46. ProSiebenSat.1

Umsatz 2011: € 2,756 Mrd.

Überblick

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Das Kerngeschäft der ProSiebenSat.1 Media AG ist Free-TV. Daneben ist sie in den Bereichen Produktion, Vermarktung, Vertrieb von Fernsehen, Internet und Transaktionsfernsehen aktiv. Seit 2003 wird die Sendergruppe (aus der die seit der Sat.1-Gründung 1984 beteiligte Axel Springer AG 2008 ausstieg) von internationalen Finanzinvestoren kontrolliert.

Die Investoren der zweiten Generation, KKR und Permira, verschmolzen ProSiebenSat.1 2007 mit der paneuropäischen SBS Broadcasting Group. Dadurch wurde das Unternehmen mit Hauptsitz bei München zum zweitgrößten Fernsehkonzern Europas, allerdings auch mit hohen Schulden beladen.

Basisdaten

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Hauptsitz:
Medienallee 7
85774 Unterföhring
Tel. +49-89-9507-10
Fax +49-89-9507-1122
Internet: www.prosiebensat1.de

Branche: TV-Sender, TV-Produktion, Radio, Internet
Rechtsform: Aktiengesellschaft
Geschäftsjahr: 01.01. - 31.12.
Gründungsjahr: 2000 (Fusion von Sat.1 und ProSieben Media AG)

Tab. I: Ökonomische Basisdaten (Beträge in Mio. €; vorläufige Zahlen 2008)
20122011201020092008200720062005200420032002
Umsatz2.9692.7563.0002.7613.054,22.702,52.1051.9891.8401.8071.895
Konzern-Überschuss415,1 309,4 357,2146,6-129,1384.284444,3383,7133,639,412,58
Aktienkurs (Jahres-Schlusskurs in Euro)21,30 14,12 22,508,062,4016,3924,8516,3513,5013,256,50

Dividende

(je Vorzugsaktie)

k.A.1,17   1,140,020,021,250,890,840,300,020,02
Beschäftigtek.A.k.A.4.7494.9806.0574.8522.9762.7882.6992.8993.062

Geschäftsführung

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Geschäftsführung/Vorstand (Schlüsselpositionen):

  • Thomas Ebeling (Jahrgang 1959), Vorstandsvorsitzender, Vorstand für Group Content, International Free-TV, Radio, Print, Merchandising, Corporate, Human Resources sowie Sales & Marketing - seit Dan Marks' Ausscheiden im Oktober 2010 auch kommissarisch Vorstand für German Pay TV, Video on Demand, Participation TV and Business Development, seit März 2012 als Interims-Nachfolger für  Andreas Bartl auch Vorstand für German Free-TV)
  • Axel Salzmann (Jahrgang 1958), Vorstand für Group Operations, Group Controlling, Finance/Investor Relations, Legal Affairs, Accounting, Tax und Portfolio Management, Regulatory Affairs und Administration
  • Conrad Albert, Vorstand für Legal Affairs, Distribution und Governmental & Regulatory Affairs
  • Christian Wegner, Vorstand für New Media & Diversification
  • Heidi Stopper, Vorstand Human Resources

 

Aufsichtsrat:

  • Götz Mäuser, Vorsitzender, Partner bei der Permira Beteiligungsberatung GmbH (Permira)
  • Johannes Peter Huth, Stv. Vorsitzender, Partner und Europa-Chef bei Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR)
  • Stefan Dziarski,  Investment Professional bei der Permira Beteiligungsberatung GmbH
  • Fred Th.J. Arp, CFO der Telegraaf Media Groep N.V.
  • Greg Dyke, Medienberater
  • Philipp Freise, Direktor bei KKR
  • Lord Clive Hollick, Unternehmensdirektor
  • Jörg Rockenhäuser, Geschäftsführer Permira Beteiligungsberatung GmbH

  • Prof. Dr. Harald Wiedmann (ehemals Präsident des Standardisierungsrates)

 

Gesellschafter (Anteile in Prozent): Die Holdinggesellschalten von KKR und Permira (Lavena) halten inzwischen einen Anteil von 53 Prozent am Grundkapital sowie weiterhin 88 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien und 18 Prozent der nicht stimmberechtigten Vorzugsaktien. Die niederländische Telegraaf Media Groep hält 12 Prozent der Stammaktien bzw. sechs Prozent des Grundkapitals. 82 Prozent der Vorzugsaktien bzw. 41 Prozent des Grundkapitals befinden sich in Streubesitz (vgl. Aktionärsstruktur-Angaben von P7S1). Die ProSiebenSat.1-Aktie ist im M-Dax notiert.

Geschichte und Profil

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Das Unternehmen ProSiebenSat.1 ist mit den großen Namen und Dramen der jüngeren deutschen Mediengeschichte eng verbunden. Als größter deutscher Medienkonzern im Besitz von Finanzinvestoren steht es weiter im Brennpunkt des Interesses.

Zuerst gehörte die Firma zum Imperium des Leo Kirch. Der (am 14. Juli 2011 verstorbene) Filmhändler hob das Unternehmen im Oktober 2000 durch die Fusion der beiden Sender Sat. 1 und ProSieben aus der Taufe - zuvor hatten die Konzentrationsregeln dies nicht erlaubt. Daher hatte jahrelang offiziell sein Sohn, Thomas Kirch, ProSieben geführt. Im Zuge dieser Fusion erwarb die Axel Springer AG einen 11,5-prozentigen Anteil an der neuen ProSiebenSat.1 Media AG. Springer war zuvor bereits an Sat.1 beteiligt gewesen; Kirch wiederum hielt 40% an der Springer AG. Nachdem 2001 erste Zweifel an Kirchs Zahlungsfähigkeit aufgekommen waren, versuchte Springer-Chef Mathias Döpfner, Kirch den Todesstoß zu versetzen: Er übte eine Put-Option aus, die es ihm erlaubte, den Anteil an ProSiebenSat.1 für 790 Millionen € zu verkaufen. Er hoffte, bei Zahlungsunfähigkeit die ganze Sendergruppe zu erhalten. Allerdings hatte Döpfner die Rechnung ohne die Gläubigerbanken gemacht: Die Kirch-Gruppe zerfiel und die „Überreste“ wurden einem jahrelangen Insolvenzverfahren überantwortet. Im Zuge der Verhandlungen wurde fast jedes größere Medienunternehmen als potenzieller Käufer gehandelt, etwa Sony, TF1, der Bauer-Verlag, die WAZ-Gruppe oder auch der internationale Medien-Tycoon Rupert Murdoch (News Corp. in der Mediendatenbank).

Schließlich erhielt im August 2003 ein hierzulande bis dato unbekannter US-amerikanischer Medienunternehmer den Zuschlag: Haim Saban übernahm gemeinsam mit einem Bankenkonsortium die Aktienmehrheit am Konzern. Damit wurde ein wichtiger Teil der Deutschland AG an ausländische Investoren verkauft - obwohl einige deutsche Medienpolitiker dies durch das Propagieren einer ‚deutschen Lösung’ noch zu verhindern suchten. Saban schien sein Glück im Nachhinein selbst kaum fassen zu können, hatte er doch für ‚nur’ 525 Millionen Euro ein Herzstück der deutschen TV-Industrie erworben. "That level of ownership would never be allowed in the U.S.. It would be too much concentration", so Saban 2004 zur "New York Times". Insbesondere sein charmantes Auftreten dürfte ihm bei dem Deal geholfen haben. Während John Malones kompromissloser Übernahmeversuch der deutschen Kabelnetze gescheitert war, konnte Saban die Bedenken der Aufsichtsbehörden en passant ausräumen. Der "NYT" verriet er sein Erfolgsgeheimnis: „I sweet talked them“.

Trotz aller Beteuerungen, längerfristig engagiert zu bleiben, entschied sich Saban bereits Mitte 2005, ProSiebenSat.1 zu verkaufen. Verhandlungen mit der Axel Springer AG über eine Komplettübernahme des Konzerns waren bereits weit gediehen, als das Bundeskartellamt und die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) dem Verlagshaus einen Strich durch die Rechnung machten. Die offizielle Begründung rekurrierte auf die nach dem Kartellrecht nicht genehmigungsfähige Marktmacht, die durch einen Zusammenschluss auf dem Fernsehwerbemarkt, dem Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen sowie dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen entstünde. Das sich abzeichnende Veto der Behörden führte Anfang 2006 zu einer Rücknahme des Übernahmeangebots aus dem Hause Springer. Obwohl im Juni 2010 der Bundesgerichtshof das Verbot der ProSiebenSat.1-Übernahme bestätigt hatte, kursierten und kursieren Gerüchte über ein Springer-Engagement in der Sendergruppe oder bei einzelnen Sendern immer weiter.

Im zweiten Anlauf zum Verkauf einigte sich Saban Ende 2006 mit einem Konsortium ausländischer Finanzinvestoren. Für rund drei Milliarden Euro ging der Konzern an Permira und KKR. Am 6. März 2007 erlangte die Mehrheitsübernahme der ProSiebenSat.1 AG durch die von KKR und Permira kontrollierte Lavena Holding 4 GmbH Rechtskraft. Der größten Deal in der deutschen Mediengeschichte hatte Sabans eingesetztes Kapital nahezu versechsfacht.

Die Axel Springer AG verkaufte im Dezember 2007 überraschend ihren 12-prozentigen Anteil an der Sendergruppe für gut 19 Euro pro Aktie an Permira / KKR. Im Sommer zuvor war eine Aktie noch 30 Euro wert gewesen; im späteren Rückblick erwies sich das Geschäft als dennoch nicht schlecht: Trotz inzwischen erfolgter Fusion mit der von KKR und Permira kontrollierten Fernsehgruppe SBS Broadcasting unterschritt der Kurs 2008 fünf Euro, im März 2009 fiel er zeitweilig unter die 1-Euro-Marke. 

Ebenfalls wegen des Kursverfalls beschloss die zuvor an SBS beteiligte niederländische Telegraaf Media Group, eine zum Juni 2008 eingeräumte Kaufoption auf 12% der Stammaktien nicht auszuüben. Dennoch wurde sie von Permira/ KKR zur Übernahme der Anteile zum für die Verkäufer vorteilhaften Preis von 377 Mio. Euro "gezwungen" ("blogs.taz.de"). Das entsprach einem Preis von 28,71 Euro pro Aktie, die an der Börse zum gleichen Zeitpunkt für 5,50 Euro zu haben war.

Anfang 2011 vollzogen die Finanzinvestoren einen teilweisen Ausstieg und verkauften an der Börse acht Millionen stimmrechtslose Vorzugsaktien, mithin 3,7 Prozent des Grundkapitals, von dem sie 53 Prozent weiterhin halten (Handelsblatt).

Management

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Als durch Fusionen entstandene Sendergruppe hat ProSiebenSat.1 immer darum gerungen, das Marktpotenzial seiner einzelnen Sender zu nutzen und auf digitalen Märkten einzusetzen. Auch anno 2011 geht es vor allem darum, "das Programmvermögen effizienter einzusetzen" (Thomas Ebeling). Ähnlich waren von Anfang an die Programminhalte der beiden großen Kanäle Sat.1 und ProSieben aufeinander abzustimmen. Immer wieder bestimmten Kostenreduktionen die Unternehmensstrategie, wobei die Gruppe mit kostengünstigen, seriell hergestellten Formate („Verliebt in Berlin“, „Richterin Barbara Salesch“, „Lenßen&Partner“, „Schillerstraße“) zeitweise den Publikumsgeschmack treffen und den Marktführer RTL als Innovationsmotor ablösen konnte.

Nach dem Ausscheiden des schillernden Saban wird das Unternehmen von den neuen Gesellschaftern, der Permira Beteiligungsberatung GmbH und Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) kontrolliert. KKR zählt zu den weltweit größten und erfahrensten Finanzinvestoren. Seit 1976 übernimmt die in den USA gegründete Beteiligungsgesellschaft angeschlagene Konzerne und trimmt diese auf Rendite. Nach eigenen Angaben hat KKR mehr als 165 Transaktionen mit einem Gesamtvolumen in Höhe von über 420 Mrd. US-Dollar getätigt (Stand 2009). Dagegen wirkt die Unternehmensvita 1985 gegründeten Partners Permira (lat.: „sehr überraschend“) bescheiden, auch wenn das Unternehmen inzwischen auf über 190 Investments zurückblickt. Beide Unternehmen verfügten und verfügen über Mehrheitsbeteiligungen in den Bereichen Medien und Telekommunikation.  KKR gehörten oder gehören zum Beispiel „PagesJaunes“ (Frankreich), „SevenMediaGroup“ (Australien) und „Primedia“ (USA). In Deutschland engagierte sich Permira als Mehrheitseigner des Telekomunternehmens "Debitel" und war Eigentümer des Bezahlsenders Premiere (heute: Sky) bis zu dessen Börsengang. 

Auch wenn ein Gutachten des Bredow-Instituts bereits 2008 zum Ergebnis kam, dass Finanzinvestoren aus rundfunkrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden seien, bleibt die Frage nach den langfristigen Auswirkungen ihres Engagements im sensiblen Medienbereich auf der Agenda.

Bereits vor ihrem ProSiebenSat.1-Deal besaßen Permira und KKR gemeinsam die paneuropäische Sendergruppe SBS. Erwartungsgemäß fusionierten die Eigentümer ihre beiden Sendergruppen am 3. Juli 2007. Als Nummer zwei in Europa hinter der RTL Gruppe erreichte die "neue" ProSiebenSat.1 nach eigenen Angaben über 78 Millionen Haushalte in 14 Ländern. Ihren Sitz hat sie weiterhin bei München. Unter Permira/ KKR wurde sie zunächst weiterhin operativ von Guillaume de Posch geführt, den bereits Vorbesitzer Saban von der französischen TF1-Groupe abgeworben hatte. Der Belgier hatte Sabans Vorgabe, den Konzern für den Verkauf aufzupolieren, meisterhaft bewältigt und richtete sein Handeln auch auf die Renditeziele der neuen Herren aus. Schon wegen des hohen SBS-Kaufpreises von rund 3,3 Mrd. Euro, der ProSiebenSat.1 in Form von Schulden auferlegt wurde, setzte de Posch seinen harten Sparkurs fort. Trotz gegenteiliger Versicherungen wurden 100e Mitarbeiter entlassen. Als Sat.1 die Boulevardformate „Sat 1 am Mittag“ und „Sat 1 am Abend“ einstellte und an Nachrichtensendungen sparte, woraufhin Anchorman Thomas Kausch den Sender verließ, beklagte die "FAZ" "Heuschreckenlogik" ("Die Eigentümer des Privatsenderkonzerns ProSiebenSat.1 haben in dieser Woche ein Kapitel der deutschen Rundfunkgeschichte beendet. Sie haben es begraben ...").

Im Geschäftsjahr 2007, in dem die Nettofinanzverschuldung des Unternehmens von 122 Mio. € auf  3.328,4 Mio € stieg, führte vor allem ein vom Bundeskartellamt gegen den konzerneigenen Werbezeitenvermarkter SevenOneMedia verhängtes Bußgeld von 120 Millionen Euro zum faktischen Gewinneinbruch. 2008 verschärfte sich die Krise. Zwar stieg der Konzernumsatz auf rund 3 Mrd. Euro, doch war das Jahresergebnis mit -129,1 Mio. Euro negativ. Beides hängt mit der erstmaligen ganzjährigen Konsolidierung der SBS-Gruppe zusammen - mit der sich die ursprünglich erhofften Synergien auf dem national zersplitterten europäischen Fernsehmarkt kaum realisieren ließen. Dass trotz der schlechten Lage 98,9 Prozent des bereinigten Konzernjahresüberschuss als Dividende ausgeschüttet wurden, während andererseits zusätzliche 70 Millionen Euro im Budget fürs laufende Jahr eingespart werden sollten, löste bei Kleinaktionären und Presse heftige Kritik aus ("Süddeutsche Zeitung": "Ein Schlachtfest"). Auch die Eigentümer hinterfragten daraufhin ihre Geschäftspolitik öffentlich (Permira-Chairman Thomas Krenz 2008 zum "Spiegel": "Als die Entscheidung gefallen ist, hatten wir keine drohende Weltrezession und berechtigte Hoffnungen wegen des neuen Verkaufsmodells. Deshalb ist es aus heutiger Sicht richtig, zu fragen, ob man das nicht anders hätte machen sollen"). Als Finanzkrise und sinkende Werbeeinnahmen die Lage weiter verschlechtert hatten und der Schuldenstand 3,85 Milliarden Euro erreichte, verzichteten die Gesellschafter für die Geschäftsjahre 2008 und 2009 ganz auf Dividenden (auf Stammaktien, von denen KKR und Permira die meisten halten, wurde keine Dividende gezahlt, je Vorzugsaktie lediglich die Mindestdividende von 0,02 Euro pro Aktie). Seither hat sich die finanzielle Lage gebessert, auch wenn der Schuldenstand gewaltig bleibt.

De Posch-Nachfolger Ebeling

Die Nachfolgersuche für de Posch, der im Juni 2008 seinen Abschied ankündigte , brachte erst im Dezember ein Ergebnis: Seit März 2009 führt Thomas Ebeling, bisheriger CEO des Pharma-Unternehmens Novartis Consumer Health, den Medienkonzern.

Parallel gab es zahlreiche weiteren Umstrukturierungen. So schieden aus dem Vorstand Lothar Lanz (Finanzen, seit Oktober 2000 dabei, inzwischen in gleicher Position bei Axel Springer) und Peter Christmann (Sales & Marketing) aus, dessen Werbezeiten-Verkaufsmodell dem Konzern laut "kressreport" etwa 100 Mio. Euro Verlust beschert hatte. Die beiden wurden ersetzt durch Axel Salzmann sowie Klaus-Peter Schulz, der schon 2009 wieder ausschied. Sein Nachfolger als Sales und Marketing-Vorstand ist Vorstandschef Ebeling selbst.

Auch unterhalb dieser Ebene hatte bereits de Posch neue Management-Ebenen eingeführt: Der bisherige ProSieben-Geschäftsführer Andreas Bartl stieg zum "Managing Director" der "German Free-TV Holding GmbH" auf (und wurde kurz darauf in den Vorstand berufen). In Bartls Verantwortung wiederum koordinieren inzwischen "Content-Manager" die Bereiche Fiction, Infotainment & Magazine und Unterhaltung senderübergreifend. Das sei eine "Anpassung an das erfolgreiche Management-Modell in anderen Ländern der Gruppe wie den Niederlanden, Belgien, Schweden oder Norwegen", erläuterte noch de Posch. Mit der 2009 gegen viele Widerstände durchgesetzten Entscheidung, Sat.1 nach Unterföhring zu verlagern, ging weiterer Management-Umbau einher. So führte ein steiler Aufstieg bei P7S1 den vorherigen Kabel 1-Chef Guido Bolten in die Sat.1-Geschäftsführung -  bis er im Januar 2010 den Posten wegen des schwachen Quoten-Erfolgs seiner Maßnahmen aufgab.

Auch wenn der neue Vorstandschef Ebeling 2009 und 2010 wiederholt durch missverständliche oder unglückliche Äußerungen zur künftigen Strategie auffiel - etwa zur Notwendigkeit von Nachrichtensendungen in den "Vollprogrammen" der Sendergruppe - die für die Gesellschafter allein wichtigen Geschäftszahlen bewegen sich unter seiner Ägide aufwärts.

Während der Vorstand seit dem überraschenden Ausscheiden des Chief New Media Officers Dan Marks 2010 "aus persönlichen Gründen" nur dreiköpfig war, wurden auf unteren Ebenen immer neue Management-Posten geschaffen. "Immerhin in einem Punkt wird bei P7S1 nicht gespart: Bei der Länge der Bezeichnung der Posten, die der Konzern zu vergeben hat", scherzte dwdl.de 2009 aus Anlass einer Beförderung zum "Senior Vice President Group Format Acquisitions & Development"

Auch 2012 erregte P7S1 wieder mit Chefetagen-Personalien Aufsehen: Zunächst schied Andreas Bartl, Vorstand TV Deutschland, "auf eigenen Wunsch" aus dem Vorstand aus, "um sich als Medienunternehmer selbständig zu machen". Bartl hatte die Zuschauerentwicklung bei Sat.1. zur Chefsache erklärt, jedoch keine wesentlichen Erfolge erzielt. Die Ankündigung, im Mai 2012 die "Harald-Schmidt-Show" mit dem bei seiner Rückkehr groß gefeierten Late-Night-Talker und Sendergesicht nicht mehr fortzusetzen (wobei sie ab September auf der ebenfalls in Unterföhring ansässigen Pay-TV-Plattform Sky fortgesetzt werden wird), erfolgte wenig später. Bartls Vorstandsbereich übernahm kommissarisch Vorstandschef Thomas Ebeling.

Im August wurde ein weiteres "großes Personalrevirement" (FAZ) bekannt, dem zufolge Sat.1-Geschäfsführer Joachim Kosack seinen Posten zum 1. Oktober an Nicolas Paalzow übergibt. Zugleich übernimmt ProSieben-Geschäftsführer Jürgen Hörner den Geschäftsführungs-Vorsitz der gesamten ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH (vgl. Pressemitteilung).

Neuer Beirat

Neu intalliert wurde schließlich 2011 ein "Beirat" der ProSiebenSat.1 Media AG unter dem Vorsitz des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, um "das Unternehmen in wichtigen gesellschafts- und medienpolitischen Fragen (zu) beraten und unterstützen". Stoiber wird "Cheflobbyist" des Konzerns, formuliert es die FTD. Bei der ersten Sitzung identifizierte der achtköpfige Beirat "fünf Kernthemen" für sein Wirken: Rahmenbedingungen für Anbieter audiovisueller Inhalte, Weiterentwicklung der dualen Medienordnung (als deren "wesentlicher Teil und Mitträger" sich P7S1 sieht), Werbung und Sponsoring ("dürfen nur dem privaten Rundfunk erlaubt sein"), Modernisierung des Medienkonzentrationsrechts sowie Verbesserung des Urheberrecht und der "leistungsschutzrechtlichen Position von Medienunternehmen" (siehe stoiber.de).

Seither äußert sich Stoiber regelmäßig zu Themen des Medienwandels und dem geringen Verständnis dessen in der aktuellen Politik. In einem Interview mit dem "Jahrbuch Fernsehen 2012" sagte er etwa: "Es ist dabei schon ein Problem, dass die Generation der heute verantwortlichen Politiker nicht mit dem Internet sozialisiert worden ist, es aber die gesellschaftliche und politische Kommunikation alltäglich prägt. Viele Politiker nutzen das Internet, aber sie verstehen es nicht unbedingt" (vgl. Carta).

 

Geschäftsfelder

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Die ProSiebenSat.1 Media AG ist auf allen Stufen der TV-Wertschöpfung aktiv. Dies umfasst Produktions- und Distributionsaktivitäten sowie die Vermarktung (Werbezeiten, Multimedia, Merchandising). Im Zuge kontinuierlicher Konzernumbau-Maßnahmen bemüht sich P7S1 immer wieder sowohl um Konzentration auf Kernkompetenzen wie auch um Expansion. Der neue Vorstandschef Thomas Ebeling spricht 2011 häufig (vielleicht vom Quotenerfolg der Sat.1-Miniserie "Die Säulen der Erde" inspiriert) von "unserer Vier-Säulen-Strategie". Das bezieht sich auf "Fernsehen im deutschsprachigen Raum" als Kerngeschäft sowie die weiteren Säulen "Fernsehen international", "Neue Medien und verwandte Bereiche" und "Produktion und Vertrieb von Programminhalten." Schon früher hatten er und seine Vorgänger angekündigt, bis 2014 30 Prozent der Einnahmen außerhalb der Werbung erzielen, nun soll es bis 2015 "fast die Hälfte" des Umsatzes sein. Immer wieder freilich betont Ebeling auch die Kraft des Fernsehens: "Nur das Fernsehen hat die Kraft und Faszination, wirklich große Marken aufzubauen. Sie sind die Basis für unseren Erfolg - auf allen Plattformen."

1.) Free-TV
Kernstück des Unternehmens sind die inzwischen in der "German Free TV Holding" zusammengefassten Sender Sat.1, ProSieben und Kabel 1, die 2009 einen durchschnittlichen Zuschauermarktanteil (Zuschauer ab 3 Jahren) von 21,9 % erreichten. ProSiebenSat.1 beziffert seinen Anteil auf dem Markt der deutschen Fernsehwerbung auf 43,1 Prozent (Stand I/ 2011). 2011 erreichte die deutsche Sendergruppe bei den "werberelevanten" Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren insgesamt einen Gesamtmarktanteil von 28,9 Prozent. Im einzelnen erreichte Pro Sieben in dieser Zielgruppe 11,7, Sat.1 10,6 und kabel eins 6,1 Prozent.

Ein wichtiger Schritt zu Einsparungen war die 2009 vollzogene "Bündelung der inländischen TV-Aktivitäten", das heißt der Umzug des Berliner (vormals Mainzer bzw. Hamburger) Senders Sat.1 ins Sendergruppen-Hauptquartier nach Unterföhring. Den Rückzug vom Standort Berlin komplettierte 2010 der Verkauf von N 24, das als nicht mehr zum Konzern gehöriger Nachrichtenkanal noch auf Jahre hinaus allen Sendern der Gruppe Nachrichten zuliefern soll. Der weiterhin die Sat.1-Hauptnachrichten moderierende Ex-N24-Mann Peter Limbourg bekleidet jetzt den P7S1-Titel "Senior Vice President Nachrichten & Politische Information". Seit sämtliche deutschen P7S1-Sender unter einem Dach sitzen, wird besonders emsig an Synergieeffekten gearbeitet. 2010 wurde die Ebene von für einzelne Sender zuständigen Chefredakteuren abgeschafft. Für 2013 ist zudem der Launch von drei weiteren Free-TV-Kanäle geplant, darunter ProSieben Maxx. Im Pay-TV-Sektor stehen ebenfalls drei Neustarts auf dem Programm: Ran+ (Sport), Galileo TV und ein noch namenloser Film- und Seriensender.

1.a) Sat.1
Gewaltige Fluktuation herrscht an der Spitze des einst wichtigsten Senders der Sendergruppe, der 2009 trotz Mitarbeiter-Protesten und des ersten Streiks im deutschen Privatfernsehen aus Berlin nach Unterföhring umzog. Im Oktober 2011 gab das damalige P7S1-Vorstandsmitglied Andreas Bartl die Geschäftsführung an den bisherigen Co-Geschäftsführer sowie Senior Vice President Deutsche Fiction der AG, Joachim Kosack, ab (nachdem Guido Bolten, der 2008 Geschäftsführer Matthias Alberti abgelöst hatte, im Januar 2010 ausschied). Bartl verließ den Vorstand 2012. Im Oktober 2012 übernimmt Nicolas Paalzow anstelle des zur Bertelsmann'schen UFA wechselnden Kosack den Sender-Chefposten.

Beim Publikumserfolg erlebt Deutschlands ältester Privatsender seit je ein heftiges Auf und Ab. 2006 hatten Quotenbringer wie die Telenovela „Verliebt in Berlin“ (bis zu 38,6 Prozent Marktanteil bei den "Werberelevanten") und US-Serien wie „Navy CIS“ (bis zu 22,0%) sowie ein verbessertes Kostenmanagement dazu geführt, dass Sat.1 nach Konzernangaben „zur Riege der profitabelsten TV-Sender im deutschen TV-Markt“ gehörte; der durchschnittliche Marktanteil lag bei 11,3%. Seither rangierte er überwiegend unter der 11-Prozent-Marke. Mutige Entscheidungen wie die zu einer Hauptnachrichtensendung, die wie die ARD-"Tagesschau" um 20.00 Uhr beginnt, und zur Ausstrahlung teuer hergestellter deutscher Fiction-Serien zahlten sich lange kaum aus. Zu zahlreichen Umstrukturierungen gehörte, dass N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann zeitweilig zum weiteren Geschäftsführer ernannt wurde und Teile der Berliner P7S1-Unternehmen 2009 im Rahmen einer Auslagerung an die konzernfremde Fernsehwerft GmbH übergingen. Auch machten nur wenige Berliner Sat.1-Mitarbeiter den Umzug nach Bayern mit - was dem Konzern zur Einsparung durchaus zupass kam. Von rund 500 bei Sat.1 entfallenen Stellen war die Rede.

Das Sat.1-Programm kennzeichnet eine Mischung aus kostspieligen Flops wie den Neuverpflichtungen Johannes B. Kerners, des langjährigen Multi-Talkers des ZDF, und Oliver Pochers und einzelnen Image-trächtigen, wirtschaftlich relevanten Erfolgen. 2010 konnte Sat.1 seine langjährigen, häufig vergeblichen Bemühungen um deutsche Fernsehserien mit den Publikumserfolgen "Danni Lowinski" und "Der letzte Bulle" krönen, die beide fortgesetzt werden. Die Bestseller-Verfilmung "Die Wanderhure" erwies sich im Oktober 2010 mit einem Zielgruppen-Marktanteil von 32,4 Prozent als erfolgreichstes "Eventprogramm" des Senders seit 2003 und zieht Sequels ("Die Rache der Wanderhure") nach sich . Der Erwerb teurer Fußballrechte für die reanimierte Fußball-Show "ran" (in der Sat.1 schon bis 2003 von der Fußball-Bundesliga berichtet hatte) erwies sich als richtig, als mit Bayern München 2010 erstmals seit 2002 wieder eine deutsche Mannschaft das Champions League-Finale erreichte. Allerdings übernimmt ab der Saison 2012/13 das öffentlich-rechtliche ZDF die Champions League-Rechte im Free-TV. Beim (von Bayern München erneut verlorenen) Finale der Saison 2011/ 12 verabschiedete Sat.1 sich mit dem bislang höchsten gemessenen Champions-League-Wert, einem durchschnittlichen Marktanteil von 55,3 Prozent, von den CL-Rechten.

1.b) ProSieben
Zumeist knapp unter der 12-Prozent-Marke liegt Pro Siebens Zielgruppen-Marktanteil aufs Jahr gesehen (2010: 11,6 Prozent, 2009: 11,9 Prozent). Traditionell erfolgreich sind Hollywood-Blockbuster wie „Fluch der Karibik“, die Marktanteile von bis zu 40% erreichen. Zu den wesentlichsten Erfolgsgaranten gehört Stefan Raab, der im März 2009 das zehnjährige Jubiläum seiner viermal pro Woche ausgestrahlten Show "tv total" beging. Mit der Samstagabendshow "Schlag den Raab" entwickelte er einen veritablen Exportschlager. 2010 sorgte der Dauerbrenner für noch spektakulärere Erfolge, als er sich im Vorfeld des "Eurovision Song Contest" zum lange kaum für möglich gehaltenen Joint Venture mit der öffentlich-rechtlichen ARD zusammenfand und in einer Reihe von abwechselnd auf Pro Sieben und in der ARD übertragenen Shows die Sängerin Lena Meyer-Landrut als deutsche Teilnehmerin bestimmte - deren Song "Satellite" den Song Contest tatsächlich auch noch gewann. Selbst wenn die Einschaltquoten vor allem der ARD zugute kamen - ein gewaltiger Image-Erfolg für Pro Sieben (den der im Sendezeit-Ausfüllen äußerst routinierte Raab auch für seine eigenen Shows zu nutzen vermochte). Ende 2010 verlängerte Raab seinen Vertrag mit dem Sender um fünf Jahre und wird als "bestbezahlter Fernsehunterhalter Deutschlands" gesehen (manager-magazin.de).

Ebenfalls langfristig erfolgreich laufen Castingshows wie „Popstars“ (bis zu 30% Marktanteil) und „Germany’s next Topmodel“ mit Heidi Klum; das Finale der dritten Staffel erreichte 30,0 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe. Mit zahlreichen Begleitaktivitäten zwischen Zeitschrift, Internet und "Germany's next Topmodel 2011 - Das Game" für Playstation, Wii, Nintendo DS und PC entwickelte sich "GNTM" zu einem Paradebeispiel für die crossmediale Vermarktung, die P7S1 als eine Kernkompetenz betrachtet.

1.c) Kabel1, N24, Sixx
Der Zielgruppen-Marktanteil von Kabel1 steigt 2011 nicht mehr (6,1 Prozent) wie in den Vorjahren (2010: 6,2; 2009: 6,1; 2008: 5,5 Prozent). Anstelle von Wiederholungen von Spielfilmklassikern aus Leo Kirchs Archiven, die das Programm des einstigen "Kabelkanals" früher bestimmten, prägen längst vor allem Dokutainment-Formate das Profil des Senders. Die "meistgesehene Sendung" der Senderhistorie war 2012 ein Europa League-Spiel von Schalke 04 mit "im Schnitt 4,34 Millionen Zuschauer" (dwdl.de).

Der als Nachrichtenkanal bezeichnete Sender N24 (der freilich im Abendprogramm längst vor allem US-Dokumentationen à la "Job am Limit: Einsatz im Atomkraftwerk" zeigte) erreichte 2008 bei den "Werberelevanten" 1,3 und beim Gesamtpublikum 1,0 Prozent der Zuschauer. Seit dem Wegzug von Sat.1 war er das einzige ProSiebenSat.1-Standbein in der Hauptstadt - bis er 2010 durch Verkauf aus dem Konzern ausschied. Schon 2009 hatte der neue Vorstandschef Ebeling mit der Interview-Aussage, dass Nachrichten im Fernsehen "für das Image bei Politikern wichtig" seien, "aber nicht unbedingt bei allen Zuschauern", Medienpolitiker verärgert. Nach langen Verkaufsverhandlungen erwarb die neuformierte N24 Media GmbH, hinter der der frühere „Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust und N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann (mit jeweils 26 Prozent) sowie weitere Manager stecken, den Sender und die Berliner Produktionsgesellschaft "MAZ & More". Das komplexe Geschäft beinhaltet bis Ende 2016 (für die Zulieferung sämtlicher Nachrichtenformate der Sender Sat.1, ProSieben und kabel eins) bzw. bis 2014 (für die Erstellung des Sat.1-Frühstücksfernsehens und des "Sat.1-Magazins") laufende Zulieferungsverträge mit P7S1. Die Herauslösung von N24 aus der Sendergruppe ließ P7S1 sich 41 Mio. Euro kosten, erwartete aber (weil N24 für die Nachrichtenzulieferung knapp die Hälfte der bislang veranschlagten Summe, rund 30 Millionen Euro pro Jahr, erhalten soll) ab 2011 positive Effekte "in einer jährlichen Größenordnung von mehr als 25 Mio. Euro."

Das Fehlen nachrichtenjournalistischer Expertise im Konzern macht sich freilich in Zeiten weithin beachteter Krisen, etwa während der Atom-Katastrophe 2011 in Japan, wiederholt bemerkbar.

Trotz des N24-Verkaufs schrumpfte die Anzahl der deutschen P7S1-Sender nicht. Im Mai 2010 ging, zunächst nur digital (mit etwa 40 Prozent technischer Reichweite), "Sixx" auf Sendung. Geschäftsführerin Katja Hofem-Best, die zuvor für Discovery Communications den deutschen Männersender Dmax aufgebaut hatte, wollte damit ein Fernseh-Äquivalent zum Segment der zahlreichen Frauenzeitschriften schaffen. Der Frauensender verzichtete auf Unterbrecher-Werbung und experimentierte stattdessen mit Sonderwerbeformen (und Werbekunden, die bisher nicht im TV, sondern nur in der Presse warben). Gezeigt werden u.a. Oprah Winfrey-Shows und Serien, deren Rechte aus Output-Deals der Sendergruppe mit amerikanischen Studios stammen. Sixx erzielte 2011 nach eigenen Angaben einen Jahresmarktanteil von 0,5 Prozent und hat seine technische Reichweite dank Verbreitungsabkommen mit Kabelnetzbetreibern nach eigenen Angaben von 20 auf 30 Millionen Haushalte gesteigert. Im Frühjahr 2012 spricht P7S1 von 0,8 Prozent Marktanteil.

Zu den länger angekündigten Projektideen der AG zählen ein deutscher Fernsehsender für Männer zwischen 45 und 65 Jahren (Ebeling: "ein Schuss Dmax, Sport 1, Arte und ProSieben", siehe dwdl.de), den die Dmax- und Sixx-Gründerin Hofem-Best aufbauen soll.

1.d) Vermarktung
Beim konzerneigenen Werbezeitenvermarkter SevenOneMedia stellte das Bundeskartellamt 2007 Unterlagen sicher, die wettbewerbswidrige Absprachen belegen sollten. Dabei ging es, wie zugleich auch beim Werbezeitvermarkter IP (RTL), um so genannte „Share Deals“ (Werbezeitvermarkter gewähren Mediaagenturen hohe Rabatte, wenn diese einen großen Anteil Werbespots bei ihnen buchen). Das verhängte Bußgeld von 120 Millionen Euro (während RTL 96 Millionen Euro zahlen musste) und die erforderliche Umstellung des Rabattsystems, die den Unterföhringern schlechter gelang als RTL, belasteten ProSiebenSat1 lange erheblich. 2009 wurden die Konzernfirmen SevenOne Media und SevenOne Interactive zum "mit Abstand größten medienübergreifenden Vermarktungsunternehmen im deutschen Werbemarkt" fusioniert, das sich eher als Bewegtbild- denn allein als Fernseh-Vermarkter sieht.

Außerdem sieht sich SevenOne Media, seit dem es die Vermarktung der nicht zur Sendergruppe zählenden Privatsender Sport1 und Tele 5 übernommen hat, als deutscher "Marktführer im Bereich der Teletextvermarktung".

Seit 2010 ist SevenOne Media zu einem Viertel am gemeinsam mit G + J Electronic Media Sales (Gruner + Jahr/ Bertelsmann), IP Deutschland (RTL-Group/ Bertelsmann) und Tomorrow Focus (Burda) gegründeten Joint-Venture "Ad Audience" beteiligt. Das deutsche Unternehmen soll mit der gewaltigen Online-Werbemacht von Google konkurrieren. Seit 2011 kooperiert das ProSiebenSat1-Unternehmen SevenOne Media auch mit Axel Springer und übernimmt "die exklusive Zweitvermarktung von Werbeplätzen" von dessen Online-Angeboten wie bild.de.

 

 

2.) TV-Produktion und -Vertrieb
Lange wurden bei P7S1 immer wieder wechselnd Ausstieg aus der und der Einstieg in die Fernsehproduktion verkündet. Bemühungen, die ProSiebenSat.1-Produktion, die überwiegend als technischer Dienstleister fungiert, im Zuge einer Konzentration auf Kernkompetenzen zu verkaufen, blieben lange erfolglos. Inzwischen zählt die Produktion zu einer der Säulen des Konzerns.

2005 gründete das Unternehmen gemeinsam mit dem Produzenten Christian Popp die Firma "Producers at work" (PAW). Popp war zuvor für die Herstellung der erfolgreichen Telenovelas/Daily Soaps bei der zur Bertelsmann AG gehörenden UFA verantwortlich. Während Konkurrent RTL im Bereich der TV-Produktion mit Firmen wie UFA und der Fremantle Media blendend aufgestellt ist, blieben "Producers at Work"-Erfolge oft aus. So wurden 2008 die am Donnerstag nacheinander programmierten Sat.1-Serien "Plötzlich Papa - Einspruch abgelehnt" und "Dr. Molly & Karl" vorzeitig abgesetzt. Die Telenovela "Anna und die Liebe" knüpfte erst spät an den erhofften "Verliebt in Berlin"-Erfolg an. Inzwischen produziert PAW auch für konzernfremde Unternehmen (wie ZDF/ ORF).

Daneben wurden weitere Produktionsfirmen wie die "Red Seven Entertainment", die Unterhaltungsformate inhouse produzieren soll anstatt sie an externe Produzenten zu vergeben, und die PAW-Tochter "Magic Flight Film" gegründet. Beide sind inzwischen Teil der 2010 neu gegründeten Red Arrow Entertainment Group, die "die internationale Expansion der Gruppe im Bereich Produktion, Programmvertrieb und Formatentwicklung" gewaltig vorantreibt. Alte und neue Beteiligungen (wie an der belgischen Produktionsfirma "Sultan Sushi") und Kooperationen (wie mit dem schwedischen Produzenten Pontus Gårdinger und dem Niederländer Dick de Rijk) werden hier gebündelt. Red Arrow erzielte einige spektakuläre Erfolge, verkaufte etwa in den USA nicht nur das Showformat "You Deserve it" (an ABC - nicht ohne durch die 2010 erworbene Mehrheitsbeteiligung "Kinetic Content" auch dessen Produktion zu übernehmen), sondern sogar die Rechte an der deutschen Sat.1-Serie "Danni Lowinski" an CBS -  ein "sensationeller Transfer" (FAZ), auch wenn die US-Adaption schließlich nicht in Serie ging. Die Internationalisierung wird kontinuierlich vorangetrieben. Mit der mehrheitlichen Beteiligung an der Produktionsfirma Fuse Entertainment, die Fictionserien wie "Burn Notice" herstellt, gelang Red Arrow im September 2011 gar der "Einstieg in ein Hollywoodstudio" (FTD).

Die darüber hinaus zum Konzern gehörende internationale Vermarktungsabteilung SevenOne International, die die Eigenproduktionen der Gruppe weltweit vertreibt, wurde inzwischen in Red Arrow International umbenannt. Zu ihren Exporterfolgen zählten das von der (konzernunabhängigen) Brainpool AG für ProSieben entwickelte Format „Schlag den Raab“. Adaptionen der Sendung, bei der Zuschauer den Moderator Stefan Raab herausfordern und im Falle eines Sieges bis zu 500.000 € einstreichen können, laufen in 14 Ländern zwischen England und China. SevenOne International vertreibt Produktionen Dritter, aber auch eigene Produktionen wie die in acht Länder zwischen Frankreich und der Ukraine verkaufte Telenovela "Verliebt in Berlin" international. Die dabei erzielten Gewinne werden nicht veröffentlicht.

Ferner verkauft der Konzern auch Lizenzen eigener alter Produktionen an konkurrierende deutsche Sender wie Comedy Central oder den öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunk, der die Sat.1-Serie "Der Bulle von Tölz" wiederholte.

 

 

[3.) Transaktions-TV]
Der lange Zeit umstrittensten Sender der Sendergruppe, der mit der "Euvia Media AG" 2005 übernommene Call-In-Sender Neun Live wurde Ende Mai 2011 "vor dem Hintergrund des nachhaltig starken Rückgangs der Call-TV-Erlöse in den vergangenen Monaten" abgeschaltet (bzw. in eine Abspielfläche für ältere Serien umgewandelt). Ursprünglich sollte der Einstieg ins Geschäftsfeld Transaktionsfernsehen die Abhängigkeit der AG vom volatilen Werbemarkt verringern, was seit jeher zu den Zielen von Fernsehkonzernen gehört. Tatsächlich verdoppelte sich der hauptsächlich durch Telefonanrufe generierte Umsatz dieses Geschäftsbereichs zunächst nahezu (auf 95,8 Mio. Euro). Doch den folgenden Niedergang konnten mehrere Kurswechsel, darunter eine 2008 neu eingeführte Sendung der einstigen WDR- und Sat.1-Moderatorin Margarethe Schreinemakers (die bloß Marktanteile zwischen 0,0 und 0,2 Prozent erreichte) und eine "Multiplayer-Skill-Gaming-Plattform" im Internet 2010, nicht stoppen. Immer wieder hatte 9Live auch (etwa wegen Gewinnspielen für Minderjährige; vgl. dwdl.de) heftige Kritik von Verbraucherschützern und Journalisten erregt.

 

 

4.) Digital/ Internet
Vor allem das Internet gewann bei den Konzernaktivitäten rasant Bedeutung. In der Konzernbilanz zählt der Digital/ Online-Bereich zu den Diversifikationsaktivitäten (die alles umfassen, was nicht zu den Bereichen Free-TV deutschsprachig und Free-TV international zählt, also: Online, Basic Pay-TV, Call-TV, Video-on-Demand, Music, Licensing/Merchandising, Radio und Print). Ihre Erlöse lagen 2010 bei 373,2 Mio. Euro (2009: 357,6 Mio. Euro).

Bereits 2006 wurde das Video-on-Demand-Portal „maxdome“ gestartet. Dank einer Kooperation mit dem Internetprovider United Internet (gmx, web.de) - von 2008 bis 2010 50-prozentiger Miteigner - erreicht Maxdome nach eigenen Angaben rund 200.000 aktive Nutzer (Stand: 2009/10). Die Anzahl der in "Deutschlands größter Online-Videothek" verfügbaren Titel stieg bis 2012 auf 45.000 und umfasst oder umfasste zeitweilig auch: Filme in HD-Qualität (High Definition), ZDF-Produktionen wie die zahllosen Rosamunde Pilcher-Verfilmungen sowie dank eines Rechtevertrags mit Universal Music über 1000 "Konzerte verschiedener Stilrichtungen". Zeitweise ließen sich bei Maxdome auf Kanälen wie "Schalke 04 TV" auch Fußballspiele verfolgen, die das Free-TV nicht übertrug. Im November 2011 vermeldete Maxdome "den 100 millionsten Abruf".

Seit 2010 strebt Maxdome (wie zahlreiche Wettbewerber auch) durch Kooperationen mit Hardware-Herstellern die Verbreitung auf hybriden Fernsehgeräten und Receivern an, die das Internet aufs Fernsehgerät bringen sollen. SevenOne Media wiederum entwickelt eigene Sonderwerbeformen für den HbbTV-Standard.

2008 neu eingeführte Videoportale der Free-TV-Sender wie www.ProSieben.tv, auf denen Eigenproduktionen wie "Galileo" und aktuelle "Germany`s next Topmodel"-Folgen meist zumindest eine Woche nach der TV-Ausstrahlung kostenlos abrufbar sind, sind ebenfalls mit dem (überwiegend) kostenpflichtigen maxdome-Angebot verbunden. Der Anlauf, diese Angebote mit entsprechenden des Mitbewerbers RTL zu einem "deutschen Hulu" zusammenzulegen, scheiterten 2011 zunächst. Ob eine "offene technische Plattform für private und öffentlich-rechtliche TV-Sender in Deutschland und Österreich zum kostenlosen Abruf von TV-Inhalten" - im Blick auf das amerikanische, von den direkten Wettbewerbern NBC, Fox und ABC gemeinsam betriebene Videoportal "deutsches 'Hulu'" genannt - trotz Bedenken des Bundeskartellamts (FTD) noch wird realisiert werden können, ist offen.

2006 erwarb die Sendergruppe Anteile an den Onlineplattformen myvideo.tv (einer deutschen Variante der erfolgreichen amerikanischen Bewegtbild-Webseite Youtube) und lokalisten.de (seit 2008 zu 90 Prozent in P7S1-Besitz), die es Nutzern erlauben, eigene Inhalte im Internet zu präsentieren und sich untereinander zu vernetzen. Ähnlich wie die Verlagsgruppe Holtzbrinck, die „StudiVZ“ erwarb, jedoch ohne ähnlich viel Geld auszugeben, erkannte auch ProSiebenSat.1 die Vermarktungspotentiale auf diesem Gebiet.

Viele Inhalte wie zeitweise die (von der konzerneigenen "Producers at work" hergestellte) Telenovela "Anna und die Liebe" tauchen auf mehreren konzerneigenen Plattformen auf. Unter dem Label "MyVideo Prime TV" vermarktet P7S1 ab 2009 mit monatlich 1,45 Millionen Zuschauern bzw. Unique Usern (2010: 2,5 Mio.) "eine der größten vermarktungsfähigen Reichweiten im Bereich Bewegtbild im deutschsprachigen Internet." Einer Bitkom-Erhebung aus dem Oktober 2011 zufolge belegen die P7S1-Angebote im weitgehend von der Google-Tochter Youtube beherrschten deutschen Online-Video-Markt Platz 2, indem sie 23 Prozent der Internetnutzer erreichen (Youtube: 70 Prozent). Mit einer "Serienoffensive", die sowohl "Online First"-Erstausstrahlungen amerikanischer Fernsehserien wie "Spartacus - Blood and Sand", deren Rechte P7S1 hält, als auch die von der Bertelsmann-Firma UFA für das ARD-Fernsehen hergestellte Soap "Verbotene Liebe" enthält, positioniert sich Myvideo 2012 als "Online-Sender" (FAZ).

Bereits 2007 übernahm der Konzern eine Mehrheitsbeteiligung an der Ratgeberplattform "wer-weiss-was.de", 2008 eine an "Webnews.de", einem "Social-News"-Angebot, das auf den Erfolg des US-Angebots "digg.com" spekuliert. Bei Webnews ist Holtzbrinck Minderheitspartner. Außerdem wurde "Feeem Media" (inzwischen: "fem.com") erworben, ein Internetportal für Frauen. Das entsprach Marktforschungs-Ergebnissen und Engagements konkurrierender Medienkonzerne im selben Segment (Springer: aufeminin.com, Burda: bequeen.de). Inzwischen firmiert die "strategischen Allianz der Frauen-Angebote von ProSiebenSat.1" unter dem Namen 2010 gestarteten digitalen Fernsehsenders "Sixx".

Die Preissuchmaschine "billiger.de", ebenfalls mehrheitlich 2007 erworben und noch 2008 Objekt von Internationalisierungs-Bestrebungen, wurde wieder verkauft, da "eine sinnvolle Vernetzung zu unserem TV-Content jedoch kaum realisierbar" schien.

 

5.) Pay-TV 
Bei SevenSenses wird das (überschaubare) Pay-TV Angebot des Konzerns gebündelt, das in Deutschland in den Kanälen „Sat.1 Comedy“ und „kabel eins classics“ besteht. Die wenigen Eigenproduktionen dieser Sender wie die zeitweise produzierte "Die Niels Ruf-Show" (bei „Sat.1 Comedy“ und zeitweise auf Sat.1) werden teilweise auch über "Maxdome" angeboten, das nach Umstrukturierungen ebenfalls zu SevenSenses zählt.

2012 wurde "Sat.1 Comedy" in "Sat.1 emotions" umgewandelt (vgl. dwdl.de).

 

 

6.) weitere Diversifikation (Musik, Games u.a.)
Seit 2005 betreibt das Unternehmen in Kooperation mit Warner Music das Label "starwatch music", das eigene Künstler aufbauen und vermarkten soll. Die Popband „Monrose“, die als erster Sieger aus der ProSieben-Show „Popstars“ hervorging, ist bei diesem Label ebenso unter Vertrag wie der deutsche Swingsänger Roger Cicero und der irische Sänger Chris der Burgh. Das "Künstlermanagement von familieneigenen und -fremden Stars" zählt zur Mission des Unternehmens. Angekündigt wurden die "Gründung eines Profit Centers für Live-Entertainment" wie "Public-Viewing-Events" zu "Germany's next Topmodel". Mit der 2010 ins Leben gerufenen Agentur "talent management agency" stieg Starwatch Music wiederum "ins Künstler-Management ein". Auch die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein steht dort unter Vertrag (die während der Fußball-WM 2010 allerdings nicht als besonders gut beratene öffentlich-rechtliche Journalistin auffiel). Die in diesen Bereichen aktive P7S1-Firma MM MerchandisingMedia nannte sich 2011 in "SevenEntertainment GmbH" um, um zu zeigen, "dass sie nicht mehr ausschließlich Merchandising- und Lizenzthemen im Portfolio hat, sondern sich inzwischen auch im Musik- und Entertainmentgeschäft einen Namen gemacht hat."

Die 2006 gegründete ProSiebenSat.1 Mobile krankte daran, dass sich Handy-TV bislang nicht in Deutschland durchsetzte. Die Spiele-Plattform "sevengames.com" und deren Ableger für Handy-Empfang sollen am wachsenden Markt für Computerspiele und für Multiplayer-Online-Games partizipieren. ProSiebenSat.1 beteiligte sich mit neun Prozent am US-amerikanischen Spieleproduzenten ZeniMax. Auch hier geht es um Synergien, beispielsweise erschloss SevenOne Interactive "Germany's next Topmodel" für das In-Game-Advertising, das heißt: band Werbepartner (die Kosmetikmarke Maybelline Jade und den Einzelhändler C&A) in das begleitende Online-Spiel "Germany's next Topmodel - the Game" ein. Im boomenden Segment der Online-Games zeigt sich P7S1 beim Akquirieren 2011 besonders aktiv und erwarb burda:ic (München), "einen der führenden Publisher kostenloser Online-Spiele in Europa", der Massively-Multiplayer-Online-Games wie "Argo" sowie die nach eigenen Angaben von rund sieben Millionen Spielern genutzte Plattform "alaplaya" betreibt, sowie zunächst 51 Prozent am Berliner Unternehmen Covus Games (browsergames.de). Dieser Spieleportal-Betreiber soll bis 2013 komplett übernommen werden. Zur Partizipation an der derzeit schnellstwachsenden Branche der Unterhaltungsindustrie trägt ferner das Vermarktungsmandat des Browsergame-Anbieter bigpoint.com bei, das SevenOne Media innehat (Anfang 2013 wurden Überlegungen bekannt, bigpoint komplett zu übernehmen). Ferner erwarb P7S1 29 Prozent an der Flirt-Plattform meetOne.com.

Zu weiteren Entwicklungen der ungemein umtriebigen Diversifikationssparte zählen das Liveshopping-Portal prosiebenproducts.de ("Jeden Tag ein Mega-Deal!"), das in TV-Spots beworbene Produkte (auch aus der eigenen "Markenwelt" "We love") online verkauft, und die konzerneigene Mobilfunkmarke "Fyve".

Engagement im Ausland

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Bis Ende Juni 2007 war ProSiebenSat.1 kaum im Ausland aktiv, sondern bot bloß über den deutschsprachigen Pay-TV-Sender „ProSiebenSat.1 Welt“ Programminhalte in den USA (seit 2004) und Kanada (seit 2006) an. 2009 wurden 20.000 (2008: 18.000) Abonnenten des Angebots in Nordamerika vermeldet, das neuerdings mit dem Slogan "The best of one nation on one station!" wirbt.

Mit der Übernahme der Sendergruppe SBS 2007 wurde aus ProSiebenSat.1 mit einem Schlag ein multinationaler Anbieter von 19 kommerziellen TV-Sendern in neun europäischen Ländern (Niederlande, Schweden, Dänemark, Norwegen, Belgien, Finnland, Bulgarien, Ungarn und Rumänien). 2009 beschäftigte die integrierte Sendergruppe bei Free-TV-Sendern und auch Radiostationen gut 5.400 Mitarbeiter in 14 europäischen Ländern von Finnland bis Griechenland (vgl. P7S1-Grafik). Die Logik der von den Eigentümern beschlossenen, vom Konzern mit enormer Verschuldung bezahlten P7S1/ SBS-Fusion leuchtete freilich vielen Beobachtern nicht ein. Avisierte Synergieeffekte großen Stils blieben aus. Nachdem P7S1 2008 bereits das schwedische Pay-TV-Unternehmen "C More" für einen Preis von Beobachtern auf rund 320 Mio. Euro geschätzten Preis an TV 4 (Bonnier Group) verkaufte, stellte der Konzern 2010/11 weitere Teile seines internationalen Geschäfts auf den Prüfstand. Ergebnis: Zunächst wurden die Senderbeteiligungen in Belgien und den Niederlanden wurden verkauft. Ende 2012 wurde die SBS Nordic-Sparte zu der Fernsehsender in Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland gehören, für 1,3 Milliarden Euro an Discovery Communications verkauft. 

Im deutschsprachigen Ausland ist P7S1 in der Schweiz und Österreich mit lokalen Ausgaben von Sat.1 und ProSieben vertreten, außerdem erwarb er 2007 den Wiener Ballungsraumsender "Puls TV".

In den Sparten Diversifikation und besonders Fernsehproduktion bemüht sich ProSiebenSat.1 umtriebig um eine Internationalisierung seiner Aktivitäten. Vor allem die Produktionstochter Red Arrow expandiert in immer mehr Länder (siehe oben: "TV-Produktion und  -Vertrieb", und unten: "aktuelle Entwicklungen"). Auf diese Weise wird auch das Prinzip von "back to back"-Produktionen deutscher und fremdsprachiger Ausgaben von Showformaten in demselben Studio weiterentwickelt. Wie zuvor schon Uri-Geller-Shows, werden jetzt auch Sendungen des Sat.1-Formats "Mein Mann kann" von P7S1-Tochterfirmen im Kölner Sat.1-Studio aufgezeichnet.

Aktuelle Entwicklungen

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Seit Anfang 2013 ist es amtlich. Die Finanzinvestoren Permira und KKR wollen ProSiebenSat.1 nach sechs Jahren wieder verkaufen. Zu den möglichen Interessenten zählen Time Warner, News Corp. und Comcast.

Noch verantwortet Vorstandschef Thomas Ebeling kommissarisch den Vorstandsbereich TV Deutschland, des zu Jahresbeginn ausgeschiedenen Andreas Bartl. Zumindest in der speziellen Szene der deutschen Landesmedienanstalten sorgte der Konzern mit dem Vorhaben für gelinde Aufregung, mit seinem ältesten Sender Sat.1 als Lizenznehmer von der rheinland-pfälzischen Landenmedienanstalt LMK nach Norderstedt zum hamburgisch-schlesweig-holsteinischen Äquivalent MA HSH zu wechseln. Dieser Schritt im Rahmen einer "medienrechtlichen Anpassung nach der Zusammenführung der Sender unter dem Dach der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH" 2009, wie es von Seiten des Konzerns heißt, hängt mit einem lang anhaltenden Streits um die gesetzlich vorgeschriebenen Drittsendeplätze im Programm zusammen (Überblick über die Materie in der FAZ).

Ab 2013 wird der bis zum Sommer 2012 bei RTL 2 erfolgreiche Programmdirektor Holger Andersen unter dem Titel "Executive Vice President Group Program Strategy & Development" für die deutsche P7S1-Sender arbeiten.

Die Geschäftszahlen für das Jahr 2011 (PDF), für das P7S1 wiederum eine Dividende zahlte, sollten auf Investoren attraktiv wirken, da sie unter Berücksichtigung nicht fortgeführter Aktivitäten (also der verkauften belgischen und niederländischen Gesellschaften) jeweils positive Entwicklungen zeigen. Der neuen "Vier-Säulen-Strategie" gemäß entwickelten sich die Geschäftsfelder so: Das Segment "Broadcasting Germanspeaking" erzielte 1.903 Mrd. Euro Umsatz (plus 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr), ihren deutschen Zuschauermarktanteil für 2011 gibt die Sendergruppe mit 28,9 Prozent an. Die Säule "Broadcasting International" erzielte 565,2 Mio. Euro Umsatz (plus 12,4 Prozent), "Digital & Adjacent" 254,3 Mio. Euro Umsatz (plus 9,8 Prozent), "Content Production & Global Sales" 33,7 Mio. Euro (plus 149,6 Prozent).

Bei Vorlage der ersten Quartalszahlen bekräftigte Ebeling die Ziele, im Geschäftsjahr 2012 im mittleren einstelligen Prozentbereich zu wachsen und bis 2015 die Hälfte der Umsätze jenseits der klassischen TV-Werbung in Deutschland zu erzielen.

Dazu beitragen sollen europaweite Exklusivrechte an acht Onlinespielen des japanischen Sony-Konzerns, mit dem P7S1 eine "langjährige, strategische Partnerschaft" eingegangen ist, um sich als "einer der größten Games-Publisher in Europa" zu positionieren. Umgekehrt soll zunächst auf Sonys "Playstation", dann auf weiteren Sony-Geräten wie internetfähigen Fernsehern und Blu-ray-Playern das P7S1-VoD-Portal Maxdome integriert werden.

Zu den wichtigen Akquisitionen 2012 zählen Red Arrow-Mehrheitsbeteiligungen an internationalen TV-Produktionsfirmen, so an den britischen Endor Productions (vor allem fiktionale Programme) und CPL Productions ("Factual"- und Comedyformate) sowie den israelischen July August Productions. Der AG-eigene Programmvertrieb, der eine Dependance in Hongkong sowie Produktionspartnerschaften in China und Indien plant, wurde von "SevenOne International" in "Red Arrow International" umbenannt.

Auf dem deutschen Markt verbucht P7S1 weitere Übernahmen im E-Commerce-Bereich: nach dem Münchner Suchmaschinenoptimierer Booming (von der Holtzbrinck Digital GmbH) den Preisvergleich preis24.de zu 60 Prozent (vom Beteiligungsunternehmen des Autovermieters Sixt, das beteiligt bleibt; vgl. deutsche-startups.de) und ebenfalls mehrheitlich (Minderheitsgesellschafter ist der Geschäftsführer Frank Riecke) die deutsche Tochter des Online-Reiseveranstalters Opodo. Diese operiert seitdem unter dem Namen "Tropo" und versteht sich als "dynamischer Reiseveranstalter", das heißt, sie "paketiert" "im Moment der Buchungsanfrage eine Pauschalreise aus Flug, Unterkunft, Transfer und Reiseleitung".

 

 

Organigramm

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Quelle: ProSiebenSat.1