41. France Télévisions S.A.

Umsatz 2007: € 2,928 Mrd.

Überblick

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France Télévisions ist eine staatliche TV- und Radioholding und beschäftigte 2011 rund 11.000 Mitarbeiter in 40 Tochterunternehmen.

 

Ein aktualisiertes Konzernporträt erscheint in Kürze.

Basisdaten

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Hauptsitz:
7, esplanade Henri de France
75907 Paris
Frankreich

Telefon: 0033 1 56 22 60 00
Internet: www.francetelevisions.fr/groupe/qui-sommes-nous  

Branche: Fernsehsender (Free TV, Pay TV), TV- und Filmproduktion, Vertrieb, Werbezeitenvermarktung, Verlag, Multimedia
Rechtsform: Aktiengesellschaft in staatlichem Besitz Geschäftsjahr: 01.01. - 31.12. Gründungsjahr: 1949 Gründung der RTF (Radio et Télévision Françaises); 1974 Aufspaltung des ORTF (Office de la radio et de la télévision françaises, RTF-Nachfolgeholding) in die Fernsehsender TF1 (1987 privatisiert), Antenne 2 und FR3; 2000 Gründung von France Télévisions S.A., Holding aller öffentlichen TV-Sender.

Ökonomische Basisdaten (in Mio. Euro)
202320222021202020192018
Etat/Umsatz 2.971
Beschäftigte

Geschäftsführung

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Comité exécutif:

  • Delphine Ernotte Cunci, Présidente-directrice générale de France Télévisions
  • Stéphane Sitbon-Gomez, Directeur des antennes et des programmes
  • Christian Vion, Directeur général adjoint, en charge de la gestion, de la production et des moyens
  • Alexandre Kara, Directeur de l’information
  • Marianne Siproudhis, Directrice du marketing et de la communication, Directrice Générale de France Télévisions Publicité
  • Christophe Tardieu, Secrétaire general
  • Isabelle Caroff, Directrice des ressources humaines et de l’organisation
  • Juliette Rosset-Cailler, Directrice de la stratégie et du pilotage de la transformation
  • Philippe Martinetti, Directeur du réseau régional de France 3
  • Sylvie Gengoul, Directrice du pole Outre-mer
  • Frédéric Brochard, Directeur des technologies
  • Encarna Marquez, Directrice du numérique
  • Muriel Attal, Directrice de la communication corporate

 

Besitzverhältnisse: Französischer Staat (100 %)

Geschichte und Profil

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France Télévisions ist Rechtsnachfolger des staatlichen französischen TV-Senders RTF (Radiodiffusion-télévision française, ab 1949) bzw. der Sendergruppe ORTF (Office de Radiodiffusion-Télévision Française, ersetzte die RTF 1964). 1974 wurde der ORTF aufgelöst. France 2, 1963 als zweiter Kanal der RTF etwa zeitgleich mit dem ZDF gestartet, und France 3, gegründet 1972, erhielten je einen autonomen Status.
 
1992 wurden beide Kanäle unter dem Namen France Télévision (ohne „s“) wieder zusammengeführt, der Posten eines gemeinsamen Präsidenten wurde eingerichtet. 2000 entstand France Télévisions S.A. als Holding der öffentlichen Fernsehsender, eine Aktiengesellschaft unter staatlicher Kontrolle. Das Mandat des Präsidenten wurde von drei auf fünf Jahre verlängert.

Dann kam Nicolas Sarkozy. Seine Neujahrsansprache 2008 sorgte für große Verwirrung – in der Bevölkerung, und v.a. in der Medienwelt. Der Präsident wünschte sich mehr Qualität im öffentlichen Fernsehen und weniger (erfolgreiche) US-Serien und zauberte gleich einen Plan für ein totales Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aus dem Hut: die Abschaffung von Werbung nach 20 Uhr ab dem 5. Januar 2009; die (mittlerweile widerrufene) komplette Werbefreiheit ab 2011. Für France Télévisions bedeutete das, ab 2009 auf 20-30% des Etats (823 Mio. € für Werbung und Sponsoring 2007, 618,5 Mio. € in 2008) verzichten zu müssen. Das Werbeverbot (Sarkozy: „une révolution culturelle dans le service public de la télévision“) sorgte umgehend für Proteste. Die linksgerichtete Libération schrieb von einem „800-Millionen-Euro-Scheck“ für Sarkozy-Spezi Martin Bouyges, Besitzer des Privatsenders TF1 und, wie es schien, größter Profiteur der Angelegenheit. (Was sich als Trugschluss erweisen sollte: die Werbeerlöse des Marktführers TF1 gingen im ersten Quartal 2009 um sage und schreibe 27% zurück.) Von Gewerkschaftsseite hieß es, der Präsident wolle das öffentliche Fernsehen „ausbluten“ lassen. Der Spiegel titelte: „Falsch, dumm und ungerecht.“

Im Februar 2009 wurde eine Ad-Hoc-Kommission („commission pour la nouvelle télévision publique“) unter Vorsitz des UMP-Abgeordneten Jean-François Copé eingerichtet, um über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nachzudenken, die Möglichkeiten der Refinanzierung der Werbefreiheit auszuloten und auch, wie Libération schrieb, um der spontanen Verkündung des Präsidenten einen demokratischen Anschein zu geben. Die Sendergewerkschaft nannte das Ganze eine „Maskerade“, eine „Operation zur Tarnung einer Zerschlagung des öffentlichen Fernsehens zugunsten des privaten Sektors“. Schon bald zeichnete sich ab, dass der Präsident den Empfehlungen der Kommission, v.a. einer Erhöhung der Rundfunkgebühren, nicht folgen würde.

Anfang März 2009 wurde das „Gesetz zur Reform des audiovisuellen Sektors“ verabschiedet. Die wichtigsten Maßnahmen: das Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, dessen zukünftige Finanzierung (eine Steuer für Privatsender von 3% des Umsatzes, eine Steuer für Internet- und Handyanbieter von 0,9% des Umsatzes) sowie die äußerst umstrittene Ernennung des Direktors der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten durch den Staatspräsidenten. Mit der Werbefreiheit verordnete Sarkozy dem öffentlichen Fernsehen nebenbei einen neuen Start für die abendliche Prime Time – eine „kuriose Variante präsidialer Machtfülle“ (SZ vom 6.7.2010). Doch rief vor allem die Berufung des Senderchefs durch den Präsidenten besorgte Reaktionen hervor, im In- und Ausland sah man die Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks in Frankreich gefährdet. Es waren unmissverständliche Signale aus dem Élysée: zurück zum Staatsfernsehen.

Der Findungsprozess des neuen Direktors gestaltete sich turbulent. Sarkozy blieb unbeirrt („France Télévisions gehört dem Staat und der Staat bestimmt den Direktor“), monatelang kursierten diverse Namen. Am 14.4.2010 schrieb die ehemalige Kultur- und Kommunikationsministerin und heutige Vize-Präsidentin des Senats Catherina Tasca auf mediapart.fr über den „Staatsfluch auf France Télévisions“, am 2. Juni veröffentlichte das renommierte Kulturmagazin „Télérama“ ein Manifest mit dem Titel „Befreit den öffentlichen Rundfunk!“ (unterzeichnet von 100 Persönlichkeiten aus Politik und Kulturbetrieb), gegen die „unerträgliche Regression“, die der direkte Draht zwischen der Exekutive und der Führung des öffentlichen Rundfunks bedeute (1982, nach einem Jahr an der Macht, hatten die Sozialisten unter François Mitterand das staatliche Rundfunkmonopol abgeschafft). Schließlich, am Morgen des 5. Juli 2010, wurde aus dem Élysée gemeldet: Rémy Pflimlin wird der neue patron von France Télévisions.

In der Folge kam übrigens, wenig überraschend, die Kehrtwende beim Thema Werbestopp. Bereits ab Frühjahr 2010 hatte sich abgezeichnet, was die Pariser Nationalversammlung am 16. November 2010 beschloss. Eine totale Werbefreiheit wird nicht kommen. Ein kompletter Werbeverzicht sei „mit der Lage der öffentlichen Finanzen nicht vereinbar“. Gleichzeitig wird es eine Wiedereinführung von Werbung nach 20 Uhr, die die angespannte Finanzlage ja ein wenig entschärfen könnte, und über die ein Staatsminister im Finanzministerium im August 2012 spekuliert hatte, nicht geben. Die Kultur- und Medienministerin Aurélie Filippetti erteilte der Sache am 24.8.2012 eine resolute Absage. Diese Initiative sei nicht mit der Regierung abgesprochen. Im übrigen sei sie als Medienverantwortliche nicht nur für Budgetprobleme des öffentlichen Rundfunks zuständig. Vielmehr gehe es darum, die Aufgaben und Pflichten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu überdenken. Keine Änderung also bei der Werbefreiheit am Abend.

Ende 2012 war die Stimmung beim Senderverbund gedrückt, die Prognosen verhießen nichts Gutes, France Télévisions sah sich (und sieht sich noch immer) mit einer zweifachen Krise konfrontiert: Mit aller Voraussicht nach sinkenden Werbeeinnahmen und deutlich gekürzten staatlichen Zuwendungen. Allerdings: Diesen trüben Aussichten zum Trotz konnten die am 2.1.2013 veröffentlichten Zuschauerzahlen für das Gesamtjahr 2012 versöhnlich stimmen. Erstmals seit über zehn Jahren verzeichnen sämtliche Konzernsender steigende oder zumindest stabile Marktanteile. Insgesamt kam France Télévisions auf einen Zuschaueranteil von 30,3% (ein Plus von 0,4%).

Management

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Im August 2015 beerbte Delphine Ernotte Cunci ihren Vorgänger Remy Pflimlin als Intendantin von France Televisions. Ernotte Cunci ist die erste Frau an der Spitze der Anstalt. Im Auswahlprozess setzte sie sich gegen sieben Mitbewerber durch, darunter auch den ehemaligen TF1-Chef Pascal Josèphe. Die Auswahlkommission begründete ihre Entscheidung explizit mit Ernotte Cunci's Erfahrungen und Kenntnisse des sich wandelnden TV und Streamingmarktes. Zuvor war sie in leitender Stellung beim Telekommunikationskonzern Orange France tätig, wo Sie für den Ausbau von schnellen Internetverbindungen verantwortlich war.

Geschäftsbereiche

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Unter dem Dach der France Télévisions-Holding sind sämtliche öffentliche TV-Sender Frankreichs gruppiert (29,9% Marktanteil der gesamten Gruppe 2011), von der altehrwürdigen chaîne généraliste, dem öffentlich-rechtlichen Flaggschiff France 2 (14,9% Marktanteil 2011), dem stärker regional orientierten France 3 (9,7%), bis zum Kultur- und Bildungskanal France 5 (3,3%), die alle als digitales Antennenfernsehen TNT (französisches DVB-T) empfangbar sind. Dazu die über Kabel, Satellit und TNT verbreiteten Sender France 4 (zuvor „Festival“), dem erfolgreichen Spielfilm-, Serien-, Comedy- und Musiksender (Zielgruppe: 15-34, 2% Marktanteil), und France Ô (mit Programmen aus den Übersee-Territorien), seit dem 14. Juli 2010 über TNT auch in Frankreich empfangbar. (Die Zahlen für die Marktanteile 2012 der einzelnen Sender von France Télévisions liegen bislang nicht vor.)

Ein Wort zu RFO (Réseau France Outre-mer): Die TV- und Radio-Sendergruppe in den französischen Überseegebieten, die unter diversen Bezeichnungen seit 1954 existierte, wurde mit Wirkung vom 30.10.2010 umbenannt in Réseau Outre-Mer 1ère. Über das jetzt auch u.a. auf La Réunion, Martinique, Guadeloupe, Neukaledonien und Französisch-Guayana verfügbare TNT sendet Outre-mer 1ère die neun lokalen Übersee-Kanäle und mehr aus dem Hause France Télévisions (France 2 bis 5, Arte).

Weiterhin hält France Télévisions u. a. Anteile an den Sendern Arte France (45% und darüber 50% an Arte), TV5 Monde (49%) sowie an den Spartenkanälen Mezzo (40% FTV, 60% Lagardère), Planète Thalassa (34% FTV, 66% Canal+), Planète Justice (34% FTV, 66% Canal+), Gulli (Kinderprogramm, 34% FTV, 66% Lagardère) und EuroNews. Dazu kommen weitere Tochterunternehmen aus den Bereichen Werbung (FTP France Télévisions Publicité), Rechtevertrieb (France Télévisions Distribution) und Filmproduktion (France 2 Cinéma, France 3 Cinéma).

Aktuelle Entwicklung

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Noch gibt es kein neues Gesetz zur Medienreform, noch keinen neuen Präsidenten (von France Télévisions). Der alte, noch von Sarkozys Gnaden eingesetzte Rémy Pflimlin hat im wesentlichen damit zu tun, die Finanzkrise zu verwalten. Bei langwierigen Verhandlungen mit diversen Ministerien geht es um Zielvorgaben, Finanzdiät und Sparprogramme. Denn France Télévisions geht es nicht gut. Tiefrote Zahlen, wegbrechende Einschaltquoten. Immer wieder liest man von einer Krise ohnegleichen beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Im Wirtschaftsmagazin Le Point spricht man von einer „dramatischen Situation“.

Stichwort Krise: Die desolate Lage der öffentlichen Finanzen, die ökonomische Misere des französischen Staats (Rezession, Rekordarbeitslosigkeit) machen sich auch beim von ihm abhängigen öffentlichen Rundfunk bemerkbar. Denn seit Sarkozys Medienreform vom März 2009, also seit der Abschaffung von Werbung nach 20 Uhr und der Einführung von staatlichen Kompensationszahlungen, sieht sich France Télévisions den Anpassungen des Staatsbudgets ausgesetzt bzw. muss auch die staatliche Senderholding einen Beitrag zur „Sanierung der öffentlichen Finanzen“ leisten und zukünftig mit weniger auskommen. „France Télévisions kostet den Staat sehr viel Geld“, kann man jetzt lesen, „in dieser schwierigen Zeit“. Daher die Etatkürzungen: 2013 wird die staatliche Subventionierung um 85 Mio. € sinken (auf 2,45 Mrd. €). Das alles vor dem Hintergrund der Krise auf dem Werbemarkt, die für weitere Einschnitte sorgen wird. Von einem Verlust von 133 Mio. € für 2013 wird mittlerweile ausgegangen. Le Monde bringt es auf den Punkt: Rémy Pflimlin findet sich „zwischen Hammer und Amboss“ wieder, zwischen Finanzministerium (das weitere Einsparungen fordert) und Kultur-/Medienministerium (das die Sendergruppe an ihre „öffentlich-rechtlichen Aufgaben und Pflichten“ erinnert). Eine Lösung des Dilemmas scheint „illusorisch“. „C’est mission impossible pour Rémy Pflimlin“, heißt es bei der privaten Konkurrenz.

Und jetzt? Was kann man tun? Klar ist: Pflimlin und seine Generaldirektoren müssen sparen. Er sagt: „Maßnahmen zur Anpassung“ sind erforderlich. Hier sind die üblichen Einsparungen beim Programmangebot und mehr Wiederholungen vorgesehen, sowie ein Stellenabbau über Abfindungsangebote. Ein freiwilliger Eintritt in den Vorruhestand also; hier steht die Zahl von 650 Arbeitsplätzen im Raum. Nachgedacht wird außerdem über eine Ausweitung der Rundfunkgebühren auf Zweitwohnsitze (die jährlich etwa 400 Mio. Euro bringen würde), über ein anderes Gebührenmodell, etwa eine Haushaltsabgabe nach deutschem Vorbild, und/oder eine weitere Gebührenanhebung, nachdem der Beitrag in Frankreich bereits 2012 um monatlich sechs Euro (auf jährlich 131 Euro) erhöht wurde. Hier liegt Frankreich noch deutlich unter dem Niveau der Nachbarländer (175 Euro in Großbritannien und 215 Euro in Deutschland). Und natürlich kommt ein stetig wiederkehrendes Thema auf: Eine Wiedereinführung von Werbung am Abend. Rémy Pflimlin als derjenige, der mit der ganzen Malaise seiner Sendergruppe am besten vertraut ist, hat das schon öfter für ein probates Mittel gehalten. Aber daraus wird wohl nichts. Die Regierung will nicht das Risiko eingehen, den sich ohnehin in einer Flaute befindlichen Werbemarkt weiter zu destabilisieren.

Inhalte

Institut für Medien- und Kommunikationspolitik

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