13. Thomson Reuters Corporation

Umsatz 2007: $ 9,901 Mrd. (€ 7,186 Mrd.)

Überblick

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Der kanadisch-britische Medienkonzern ging im April 2008 aus einer Fusion des Informationsdienstleisters Thomson mit der traditionsreichen britischen Nachrichtenagentur Reuters hervor. Es entstand der weltweit größte Anbieter von spezialisierten Kommunikationsdiensten. Sein Angebot richtet sich zum einen – wie beim Hauptkonkurrenten Bloomberg – an Geschäftskunden aus Wirtschaft und Finanzindustrie. Zum anderen ist das klassische Nachrichtenagenturgeschäft nach wie vor ein wichtiger Pfeiler des Unternehmens.

Basisdaten

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Hauptsitz:
Bay Adelaide Centre
333 Bay Street, Suite 300
Toronto, Ontario M5H 2R2
Kanada
Telefon: 001 416 687 7500
Website: ir.thomsonreuters.com


Branchen: Finanzinformationen, Nachrichtenagentur
Rechtsform:
Aktiengesellschaft
Geschäftsjahr: 01.01. - 31.12.
Gründungsjahr:  1851 (Gründung von Reuters); 1934 (Roy Thomson erwirbt seine erste Zeitung „The Timmins Press“); 2008 (die Thomson Corp. übernimmt die britische Reuters Group)

Ökonomische Basisdaten (in Mio. $)
20222021202020192018201720162015
Umsatz 6.6276.3485.9845.9065.5015.29711.16612.209
Operating Profit 1.8341.2421.9291.1997801.0343.1491.311
Aktienkurs (in $, Jahresende)114,07119,6281,8972,6047,6143,5943,7837,85
Beschäftigte24.20024.40024.40024.40025.80046.10045.70052.000

Geschäftsführung

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Geschäftsführung:

  • Steve Hasker, President & Chief Executive Officer
  • Michael Eastwood, Chief Financial Officer Stéphane Roussel, Chief Operating Officer
  • Thomas Kim, Chief Legal Officer and Company Secretary
  • Shawn Malhotra, Heas of Engineering
  • Brian Peccarelli, Chief Operating Officer, Customer Markets
  • Kirsty Roth, Chief Operations and Technology Officer
  • Mary Alice Vuicic, Chief People Officer
  • David Wong, Chief Product Officer
  • Elizabeth Beastrom, President, Tax & Accounting Professionals 
  • Paul Fischer, Legal Professionals
  • Alessandra Galloni, Editor-in-Chief, Reuters News
  • Jennifer Prescott, President, Global Print
  • Steve Rubley, President, Government

   

 Board of Directors:

  • David Thomson (Chairman), Thomson Reuters, The Woodbridge Company Ltd.
  • Steve Hasker, President and CEO 
  • Kirk E. Arnold, Executive-in-Residence, General Catalyst Ventures
  • David W. Binet, Thomson Reuters, The Woodbridge Company Ltd.
  • Ed Clark, Corporate Director
  • LaVerne H. Council, CEO, Emerald One, LLC
  • Michael E. Daniels, Corporate Director
  • Kirk Koenigsbauer, Chief Operating Officer and Corporate Vice President, Microsoft
  • Deanna Oppenheimer, Founder, CameoWorks
  • Simon Paris, CEO, Finestra
  • Kim M. Rivera, Chief Legal and Business Affairs Officer, OneTrust
  • Barry Salzberg, Corporate Director
  • Peter J. Thomson, The Woodbridge Company Ltd.
  • Beth Wilson, Corporate Director

Geschichte

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Der Grundstein für Thomson wurde 1934 gelegt: Der Kanadier Roy Thomson (1894–1976) erwarb mit der „Timmins Press” aus Ontario seine erste Zeitung. In den folgenden Jahrzehnten baute er den größten Zeitungskonzern Kanadas auf. Ab den 1950er Jahren investierte er in Großbritannien, seiner Wahlheimat. Zunächst kaufte er 1959 den Zeitungsverlag „Kemsley Group“ dazu, zu dem die einflussreiche Regionalzeitung „The Scotsman“ gehörte. 1967 folgte die Akquise des Kronjuwels der britischen Zeitungslandschaft, der Londoner Tageszeitung „The Times“. Die 1970er waren von einem Ausflug ins Ölbusiness geprägt, als Thomson sich an der Erschließung eines Ölfelds in der Nordsee beteiligte. Zu dieser Zeit übernahm sein Sohn Kenneth (1923–2006) die Leitung. Anfang der 1980er Jahre wandte man sich dem Informationshandel zu und baute diese Aktivitäten kontinuierlich aus. Mit dem Kauf spezialisierter Informationsdienste in den Bereichen Recht, Gesundheit, Wissenschaft und Finanzen sowie von Datenbank-Firmen entstand sukzessive ein neues Firmenprofil. Das Engagement auf dem britischen Zeitungsmarkt wurde 1995 beendet. Die „Times“ hatte Thomson bereits 1981 an Murdochs News International Ltd. verkauft.

Den Umbau – weg von Print hin zu elektronischen Informationsdiensten und Datenbanksystemen – setzte CEO Richard Harrington ab 1997 fort. Das Ziel war ein schlankeres, fokussiertes Unternehmen. Sparten, die nicht mehr ins Konzept passten, wurden abgestoßen, siehe den Verkauf der Tourismussparte Thomson Travel 1998. Innerhalb von sechs Jahren verkaufte Harrington 130 Zeitungen und über 60 Tochterfirmen. Da die meisten Filialen damals, zur Hochzeit des New-Economy-Booms, profitabel arbeiteten, hatte Thomson nach den Verkäufen sehr viel Geld. Zunächst wurde dutzende weitere Informationsdienste aus den Bereichen Recht, Steuern, Buchführung, Bildung, Finanzen, Wissenschaft und Gesundheitswesen akquiriert. Und 2007 machte Thomson ein Übernahmeangebot für die Nachrichtenagentur Reuters in Höhe von 17,6 Milliarden US-Dollar. Reuters war über 80 Jahre vor Gründung der Thomson Corporation entstanden und war eine der wichtigsten, traditionsreichsten Nachrichtenagenturen der Welt. Zum Zeitpunkt der Fusion generierte Reuters allerdings nur etwas mehr als zehn Prozent des Umsatzes mit klassischen Nachrichten. Institutionelle Kunden aus dem Finanzsektor, die über spezielle Terminals mit Finanzdaten beliefert werden, machten den Großteil des Geschäfts aus.

Die Reuters-Historie hatte kurios begonnen: Der Deutsche Paul Julius Reuter (1816-1899) nutzte Mitte des 19. Jahrhunderts eine Lücke im Telegrafennetz zwischen Aachen und Brüssel, um mit Hilfe von Brieftauben Informationen zu versenden. Als die Telegrafenleitung fertig war, eröffnete Reuter 1851 ein Büro in London und betrieb seinen Informationshandel von dort aus über das Calais-Dover-Unterseekabel. In den folgenden Jahrzehnten expandierte Reuters und belieferte britische Zeitungen mit Nachrichten. Zunächst aus Büros in ganz Europa, später aus aller Welt. Während der Weltkriege wurden die Reuters–Berichte von der britischen Regierung zensiert, woraufhin die Eigentümer 1941 den Reuters–Trust einrichteten, um die Unabhängigkeit der Agentur sicherzustellen. Die Grundsätze des Trusts untersagten Beteiligungen von über 15 Prozent. Außerdem hielt die Reuters Founders Share Company Ltd. seit dem Börsengang von 1984 eine „Goldene Aktie“, mit der ein Vetorecht bei Entscheidungen der Hauptversammlung verbunden war. Mit diesen Prinzipien sollten die Überparteilichkeit und Unabhängigkeit gesichert werden.

Reuters konnte seine Position auf dem internationalen Nachrichtenmarkt auch durch eine frühe Adaption neuer Technologien ausbauen. Ab 1923 erfolgte die Nachrichtenübermittlung per Funk, ab 1961 per Satellit und ab 1971 per Computerverbindung. In den 1990er Jahren expandierte Reuters – eine Strategie, die nach Ende des dot.com-Booms zu Beginn des neuen Jahrtausends Probleme mit sich brachte. Das Angebot war zu unübersichtlich geworden; die Kunden kündigten reihenweise die als unflexibel geltenden Reuters-Terminals. Reuters machte zwar Gewinne, verlor jedoch zunehmend Marktanteile an den Hauptwettbewerber Bloomberg. Die Marke Reuters war zudem in den Vereinigten Staaten wenig bekannt und das Unternehmen rutschte kurz darauf zum ersten Mal seit dem Börsengang 1984 in die Verlustzone.

Die Thomson-Reuters-Fusion war wettbewerbsrechtlich umstritten. Der Konzern werde zusammen mit Bloomberg zwei Drittel des Marktes kontrollieren, so das Argument, es entstehe ein Duopol. Überraschenderweise fiel die seit Oktober 2007 laufende Prüfung durch die EU-Kommission als zuständige europäische Kartellbehörde trotz „erheblicher Bedenken" milde aus. Wesentliches Zugeständnis war der Verkauf diverser Datenbanken an Mitbewerber. Die Integration von Reuters in den Thomson-Konzern verlief schleppend, da die Fusion vom April 2008 zur Zeit der globalen Finanz- und Bankenkrise 2007/08 stattfand. Im Zuge der Krise waren immer weniger Investmentfirmen und Fondsmanager bereit, hohe Summen für Reuters-Finanzinformationen und -Marktanalysen zu zahlen. Zudem wurden tausende Mitarbeiter von Banken und Finanzinstitutionen entlassen, viele von ihnen Abonnenten der Fachinformationen von Thomson Reuters.

Nach dem Zusammenschluss hielt die Familie Thomson über ihren Investmentarm Woodbridge 53 Prozent der Aktien. Dies hatte eine Änderung der Reuters–Grundsätze erforderlich gemacht, die Einzelaktionären eigentlich nur einen maximalen Anteil von 15 Prozent gestatteten. Nach der Satzungsänderung galten die Unabhängigkeitsprinzipien des Reuters Trusts für das gesamte neue Unternehmen. Die aus der „Reuters Founders Share Company“ hervorgegangene „Thomson Reuters Founders Share Company“, die über die Einhaltung der Prinzipien des Trusts zur Sicherung der Unabhängigkeit wacht, verfügt mittels der so genannten „Goldene Aktie“ wie ihre Vorgängerin über ein Vetorecht bei Übernahmeversuchen.

Wie es sich an den Umsatz- und Beschäftigtenzahlen, die sich von 2016 bis 2018 quasi halbiert haben, ablesen lässt: „2018 was a watershed year for our company“: 2018 war ein Jahr der Wende für Thomson Reuters, so ein Zitat aus dem Jahresbericht. Seit 2013 wurden tausende Stellen abgebaut, um die Kosten in den Rechts-, Finanz- und Risikoabteilungen zu senken. 2016 verkaufte man z.B. das Geschäftssegment „Intellectual Property & Science Business“ für 3,55 Milliarden Dollar. Die Finanzmarkt-Sparte („Financial & Risk Business“) wurde 2018 ausgegliedert, zunächst mehrheitlich übernommen von der Investmentgesellschaft Blackstone. Ein Verkauf, mit dem Thomson Reuters etwa 17 Milliarden erzielte und einen Anteil von 45 Prozent an dem neuen Unternehmen mit Namen Refinitiv behielt. 2019 übernahm die Londoner Börse des London Stock Exchange den Blackstone-Anteil.

Zum Hintergrund: Vier Player konkurrieren im Geschäft mit Fachinformationen. Neben Thomson Reuters: Bloomberg (Platz 28 im IfM-Ranking 2021), S&P Global (Platz 33) und Fact Set Research Systems (Norwalk, Connecticut. Platz 115 im IfM-Ranking 2021). Bloomberg ist der mit Abstand größte Konkurrent von Thomson Reuters. Der „Bloomberg-Terminal“ aus dem Unternehmen des gleichnamigen früheren New Yorker Bürgermeisters, ein Desktop-Computer, der in Echtzeit neueste Informationen für Broker und Bänker zur Verfügung stellt, hat sich längst gegen Thomson Reuters Konkurrenzprodukt „Eikon" durchgesetzt.

Management

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Seit März 2020 ist Steve Hasker Präsident und Chief Executive Officer von Thomson Reuters. Zuletzt war Hasker bei der Hollywood-Künstleragentur Creative Artists Agency (CAA), davor wiederum von 2009 bis 2014 Chef des Marktforschungsunternehmens Nielsen (Platz 63 im aktuellen IfM-Ranking). Von 1998 bis 2009 war er Partner im Bereich Global Media, Entertainment and Information bei der Unternehmensberatung McKinsey. Und bevor er zu McKinsey kam, war Hasker fünf Jahre lang in verschiedenen Finanzfunktionen in den Vereinigten Staaten, Russland und Australien tätig. Er wuchs in Australien auf und hat im Laufe seiner Karriere in ganz Nordamerika, Europa und Asien gearbeitet.

Geschäftsfelder

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Thomson Reuters seit 2018 ist in fünf reportable segments unterteilt.

Mit dem Segment „Legal Professionals“ werden Kanzleien und Rechtsabteilungen von Unternehmen und Regierungen angesprochen. Forschungs- und Workflow-Produkte werden angeboten, das alles unter Zuhilfenahme von Fachinformationsdiensten wie „Westlaw“, „Sweet & Maxwell“ oder „Carswell“.

 Das „Corporates“-Geschäftssegment richtet sich an corporate customers, darunter die sieben weltweit größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen (in den Bereichen Recht, Steuern, Regulierung und Compliance).

„Tax Professionals“ betrifft Steuer-, Buchhaltungs- und Wirtschaftsprüfungsexperten in weiteren Wirtschaftsprüfungsunternehmen sowie staatliche Steuerbehörden mit Forschungs- und Workflow-Produkten.

„Reuters News“ ist das Mediensegment, das Realtime-Nachrichten aus Wirtschaft, Finanzen sowie aus dem In- und Ausland liefert an Zeitungen, TV-Sender, Radios und Websites.

„Global Print“: Bietet Kunden weltweit rechtliche und steuerliche Informationen hauptsächlich in gedruckter Form.

Aktuelle Entwicklungen

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Inhalte

Institut für Medien- und Kommunikationspolitik

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