45. ITV plc

Umsatz 2011: £ 2,432 Mrd. (€ 2,802 Mrd.)

Überblick

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ITV (LSE: ITV.L) ist das führende privatwirtschaftliche Free-TV-Unternehmen in Großbritannien. Zum Portfolio des Konzerns gehören diverse TV-Sender, Produktionsfirmen und Online-Portale.

Basisdaten

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Hauptsitz:
The London Television Centre, Upper Ground
London SE1 9LT, Großbritannien
Telefon: 0044-20-7620-2000
Telefax: 0044-20-7261-3520
Internet: www.itvplc.com    

Branche: Fernsehsender, Produktion, Distribution, Rechtehandel
Rechtsform: Aktiengesellschaft
Geschäftsjahr: 1.01.-31.12.
Gründungsjahr: 2003 (1934 Granada, 1985 Carlton)

Tab. I: Ökonomische Basisdaten (in Mio. £)
2012201120102009200820072006200520042003*
Umsatz2.5462.4322.0461.8792.0292.0802.1812.1772.0832.025
Gewinn**520462408202211188375460325218

Aktienkurs (in

Pence, Jahresende)

103,6768,1570,0552,3539,7585,40106,50112,50105,25

Dividende (pro

Aktie in Pence)

2,601,60--0,6753,153,153,122,40

*pro Forma, Carlton und Granada
**Operating EBITA

Geschäftsführung

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Aufsichtsrat:

  • Archie Norman, Chairman - Wesfarmers Ltd.
  • Adam Crozier, CEO - ITV plc
  • Mike Clasper, vormaliger Chairman von HM Revenue & Customs
  • Ian Griffiths, ITV plc
  • Andy Haste, vormaliger Group Chief Executive von RSA Insurance Group
  • Lucy Neville-Rolfe, UK Trade and Investment Strategic Group
  • John Ormerod, Tribal Group plc
  • Roger Faxon, ehemals EMI Music

 

Management:

  • Adam Crozier, CEO
  • Paul Dale, Chief Technology Officer
  • Andy Doyle, Group Human Resource Director
  • Mary Fagan, Group Communications and Corporate Affairs Director
  • Peter Fincham, Director of Television, Channels and Online
  • Andrew Garard, Group Legal Director
  • Ian Griffiths, Group Finance Director
  • Fru Hazlitt, Managing Director of Commercial and Online
  • Kevin Lygo, Managing Director
  • Simon Pitts, Director of Strategy and Transformation

 

Besitzverhältnisse: News Corp. (18%), Rest Streubesitz

Geschichte und Profil

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Die Geschichte von ITV ist die Geschichte der Konsolidierung des privaten britischen Fernsehmarktes. 1954/55 wurde das „Independent Television“ als werbefinanzierte Alternative zur öffentlich-rechtlichen BBC eingeführt, aufgeteilt in 15 regionale Lizenzen, die wie das deutsche ARD-Fernsehen ein Gemeinschaftsprogramm mit regionalen Fenstern zu bilden hatten. ITV gilt als kommerzieller Sender gleichwohl als „Public Service Broadcaster“ und muss quasi-öffentlich-rechtliche Auflagen hinsichtlich Umfang, Qualität und Ausgewogenheit von Nachrichten- und Informationsprogrammen erfüllen. Bis Ende der 1990er Jahre hatten sich hier zwei Medienunternehmen durchgesetzt: Granada und Carlton kontrollierten 11 der 15 ITV-Lizenzen.

Granada war 1934 gegründet worden, um eine Kette von Filmtheatern zu übernehmen. Ein Jahr später erfolgte der Börsengang, und bis in die 1970er Jahre, als aus Filmpalästen Bingo-Schuppen wurden, gehörte das Unternehmen zu den größten Kino-Betreibern landesweit. Gleich mit der Einführung von ITV stieg Granada 1954 mit der Lizenz für den Norden Englands ins Fernsehgeschäft ein: Granada Television sendet noch heute von Manchester aus, erfand die Daily Soap („Coronation Street“ läuft seit 1960) und war eines der profitabelsten TV-Unternehmen Großbritanniens.

Carlton hatte in der Druckbranche begonnen und wechselte Mitte der 1980er Jahre in die Film- und Fernsehproduktion (Post Production, Special Effects). 1986 gelang mit der Übernahme eines 20prozentigen-Anteils am ITV-Sender Central der Einstieg in den Fernsehmarkt. Nach der ersten Deregulierung des TV-Marktes durch die Regierung Thatcher erhielt Carlton bei der Neuvergabe der Lizenzen 1991 dann den Regionalmarkt London. Das neue Programm hieß Carlton Broadcasting. 1993 übernahm Carlton die restlichen 80 Prozent von Central TV. Bis 2000 kamen noch vier weitere ITV-Lizenzen dazu. Carlton und Granada hatten schon seit 1998 beim Aufbau einer eigenen digitalen Pay-TV-Plattform kooperiert. Doch ONdigital wurde einer der größten Flops der britischen Mediengeschichte: Im April 2002 wurde das noch kurz zuvor in ITV Digital umbenannte Projekt abgeschaltet – die beiden Unternehmen hatten zusammen rund eine halbe Milliarde Pfund in den Sand gesetzt.

Über eine mögliche Fusion hatten Carlton und Granada parallel stets ebenso erfolglos verhandelt – sie hätte allerdings kaum den damals gültigen Kartellvorschriften entsprochen. Doch im Mai 2002 präsentierte die britische Regierung unter Tony Blair ein deutlich liberalisiertes Mediengesetz: Bislang durfte ein TV-Unternehmen maximal 15 Prozent aller Werbebuchungen im Free-TV-Bereich auf sich vereinigen. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass die Beherrschung des ITV-Verbundes durch ein großes Medienunternehmen tabu war. Doch diese Vorschrift wurde nun genauso gekippt wie die Aufteilung des Ballungsraums London auf zwei ITV-Lizenzen für den Werktag bzw. das Wochenende. Der Weg zum einheitlichen ITV war frei, im Oktober war die sechs Milliarden Pfund schwere Fusion von Granada und Carlton perfekt. Allerdings dauerte es wegen Prüfungen der Kartellbehörden noch knapp anderthalb Jahre, bis Aktien der ITV plc erstmals am 2. Februar 2004 an der Londoner Börse gehandelt wurden.

Management

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Seit Anfang 2010 ist Adam Crozier als Nachfolger des erfolglosen Michael Grade CEO von ITV. Crozier gilt als Multitalent: Zuvor leitete er die Tierfutter-Abteilung des Lebensmittelkonzerns Mars, den englischen Fußballverband The Football Association (The FA), die britische Post (Royal Mail) und die Werbeagentur Saatchi & Saatchi. Dafür, dass er ITV in den Geschäftsjahren 2010 und 2011 in Folge der Finanzkrise wieder in ruhige Fahrwässer führte, erhielt er im vergangenen Jahr ein Gehalt von drei Millionen Pfund inklusive Boni und Aktienpaketen.

Geschäftsbereiche

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ITV plc ist seit der Verschmelzung der Konzerne Granada und Carlton in nur noch zwei Geschäftsfelder (Broadcast & Online, ITV Studios) aufgeteilt und dominiert unangefochten den britischen Free-TV-Markt. Nach dem ITV Digital-Debakel 2002 sieht sich der Konzern aus gutem Grunde nicht mehr selbst als Pay-TV-Betreiber, sondern kooperiert mit den am Markt etablierten Anbietern, darunter Rupert Murdochs BSkyB und Kabelgesellschaften wie Telewest/NTL (Virgin Media).

Von Unternehmensbeteiligungen im Post-Produktions- (Moving Picture Company), Verlags- (Carlton Books) und Kinowerbungs-Bereich (Carlton Screen Advertising, Screenvision) trennte sich ITV plc in den letzten Jahren und fokusierte sich auf seinen beiden Kerngeschäftsfelder.

TV-Sender
ITV plc hält derzeit 11 der 15 regionalen ITV-Lizenzen des analogen Programms ITV 1. Damit beherrscht ITV plc de facto mit England und Wales den wichtigsten Teil des britischen Free-TV-Marktes: Die verbleibenen ITV-Lizenzgebiete Schottland (Grampian TV, Scottish TV), Nordirland (Ulster TV) und Kanalinseln (Channel TV) sind nach Größe und Werbeeinnahmen klar nachrangig. ITV plc ist zudem mit 16,9 Prozent an der Scottish Media Group, die die ITV-Lizenzen für Schottland hält, beteiligt.

ITV 1 (analog)
Programmprofil: familienorientiertes Vollprogramm.

ITV 2 (digital)
ITV 2 ist seit dem Ende der eigenen digitalen TV-Plattform ITV Digital im Jahr 2002 im Programmbouquet der digitalen Free-TV-Plattform „Freeview“, im digitalen Pay-TV-Angebot von BSkyB und in vielen britischen Kabelnetzen zu empfangen. Programmprofil: auf junges Publikum ausgerichteter Unterhaltungskanal.

ITV3 (digital)
ITV 3 ging im November 2004 als auf Sendung und ist ebenfalls über Freeview, Sky Digital und im digitalen Kabelnetz zu empfangen. Programmprofil: Wiederholungen von ITV-Produktionen und Spin-offs aus dem Programm von ITV.

ITV 4 (digital)
ITV 4 ging 2005 auf Sendung und ist auch über Freeview, das digitale Kabelnetz und Satellit empfangbar. Programmprofil: Männerorientierter Kanal, in dem hauptsächlich Sport und US-amerikanische Action- und Comedyserien ausgestrahlt werden.

CITV

CITV ist seit Ende 2006 auf Sendung und teilt sich den Sendeplatz mit ITV 4. CITV ist ein Kooperationsprojekt mit dem ebenfalls zu 75 Prozent zu ITV gehörenden Frühstückssender GMTV. Programmprofil: Sender für Kinder bis neun Jahren.

Online
Trotz des Debakels mit OnDigital/ITV Online vor sechs Jahren setzt ITV weiter auf die wachsende Bedeutung des Internets. Der größte Konkurrent auf dem Online-Markt ist die BBC, die mit dem Portal bbc.co.uk und der Mediathek iPlayer Pionierarbeit in Sachen Internetfernsehen leistete. Als Antwort darauf launchte ITV Ende 2006 den Onlineableger ITV.com, auf dem man neben 1.000 Stunden Archivmaterial auch kostenlos auf alle Sendungen der letzten 30 Tage, sowie User Generated Content zurückgreifen kann. ITV.com bleibt trotz deutlicher Steigerungen 2007-2008 aber weiter mit 9,4 Millionen unique users hinter dem Erfolg der BBC zurück, obwohl der Konzern sein „Catch-up“- und Archivangebot analog zum BBC iPlayer seit Ende 2008 als ITVplayer relaunched hat.

Die Social Networking-Plattform Friends Reunited wurde 2002 von ITV plc erworben und im Jahr 2010 für 25 Millionen Pfund an das IT-Unternehmen brightsolid Online Technology verkauft.

Produktionsfirmen (ITV Studios):
Die Produktionssparte ITV Studios, die aus der bisherigen Granada Media Group hervorging, ist eine der drei größten europäischen TV-Produktionsfirmen und im nationalen wie internationalen Produktionsgeschäft aktiv. Zu den Programmen gehören die Soaps „Coronation Street“ und „Emmerdale“ und Shows wie „I’m a celebrity – get me out of here“, aber auch hochwertige TV-Movies sowie News- („Tonight with Trevor McDonald“) und Kulturprogramme („The South Bank Show“). Seit 1998 produziert Granada auch für nicht zum Konzern gehörende TV-Anbieter wie die BBC, Channel 4, Channel 5 und Rupert Murdochs BSkyB.

Internationale Tochterfirmen existieren beispielsweise in den Vereinigten Staaten (ITV Studios USA), Australien (Granada Australia), Norwegen (Mediacircus) und Deutschland (ITV Studios Germany).

  • ITV Studios Global Entertainment: Ko-Produktionen und internationaler Vertrieb von ITV-Programmen und deren Auswertung in nachgelagerten Vertriebsstufen (Home Entertainment, Bücher, Merchandising). Die rund 60.000 Programmstunden werden in ungefähr 120 Ländern vertrieben.
  • Studios und Post-Produktionsfirmen in London.

 

Wichtige Beteiligungen

  • 16,9 Prozent an der Scottish Media Group (ITV-Lizenzen für Scottish TV und Grampian TV)
  • 40 Prozent an Independent Television News (ITN), liefert Nachrichten für ITV, Channel 4 und Five
  • 51 Prozent an Jaffe/Braunstein Entertainment LLC (US-amerikanische Fernsehproduktionsfirma, integriert in ITV Studios USA)

Engagement in Deutschland

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Der Markteintritt auf dem deutschen Fernsehmarkt war im Jahr 2000 mit der Gründung der Granada Produktion für Film- und Fernsehen GmbH (mittlerweile umbenannt in ITV Studios Germany). Zu den Kunden gehören sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die kommerziellen Fernsehsender. Die in Berlin und Köln ansässige Firma produziert mit „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ (RTL) die deutsche Version von „I’m a celebrity…“, sowie Formate wie „Let’s Dance“ (RTL) oder „Das perfekte Dinner“ (Vox). Neben diesen Non-fiktionalen Programmen stellen die ITV Studios Germany auch fiktionale Programme wie "Der letzte Bulle" (SAT.1) her. 2008 übernahm ITV zudem 50,1 Prozent der Anteile an der Produktionsfirma Imago TV.

Aktuelle Entwicklungen

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Im Jahr 2010 formulierte das ITV plc-Management im sogenannten Transformation Plan vier Kernziele, auf die sich das Medienunternehmen in den darauffolgenden fünf Jahren konzentrieren möchte:

  • Eine schlanke, dynamische und zweckdienliche Organisationsstruktur;
  • innerhalb bestehender Fernsehsender sollen Zuschauerzahlen und Ertrag maximiert werden;
  • eine Ertragssteigerung durch die Verwertung bestehender Medieninhalte über neue sich durch Zuschauer- und Werbeerlöse finanzierender Vertriebsplattformen und
  • dem Aufbau international stark nachgefragter Medienmarken bzw. -inhalten.

 

Mit den bisherigen Ergebnissen des Transformationsprozesses ist der ITV-Finanzdirektor Ian Griffiths nach zwei Jahren zufrieden. Der Umsatz wurde gesteigert und die Unternehmensschulden gesenkt. Im 2. Halbjahr 2012 stiegen beispielsweise die Werbeerlöse bedingt durch die Fussballeuropa- meisterschaft in Polen und der Ukraine um sieben Prozent an. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2012 stieg der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um vier Prozent auf 1,57 Milliarden Pfund, obwohl die Übertragungsrechte der Londoner Olympiade bei der BBC lagen und ITVs Werbeerlöse in den Monaten Juli (Minus zehn Prozent) und August (Minus neun Prozent) gesunken waren.

Hinzu kommt ein stetiges externes Wachstum der Tochterfirma ITV Studios durch Zukäufe der Produktionsfirmen Mediacircus (Norwegen) und So Television (Großbritannien). Ein Kaufinteresse bekundete ITV plc auch an der US-amerikanischen Fernsehproduktionsfirma Dick Clark Productions (beispielsweise verantwortlich für die Produktion der Golden Globes), doch kamen der Finanzdienstleister Guggenheim Partners zusammen mit Mandalay Entertainment und Mosaic Media Investment Partners zum Zuge.

Die Website von ITN News erlebte im Frühjahr 2012 ein Relaunch. Bemerkenswert hierbei ist die Darstellung der Nachrichtenbeiträge in einem Stream, der von den Mitarbeitern regelmäßíg aktualisiert wird und Beiträge von Nutzern aus Social Media-Kanälen wie twitter oder facebook berücksichtigt und integriert.

Die Sendelizenz von Channel 3, wie ITV 1 als Rechtsobjekt von der britischen Medienregulierungsbehörde Ofcom geführt wird, erstreckt sich bis zum 31. Dezember 2014. Nach dem Communications Act von 2003 ist die Regulierungsstelle mit der Überwachung der Einhaltung des Public Service Auftrags betraut und veröffentlichte im Mai 2012 ihren Bericht dazu. Obwohl ITV ihren Pflichten nachkam (Programmbeschaffung bei unabhängigen Medienanbietern, Verfügbarkeit von zur BBC in Konkurrenz stehenden Nachrichten im gesamten Königreich, regionale Vielfalt in Nachrichtensendungen) sprach sich die Ofcom weder für eine Neuausschreibung der regionalen Lizenzen, noch für eine Erneuerung aus. Nach dem bisherigen Mediengesetz betrifft dies die zehnjährigen Sendelizenzen ab 2015. Die endgültige Entscheidung obliegt dem Department for Culture, Media and Sport. Für beide Varianten stellte die Ofcom Argumente zusammen, wobei sie in ihrem Bericht darauf hinwies, dass die Lizenzierung von ITV 1/Channel 3 in dem Zeitraum zu geschehen hat, in dem auch ein neues britisches Mediengesetz erarbeitet wird. Dabei muss sich der Gesetzgeber mit der gesellschaftlichen Rolle und Funktion eines kommerziellen Public Broadcasting Senders in der sich verändernden Medienwelt auseinandersetzen.