Zeitungen hinter Bezahlmauern: The Daily vs New York Times

18.03.2011

Die New York Times führt Ende März weltweit eine Bezahlschranke für ihren Webauftritt ein. Bereits seit Anfang Februar veröffentlicht der Medienkonzern News Corp. seine Onlinezeitung "The Daily", die ausschließlich als kostenpflichtige App für Tablet-Computer, insbesondere Apples iPad, erscheint. News Corp. und die "Times" nehmen mit ihren Paywall-Strategien eine Vorreiterrolle in der internationalen Zeitungslandschaft ein. Mit gespanntem Interessen verfolgen andere Zeitungshäuser, ob es den Unternehmen mittels der Einführung von Abogebühren gelingt, fehlende Anzeigenerlöse im Web zu kompensieren. Die Redaktion von mediadb.eu hat die paid content-Strategien der beiden Unternehmen zusammengefasst und im Hinblick auf mögliche Vor- und Nachteile analysiert:

New York Times:
Ab dem 28. März wird jeder User der Homepage der New York Times zur Kasse gebeten, der im Monat mehr als 20 Artikel lesen möchte (15 US-Dollar für iPhone-App/Webzugang, 20 Dollar für iPad-App/Webzugang, oder 35 Dollar für beides zusammen). Ausgeschlossen von dieser Regelung sind Print-Abonnenten der Zeitung ebenso wie Internetnutzer, die per Link von einer Suchmaschine, eines Blogs oder einem sozialen Netzwerk auf die Homepage geleitet werden. Analysten zufolge gibt es derzeit rund vier Millionen Menschen, die mehr als 20 New York Times-Artikel im Monat online abrufen. Von diesen würden, so die Prognose, rund 500 000 bereit sein, für den Zugang zu nytimes.com zu zahlen, was dem Unternehmen pro Jahr zusätzliche Einnahmen in der Höhe von 100 Millionen US-Dollar einbringen würde. Der "Times"-Verantwortliche Andrew Ross Sorkin hat in Interviews Wert darauf gelegt, dass die Zeitung keine Bezahlmauer (wie News Corp. s.u.) einführt, sondern eine Art Verbrauchszähler, die nur Gebühren von sogenannten heavy users verlangt. Nichtsdestotrotz hat das Vorhaben bei Kommentatoren massive Kritik ausgelöst. Die monatliche Gebühr sei zu teuer und würde loyale Leser für ihren Besuch auf der Homepage "bestrafen". Das Abrechnungsmodell sei inkonsequent und verwirrend. 99 Prozent der Leser würden unmittelbar nach der Aufforderung, zu zahlen, die Seite verlassen und das nach wie vor reichhaltige Angebot an Gratis-Alternativen nutzen: u.a. Huffington Post, Guardian sowie die diversen Webauftritte öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehsender.

News Corp.:
Die bald auch in Europa erhältliche iPad-Zeitung "The Daily" verfolgt hingegen eine klassische Paywall-Strategie: Ausschließlich zahlende User, die eine entsprechende App bzw. ein Abonement erworben haben, können das Blatt lesen. Seit dem Start Anfang Februar wurde die App jedoch als kostenlose Test-Version angeboten. News Corps Digitalchef Jonathan Miller spricht in diesem Zusammenhang von einem "Moment der Wahrheit", wenn der Konzern ab der nächsten Woche alle Test-Kunden auffordert 99 Cent pro Woche oder 39,99 US-Dollar im Jahr zu zahlen. Experten gehen davon aus, das bisher nur 5000 Menschen ein Abo von The Daily abgeschlossen haben, Zahlen, die News Corp. vehement bestreitet, ohne jedoch eigene Angaben über Nutzerzahlen zu machen. Um die Investitionskosten (30 Millionen US-Dollar bis Ende Juni 2011) wieder auszugleichen, bräuchte The Daily 75,000 zahlende Abonnenten. Zwar ist es News Corp. mit der Errichtung einer Bezahlmauer für den Webauftritt des Wall Street Journals gelungen, ein rentables Bezahl-Modell aufzubauen. Als das Unternehmen im Sommer 2010 jedoch Gleiches für die Homepage der Londoner "Times" versuchte, ging der Web-Traffic unmittelbar um 90 Prozent zurück. Kritiker von "The Daily" bemängeln unter anderem den "Ghetto-Charakter" der Zeitung (Verlinkungen auf externe Inhalte sind in der App nicht vorgesehen) sowie die mangelnde Aktualität und Interaktivität ("The Daily" wird wie jede gedruckte Zeitung am Vortag für den Tag darauf produziert und hat einen abendlichen Redaktionsschluss, nach dem die Ausgabe nicht mehr verändert werden kann). Außerdem zeichnet es sich ab, dass iTunes-Kunden generell wenig Interesse an kostenpflichtigen Nachrichten-Apps haben und in erster Linie für Games, Musik oder TV-Episoden zahlen. So hat beispielsweise die iPad-Ausgabe des Tech-Magazines Wired 30,000 Leser, während die gedruckte Ausgabe eine Auflage von 750 000 Exemplaren aufweist.

Mehr dazu:

- Techcrunch: All You Need To Know About The NYTimes.com Paywall (17.3.2011)

- New York Times: A Letter to Our Readers About Digital Subscriptions (17.03.2011)

- Guardian: Rupert Murdoch's the Daily to launch in UK soon (16.03.2011)