De Morgen

Die belgische Zeitung „De Morgen“ (Der Morgen)  ist anders als viele Tageszeitungen. Sie ist kleiner und bunter, sie wirkt lebendiger und moderner, sie erscheint ohne Lokalteil und mit umfangreichen Wochenendbeilagen. Das niederländischsprachige Blatt ist – folgt man den Juroren des European Newspaper Design Awards – schlicht seiner Zeit voraus. Als „Europe’s Best Designed Newspaper“ wurde es gleich zweimal, 2004 und 2006, ausgezeichnet. Eingestuft wurde „De Morgen“ in dem Wettbewerb als „überregionale Tageszeitung“, dabei ist die Zeitung keineswegs ein nationales Medium und kann es in ihrem zerrissenen Heimatland wohl auch nicht sein. In Flandern verkauft „De Morgen“ mittlerweile beachtliche 50.000 Exemplare pro Tag. Damit rangiert die Zeitung auf Rang Zwei unter den Qualitätszeitungen, deutlich hinter „De Standaard“ und knapp vor „De Tijd“. Im Zeitungskopf firmiert sie als „unabhängige Tageszeitung“ („onafhankelijk dagblad“), der Verlag vermarktet „De Morgen“ als eine „attraktive, junge, dynamische Qualitätszeitung“.

„De Morgen“ hat immer schon großen Wert auf die Gestaltung gelegt, insbesondere der Titelseiten. Aus frühen Jahren gibt es auch Beispiele anarchischer Gestaltungslust, in den letzten Jahren dominierte jedoch professionelles Design. Während andere Qualitätstitel noch überlegten, wie man in Bleiwüsten zumindest einige Oasen für den Leser schafft, plagten den Art Director von „De Morgen“ schon ganz andere Sorgen. „Eine Zeitung muss eine Zeitung bleiben“, sagte Martin Huisman und warnte vor einer allzu weitgehenden „Magazinisierung“ seines Blatts. Die moderne Gestaltung hat jedenfalls die Juroren des European Newspaper Design Awards mehrfach überzeugt. Der Gründer des Wettbewerbs, der erfahrene Zeitungsdesigner Norbert Küpper, sprach ihr großes Lob aus. Wie die Zeitung der Zukunft aussehe? „Sie hat ein kleines Format, ist durchgängig farbig, hat ein leserfreundliches Inhaltsverzeichnis und bietet einen vollständigen Überblick über alle wichtigen Themen des Tages“, meint Norbert Küpper. „Der Inhalt ist (…) ungewöhnlich, überraschend. (...) ,De Morgen’ enthält weit mehr als nur Meldungen von Nachrichtenagenturen. Das Blatt geht seinen eigenen Weg.“

Basisdaten

Hauptsitz (Verlag):
De Persgroep NV
Brusselsesteenweg 347
B-1720 Kobbegem
Internet: www.persgroep.be

Geschäftsführung (Verlag):

  • Chairman of the Board: Ludwig Criel
  • Chief Executive Officer:  Christian van Thillo

Hauptsitz (Zeitung):
Arduinkaai 29
B-1000 Brüssel
Tel.: 0032 2 5566811
Internet: www.demorgen.be
E-Mail: info(at)demorgen.be

Redaktion De Morgen:

  • Chefredakteur: Klaus Van Isacker
  • General Manager: Rudy Bertels
  • Editorial Manager: Jaak Smeets


Verkaufte Auflage (2008):  54.754 Exemplare
Reichweite (2008): zirka 265.000 Leser
Erscheinungsweise:  täglich außer sonntags
Verkaufspreis: werktags 1,10 Euro, samstags 2,40 Euro
Jahresabo: 278 Euro

Für die Zeitung arbeiteten 2009 nach Verlagsangaben 82 festangestellte Journalisten und rund 40 freie Mitarbeiter. Sie erscheint mit sechs Ausgaben pro Woche von Montag bis Samstag. Die Wochenendausgabe ist außergewöhnlich umfangreich. Ihr liegt das „DM Magazine“ bei, hinzu kommen etliche Beilagen mit folgenden inhaltlichen Schwerpunkten: Fotos, Nachrichten, Wirtschaft, Sport, Reise/Freizeittipps und frauenspezifische Themen.

 

Tab. I: Ökonomische Basisdaten Verlagsgruppe De Persgroep (in Mio. Euro)
De Persgroep200920082007200620052004
Umsatz796,1555,3533,5494,2433,7384,1
Gewinn26,437,234,220,418,127,7
Mitarbeiter258215301514150813631169

 

 

Tab. II: Ökonomische Basisdaten De Persgroep-Sparte "Publishing Business"
Sparte "Publishing Business"200920082007200620052004
Umsatz613,6365,3356,8330,6294,6246,5
Gewinn17,922,522,318,218,820,1
Mitarbeiter22071142114611401071894

Geschichte und Profil

Am 1. Dezember 1978 erscheint eine neue „Progressive Zeitung für Flandern“. So heißt es im Zeitungskopf von „De Morgen“ („Progressief Dagblad voor Vlaanderen“), diesem neuen ‚Tagblatt’. Die Zeitung kann am ersten Erscheinungstag an eine fast hundertjährige Tradition anknüpfen. „De Morgen“ hat zwei Vorläufer: „Vooruit“ aus Gent, gegründet 1884, und „Volksgazet“ aus Antwerpen, gegründet 1914. Beide Zeitungen sind dem linken Lager zuzurechnen und waren eng mit der Arbeiterpartei bzw. der Sozialistischen Partei verbunden. „Vooruit“ diente als Parteizeitung, an die Parteimitgliedschaft war ein Abonnement gebunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Zeitung ohne die Pflichtabos überleben, was ihr zunächst ganz gut gelang.

Doch in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann der Niedergang. Es ist ein Schicksal, das in vielerlei Hinsicht dem der „Volksgazet“ gleicht. Auch diese linke Zeitung konnte schließlich nur mehr schlecht als recht überleben. Als Fortsetzung der beiden Misserfolgsgeschichten erscheint „De Morgen“.

Die neue Zeitung unterschied sich dennoch deutlich von ihren Vorgängern: Die Redaktion war geprägt von jungen Journalisten, die aus der 68er-Bewegung stammten oder dieser nahe gestanden. Erster Chefredakteur wird Paul Goossens, ehemals einer der führenden Köpfe der flämischen Studentenbewegung und danach Redakteur bei „De Standaard“. Er steht der Zeitung mehr als ein Jahrzehnt, von 1978 bis 1991, vor. Seine Redaktion sorgt mit einfallsreichen, teilweise anarchisch anmutenden Einfällen für Aufsehen.

Drei Beispiele seien genannt: Am 14. Juni 1986 überrascht die Redaktion mit einer Titelseite, die unter einem Zeitungskopf auf Russisch einen fiktiven Aufruf des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der UdSSR an die „belgischen Kameraden“ enthält; Anlass ist das Fußballspiel der belgischen Nationalmannschaft gegen das Team der UdSSR bei der Weltmeisterschaft. Und gut ein Jahr später, im Sommerloch des Jahres 1987, erscheint die Ausgabe vom 6. August als „de komkommer“ (die Gurke). Unter dem veränderten Zeitungskopf ist eine riesige Gurke abgebildet, die in einem See schwimmt, und darüber ist die Schlagzeile zu lesen: „Monsterfrucht in Loch Ness!“ Ein drittes Beispiel: Als im Dezember 1986 das Computersystem ausfällt und nicht auf die Schnelle wiederherzustellen ist, kommen die Redakteure angesichts des näher rückenden Redaktionsschlusses auf eine besondere Idee. „Eine Tageszeitung muss jeden Tag erscheinen“, verfügt Chefredakteur Goossens – und seine Redakteure schreiben mit der Hand. So ist am nächsten Tag, am 10. Dezember 1986, handgeschrieben auf der Titelseite zu lesen: „Wer schreibt, der bleibt“ („Wie schrijft, die blijft“).

Allerdings ist es jahrelang nicht sicher, ob „De Morgen“ wirklich bleiben wird: In wirtschaftlicher Hinsicht tut sich die Zeitung seit der Gründung äußert schwer. Alle erfrischende Kreativität kann nicht verhindern, dass die neue Zeitung unter den alten Problemen leidet. Wie ihren Vorgängerblättern mangelt es „De Morgen“ an Geld. Die Auflage erreicht maximal 30.000 Exemplare und liegt häufig deutlich darunter. Hinter der Zeitung stehen Geldgeber aus dem linken Spektrum: Neben der Sozialistischen Partei handelt es sich um die Sozialistische Krankenversicherung sowie um die in der ABVV zusammengeschlossenen Gewerkschaften. Letztere ziehen sich wenige Jahre nach der Gründung zurück, und auch die Sozialistische Partei ist schließlich immer weniger bereit, die verlustreiche Zeitung zu alimentieren. Ende Oktober 1986 droht der Zeitung das Ende. Am 31. Oktober bringt die Redaktion eine „Notzeitung“ heraus. Statt „De Morgen“ heißt es im Zeitungskopf „De Moord“ (Der Mord), darunter findet sich eine Karikatur des bekannten Zeichners Jacques Moeraert, der die Figur sagen lässt: „Es geht ,De Morgen’ gut! Wir haben nun auch einen Vollzeit-Konkursverwalter!“  Weil sich zunächst kein Investor findet, bittet die Redaktion die Leser um Unterstützung und sichert auf diese Weise das weitere Erscheinen. Die Schlagzeile am 3. November 1986 lautet dementsprechend: „De Morgen bedankt sich!“ Allerdings bleibt die finanzielle Lage der Zeitung äußerst schwierig, weil auch die Auflage niedrig bleibt. 1989 steht die Zeitung erneut vor dem Aus.

So wird sie schließlich von der belgischen Verlegerfamilie Van Thillo übernommen. Es ist eine Übernahme, die von der Redaktion äußerst misstrauisch betrachtet werden muss: Van Thillo gibt auch das vergleichsweise konservative und boulevardeske Blatt „Het Laatste Nieuws“ heraus, die auflagenstärkste Zeitung des Landes; auf dem deutschen Markt käme dies also einem Kauf der „taz“ durch den Springer-Konzern nahe. In den folgenden Jahren fällt die Zeitung nicht mehr mit verqueren Ideen, wie Sommerloch-Gurken-Titelblättern auf, dennoch zeigt die Redaktion weiterhin eine ungewöhnliche Gestaltungskraft gerade auf der Titelseite. Sie experimentiert gekonnt mit den Mitteln von Bild und Text und wagt zuweilen eine reduzierte und pointierte Gestaltung der Titelseite, wie sie bei manchen Zeitschriften üblich ist. Auch hier sind drei besondere Beispiele zu nennen, die charakteristisch für die Blattgestaltung sind: Nachdem am 20. Oktober 1996 rund 300.000 Menschen auf die Straße gegangen sind, um der Opfer des Kinderschänders Marc Dutroux zu gedenken, verzichtet die Zeitung auf ihrer Titelseite auf Wörter und zeigt ein ganzseitiges Foto des Ereignisses. Nach Wahlerfolgen der separatistischen und rechtsextremen Partei „Vlaams Blok“, erscheint die Zeitung am 9. Oktober 2000 mit einer schwarzen Titelseite, die einer Todesanzeige nachempfunden ist und die Trauer um „Antwerpen, Gent, Mechelen und viele andere“ verkündet. Und am Tag nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA kommt die Titelseite mit einem einzigen Foto und zwei Wörtern aus: Das Foto zeigt den Einsturz eines Hochhauses, die Wörter lauten „APOCALYPSE NOW“.

Seit dem Eigentümerwechsel geht es „De Morgen“ wirtschaftlich besser. Die Auflage entwickelt sich positiv und steigt auf bis zu 50.000 Exemplare. Um das Jahr 2000 übertrumpft „De Morgen“ mit seiner Auflage „De Tijd“ und wird damit zur größten Qualitätszeitung hinter dem Marktführer „De Standaard“. Die Zeitung arbeitet auch in den folgenden Jahren stark an ihrem Erscheinungsbild. Ein entscheidender Schritt wird 2006 getätigt. Eine neue Druckmaschine verbessert die Druckqualität erheblich (KBA Cortina, wasserloser Offset-Druck). Das neue, bei Lokeren errichtete Druckzentrum, steht für eine der größten Investitionen im belgischen Zeitungsdruck in den letzten Jahren. Nach Verlagsangaben beläuft sich die investierte Summe auf mehr als 100 Millionen Euro. Die Zeitung kann nun durchgängig vierfarbig gedruckt werden. Zugleich stellt „De Morgen“ auf ein neues Papier, auf  eine neue Typographie und auf das kleinere Berliner Format um (470 mal 1260 Millimeter statt 365 mal 515 Millimetern). Unterstützt wird die Umstellung vom Zeitungsdesigner Mario Garcia. Inhaltlich werden klare Schwerpunkte gesetzt: Wenige längere Texte, mehr kürzere Texte – so soll dem Leser die Orientierung erleichtert werden.

Die Zeitung erinnert damit zunehmend an eine Zeitschrift. „Dank des erhöhten Farbeinsatzes und des Berliner Formats tritt eine ,Magazinisierung’ nun deutlicher in Erscheinung“, beschreibt Martin Huisman, der als Art Director für die Reformen zuständig ist, in einem Interview die Veränderungen. „Wir waren uns jedoch im Klaren darüber, dass wir nicht das Erscheinungsbild eines Magazins nachahmen wollten, denn dann betrachten die Leser die Publikation eher als Zeitschrift und nicht als Zeitung, was nicht gut ist. Unser Ziel bestand darin, beide Medien zu kombinieren und ,De Morgen’ einen schöneren und modernen Look zu geben.“ Auch die Arbeitsabläufe sind laut Huisman neu organisiert: „Wir arbeiten nun in Zweierteams. Neben einem Redakteur sitzt stets ein Layouter und beide tragen Verantwortung für die Seiten, die sie erstellen.“

Die Gestaltung wurde mehrfach prämiert. Bei den „European Newspaper Awards 2008“ gewinnt die Zeitung vier Einzelpreise, und zwar in den Bereichen Illustration, Beilagen, Magazine und „Special: Finanzkrise“.  In den Vorjahren räumt sie zweimal den Gesamtsieg in der Kategorie „Überregionale Zeitung“ ab. Sowohl im Jahr 2004 als auch im Jahr 2006 kürt die Jury die belgische Zeitung zu „Europe’s best designed Newspaper“. Beim 6. European Newspaper Award (2004) begründet die Jury ihr Urteil wie folgt: „De Morgen fiel der Jury in vielen Kategorien auf: Titelseiten, Foto-Reportagen, Beilagen. Warum? Man folgt hier keinem Mainstream, sondern die spielt die eigene Kreativität wird voll aus. Das Ergebnis ist eine Zeitung, die sich durch den individuellen, unverwechselbaren Duktus stark von allen anderen abhebt. So stellen wir uns eine europäische Zeitung vor: De Morgen ist unverwechselbar, individuell, kreativ.“
Als die Juroren zwei Jahre später, beim 8. European Newspaper Award (2006), die neu gestaltete Zeitung betrachten, sind sie nicht weniger begeistert. Sie finden die folgenden lobenden Worte: Die Zeitung „hebt sich bereits durch die Titelseite von allen anderen Zeitungen im Wettbewerb ab: die Seite Eins ist durch ein variantenreiches Layout und viele kleine Nachrichten-Elemente geprägt. Oft steht der Zeitungskopf nahe der Seitenmitte. Auf Innenseiten fällt der großzügige Umbruch über Doppelseiten auf. Bildgrößen und Bildschnitte sind auf allen Seiten vorbildlich, Faktenboxen gliedern lange Artikel. Insgesamt erhält De Morgen durch das neue Layout ein jugendliches, positives und zukunftsorientiertes Image. Mehr kann man mit den Mitteln des Zeitungsdesigns, wie Farbgebung, Typographie und Fotos, nicht erreichen.“

Verlagsüberblick, Management und Geschäftsfelder

Die Zeitung gehört zu „Persgroep Publishing“, einer 100-Prozent-Tochter des Konzerns „De Persgroep NV“, der sich in den Händen der Familie Van Thillo befindet. Zu den Publikationen von „De Persgroep“ zählen unter anderem fünf Zeitungen (Het Laatste Nieuws/De Nieuwe Gazet, De Morgen, De Tijd, L’Echo, Het Parool) und sieben Zeitschriften (Dag Allemaal/Expres, TV Familie/Blik, Joepie, Goed Gevoel, NINA, Dmmagazine, Vacature). Zum Verlag gehören außerdem mehrere Fernseh- und Radiosender sowie Druckereien. „De Persgroep“ ist vor allem auf dem belgischen – insbesondere dem flämischen – Markt tätig, seit einigen Jahren kommen Aktivitäten in den Niederlanden hinzu (2003 „Het Parool“ und 2005 „Q-Music Nederland“).

Vorstandsvorsitzender ist Christian Van Thillo. Der Manager, Jahrgang 1962, stieg nach einem Jura-Studium an der Katholischen Universität Leuven (Belgien) und dem MBA-Abschluss von der Duke University (North Carolina, USA) im Alter von 27 Jahren in das Management des Familienunternehmens ein. Ab 2003 war Van Thillo für knapp drei Jahre Mitglied des Aufsichtsrats der Bertelsmann AG. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Gerd Schulte-Hillen sagte anlässlich der Berufung Van Thillos, er „habe die gekonnte Restrukturierung der Persgroep verfolgt“, und bezeichnete Van Thillo als „einen unabhängigen Medienunternehmer der jüngeren Generation“. Van Thillo selbst hat in einem Interview einmal gesagt: „Es ist wahr, dass unsere Wettbewerber die Tatsache hassen, dass wir ein großes Unternehmen in einer kleinen Region sind.“ Beim Konkurrenten „De Standaard“ klingt sogar etwas Neid an. „Er verdient mit soviel Gespür Geld, dass er dafür rundum Bewunderung erntet“, schrieb die Zeitung einst.

Neue Geschäftsmodelle und Beteiligungen

Im Jahr 2009 hat das Unternehmen einen großen Schritt auf dem niederländischen Markt unternommen. Bekannt gegeben wurde eine 51-Prozent-Beteiligung am niederländischen Verlag „PCM Uitgevers BV“, der mehrere wichtige niederländische Zeitungen herausgibt: „Volkskrant“, „NRC Handelsblad“ und dessen Ableger „Nrc.next“ sowie „Trouw“ und die zweitgrösste Zeitung des Landes „Algemeen Dagblad“.

Internetpräsenz und Online-Performance

„Zeitungen sind in einer phantastischen Position, um online zu gewinnen“, hat Christian Van Thillo auf der Konferenz „Digital News Affairs 2008“ gesagt. „Die größte Zahl von Journalisten findet sich nach wie vor bei Zeitungen – newspapers understand news.“ In seinem Unternehmen hat er die Online-Redaktionen für die verschiedenen Titel zusammengefasst: „De Persgroep“ hat eine gemeinsame Online-Redaktion mit 20 Journalisten für verschiedene Internet-Auftritte (demorgen.be, hln.be u.a.). Zwei Journalisten kümmern sich nach Verlagsangaben besonders um den Internet-Auftritt von „De Morgen“ und organisieren den Nachrichtenaustausch mit der Print-Redaktion.

Der Web-Auftritt erfuhr im Oktober 2008 einen umfassenden Relaunch (‚De Morgen 3.0’). Als Vorbilder hätten „erfolgreiche internationale Qualitätszeitungsseiten wie ,The Guardian’, ,The Times’, ,El Pais’ und ,The New York Times’“ gedient, verkündete der Verlag, die neuen Seiten seien „klar und tiefgründig“. Im Juni 2009 wurden im Durchschnitt knapp 76.000 Unique Visitors pro Tag gezählt.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Im Frühjahr 2009 kam es zu einem Streik in der Redaktion, weil 13 Mitarbeiter, darunter einige bekannte Journalisten, gekündigt werden sollen. „Eine Tageszeitung muss jeden Tag erscheinen“ – dieser Satz des ehemaligen Chefredakteur Paul Goossens gilt nicht mehr. Die Zeitung erscheint zum ersten Mal in ihrer Geschichte nicht. Die Kolumnisten beklagen öffentlich, dass die Kündigungen „die Qualität der Zeitung in Gefahr“ brächten.

Hinter diesem Streik steht ein Konflikt, wie ihn so viele Printmedien gerade in Krisenzeiten austragen: Eine anspruchsvolle Redaktion, die mangelhafte Kapazitäten für qualitativ hochwertigen Journalismus fürchtet, sieht sich bedrängt von einem modernen Management, das die Rentabilität eines Medienkonzerns wahren oder erhöhen will. Bei einem Blatt mit einer solch besonderen Geschichte wie „De Morgen“ ist das Problembewusstsein und das Konfliktpotential wohl besonders groß, auch wenn längst eine neue Generation von Journalisten in der Redaktion tätig ist (die heutige Führungsspitze der Redaktion – Klaus Van Isacker und Bart Van Doorne –  stammt nicht aus der Studentenbewegung, sondern kommt vom flämischen Privatsender VTM).

Die Diskussion entzündet sich bei „De Morgen“ auch an der Frage, ob „Synergieeffekte“ zwischen den verschiedenen Titeln des Konzerns erzielt werden können und sollten. Bei den Online-Auftritten gibt es bereits, wie beschrieben, eine gemeinsame Redaktion. Auch für die Print-Redaktion von „De Morgen“ existieren Kooperationen, wenn auch bislang erst in einzelnen Bereichen. So werden mit „Het Laatste Nieuws“ Informationen aus dem Bereich Sport ausgetauscht, mit „De Tijd“ aus dem Bereich Wirtschaft. Der damalige Chefredakteur Peter Mijlemans verteidigt diese Kooperation im Jahr 2007 gegen Kritik: Es handele sich um „zwei Bereiche, die für die Zeitung nicht die allerwichtigsten sind“, und die Redaktion habe „für das Minimum-Szenario optiert, so dass die Unabhängigkeit der Berichterstattung garantiert werden kann“. Nichtsdestoweniger werden immer wieder Sorgen geäußert, dass die Eigenständigkeit der einzelnen Redaktionen eingeschränkt werden könnte.

In diesem Zusammenhang wird auch kritisch über einen Umzug der Redaktion aus Brüssel nach Kobbegem diskutiert, wo sich der Unternehmenssitz von „De Persgroep“ befindet und wo bereits „Het Laatste Nieuws“ entsteht. Eine große Zahl von Redaktionsmitgliedern protestiert im Oktober 2008 gegen entsprechende Unternehmenspläne, weil „nicht allein die inhaltliche Unabhängigkeit der Redaktion, sondern auch die Lebensfähigkeit der Marke ,De Morgen’ in Gefahr“ sei. Der Flämische Journalistenverband (Vlaamse Vereniging van Journalisten) fragt zu diesem Zeitpunkt bereits: „Ist Flandern in absehbarer Zeit erneut um einen unabhängigen Zeitungstitel ärmer?“ Im Frühjahr 2009 wird eine Vereinbarung zwischen Redaktion und Verlag bekannt, den Umzug zumindest nicht in den nächsten zwei Jahren vorzunehmen.

Referenzen/Literatur