbau der französischen Kabelnetze und vor allem der europäischen Satellitenplattformen boten sich zu Beginn der 1990er Jahre weitere Möglichkeiten; TF1 lancierte zwei neue Themenkanäle: Eurosport (gegründet 1991), das zwei Jahre später mit dem Canal Plus-Ableger The European Sports Network fusionierte; 1994 folgte der Nachrichtenkanal LCI. Zeitgleich mit der Ausweitung der Aktivitäten konnte Bouygues auch seine Kontrolle über TF1 verstärken: Eine neue Gesetzgebung erlaubte es dem Baukonzern 1994, seine Beteiligung an dem profitablen Sender auf 34%, später 41% aufzustocken.

Die weitere Entwicklung war eine Reaktion auf die Expansion des Pay-TV-Senders Canal+. Als dieser 1996 begann, auf seiner Satellitenplattform CanalSatellite dem gemeinsamen Sender Eurosport Konkurrenz zu machen, beschloss TF1 einen eigenen Vertriebsweg aufzubauen. Zusammen mit dem Free TV-Konkurrenten M6, dem Versorgungskonzern Lyonnaise des Eaux, France Télécom und der öffentlich-rechtlichen France Télévision gründete TF1 das Satellitenbouquet TPS.

Die Bestückung der Plattform mit Themenkanälen bildete den Schwerpunkt der weiteren Diversifikation: 1997 ging der Doku-Kanal Odyssée auf Sendung; 2000 startete das bretonische Regionalprogramm TV Breizh – ein Lieblingsprojekt des bretonischen Senderchefs Patrick Le Lay, der sogar einen Teil der Senderpräsentation vor der Lizensierungsinstanz CSA auf bretonisch vortrug. 2001 konnte TF1 den Zugriff auf TPS weiter erhöhen und übernahm die Anteile von Canal+ an Eurosport, erwarb 50% an Série Club und hob den Premium-Kanal TPS Star (Kino und Sport) aus der Taufe. Mit der Ausbezahlung von France Télécom und France Télévision erhöhte die Gruppe ihren Anteil an TPS auf 50%, Mitte Juli 2002 sogar auf 66%. 2001 übernahm das Unternehmen auch sämtliche Anteile an Eurosport. Weitere Senderstarts als Beispiele für den konsequenten Diversifikationskurs: die Jugendkanäle Eureka, Boomerang und TFou (2003), der erste schwule TV-Sender Frankreichs Pink TV (2004); Ushuaia TV als Kanal der nachhaltigen Entwicklung (März 2005).

Am 31.8.2006 dann der Ausstieg. Das französische Finanzministerium genehmigte den Zusammenschluss von TPS mit der Konkurrenzplattform CanalSat, unter genau 59 Auflagen (Beispiele: einige Kanäle müssen Drittanbietern zur Verfügung gestellt werden; das neuformierte Bouquet Canal+ France darf nur noch in beschränktem Maß Rechte an französischen Filmen besitzen). Anfang Januar 2007 war die Fusion abgeschlossen. De facto bedeutete dies für TF1 das Ende der Ambitionen auf dem Satellitenmarkt, lediglich ein Anteil von 9,9% am fusionierten Unternehmen blieb. Eine nicht unerwartete Entwicklung. TPS war gegenüber Canal+ stets der schwächere Konkurrent, die Koexistenz der beiden Bouquets galt schon lange als nicht rentabel; solche Modelle waren in Spanien, England, Italien und Polen längst gescheitert. Ende November 2009 dann gibt TF1 auch die verbliebenen 9,9% an Canal+ France für 744 Mio. Euro an Vivendi ab.

Entscheidende Fortschritte bei der Diversifizierung, wie sie die anderen Mediengruppen in Frankreich unternommen haben, sind ausgeblieben. Zwar hat TF1 Anfang April 2007 eine Minderheitsbeteiligung am Produzenten und Spartenkanalbetreiber Groupe AB übernommen (33,5% für 230 Mio. Euro). Der Konzern TF1 aber besteht nach wie vor im Wesentlichen aus dem einen Sender – nach dem Scheitern seines Mobilfunkangebots (während das des Konkurrenten M6 großen Erfolg hat), nach dem Ausstieg aus dem Satellitenmarkt. Und international ist man mit Ausnahme von Eurosport kaum vertreten.

Anfang 2008 verfügte Präsident Sarkozy das Ende der TV-Werbung in den öffentlich-rechtlichen Kanälen – in einem ersten Schritt die Werbung nach 20 Uhr ab dem 5.1.2009. Nicht selten wurde das auch als Geschenk für seinen Freund Martin Bouygues interpretiert: TF1 müsse die etwa von France 2 vertriebenen Werbekunden nur aufsammeln. Doch weit gefehlt. Einer am 18.2.2009 veröffentlichten Studie zufolge sind die TF1-Werbeeinnahmen in den ersten sechs Wochen nach dem Werbestopp auf den Staatskanälen um 19% gesunken, über das gesamte erste Quartal 09 sollten es dann sogar 27% sein. Das Wirtschaftsmagazin L’Expansion stellte fest: Niemand leidet unter der Werbekrise mehr als TF1, auch aufgrund einer verfehlten Preispolitik. Angesichts des Zuschauerschwunds ließen sich die traditionell hohen TF1-Werbetarife nicht mehr rechtfertigen. Zwar ist TF1 noch immer Marktführer, doch der Marktanteil schrumpft: 2011 schauten 23,7% der Franzosen TF1. So wenig wie nie zuvor.

Schließlich, nicht unerwartet, wurde die offizielle Position zum Thema Werbestopp neu definiert. Die Pariser Nationalversammlung beschloss am 16.11.2011: Eine totale Werbefreiheit wird es bis auf Weiteres nicht geben, mindestens bis 2014 bleibt die Werbung im öffentlich-rechtlichen TV vor 20 Uhr erlaubt (keine Änderung gibt es beim werbefreien Abendprogramm). Ein kompletter Werbeverzicht sei „mit der Lage der öffentlichen Finanzen nicht vereinbar“. TF1 forderte unmittelbar eine Abschaffung der Kompensationssteuer, mit der man die privaten Sender ab 2009 belastet hatte, um die Verdienstausfälle bei den Öffentlichen ausgleichen zu können.

Geschäftsfelder

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Zum Zeitpunkt der Privatisierung vor 25 Jahren bestand TF1 aus einem Fernsehsender, einem Werbezeitenvermarkter und einer Filmproduktion. Heute sind es drei (bald vier) frei empfangbare Vollprogramme, zwölf Spartensender im Pay-TV und 25 weitere Filialen, von Eventproduktion bis Teleshopping.

Kern des Unternehmens ist nach wie vor der gleichnamige, überaus erfolgreiche Fernsehsender, in seiner populären Ausrichtung mit RTL vergleichbar. „La Une“ sorgt für rund 60% des Konzernumsatzes. Die noch immer überdurchschnittlich guten Quoten basieren zu einem hohen Grad auf Importware, d.h. auf erwiesen publikumstauglichen US-Serienformaten („The Mentalist“, „Dr. House“, „Grey’s Anatomy“, „CSI“), plus die üblichen Casting- und Reality-Formate.

Die zahlreichen Aktivitäten, die Patrick Le Lay nach und nach aufgebaut hat, sind im wesentlichen Ergänzungen zum Geschäft mit TF1. Mit der Diversifikation soll die Abhängigkeit vom Werbemarkt verringert und die Kontrolle über die Verwertungskette erhöht werden. So ist TF1 Entreprises der Vermarktungsarm für Lizenzen, Spiele, Musik-CDs und die Verlagsfiliale TF1 Publishing. TF1 Publicité vermarktet die TF1-Gruppe, TF1 Droits Audiovisuels verwaltet und erweitert den (Filme-)Rechtekatalog, auf TF1vision.com werden Kino- und TV-Programme on-demand vertrieben. Mit TF1 Films Production ist man als Koproduzent für internationale Kinofilme aktiv, TF1 Production wiederum kümmert sich senderintern um die Programmproduktionen (Fernsehfilme und -serien, Entertainment, Dokumentationen, Sport). Das 1998 gegründete e-TF1 betreut den Auftritt des Senders im Internet, auf Mobiltelefonen und in allen „emerging media“.

Neben den weiteren frei empfangbaren Sendern NT1 (2010 von der Groupe AB zu 100% übernommen. „Chaîne généraliste“: Wiederholungen von US-Serien, Reality-Formaten, Serien- und Film-Eigenproduktionen, Sport) und TMC (80% , 20% gehören nach wie vor dem Fürstentum Monaco. Programmschema ähnlich wie NT1) bietet der Konzern im Pay TV mehrere Themenkanäle an: LCI (100%, Nachrichten), TF6 (Télévision Nouvelle Génération, 50/50 Joint Venture mit M6), Série Club (50/50 Joint Venture mit M6, TV-Serien), TV Breizh (100%, z.T. bretonisches Regional-TV, z.T. Wiederholungen von US-Serien und TF1-Eigenproduktionen) und den „Pôle Découverte“ (100%, drei Pay TV-Kanäle): Stylia (vormals Odyssée, Dokumentationen zu den Themen l’art de vivre, l’élégance, luxe), Histoire (Geschichte), Ushuaia TV (Ökologie, Nachhaltigkeit).

Eine besondere Stellung nimmt Eurosport ein, das TF1 2001 zur Gänze übernahm. Die Sendergruppe (Eurosport France, Eurosport International, Eurosport 2, Eurosportnews, Eurosport Asie Pacifique) ist nach eigenen Angaben die „führende internationale Entertainment Plattform im Sport“. Eurosport wird in 20 Sprachen an 125 Mio. TV-Haushalte in 59 Ländern gesendet und berichtet über 120 Sportarten, überwiegend live. Dieses Angebot wird in Italien seit 2004 durch das frei empfangbare Satellitenprogramm Sport Italia ergänzt.

Von dem 50-prozentigen Anteil an dem weltweit empfangbaren, frankophonen Nachrichtensender France24 (die andere Hälfte hält die öffentlich-rechtliche Sendergruppe France Télévisions) hat sich TF1 mittlerweile getrennt. France 24 ging zusammen mit den anderen internationalen Sendern TV5 und Radio France International (RFI) auf in der staatlichen Rundfunkgesellschaft AEF (Audiovisuel Extérieur de la France). TF1 erhielt im Gegenzug zwei Millionen Euro.

Investitionen auf einem anderen Sektor wurden am 28.7.2011 gemeldet. TF1 erwarb zu dem Zeitpunkt 65,7% der Gratis-Tageszeitung Metro France für etwa sechs Millionen Euro vom schwedischen Metro-Konzern (TF1 besitzt 34,3% bereits seit 2003). Eine schlüssige Begründung fällt zunächst schwer: Metro France macht Verluste (1,2 Mio. Euro 2010, 2 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2011), der Markt ist umkämpft (weitere Gratiszeitungen in Frankreich sind 20 Minutes und Direct Matin). Für TF1 aber soll der Titel (als „etablierte Marke“ mit durchschnittlich 760.000 verteilten Exemplaren pro Tag) Paolinis Strategie einer Diversifikation unterstützen. Eine ungewohnte Branche ist es allemal für den Fernsehkonzern TF1. So ungewohnt, dass die Topmanager ihre neue Umsonstzeitung einmal sogar selbst verschenkten, u.a. TF1-Generaldirektor Nonce Paolini. Am 13.10.2011 stand er frühmorgens mit grüner Kappe am Ausgang des Bahnhofs Saint-Lazare, um etwas über die Wirklichkeit eines Zeitungsverteilers zu lernen.

Inhalte

Institut für Medien- und Kommunikationspolitik

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